TE Vwgh Erkenntnis 2013/9/5 2013/09/0106

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Veröffentlicht am 05.09.2013
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §19;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
B-VG Art130 Abs2;
VStG §19;
VStG §24;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der IG in W, vertreten durch Mag. Mehmet Munar, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Strohgasse 14C/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 9. April 2013, Zl. Senat-WU-12-0198, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesministerin für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides samt Protokollen mündlicher Verhandlungen steht folgender Sachverhalt fest:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe als handelsrechtliche Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der I KG mit Sitz in S, B-Straße 2, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin den näher bezeichneten indischen Staatsangehörigen BR am 20. Jänner 2012, 20.15 Uhr (Zeitpunkt der Kontrolle), als Aushilfe beschäftigt habe, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen seien.

Die Beschwerdeführerin habe dadurch eine Übertretung gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 4.000,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2013 wörtlich wieder (Einvernahme der Zeugen SC, ST (amtshandelnde Organe), SR (ehemaliger Inhaber des Betriebes, jetzt Mitarbeiter der G KG), MF (Ehegatte der Beschwerdeführerin und "Bevollmächtigter" für "Angelegenheiten des Unternehmens") und MF (Mitarbeiter der G KG)), begründete detailliert ihre Überlegungen zur Beweiswürdigung und stellte als Sachverhalt fest, dass BR, der wegen des Verdachtes des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigtem Zustand angehalten worden war, Pizzen für die G KG zustellen sollte.

Rechtlich leitete die belangte Behörde daraus ab, dass sich BR zumindest in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis zur G KG befunden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1) Zunächst bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde habe den Spruch im Tatort geändert.

Die belangte Behörde hat eine Änderung zwar in der Zeile "Ort" vorgenommen, sie setzte an Stelle des "Ortes der Kontrolle" den Firmensitz ein. Diese Richtigstellung war aber rechtlich unbedenklich, weil nach der unbestritten gebliebenen Begründung der Sitz der Unternehmensleitung in den innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gesetzten Verfolgungshandlungen vorgehalten worden war. Bei Übertretungen des AuslBG ist der Firmensitz des Arbeitgebers nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Tatortumschreibung ausreichend (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2006, Zl. 2003/09/0096) und die Berufungsbehörde berechtigt, auch den Tatort, der im erstinstanzlichen Straferkenntnis unrichtig wiedergegeben ist, im Zuge des Berufungsverfahrens zu berichtigen, wenn der richtige Tatort innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist der Beschuldigten vorgehalten wurde (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, S. 983, E 138 ff zitierte hg. Judikatur).

2) Die Beschwerdeführerin bringt vor, BR sei nach Aussage des Zeugen ST Asylwerber gewesen. Sie leitet verfehlt daraus ab, er habe den Status eines Asylberechtigten gehabt.

Richtig ist, dass der Zeuge ST von BR als Asylwerber gesprochen hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z. 14 AsylG ist "Asylwerber" ein Fremder ab Einbringung eines Antrags auf internationalen Schutz bis zum rechtskräftigen Abschluss, zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG erlangt ein Asylwerber den "Status des Asylberechtigten" erst durch Zuerkennung durch die Behörde.

Die beiden von der Beschwerdeführerin vermischten Begriffe "Asylwerber" einerseits und "Status eines Asylberechtigten" andererseits schließen einander somit aus.

Sollte die Beschwerdeführerin mit dem durch nichts belegten Vorbringen, BR habe den "Status eines Asylberechtigten" erlangt, einen neuen Sachverhalt behaupten, so unterliegt dieser dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Es wäre dem in der mündlichen Verhandlung anwesenden Vertreter der Beschwerdeführerin möglich gewesen, im Zuge des Vorbringens des Zeugen ST, der nur von "Asylwerber" sprach, nachzufragen.

