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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger sowie die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Promenade 3, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 1. August 2013, Zl. 322.851/2-III/4/13, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des aus dem Kosovo stammenden Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 7. Februar 2007 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am 8. Februar 2007 habe er einen Asylantrag gestellt. Über diesen Antrag sei in erster Instanz vom Bundesasylamt "am 12.06.2007 negativ entschieden" worden. Gegen den Beschwerdeführer sei auch eine asylrechtliche Ausweisung erlassen worden. Eine gegen den im Asylverfahren erlassenen erstinstanzlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde habe der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 7. September 2011, rechtskräftig seit 9. September 2011, abgewiesen.
Die Mutter, eine Schwester und zwei Brüder des Beschwerdeführers lebten in seinem Heimatland, weshalb er dort noch Bindungen aufweise. Dort habe er die Grundschule besucht. Er sei in der "elterlichen Landwirtschaft tätig" gewesen. Zwei Schwestern hielten sich in der Schweiz auf; eine Schwester lebe in Belgrad und eine weitere in Deutschland. Ein Bruder, bei dem der Beschwerdeführer derzeit in E wohne, lebe mit seiner Familie in Österreich.
Am 24. Oktober 2011 habe der Beschwerdeführer den hier gegenständlichen Antrag eingebracht. Dem Antrag seien ein "Sprachzertifikat der Niveaustufe A2 in Deutsch", eine Erklärung des Bruders des Beschwerdeführers "über die kostenfreie Wohnungsmitbenützung und Übernahme Ihrer Kosten", ein Arbeitsvorvertrag als Küchengehilfe, eine "ablehnende Bescheidausfertigung des AMS T", ein "Mietvertrag Ihres Bruders über dessen Wohnung" und eine "Bestätigung der Stadtgemeinde E über die Meldung an der genannten Wohnung von insgesamt 9 Personen" beigelegt worden.
Die Behörde erster Instanz habe den Antrag mit Bescheid vom 13. November 2012 "gemäß § 41a Abs. 9 iVm § 44b Abs. 1 Z 1 NAG abgewiesen". Begründet habe sie dies damit, dass gegen den Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 7. September 2011 eine rechtskräftige Ausweisung "inklusive einer Art. 8 EMRK-Abwägung" erlassen worden wäre. Eine Gesamtbetrachtung würde zu dem Ergebnis führen, dass "keine berücksichtigungswürdigen Aspekte im Hinblick auf Art. 8 EMRK erkennbar" wären.
Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen sei der Asylgerichtshof - so die belangte Behörde in ihrer eigenen Begründung - zum Ergebnis gelangt, dass die Erlassung einer Ausweisung gegen den Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig sei. Dies schließe es bei unveränderten Verhältnissen aus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten wäre. Mit einer Antragszurückweisung (nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) sei nur dann nicht vorzugehen, wenn im Hinblick auf - seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung eingetretene - maßgebliche Sachverhaltsänderungen eine neuerliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK erforderlich sei.
Die Nahebeziehung zum Bruder und die finanzielle Abhängigkeit von ihm habe der Asylgerichtshof bereits im Rahmen seiner Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK berücksichtigt. Dieser habe aber auch ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer lediglich aufgrund eines Asylantrages in Österreich habe aufhalten dürfen. Zwar halte er sich seit dem Jahr 2007 in Österreich auf, jedoch habe er zu keiner Zeit genügend Veranlassung gehabt, von einer Erlaubnis zu einem dauerhaften Aufenthalt in Österreich ausgehen zu dürfen.
Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände, nämlich die mittlerweile abgelegte Deutschprüfung sowie das Vorliegen von Einstellungszusagen bzw. Arbeitsvorverträgen und einer Liste mit "Unterstützungsunterschriften", wiesen aber nicht eine derartige Bedeutung auf, dass in einer Gesamtbetrachtung vom Vorliegen eines seit der Ausweisungsentscheidung maßgeblich geänderten Sachverhaltes iSd § 44b Abs. 1 NAG ausgegangen werden könnte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (1. August 2013) nach den Bestimmungen des NAG in der Fassung des BGBl. I Nr. 68/2013 richtet.
Vorweg ist - im Hinblick auf das darauf Bezug nehmende Beschwerdevorbringen - darauf hinzuweisen, dass der Formulierung des Spruches des angefochtenen Bescheides ungeachtet sprachlicher Ungenauigkeiten doch ohne jeden Zweifel zu entnehmen ist, dass damit der in erster Instanz erfolgte Ausspruch einer Antragsabweisung in Anwendung des § 66 Abs. 4 AVG in eine Antragszurückweisung abgeändert wurde. Dass dies nicht dem in der Berufung enthaltenen Begehren entspricht, ändert nichts an der Zulässigkeit einer solchen Vorgangsweise.
Nach § 44b Abs. 1 Z 1 NAG sind, liegt kein Fall des § 44a Abs. 1 NAG vor, Anträge gemäß § 41a Abs. 9 oder § 43 Abs. 3 NAG als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
Der Sache nach ist der Zurückweisungsgrund des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet. Die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, können daher auch für die Frage, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 44b Abs. 1 NAG vorliegt, herangezogen werden. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides (bezogen auf § 44b Abs. 1 NAG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2013/22/0161, mwN).
Unter Bedachtnahme auf die seit der Ausweisung vergangene Zeit und unter Würdigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände, nämlich die Verbesserung der Deutschkenntnisse, der Existenz von Arbeitsplatzzusagen und der vorhandenen Unterstützungserklärungen, kann nicht gesehen werden, dass Sachverhaltsänderungen vorlägen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen bei der hier anzustellenden Prognose den Schluss zugelassen hätten, es wäre - auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung - eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK zumindest möglich (vgl. zu ähnlichen Konstellationen die hg. Erkenntnisse vom 19. Dezember 2012, Zl. 2012/22/0202, und vom 17. April 2013, Zl. 2013/22/0006).
Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass auch unter Berücksichtigung der bisherigen Gesamtaufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich die von ihm ins Treffen geführten Umstände keine solche Änderung der Sachlage seit der rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung bewirkt haben, sodass eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 EMRK erforderlich gewesen wäre.
Die Auffassung der belangten Behörde, der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag sei gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG zurückzuweisen, begegnet sohin keinen Bedenken.
Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 9. September 2013
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2013220215.X00Im RIS seit
03.10.2013Zuletzt aktualisiert am
24.10.2013