TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/14 2000/18/0187

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Veröffentlicht am 14.11.2000
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StGB §31;
StGB §40;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des B, (geb. 7. Juli 1977), in Wien, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Juli 2000, Zl. SD 238/00, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Juli 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der "Meldedarstellung" des Zentralmeldeamtes zufolge habe sich der Beschwerdeführer erstmals von Mai 1989 bis Anfang Dezember 1989 in Österreich aufgehalten. Danach sei er in seine Heimat zurückgekehrt und erst wieder eineinhalb Jahre später im Sommer 1991 nach Österreich eingereist. Der Beschwerdeführer habe zunächst Sichtvermerke und im Anschluss daran Aufenthaltsbewilligungen erhalten. Am 8. November 1996 habe er einen unbefristeten gewöhnlichen Sichtvermerk erhalten.

Am 30. September 1998 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des versuchten Einbruchsdiebstahls zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer mit einem Komplizen am 28. Juli 1998 versucht habe in ein Gasthaus einzubrechen, um Bargeld bzw. verwertbare Gegenstände zu stehlen. Die zweite Verurteilung des Beschwerdeführers sei am 11. Jänner 1999 erfolgt. Vom Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Wien sei der Beschwerdeführer für schuldig erkannt worden, das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Einbruchsdiebstahls und das Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen begangen zu haben. Unter Bedachtnahme auf die erste Verurteilung sei der Beschwerdeführer gemäß §§ 31 und 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von 18 Monaten Freiheitsstrafe - bedingt nachgesehen - rechtskräftig verurteilt worden. Wie der Urteilsbegründung zu entnehmen sei, habe der Beschwerdeführer im Juli 1998 gemeinsam mit zwei Komplizen insgesamt sechs Einbrüche in Firmengebäude bzw. in zwei Gasthäuser verübt. Der Beschwerdeführer und sein Komplize hätten dabei Bargeld, Kleidungsstücke und unter anderem eine Gaspistole erbeutet.

Demnach liege der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG in mehrfacher Hinsicht vor, weil der Beschwerdeführer nicht nur mehr als einmal wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung "(Vermögensdelikte)"verurteilt worden sei, sondern bei seiner zweiten Verurteilung auch das in der genannten Gesetzesstelle normierte Strafausmaß beträchtlich überschritten worden sei. Bei der Beurteilung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers falle nicht nur bezüglich seiner Verurteilung die gewerbsmäßige Tatbegehung, sondern auch seine rechtskräftige Bestrafung durch die Bundespolizeidirektion Wien wegen der Übertretung des § 51 Abs. 1 Z. 4 iVm § 11 des Waffengesetzes zu seinen Ungunsten ins Gewicht. Hinzu komme noch, dass der Beschwerdeführer am 16. Dezember 1999 im Zuge einer Lokalkontrolle mit einem Gramm Kokain betreten worden und deshalb am 15. Februar 2000 wegen des Verdachtes gemäß § 27 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes zur Anzeige gebracht worden sei. Laut Mitteilung des Bezirksgerichtes Josefstadt sei das diesbezügliche Verfahren am 15. Mai 2000 gemäß § 35 Abs. 1 des Suchtmittelgesetzes eingestellt worden, d.h. die Staatsanwaltschaft habe die Anzeige für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig zurückgelegt.

Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit in erheblichem Ausmaß, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. In Österreich lebten seine Eltern sowie seine Geschwister. Er habe in Österreich zweieinhalb Jahre die Schule besucht. Einem "Auszug" der österreichischen Sozialversicherung vom 29. November 1999 zufolge weise der Beschwerdeführer im Zeitraum von Anfang 1996 bis 20. September 1999 fünf jeweils nur kurzfristige Arbeitsverhältnisse (abgesehen von seinem ersten, das vom 1. Jänner 1996 bis 24. November 1996 gedauert habe) auf. Im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer diesbezüglich ausgeführt, dass er nunmehr wieder über einen Befreiungsschein, gültig bis 11. Juli 2004 verfügte.

Es sei daher ohne Zweifel von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Grund des § 37 Abs. 1 FrG auszugehen gewesen. Dessen ungeachtet sei aber dieser Eingriff zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, weil die seiner Verurteilung zu Grunde liegenden strafbaren Handlungen eine krasse Geringschätzung der zum Schutz des Eigentums und des Vermögens Dritter aufgestellten strafrechtlichen Normen erkennen ließen. Eine Zukunftsprognose könne für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen, zumal er wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt worden sei. Die Art und Schwere der den vorliegenden gerichtlichen Verurteilungen zu Grunde liegenden Straftaten lasse jedenfalls die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer insbesondere zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz der Rechte Dritter dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig erscheinen.

Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe seit der zuletzt ergangenen Verurteilung im Jänner 1999 Wohlverhalten demonstriert, sei für ihn nichts zu gewinnen, liege doch zum einen das seiner Verurteilung zu Grunde liegende Verhalten noch viel zu kurz zurück, um auf Grund des verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für das besagte öffentliche Interesse annehmen zu können; zum anderen stehe diesen Ausführungen seine Anzeige wegen des Verdachtes nach § 27 Suchtmittelgesetz entgegen.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG erforderlichen Interessenabwägung sei auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen, dass der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafrechtliche Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keinesfalls schwerer wögen, als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Da sonst keine besonderen zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände vorlägen, könne auch nicht im Rahmen des Ermessens von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand genommen werden.

