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41/02 Melderecht;Norm
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der N, (geboren am 10. Juli 1967), in Mayrhofen, vertreten durch Dr. Klaus Dengg, Rechtsanwalt in 6280 Zell am Ziller, Talstraße 4 A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. April 1998, Zl. III 95/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 7. April 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, dem Beschwerdevorbringen zufolge eine kroatische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2 iVm den §§ 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei von der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (der erstinstanzlichen Behörde) seit 1989 wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen (nach dem Passgesetz 1969, der Straßenverkehrsordnung, dem Kraftfahrgesetz, dem Meldegesetz und dem Ausländerbeschäftigungsgesetz) rechtskräftig bestraft worden, und zwar u.a.
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mit Strafverfügung vom 26. März 1996 wegen Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 iVm § 22 Abs. 1 Z. 1 Meldegesetz, weil sie am 2. Februar 1996 in einer Wohnung in Achenkirch Unterkunft genommen und es unterlassen habe, dies innerhalb von drei Tagen nach Zuzug bei der zuständigen Meldebehörde anzumelden,
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mit Straferkenntnis vom 26. März 1996 wegen Verwaltungsübertretung nach § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz, weil sie einen kroatischen Staatsangehörigen zumindest am 1. Februar 1996 bei der Sommerrodelbahn Achenkirch beschäftigt habe, obwohl sie nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Beschäftigungsbewilligung gewesen sei und der Ausländer auch nicht über eine Arbeitserlaubnis bzw. einen Befreiungsschein verfügt habe,
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mit Strafverfügung vom 21. Juni 1996 wegen Verwaltungsübertretung nach § 13 iVm § 31 Abs. 1 lit. b Tiroler Veranstaltungsgesetz, weil sie in der Nacht des 1./2. März 1996 in ihrem Gastgewerbebetrieb in Achenkirch eine anmeldepflichtige Veranstaltung in Form eines Unterhaltungsabends mit "Liveband" veranstaltet und die ordnungsgemäße schriftliche Anmeldung beim Bürgermeister der Gemeinde Achenkirch unterlassen habe,
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mit Straferkenntnis vom 10. November 1997 wegen Verwaltungsübertretungen nach § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz, weil sie als handelsrechtliche Geschäftsführerin und zur Vertretung nach außen berufenes Organ der N.G. GmbH dafür verantwortlich gewesen sei, dass von dieser GmbH in Ried im Zillertal die kroatischen Staatsangehörigen K.D. zwischen 25. April 1997 und 2. Mai 1997 und S.M. zwischen 17. Mai 1997 und 17. Juni 1997 beschäftigt worden seien, obwohl die GmbH nicht im Besitz der hiefür erforderlichen Beschäftigungsbewilligungen gewesen sei und die Ausländerinnen auch nicht über eine Arbeitserlaubnis bzw. einen Befreiungsschein verfügt hätten.
Ferner sei die Beschwerdeführerin vom Bezirksgericht Zell am Ziller mit in Rechtskraft erwachsener Strafverfügung vom 16. Juli 1997 wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt worden, weil sie in der Zeit von 16. Juni 1997 bis 22. Juni 1997 in Ried bzw. Mayrhofen eine Urkunde, über die sie nicht habe verfügen dürfen, nämlich den Reisepass der S.M. dadurch, dass sie diesen ihr nicht ausgefolgt habe, mit dem Vorsatz unterdrückt habe, zu verhindern, dass der Reisepass im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses bzw. einer Tatsache, und zwar zur Ausreise der S.M. aus Österreich, gebraucht würde.
Das Gesamt(Fehl-)verhalten der Beschwerdeführerin zeige deutlich ihre negative Einstellung zur Rechtsordnung, wodurch der Eindruck entstehe, dass sie nicht gewillt sei, Rechtsvorschriften in erforderlicher Weise zu achten und ihr Verhalten den Gesetzen anzupassen, woraus sich die berechtigte Folgerung ergebe, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Ihr rechtskräftigen Bestrafungen durch die erstinstanzliche Behörde wegen schwer wiegender Übertretungen nach dem Meldegesetz und Ausländerbeschäftigungsgesetz erfüllten den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG.
