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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des K in Linz, geboren am 10. August 1968, vertreten durch Dr. Reinhard Anderle, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Jahnstraße 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 11. Juni 1999, Zl. St 117/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 11. Juni 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen deutschen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 Z. 1 iVm §§ 37, 39 und 48 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1. August 1996 in Österreich. Er sei "von österr. Gerichten wie folgt rechtskräftig verurteilt" worden:
Vom "Landg. Bayreuth (Deutschland)" am 2. Oktober 1991 wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten (Vollzugsdatum: 30. April 1994);
vom Bezirksgericht Linz am 18. Oktober 1997 wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen;
vom Landesgericht Linz am 18. März 1998 wegen Einbruchsdiebstahls nach den §§ 127, 129 Z. 2 StGB und fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten;
vom Landesgericht Linz am 10. Februar 1999 wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB, Freiheitsentziehung gemäß § 99 Abs. 1 StGB, Nötigung gemäß § 105 Abs. 1 StGB und gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von sechs Monaten.
Auf Grund der deutschen Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers sei für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes § 48 Abs. 1 FrG maßgeblich. Auf den Katalog des § 36 Abs. 2 FrG könne dabei als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden. Eine ausländische Verurteilung sei für die Erfüllung des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG dann maßgeblich, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspreche. Auf Grund der insgesamt vier gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers "wegen zahlreicher - teilweise qualifizierter - Strafrechtsdelikte" sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt. Bereits die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung durch das Landgericht Bayreuth mache deutlich, dass der Beschwerdeführer auch vor einer Verletzung elementarster Rechtsgüter nicht zurückschrecke. Es könne der Erstbehörde nur beigepflichtet werden, dass der Beschwerdeführer massiv zur Gewaltbereitschaft gegenüber anderen Personen neige.
Das Aufenthaltsverbot stelle einen nicht unbeachtlichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar, weil er sich mit seiner Lebensgefährtin, einer deutschen Staatsangehörigen, die gemeinsam mit ihm in das Bundesgebiet eingereist sei, und deren Kindern im Bundesgebiet aufhalte und hier als Maler (Künstler) beschäftigt sei. Der Beschwerdeführer selbst habe nach eigenen Angaben keine Kinder. Er habe sich nicht einmal durch gerichtliche Verurteilungen von seinem Fehlverhalten abbringen lassen. Für ihn sei eine negative Prognose zu stellen. Das Aufenthaltsverbot sei daher im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 28. Februar 2000, B 1291/99, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Nach § 48 Abs. 1 erster Satz FrG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige nur zulässig, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist.
Die Bestimmungen des § 36 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG sind - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - bei der Frage, ob gegen einen EWR-Bürger oder einen begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot zu erlassen ist, weiterhin insofern von Bedeutung, als ein Aufenthaltsverbot nur bei Vorliegen der in § 36 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen erlassen werden darf und auf den Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0155).
2. Der Beschwerdeführer bestreitet die im angefochtenen Bescheid festgestellten rechtskräftigen Verurteilungen nicht. Auf dieser Grundlage begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des - wie dargestellt als Orientierungsmaßstab heranzuziehenden - § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
Soweit der Beschwerdeführer gegen die Berücksichtigung auch der rechtskräftigen Verurteilung durch das Landgericht Bayreuth vom 2. Oktober 1991 einwendet, dass "die Schutznorm lediglich von Verurteilungen durch österreichische Gerichte spricht", ist ihm zu entgegnen, dass nach § 36 Abs. 3 zweiter Satz FrG eine gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. maßgebliche Verurteilung vorliegt, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht. Dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der Verurteilung durch das Landgericht Bayreuth nicht gegeben seien, bringt der Beschwerdeführer nicht vor.