3) Die Beschwerdeführerin rügt, der Zeuge BR sei nicht einvernommen worden. Sie geht selbst davon aus, dass keine ladungsfähige Adresse dieses Zeugen bekannt ist. Sie fordert allerdings "Befragungen im näheren Umfeld des Anhalteortes oder des Betriebes", dies wäre kein unverhältnismäßiger Aufwand. Dem ist entgegenzuhalten, dass sowohl der Ehemann der Beschwerdeführerin als auch RS im Verfahren behaupteten, BR schon länger zu kennen. Trotzdem wurde von der Beschwerdeführerin keine Adresse bekannt gegeben. Ist aber selbst im "Bekanntenkreis" keine Adresse bekannt, kann von der Behörde nicht verlangt werden, darüber hinausgehende umfangreiche Ermittlungen anzustellen.

4) Insoweit sich die beschwerdeführende Partei gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Nur die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.

Soweit sich die Beschwerdeführerin dabei auf aus dem Zusammenhang gerissene Teile von Aussagen aus der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2013 (in dem betreffend Übertretung nach dem ASVG geführten Verfahren) beruft, verkennt sie, dass der Verwaltungsgerichtshof an Hand der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zu entscheiden hat. Dieser wurde der Beschwerdeführerin aber bereits am 24. Mai 2013 zugestellt. Die späteren Verfahrensergebnisse sind daher nicht zu berücksichtigen. Der Verwaltungsgerichtshof weist bloß darauf hin, dass selbst bei Berücksichtigung des Verhandlungsprotokolls vom 27. Mai 2013 der Beschwerdeführerin kein Erfolg beschieden wäre, weil die behaupteten "Widersprüche" sich in Details und Nebensächlichkeiten erschöpfen.

Insofern sich die Beschwerdeführerin im Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt entfernt (z.B. was ein "Mitarbeiter als Pizzazusteller" alles hätte mit sich führen müssen), stellt sie eine Behauptung den Feststellungen der belangten Behörde gegenüber, ohne dass dargelegt würde, aus welchen Gründen die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig, d.h. unzureichend, widersprüchlich oder unvollständig wäre. Einer solchen Darlegung bedürfte es aber, weil die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht schon mit der Behauptung mit Erfolg angegriffen werden kann, dass auch ein anderes (gegenteiliges) Ergebnis schlüssig begründbar gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. April 2008, Zl. 2007/09/0300).

5) Die Beschwerdeführerin bringt gegen die Strafhöhe vor, die verhängte Strafe und die in einem weiteren Verfahren wegen Übertretung des ASVG drohende Strafe würde "die wirtschaftliche Existenz" des Betriebes und der Familie gefährden.

Dieses Vorbringen geht deshalb fehl, weil die Strafbemessungsgründe des VStG ausschließlich auf das vorliegende Verfahren anzuwenden sind; das VStG kennt keine Rücksichtnahme auf allenfalls in anderen Verfahren drohende Strafen.

Die belangte Behörde hat die Strafbemessungsgründe dargelegt (einschlägige Vorstrafe betreffend Beschäftigung desselben Ausländers, daher zweiter Strafsatz, spezial- und generalpräventive Erwägungen, geringfügiges Einkommen, Sorgepflichten).

Die Strafbemessung ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Als Ermessensentscheidung unterliegt sie nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof, als dieser zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr zustehenden Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat (vgl. Art. 130 Abs. 2 B-VG). Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch macht. Die Behörde ist verpflichtet, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Überlegungen und Umstände insoweit offenzulegen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich ist (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, S. 1331 zitierte hg. Rechtsprechung). Diesen Anforderungen ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in ausreichender Weise nachgekommen.

6) Die von der Beschwerdeführerin geforderte Anwendung des § 21 VStG wurde von der belangten Behörde zu Recht ausgeschlossen, weil das tatbildmäßige Verhalten der Beschwerdeführerin nicht hinter dem Unrechts- und Schuldgehalt zurückgeblieben ist, den die betreffende Strafdrohung typisiert.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Der Anforderung des Art. 6 Abs. 1 EMRK wurde durch die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde, einem Tribunal im Sinne der EMRK, Genüge getan (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. April 2011, Zl. 2011/09/0024). Wien, am 5. September 2013

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel ZeugenbeweisErmittlungsverfahren AllgemeinErmessen VwRallg8Beweismittel ZeugenbeweisBegründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2013090106.X00

Im RIS seit

27.09.2013

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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