Ein relevanter Eingriff in ihr Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG liege vor. Dieser Eingriff mache das Aufenthaltsverbot jedoch nicht unzulässig. Die sich im Gesamt(Fehl-)Verhalten manifestierende Neigung der Beschwerdeführerin, sich über die Rechtsordnung hinwegzusetzen, mache das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Straßen- bzw. Kraftfahrwesens, Melde-, Fremden- und Arbeitsmarktwesens), zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte anderer (z.B. auf Urkunden) im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK dringend geboten. Ihre privaten und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen schwer. Die Beschwerdeführerin weise einen ununterbrochenen erlaubten Aufenthalt seit 28. Februar 1989, seit der Erteilung ihrer ersten österreichischen Aufenthaltsbewilligung in Form eines Sichtvermerks durch die erstinstanzliche Behörde, auf. Von 1983 bis 1989 sei sie nicht ununterbrochen in Österreich aufhältig gewesen, wie der Meldebestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde Mayrhofen entnommen werden könne. Ferner sei sie seit Februar 1989 als Hilfsarbeiterin im Gastgewerbe, derzeit als Zimmermädchen, erlaubt beschäftigt. Hinzu komme, dass sie eine Tätigkeit als Geschäftsführerin der N.G. GmbH, die sie im Jahr 1994 zusammen mit ihrem Schwager N.L. gegründet habe, ausübe. Sie weise daher eine dementsprechend gute Integration und private Bindung im Bundesgebiet sowie eine Desintegration im ehemaligen Jugoslawien, wo noch ihr Vater lebe, der seit 1987 von ihrer Mutter geschieden sei und mit dem sie seither keinen Kontakt mehr habe, auf. Eine intensive familiäre Bindung habe sie - seit März 1995 - zu ihrem Lebensgefährten J.L., der im Bundesgebiet gut integriert sei, mit dem sie in Mayrhofen in einem gemeinsamen Haushalt lebe und von dem sie ein Kind erwarte. Dieser könne sie ins ehemalige Jugoslawien begleiten, wenn er sich für die Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht von ihr trennen wolle. In Mayrhofen lebe ferner seit 1992 ihre - einzige - Schwester B.L. mit deren Ehegatten und ihrer Mutter R.G. in einem gemeinsamen Haushalt, welche Personen im Bundesgebiet gut integriert seien. Im Hinblick auf die Neigung der Beschwerdeführerin zu Straftaten wögen jedoch ihre persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet höchstens gleich schwer wie die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Grund des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei.
Ein Aufenthaltsverbots-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG komme nicht zum Tragen. Die Beschwerdeführerin weise nicht einen ununterbrochenen rechtmäßigen auf Dauer gerichteten Aufenthalt in Österreich "vor Verwirklichung des (für das Aufenthaltsverbot) maßgeblichen Sachverhaltes", das sei ihr Gesamt(Fehl-)verhalten beginnend 1989, auf. Selbst wenn man als maßgeblichen Zeitpunkt (vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts) im Hinblick auf § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG das Jahr 1996/1997 (Gesamtfehlverhalten "Meldegesetz, Ausländerbeschäftigungsgesetz" bzw. die diesbezüglichen rechtskräftigen Bestrafungen) heranziehe, erfülle sie die Voraussetzung des ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts von acht Jahren gemäß § 35 Abs. 2 FrG nicht und erst recht nicht die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 FrG oder des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz, weil seit der Erteilung des ersten Sichtvermerks an die Beschwerdeführerin am 28. Februar 1989 bis zur ersten Übertretung des Meldegesetzes bzw. Ausländerbeschäftigungsgesetzes im Jahr 1996 lediglich sieben Jahre verstrichen gewesen seien. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin nicht nur wegen zahlreicher Verwaltungsübertretungen rechtskräftig bestraft worden, sondern auch von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen. Bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sei das Verstreichen von fünf Jahren von Nöten.
