D3 435181-1/2013/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. KUZMINSKI als Vorsitzenden und den Richter Mag. KANHÄUSER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörige der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.04.2013, Zl. 12 09.193-BAL, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005 idgF als unbegründet abgewiesen
Entscheidungsgründe:
Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsbürgerin der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, gelangte am 21.07.2012 gemeinsam mit ihrer Mutter XXXX sowie ihren ebenfalls minderjährigen Geschwistern XXXX (Beschwerdeführer zu den Zahlen D3 435180-1/2013 sowie D3 435182 bis 435184-1/2013) unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der am selben Tag stattgefunden Ersteinvernahme durch die Erstaufnahmestelle Ost des Bundesasylamtes gab ihre Mutter an, ihre Heimat vor zirka einer Woche verlassen und über Polen ins Bundesgebiet gelangt zu sein. Sie habe ihre Heimat mit dem Zug via Weißrussland verlassen und sei in Polen von der Polizei kontrolliert worden. Danach habe sie sich selbstständig mit dem Taxi in ein Flüchtlingslager begeben. Außerhalb des Lagers habe sie einen Taxifahrer angesprochen, um sie und die Kinder nach Österreich zu bringen. Auf einer Tankstelle noch in Polen habe sie aussteigen müssen und sei danach mit einem anderen Taxifahrer bis ins Bundesgebiet gelangt. In Polen habe sie nicht um Asyl angesucht.
Bezogen auf ihre Fluchtgründe führte sie aus, dass ihre Schwiegereltern ihr nach dem Tod ihres Mannes alles weggenommen und sie und insbesondere ihre Kinder in Tschetschenien keine Zukunft hätten. Nach Österreich sei sie gekommen, um sich und ihren Kindern ein besseres Leben zu geben, diese könnten hier in die Schule gehen und eine Ausbildung erhalten. Auch sei die medizinische Versorgung hier besser. Im Bundesgebiet würde sich ihr Bruder aufhalten, wo genau wisse sie aber nicht.
In der Folge wurden mit Polen Dublin-Konsultationen geführt, im Zuge dessen die zuständigen polnischen Behörden einer Aufnahme der Beschwerdeführerin und ihrer Familie in Polen gem. Art. 16 (1)c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II-Verordnung) zustimmten.
Es folgte sodann eine neuerliche niederschriftliche Einvernahme der Mutter der Asylwerberin durch die Erstaufnahme Stelle West des Bundesasylamtes am 24.08.2012, bei der sie fünf Arztbriefe eines österreichischen Krankenhauses sowie Medikamente für sich und ihre Kinder vorlegte. Zum Gesundheitszustand der Familie befragt gab sie an, dass bei ihr HIV und bei ihrem Sohn XXXX TBC diagnostiziert worden sei. Welche gesundheitlichen Probleme die anderen Kinder hätten, sei ihr nicht gesagt worden, sie müssten jedoch dieselben Medikamente nehmen wie XXXX. Sie hätten ein schwaches Immunsystem und würden wenig essen. Nach Vorhalt einer Anfragebeantwortung in Bezug auf eine mögliche HIV-Behandlung in Polen erwiderte die Mutter der Antragstellerin, dass eine Behandlung in Österreich für sie und ihre Kinder besser wäre, da sie sehr aufmerksam und lieb behandelt würden. Sie habe die Entscheidung der polnischen Behörden nicht abgewartet, weil dort alles offen sei und jeder einreisen könne. Sie habe Angst um ihre Kinder, da die Verwandten ihres Mannes ihr die Kinder wegnehmen wollten. Diese könnten nach Polen gelangen, da jeder nach Polen einreisen könne. Sie wolle nicht in Polen bleiben.
In der Folge ersuchte das Bundesasylamt einen Arzt um Befundinterpretation.
Mit Aktenvermerk vom 27.09.2012 wurden die Asylwerberin und ihre Familie zum Asylverfahren in Österreich zugelassen, da die Erlassung eines Bescheides gem. § 5 AsylG 2005 aufgrund der aktuellen gesundheitlichen Situation der Mutter der Beschwerdeführerin, die sich zum damaligen Zeitpunkt in stationärer Pflege zum Zwecke einer Behandlung ihrer HIV- und TBC-Erkrankung befunden hat, laut Auskunft dieses Arztes nicht möglich sei.