Da die belangte Behörde darauf verwiesen hat, dass die Verurteilung vom 2. Oktober 1991 durch das "Landg. Bayreuth (Deutschland)" erfolgte, stellt der in der Bescheidbegründung eingangs der Aufzählung der Verurteilungen des Beschwerdeführers enthaltene Hinweis, der Beschwerdeführer sei "von österr. Gerichten wie folgt rechtskräftig verurteilt" worden, keine Aktenwidrigkeit, sondern eine offenbare Unrichtigkeit dar.
3. Der Beschwerdeführer wurde im Zeitraum von Oktober 1991 bis Februar 1999 viermal rechtskräftig verurteilt, wobei teilweise nicht unbeträchtliche Freiheitsstrafen verhängt worden sind. Drei Verurteilungen liegen Handlungen zu Grunde, bei denen der Beschwerdeführer Gewalt gegen Personen ausgeübt oder angedroht hat (Vergewaltigung, vorsätzliche Körperverletzungen, Freiheitsentziehung, Nötigung, gefährliche Drohung). Beim Verbrechen der Vergewaltigung handelt es sich um ein das Opfer in besonderer Weise beeinträchtigendes Delikt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 98/18/0338). Dass die aus dieser besonders schwer wiegenden Tat ableitbare Gefährlichkeit des Beschwerdeführers seit der deswegen erfolgten Verurteilung im Jahr 1991 nicht weggefallen ist, zeigen die seither von ihm begangenen weiteren Gewalttaten. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer auch einen Einbruchsdiebstahl und eine fahrlässige Körperverletzung zu verantworten. Im Hinblick auf all diese Umstände bestehen ungeachtet des Fehlens von an sich erforderlichen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 2000, Zl. 99/18/0416) Feststellungen zu den Straftaten des Beschwerdeführers keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 48 Abs. 1 erster Satz iVm § 36 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei. Daran kann auch das Vorbringen, dass den Beschwerdeführer "massive Provokationen ....... zur Tat hinreißen ließen", nichts ändern, zumal auch von den Strafgerichten nicht unerhebliche Freiheitsstrafen verhängt worden sind.
Dem Beschwerdeführer gelingt es daher mit seiner Rüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, die gerichtlichen Strafakten beizuschaffen, nicht, einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen.
4. Bei der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde zu Gunsten des Beschwerdeführers dessen Aufenthaltsdauer seit August 1996, die Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen und seine Berufstätigkeit als Maler berücksichtigt. Durch den Hinweis, dass die belangte Behörde die Lebensgemeinschaft "nur kursorisch erwähnt und nicht genauer definiert" habe, gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, tut er doch nicht dar, welche in diesem Zusammenhang bedeutsame Umstände die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen habe.
Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet steht die aus seinem dargestellten Fehlverhalten resultierende starke Beeinträchtigung öffentlicher Interessen gegenüber. Die Ansicht der belangten Behörde, das Aufenthaltsverbot sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dringend geboten (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 FrG), begegnet keinen Bedenken.
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang seine Läuterung durch die Strafhaft ins Treffen führt, ist ihm einerseits zu entgegnen, dass er sich im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch in Haft befand und sich seine (behauptete) geänderte Einstellung daher noch nicht außerhalb des Strafvollzuges bewähren konnte. Andererseits ist er darauf hinzuweisen, dass ihn auch der Vollzug der im Jahr 1991 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung verhängten unbedingten Freiheitsstrafe nicht von weiteren Straftaten abhalten konnte.
5. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass die belangte Behörde von ihrem auch bei einem auf § 48 Abs. 1 erster Satz FrG gestützten Aufenthaltsverbot eingeräumten Ermessen, von der Erlassung der Maßnahme abzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 99/18/0326), Gebrauch zu machen gehabt hätte.
6.1. Schließlich stößt auch die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Festsetzung der unbefristeten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer als EWR-Bürger auf keine Bedenken.
Der für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes maßgebliche § 39 FrG hat folgenden Wortlaut:
"(1). Das Aufenthaltsverbot kann in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 1 und 5 unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 9 für die Dauer von höchstens fünf Jahren, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden
(2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit dem Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."