Eine allfällige befristete Trennung von ihrem Lebensgefährten, wenn dieser im Bundesgebiet verbleiben sollte, müsse von der Beschwerdeführerin im Interesse der von ihr gefährdeten öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Kauf genommen werden. In Bezug auf die GmbH könne für die Zeit ihrer Abwesenheit eine andere geeignete Person als handelsrechtlicher Geschäftsführer bestellt werden. Dass für den ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet Urlaubsaufenthalte im Ausland nicht schaden würden, sei richtig. Es dürfe jedoch bei derartigen Urlaubsaufenthalten keine polizeiliche Abmeldung (in Österreich) erfolgen bzw. nicht der Verwaltungsstrafbestand des § 22 Abs. 1 Z. 3 Meldegesetz erfüllt werden. Die "Aufenthaltsunterbrechungen" der Beschwerdeführerin laut der Meldebestätigung des Bürgermeisters der Gemeinde Mayrhofen seien in der Zeit von 27. Februar 1984 bis 19. Juni 1986, von 11. Oktober 1987 bis 14. Dezember 1987, von 15. März 1988 bis 20. März 1988, von 22. April 1988 bis 18. Mai 1988 und von 20. Juli 1988 bis 15. Dezember 1988 gewesen, was zeige, dass sie in dieser Zeit zwischen Österreich und dem ehemaligen Jugoslawien "hin- und hergerissen" gewesen sei, bis zu ihrer endgültigen Entscheidung, in Österreich zu bleiben (vgl. ihre Arbeitsaufnahme in Österreich ab Februar 1989). Aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Zell am Ziller nicht beeinsprucht habe, sei unerheblich. Eine Verwaltungsübertretung nach § 22 Abs. 1 Z. 1 Meldegesetz sei im Hinblick auf den Strafrahmen eine schwer wiegende Übertretung im Sinn des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG. Dass eine Geldstrafe von nur S 500,-- verhängt worden sei, sei irrelevant. Das der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Zell am Ziller und der Strafverfügung nach dem Meldegesetz zugrunde liegende strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin sei als Teil des Gesamt(Fehl-)verhaltens eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt (Z. 1) die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet oder (Z. 2) anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
2. Die Beschwerde bestreitet nicht die Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend die rechtskräftigen Bestrafungen der Beschwerdeführerin und wendet sich auch nicht gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei. Diese Beurteilung begegnet schon im Hinblick auf die beiden Bestrafungen der Beschwerdeführerin nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz - AuslBG keinen Bedenken, zumal - entgegen der Beschwerdemeinung - auch die obgenannte (I.1.) Übertretung des § 3 Abs. 1 Meldegesetz 1991 angesichts der in § 22 dieses Gesetzes vorgesehenen unterschiedlichen Strafdrohungen (zu diesem Gesichtspunkt vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 2000/18/0095) eine "schwerwiegende Übertretung" iS des § 36 Abs. 2 Z. 2 FrG darstellt und daher die deswegen erfolgte Bestrafung der Beschwerdeführerin im vorliegenden Zusammenhang miteinzubeziehen ist.
Auf Grund des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Schwarzarbeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. September 1999, Zl. 99/18/0272, mwN), wozu noch kommt, dass die Beschwerdeführerin durch die Unterdrückung einer fremden Urkunde im Jahr 1997 straffällig wurde, begegnet auch die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.
3.1. Die Beschwerde bringt vor, dass die Beschwerdeführerin, wie aus der Meldebestätigung der Marktgemeinde Mayrhofen zu entnehmen sei, zumindest seit 20. Juni 1986 ständig in Österreich aufhältig sei, wobei mit Ausnahme von kürzeren Aufenthalten in Bosnien-Herzegowina kein Kontakt zu ihrer ehemaligen Heimat bestanden habe. Für einen ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinn des § 35 Abs. 2 und Abs. 3 FrG schadeten kurzfristige Auslandsaufenthalte, etwa zu Urlaubszwecken, nicht. Die Beschwerdeführerin erfülle daher sowohl die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 als auch jene des § 35 Abs. 3 leg. cit., sodass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes unzulässig sei.
3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 oder 2 FrG wegen des maßgeblichen Sachverhalts unzulässig wäre. Eine Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 Z. 1 und 2 FrG ist (u.a.) in den Fällen des § 35 FrG unzulässig. Dessen Absätze 2 und 3 haben folgenden Wortlaut:
"(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
(3) Hat der in Abs. 2 genannte Zeitraum bereits zehn Jahre gedauert, so dürfen Fremde wegen Wirksamwerden eines Versagungsgrundes nicht mehr ausgewiesen werden, es sei denn, sie wären von einem inländischen Gericht
1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei oder gemäß der §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 1 und 32 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes - SMG, oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr oder
2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
rechtskräftig verurteilt worden."
Nach der hg. Rechtsprechung ist unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 7. Mai 1999, Zl. 98/18/0206, mwN).