Am 30.08.2012 langte beim Bundesasylamt ein in russischer Sprache handschriftlich verfasstes Schreiben ein, in dem die Mutter der Antragstellerin um Hilfe ersuchte und ihre große Sorge um das Leben von ihr und ihren Kindern zum Ausdruck brachte. Weiters gab sie an, dass sie in Polen eine Person in einem Geschäft getroffen habe, die sie in Tschetschenien stark zusammengeschlagen habe. Diese Person habe ihr mitgeteilt, dass sie und ihre Kinder umgebracht würden, sollte sich ihr Mann nicht bei ihnen melden. Sie könne dies aber nicht beweisen, da die Leute auch nicht blöd seien, sie vor anderen Leuten zusammenzuschlagen. Er sei auf sie zugekommen und habe ihr lächelnd gesagt, "also hier seid ihr. Und hier ist auch Ihr Mann. Ich werde eure ganze Familie abstechen. Ihr werdet nicht immer im Lager bleiben. Ich finde euch." Daraufhin habe sie geschrien und er sei lächelnd rausgegangen. Sie sei zehn Minuten unter Schock gestanden und zu Boden gesackt. In diesem Zustand sei ein in Österreich arbeitender Pole gekommen, der sie ins Lager gebracht und ihr angeboten habe, sie nach Österreich zu bringen. Sie habe keine Beweise für diesen Vorfall. Ihr Mann sei nicht mit ihr und könne sie weder sich selbst noch ihre Kinder schützen, weshalb sie bitte, sie nicht in den Tod zu schicken. Wenn ihr keine Gefahr drohen würde, hätte sie es nicht geschafft, mit ihren Kindern so weit zu kommen. Sie wisse nicht, was sie machen solle geschweige denn wie sie ihr Vorbringen beweisen könne. Sie würden sie auch in Polen suchen und finden, wenn sie dorthin zurückgeschickt würden.
Die Mutter der Antragstellerin legte in der Folge im erstinstanzlichen Verfahren diverse weitere ärztliche Unterlagen ihren Gesundheitszustand und jenen ihrer Kinder betreffend vor. Aufgrund dessen nahm das Bundesasylamt weitere Ermittlungen hinsichtlich der Behandlungsmöglichkeit der Erkrankungen der Asylwerberin und ihrer Kinder in der Russische Föderation vor und holte ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten zum aktuellen Gesundheitszustand der Mutter der Beschwerdeführerin ein.
Die Mutter der Beschwerdeführerin wurde am 19.02.2013 vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Linz ergänzend einvernommen. Entscheidungsrelevant brachte sie dabei bezogen auf die Beschwerdeführerin vor, dass ihre Kinder gesund seien und keine eigenen Fluchtgründe hätten. Schließlich wurden der Mutter der Beschwerdeführerin aktuelle Länderfeststellungen zu ihrem Herkunftsland ausgehändigt und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich binnen zwei Woche dazu zu äußern; davon machte sie jedoch nicht Gebrauch.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Linz vom 30.04.2013, Zahl 12 09.193-BAL wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 21.07.2012 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gem. § 3, Abs. 1 AsylG abgewiesen, sowie unter Spruchteil II. der Asylwerberin gem. § 8 Abs. 1 leg. cit. der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr unter Spruchteil III. gem. § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 30.04.2014 erteilt.
In der Begründung des Bescheides wurde zunächst der bisherige Verfahrensgang einschließlich die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und anschließend Feststellungen zu Tschetschenien und zu einer innerstaatlichen Fluchtalternative von Tschetschenen in der Russischen Föderation getroffen. Beweiswürdigend wurde anschließend zusammengefasst entscheidungsrelevant ausgeführt, dass die Angaben der Mutter der Antragstellerin zu ihren Fluchtgründen tatsächlich als unglaubwürdig angesehen worden seien, sodass hieraus keine für die Asylwerberin individuelle Verfolgungsgefahr abgeleitet werden könne. Für die Antragstellerin seien seitens deren Mutter keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht und angegeben worden, dass sie aufgrund der Gründe der Mutter ausgereist sei.
Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde dann weiters ausgeführt, dass dem Vorbringen der Mutter der Antragstellerin zu ihren behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gem. Art. 1 Abschnitte Österreich Z 2. GFK zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin fristgerecht mit einem für alle Mitglieder ihrer Kernfamilie geltenden inhaltsgleichen Schreiben vom 16.05.2013 gegen Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides Beschwerde an den Asylgerichtshof. Darin wurde zunächst eingewandt, dass die Mutter der Beschwerdeführerin die ihr gestellten Fragen beantwortet und auf Nachfragen konkrete Antworten gegeben habe. Sie habe ihre Erlebnisse und Fluchtgründe soweit ihr wichtig erschienen, berichtet, wobei sie mangels Kenntnis der rechtlichen Voraussetzungen nicht beurteilen habe können, wie weit sie bei einzelnen Fragen in Detail hätte gehen müssen.
Zudem wurde vorgebracht, dass ihre Schwiegereltern sie nach dem Tod ihres Mannes sehr schlecht behandelt, ihr alles weggenommen und ihr sogar mit dem Entzug ihrer Kinder gedroht hätten. Im Falle einer Rückkehr würden sie alles daran setzen, ihr die Kinder wegzunehmen. Wie sich auch aus den Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid ergebe, schreite die Islamisierung der tschetschenischen Gesellschaft voran und würden die Kinder nach dem Tod des Mannes seiner Familie gehören, was ihre Schwiegereltern auch einfordern würden. Die Mutter der Beschwerdeführerin habe in ihren Ausführungen auch widerspruchsfrei dargelegt, dass die Familienangehörigen ihres verstorbenen Mannes sie bedroht und mit der Wegnahme der Kinder gedroht hätten. Da ihr Vater bereits verstorben und ihre Mutter als Frau eine geminderte soziale Stellung habe, würde sie auch nicht über den erforderlichen Rückhalt verfügen, den Kontakt mit ihren Kindern in dieser Situation aufrechterhalten zu können. Sie sei weiters vollkommen auf sich alleine gestellt und könne auch von tschetschenischen Behörden keine Hilfe erwarten, da sie als Witwe nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügen würde, sich die Unterstützung der Behörden zu erkaufen. Auch ihre gesundheitlichen Probleme würden es ihr zusätzlich erschweren, den Ansprüchen ihrer Schwiegereltern entgegenzutreten. Unter Verweis auf einen auszugsweise wiedergegebenen Bericht von ACCORD vom 04.07.2012 zu Frauen in Tschetschenien wurde schließlich festgehalten, dass sich die Lage für Frauen insgesamt seit dem Amtsantritt von Ramsan Kadyrow drastisch verschlechtert habe.
Darüber hinaus fürchte sich die Mutter der Beschwerdeführerin vor jenen Männern, die sie vor ihrer Ausreise zu Hause aufgesucht und geschlagen hätten. Im Falle einer Rückkehr müsste sie in ständiger Angst vor weiteren Besuchen dieser Männer und neuerlicher körperlicher Misshandlungen leben.
In einer handschriftlichen, in russischer Sprache verfassten Ergänzung bat die Mutter der Asylwerberin neuerlich um Hilfe, da sie nirgendwohin gehen könne. Am Tage der Ermordung ihres Ehegatten am 05.09.2010 habe sie sich in der Gebärklinik befunden. Geheiratet habe sie am 01.01.2000, später habe sie ihren Mann verloren. Danach hätten sie die Verwandten ihres Mannes weggejagt und ihre Kinder wegnehmen wollen, ohne die sie nicht leben könne. Ständig hätten irgendwelche unbekannten Leute nach ihrem Mann gefragt, sie hätten keine Ruhe gehabt. Die Kinder hätten Angst gehabt und sie alle ein schweres Leben geführt. Sie habe Tritte mit dem Fuß erhalten, einen Knochenbruch erlitten. Sie habe ihre Heimat nicht verlassen, um sich behandeln zu lassen oder sich zu retten, sondern wegen der Kinder. Sie wolle, dass sie gesund aufwachsen und eine Ausbildung erhalten bzw. ohne Furcht in Freiheit leben könnten. Sie habe sich drei Monate im Spital befunden und hätten die Kinder in einem Kinderheim untergebracht werden sollen. Sie nehme täglich dreimal viele Medikamente und bekomme drei Mal pro Woche Infusionen. Ob sie schon in ihrer Heimat krank gewesen sei, könne sie nicht sagen, sie sei nie in einem Krankenhaus gewesen außer in der Gebärklinik. Sie bitte um Verzeihung, wenn sie sich nicht mehr an alles erinnern könne.