6.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat am 3. August 2000 beschlossen, die Parteien gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zu folgendem Fragenkomplex zu hören:
"Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Katalog des § 36 Abs. 2 FrG bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 48 Abs. 1 FrG nicht anzuwenden, sondern lediglich als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. Oktober 1999, Zl. 99/18/0155, mwN).
Dies könnte zur Folge haben, dass ein auf § 48 Abs. 1 FrG gegründetes Aufenthaltsverbot - weil kein "Fall des § 36 Abs. 2 FrG" vorliegt - nach dem letzten Halbsatz des § 39 Abs. 1 leg. cit. in jedem Fall nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden darf.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsansicht stellte sich allerdings die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen auf Grund eines Sachverhaltes, der dem Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 9 FrG entspricht, - anders als bei anderen Fremden - mit mehr als fünf Jahren bemessen werden darf.
Zur Lösung der Frage, für welche Maximaldauer ein auf § 48 Abs. 1 FrG gegründetes Aufenthaltsverbot verhängt werden kann, könnte aber auch die aus § 39 Abs. 1 leg. cit. ableitbare gesetzliche Wertung herangezogen werden, was zur Folge hätte, dass in einem Fall wie dem vorliegenden auch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfte. Diesfalls wären EWR-Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige hinsichtlich der höchstzulässigen Gültigkeitsdauer eines gegen sie verhängten Aufenthaltsverbotes gegenüber anderen Fremden in keiner Weise privilegiert."
Auch der Bundesminister für Inneres wurde eingeladen, eine Stellungnahme abzugeben.
Der Beschwerdeführer führte in seiner Stellungnahme vom 12. September 2000 aus, dass er "unter dem Schutz der verfassungsrangigen Freizügigkeit innerhalb der EU-Staaten" stehe. Demgegenüber hätten "die Bestimmungen sowohl des § 48 FrG wie auch des § 39 ohnedies in den Hintergrund zu treten". Schon deshalb liege "hier ein verfassungsmäßig garantiertes Privileg vor, das gegenüber EU Staaten Vorrang genießt, und durch das einfache FrG nicht derogiert sein kann". In eventu fänden "die Minimierungsgrundsätze Anwendung, da eine mehrjährige Ausweisung aus dem EU-Staat weder dem Wortlaut noch dem Sinn der EU-Akte entsprechen kann".
Die belangte Behörde brachte in ihrer Äußerung vom 28. September 2000 vor, dass der Gesetzgeber bei der in § 39 FrG enthaltenen Abstufung der möglichen Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes die Schwere des Fehlverhaltens im Blick gehabt habe. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Aufenthaltsverbot für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein werde, und auf unbestimmte Zeit zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für die Verhängung nicht vorhergesehen werden könne. Diese "Schablone" sei mangels einer lex specialis auch auf das Aufenthaltsverbot gegen EWR-Bürger anzuwenden. Auch bei einem EWR-Bürger könne sich die Situation ergeben, dass - aus welchen Gründen immer - nicht vorhersehbar sei, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen sein würden. Wäre diesfalls das Aufenthaltsverbot mit maximal zehn Jahren begrenzt, könnte von der Fremdenpolizeibehörde nicht begründet werden, weshalb der Grund für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes gerade nach zehn Jahren weggefallen sein würde. Die Wendung in § 39 Abs. 1 FrG, "... kann in den Fällen des ...", stelle "keine tatbestandsmäßige, sondern eine sachverhaltsmäßige Abstufung hinsichtlich der möglichen Dauer eines Aufenthaltsverbotes dar. Es müsse somit nicht ein Tatbestand nach § 36 Abs. 2 FrG vorliegen sondern ein dem jeweiligen Tatbestand entsprechender Sachverhalt.