Ein Sachverhalt gemäß § 38 FrG, der der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegenstünde, sei nicht gegeben, zumal der Beschwerdeführer erst im Alter von elf Jahren erstmals nach Österreich gekommen und daher nicht von klein auf im Inland aufgewachsen sei. Ebenso wenig komme dem Beschwerdeführer, der sich erst seit Sommer 1991 durchgehend in Österreich aufgehalten und seine Straftaten im Juli 1998 gesetzt habe, die Bestimmung des § 35 FrG über die Aufenthaltsverfestigung zugute.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung auch nach Ansicht der belangten Behörde gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.

Im Übrigen gehe der Einwand des Beschwerdeführers, dem bekämpften Bescheid sei kein Ermittlungsverfahren vorangegangen bzw. er sei zur beabsichtigten Vorgangsweise nie befragt worden, ins Leere, weil ihm die Erstbehörde mit 16. August 1999 eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme hinsichtlich des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes per RSa-Schreiben übermittelt habe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde ist damit im Recht, dass Verurteilungen, die zueinander im Verhältnis der §§ 31 und 40 StGB stehen, als Einheit zu werten sind und von daher die beiden unbestritten in einem derartigen Verhältnis zueinander stehenden Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 30. September 1998 und vom 11. Jänner 1999 den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 vierter Fall FrG nicht erfüllen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 2000, Zl. 2000/18/0013). Der Beschwerdeführer ist aber - unbestritten - insgesamt zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt worden. Von daher begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (dritter Fall) erfüllt sei, keinen Bedenken. Im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität ist auch die - von der Beschwerde nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die im § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, unbedenklich.

2. Bei der Beurteilung gemäß § 37 FrG hat die belangte Behörde zutreffend den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers (von Mai 1989 bis Anfang Dezember 1989 sowie ab Sommer 1991) und somit die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bereits erstmals im Alter von elf Jahren nach Österreich kam, weiters seine Integration durch die oben unter I.1. näher beschriebene Berufstätigkeit und die Beziehung zu seinen Eltern und Geschwistern in Österreich berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer hat insgesamt sieben Einbruchsdiebstähle - einen davon in der Form des Versuchs - begangen und wurde unbestrittenerweise auch wegen gewerbsmäßiger Tatbegehung verurteilt. Er hat somit in der Absicht gehandelt, sich durch wiederkehrende Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB). Unbestritten ist weiters die oben (vgl. I.1.) angeführte rechtskräftige Bestrafung wegen Übertretung des Waffengesetzes. Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung der belangten Behörde, das vorliegende Aufenthaltsverbot sei im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, nicht als rechtswidrig zu erkennen, ist dieses doch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Rechte anderer, dringend geboten. Vor diesem Hintergrund erweist sich auch die Beurteilung der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht weniger schwer wögen als die gegenläufigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, als unbedenklich, wurde doch die soziale Komponente der aus der Aufenthaltsdauer und der beruflichen Tätigkeit ableitbaren Integration des Beschwerdeführers durch seine mehrfachen gravierenden strafbaren Handlungen - durch die er die von ihm ausgehende Rechtsgutgefährdung deutlich unter Beweis gestellt hat - erheblich beeinträchtigt. Auch ist - mit der Behörde - der seit der Begehung der Einbruchsdiebstähle im Juli 1998 verstrichene Zeitraum angesichts der Vielzahl der gewerbsmäßig begangenen Straftaten zu kurz, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als weggefallen oder auch nur erheblich gemindert anzusehen. Wenn die Behörde ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG - unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung - vorgenommen hat, hat sie - entgegen der Beschwerde - die Judikatur des VwGH für sich (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1998, Zl. 98/18/0358). Schließlich ist für den Beschwerdeführer auch mit seinem Hinweis auf die Entscheidungen des EGMR vom 18. Februar 1991, Nr. 31/1989/191/291, im Fall Moustaquim gegen Belgien (ÖJZ 1991, 452 ff) und vom 26. März 1992, Nr. 55/1990/246/317, im Fall Beldjoudi gegen Frankreich (ÖJZ 1992, 773 ff), nichts gewonnen. Aus dem Fall Moustaquim lässt sich für seinen Fall schon deswegen nichts ableiten, weil Moustaquim bereits als Zweijähriger nach Belgien gekommen war. Der Fall Beldjoudi indes ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass der Fremde (im Jahr 1950) in Frankreich geboren wurde, bis 1963 (ebenso wie seine Eltern) die französische Staatsangehörigkeit hatte und seit über 20 Jahren mit einer französichen Staatsbürgerin verheiratet war, die Ehegattin des Fremden Mitbeschwerdeführerin war und der EGMR ganz wesentlich auf deren persönlichen Verhältnisse Bedacht nahm. (Vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 98/18/0098, mwH.)

3. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der VwGH auch nicht finden, dass die belangte Behörde von dem ihr nach § 36 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessen, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen, Gebrauch zu machen gehabt hätte.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 14. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000180187.X00

Im RIS seit

12.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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