Mit Schreiben vom 03.06.2013 wurden weitere medizinische Unterlagen vorgelegt.
Der Asylgerichtshof hat wie folgt festgestellt und erwogen:
Zur Person der Beschwerdeführerin wird Folgendes festgestellt:
Sie ist Staatsbürgerin der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe sowie Moslem. Sie wurde am XXXX geboren und wuchs gemeinsam mit ihren vier Geschwistern und ihrer Mutter im Haus ihres Vaters auf.
Für die minderjährige Beschwerdeführerin wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht. Zu den Fluchtgründen ihrer Mutter können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Die Beschwerdeführerin gelangte am 21.07.2012 gemeinsam mit ihrer Mutter und den minderjährigen Geschwistern XXXX unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte sogleich im Wege ihrer gesetzlichen Vertreterin, so wie auch die übrigen Mitglieder ihrer Kernfamilie, einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin wohnt im Bundesgebiet gemeinsam mit ihrer Mutter und den Geschwistern und leidet an einer latenten TBC-Infektion bei mulitresistenter tuberculosis der Mutter, ist aber nicht infektiös und grundsätzlich gesund. Die Beschwerdeführerin und ihre Kernfamilie bezieht nach wie vor Grundversorgung.
Die Beschwerdeführerin verfügt im Bundesgebiet außerhalb ihrer Kernfamilie über einen Bruder ihrer Mutter, der seit zwei Jahren als Asylwerber in Österreich lebt und mit dem die Familie im telefonischen Kontakt steht. Diesem wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.11.2012, Zl. 11 09.634-BAT, der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Im Herkunftsland lebt weiterhin zumindest ihre Großmutter mütterlicherseits.
Zu Tschetschenien und einer allfälligen inländischen Fluchtalternative von Tschetschenien in der Russischen Föderation und zur Situation von Frauen wird Folgendes festgestellt:
Politik / Wahlen
Die Tschetschenische Republik ist eines der 83 Föderationssubjekte der Russischen Föderation. Ihre historisch verwurzelten Unabhängigkeitsbestrebungen führten in jüngster Geschichte zu zwei Kriegen mit dem föderalen Zentrum Russland. Der zweite Tschetschenienkrieg wurde offiziell im April 2009 für beendet erklärt. 2006 wurde Ramsan Kadyrow zum Premierminister, 2007 per Dekret zum Präsidenten Republik Tschetschenien ernannt.
(BBC News: Chechnya profile - Timeline, Stand 24.5.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-europe-18190473, Zugriff 3.12.2012 / CIA World Factbook: Russia, Stand 14.11.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 3.12.2012)
Im Februar 2011 wurde Ramsan Kadyrow von Präsident Medwedew zu einer zweiten fünfjährigen Amtszeit als Republiksoberhaupt ernannt und in der Folge vom tschetschenischen Parlament betätigt.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 8, Issue 42, 2.3.2011)
Die Macht von Ramsan Kadyrow, der seit Anfang September 2010 die neue Amtsbezeichnung "Oberhaupt" Tschetscheniens führt, ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge.
(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)
Im Mai 2012 entließ Kadyrow die gesamte tschetschenische Regierung, und ernannte Abubakar Edelgerijew zum neuen Premierminister. Zudem vereinte er die Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung, was die Verwaltung gegenüber der lokalen Regierung stärkte und dadurch die Macht Kadyrows weiter festigte. Zum Chef der Gemeinsamen Präsidentschafts- und Regierungsverwaltung wurde Kadyrows enger Vertrauter Magomed Daudov ernannt.
