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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung von Teilen des §33 und §34 AlVG mit E v 11.03.98, G363/97 ua. Die belangte Behörde hat jene Gesetzesbestimmungen angewendet, die ausländische Staatsangehörige (im Unterschied zu österreichischen Staatsbürgern) von der Möglichkeit des zeitlich unbegrenzten Bezuges der Notstandshilfe ausschließt und die vom Verfassungsgerichtshof im oben zitierten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Parteien nachteilig war. Die beschwerdeführenden Parteien wurden also durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 26. September 1996 wurde einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Notstandshilfe unter Berufung auf §33 Abs2 lita iVm §34 Abs4 AlVG keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch einen gültigen Befreiungsschein besitze. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 keine Folge. Die Berufungsbehörde stützte ihre Entscheidung der Sache nach ebenfalls auf die §§33 Abs2 lita und 34 Abs4 AlVG.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen sowie die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in durch Art14 EMRK gewährleisteten Rechten behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
3. Die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien als belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
4. Die Beschwerde ist begründet:
4.1. Mit Erkenntnis vom 11. März 1998, G363/97 ua., hat der Verfassungsgerichtshof §33 Abs2 lita sowie §34 Abs3 und 4 AlVG als verfassungswidrig aufgehoben.
4.2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannten Normen bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätten.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§33 Abs2 lita und 34 Abs3 und 4 AlVG begann am 5. März 1998. Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 23. Jänner 1997 - also vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren - ein. Der ihr zugrundeliegende Fall ist nach dem Gesagten daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig erkannten Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 3.000,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:B4226.1996Dokumentnummer
JFT_10019689_96B04226_00