Im vorliegenden Fall hat das für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Gesamt(Fehl-)verhalten der Beschwerdeführerin am 1. Februar 1996 (vgl. das in I.1. genannte Straferkenntnis vom 26. März 1996 wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes) begonnen. Wenn im angefochtenen Bescheid auf ein bereits zuvor gesetztes Fehlverhalten der Beschwerdeführerin ("beginnend 1989") Bezug genommen wird, so ist dem Bescheid nicht zu entnehmen, um welches Verhalten es sich dabei in concreto gehandelt habe, sodass das Aufenthaltsverbot darauf nicht gegründet werden kann. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde war der Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich seit 1983 in der Zeit von 27. Februar 1984 bis 19. Juni 1986, von 11. Oktober 1987 bis 14. Dezember 1987, von 5. März 1988 bis 20. März 1988, von 22. April 1988 bis 18. Mai 1988 und von 20. Juli 1988 bis 15. Dezember 1988 unterbrochen. Ferner geht aus dem angefochtenen Bescheid hervor, dass der Beschwerdeführerin erstmals am 28. Februar 1989 eine Bewilligung zum Aufenthalt im Bundesgebiet in Form eines Sichtvermerks erteilt wurde, wobei diese Feststellung weder durch ein konkretisiertes Beschwerdevorbringen bestritten wird, noch mit dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten in Widerspruch steht. Demzufolge war die Beschwerdeführerin erst ab dem 28. Februar 1989 zur dauernden Niederlassung im Bundesgebiet berechtigt, sodass die vor diesem Zeitpunkt gelegenen Zeiten des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet für die Beurteilung im Licht des § 35 Abs. 2 und Abs. 3 FrG außer Betracht zu lassen sind.
Im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände (im Jahr 1996) nicht einmal acht Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war, konnte ihr schon deshalb die Bestimmung des § 35 Abs. 2 FrG nicht zugute kommen. Von daher kommt eine Beurteilung einer allfälligen Aufenthaltsverfestigung gemäß § 35 Abs. 3 leg. cit. nicht mehr ins Blickfeld.
4. Aber auch mit dem Hinweis auf § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ist für die Beschwerde nichts gewonnen. Nach dieser Gesetzesbestimmung darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Wendung "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist im selben Sinn zu verstehen wie die gleich lautende des § 35 Abs. 2 FrG (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. September 2000, Zl. 99/18/0179, mwN). Im Hinblick darauf, dass sich die Beschwerdeführerin u.a. (unbestrittenermaßen) bereits von 27. Februar 1984 bis 19. Juni 1986 im Ausland aufgehalten hatte und somit vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände noch nicht zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig war, erfüllte sie nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 für die Verleihung der Staatsbürgerschaft, sodass auch § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG dem vorliegenden Aufenthaltsverbot nicht entgegensteht.
5.1. Die Beschwerde bringt weiters vor, dass die Beschwerdeführerin nach Beendigung der Pflichtschule bereits im Jahr 1983 zu ihrer Mutter nach Österreich gezogen sei und sich, nachdem sie von Anfang 1984 bis Juni 1986 in ihrer Heimat eine Lehre absolviert habe, seit 1986 mit kürzeren Unterbrechungen ständig hier aufgehalten habe. Seit 1989 sei sie in verschiedenen Gastronomiebetrieben unselbstständig beschäftigt. Darüber hinaus sei sie geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH und in zwei von dieser betriebenen Cafes in Achenkirch leitend tätig. Sie habe an Geschwistern nur eine Schwester, die sich seit Mai 1992 ebenfalls in Österreich aufhalte. Ferner erwarte sie von ihrem Lebensgefährten, mit dem sie sich seit März 1995 in einer Lebensgemeinschaft befinde, ein Kind. Zu ihrer ehemaligen Heimat Bosnien-Herzegowina habe sie keine Bindung mehr.
5.2. Dieses - von der Beschwerdeführerin bereits in ihrer Berufung vom 19. März 1998 erstattete - Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Bei der Prüfung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG fällt zu Gunsten der Beschwerdeführerin ins Gewicht, dass sie laut den im angefochtenen Bescheid getroffenen Ausführungen seit Februar 1989 in Österreich ununterbrochen und rechtmäßig aufhältig sowie im Gastgewerbe erlaubt beschäftigt ist. Darüber hinaus ist sie hier als Geschäftsführerin einer von ihr im Jahr 1994 zusammen mit ihrem Schwager gegründeten GmbH tätig. Sie wohnt mit ihrem Lebensgefährten J.L., von dem sie ein Kind erwartet, im gemeinsamen Haushalt. Ferner leben hier ihre - einzige - Schwester und ihre Mutter. Diesen schwer wiegenden persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleiben im Bundesgebiet steht das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, der Verhinderung von Schwarzarbeit und der Verhinderung strafbarer Handlungen (vgl. II.2.) gegenüber.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände kommt bei Abwägung der Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und der nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung dieser Maßnahme den besagten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin ein größeres Gewicht zu und erweist sich das vorliegende Aufenthaltsverbot deshalb als unzulässig.
6. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 14. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1998180166.X00Im RIS seit
28.02.2002