Der Bundesminister für Inneres wies in seiner Stellungnahme vom 27. September 2000 darauf hin, dass sich aus dem in § 36 Abs. 1 FrG durch das Wort "kann" eingeräumten Ermessen und dem Wort "insbesondere" im Einleitungssatz des § 36 Abs. 2 leg. cit. ergebe, dass der Katalog des § 36 Abs. 2 leg. cit. auch bei Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen Fremden, der weder EWR-Bürger noch begünstigter Drittstaatsangehöriger sei - ebenso wie bei einem auf § 48 gegründeten Aufenthaltsverbot - nur eine "Richtschnur" bzw. einen "Orientierungsmaßstab" darstelle.
§ 39 FrG sei daher in beiden Fällen gleichermaßen anzuwenden. Die generelle Begrenzung der maximalen Gültigkeitsdauer von Aufenthaltsverboten gegen EWR-Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige auf zehn Jahre stellte eine unsachliche Differenzierung dar.
6.3. Zunächst sei festgehalten, dass das Gemeinschaftsrecht entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht von vornherein der Verhängung eines - auch auf unbestimmte Zeit erlassenen - Aufenthaltsverbotes entgegensteht. (Vgl. etwa das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 19. Jänner 1999 in der Rechtssache C-348/96, Calfa, Slg. 1999 I-0011, in dem der Gerichtshof ausgesprochen hat, dass die gegen einen EU-Bürger nach griechischem Recht verhängte "Ausweisung auf Lebenszeit" deshalb gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, weil sie - anders als in der Richtlinie 64/221/EWG normiert - als "automatische" Rechtsfolge einer gerichtlichen Verurteilung, ohne dass das persönliche Verhalten des Täters oder die von ihm ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung berücksichtigt werde, vorgesehen sei.
Dem § 39 Abs. 1 FrG liegt die Wertung zu Grunde, dass die im Verhältnis zur Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes einen schwerer wiegenden Eingriff in die persönliche Interessenlage des Fremden darstellende Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes nur in den typischerweise besonders gravierenden Fällen der Verwirklichung eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG oder der Begehung von (bzw. Mitwirkung an) Schlepperei um des eigenen Vorteiles Willen gemäß § 36 Abs. 2 Z. 5 FrG zulässig sein soll (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 99/18/0398). Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er eine derartige Abstufung der höchstzulässigen Gültigkeitsdauer entsprechend der Schwere des typischerweise zu Grunde liegenden Fehlverhaltens bei einem auf § 48 Abs. 1 FrG gestützten Aufenthaltsverbot nicht treffen wollte, ist doch auch bei einem EWR-Bürger oder einem begünstigten Drittstaatsangehörigen die Frage, wann der Grund für die Verhängung weggefallen sein wird, insbesondere von der Schwere des für das Aufenthaltsverbot maßgebenden Fehlverhaltens abhängig. Von daher verbietet sich die Auslegung, dass mit dem Wort "sonst" in § 39 Abs. 1 FrG auch die Fälle der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 48 Abs. 1 leg. cit. erfasst werden.
Es kann dahinstehen, ob die Wortfolge "in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 1 und 5" (bzw. "in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z 9") im § 39 Abs. 1 FrG auch die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nach § 48 Abs. 1 leg. cit, dem ein in den Tatbeständen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 (bzw. 9) FrG genannter Sachverhalt zu Grunde liegt, umfasst, weil selbst wenn dies nicht der Fall wäre, für die Frage der Gültigkeitsdauer eines solchen Aufenthaltsverbotes jedenfalls die aus § 39 Abs. 1 leg. cit. ableitbare Wertung heranzuziehen wäre. Diesfalls läge nämlich keine ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 48 Abs. 1 FrG vor. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, die die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigende Gefahr werde bei einem EWR-Bürger oder einem begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht zum selben Zeitpunkt wegfallen wie bei einem anderen Fremden. Die Übertragung der aus § 39 Abs. 1 FrG ableitbaren Wertung führt - ebenso wie dies bei unmittelbarer Anwendung dieser Bestimmung der Fall wäre - zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall, in dem der Beschwerdeführer wegen mehrerer gravierender Straftaten zu beträchtlichen Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig ist.
7. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 14. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000180096.X00Im RIS seit
08.02.2002