(RFE/RL: Chechen Leader Restructures His Government, 22.5.2012, http://www.rferl.org/content/chechen-leader-restrucures-government/24588951.html, Zugriff 3.12.2012 / The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 103, 31.5.2012 / The Jamestown Foundation:
Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 113, 14.6.2012)
Anfang Oktober 2012 entließ Ramsan Kadyrow den Bürgermeister von Grosny, und ernannte einen seiner Verwandten, Islam Kadyrow, als neuen Bürgermeister. Zuvor hatte das Republiksoberhaupt in mehreren Bezirken der Republik Umbesetzungen in der Führungsriege durchgeführt.
(RFE/RL: Chechen Leader Replaces Grozny Mayor, 9.10.2012, http://www.rferl.org/content/chechen-leader-replaces-grozny-mayor/24733562.html, Zugriff 3.12.2012)
Mit den Parlamentswahlen im Oktober 2008 wurde das Zweikammerparlament durch ein Einkammerparlament, bestehend aus 41 Mitgliedern, die für fünf Jahre gewählt werden, ersetzt.
(Freedom House: Freedom in the World 2009: Chechnya (Russia), 16.07.2009)
In Tschetschenien hat Oberhaupt Ramsan Kadyrow ein auf seine Person zugeschnittenes repressives Regime etabliert. Vertreter russischer und internationaler NROs zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)
Der in Tschetschenien vorherrschende Personenkult um Ramsan Kadyrow ist für außen stehende Beobachter überraschend, wenn nicht geradezu empörend.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: Legal remedies for human rights violations in the North-Caucasus Region, 4.6.2010)
Sowohl bei den gesamtrussischen Dumawahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zum russischen Präsidenten im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen.
(Die Welt: In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin, 5.3.2012,
http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html, Zugriff 3.12.2012 / Ria Novosti: United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya, 5.12.2012, http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html, Zugriff 3.12.2012)
Allgemeine Sicherheitslage
Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter. Die Gewalt in Tschetschenien ging jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)
Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)
In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien).
(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)
Derzeit gibt es gemäß Angaben von Republiksoberhaupt Kadyrow in Tschetschenien noch 28 Polizeikontrollpunkte, die nicht unter der Kontrolle tschetschenischer Behörden sind. Diese seien von Personal aus russischen Regionen außerhalb des Nordkaukasus bemannt. 17 davon sollen nach Dagestan verlegt werden. Von den übrigen 11 größeren Kontrollpunkten seien einige an den administrativen Grenzen, einige in Grosny und einige in der Gebirgsregion.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 206, 9.11.2012)
2011 gab es in Tschetschenien mindestens 201 Opfer des bewaffneten Konflikts, darunter 95 Tote und 106 Verwundete. 2010 waren es noch 250 Opfer gewesen (127 Tote, 123 Verletzte). Damit liegt Tschetschenien betreffend Opferzahlen hinter Dagestan an zweiter Stelle der nordkaukasischen Republiken. Gemäß Polizeiberichten wurden 2011 in Tschetschenien 62 Mitglieder des bewaffneten Untergrunds getötet (2010: 80), weitere 159 vermeintliche Kämpfer wurden festgenommen (2010: 166). 21 Sicherheitskräfte kamen bei Schießereien und Explosionen 2011 ums leben (2010: 44), 97 wurden verletzt (2010: 93). Des Weiteren wurden 2011 bei Terrorakten, Bombardierungen und Schießereien 12 Zivilisten getötet (2010: 3) und 9 verwundet (2010: 30).
2011 kam es in Tschetschenien zu mindestens 26 Explosionen und Terrorakten, 2010 waren es noch 37 gewesen. Unter den Explosionen und Terrorakten waren sieben Selbstmordanschläge.
(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/, Zugriff 3.12.2012)
Nach Angaben von Ramsan Kadyrow im Oktober 2012 seien noch rund 35 bis 40 Rebellen in Tschetschenien aktiv. Diese Zahl (bzw. bis maximal 70) wird von ihm seit rund sieben Jahren angegeben. Jedes Jahr wird jedoch ein drei bis viermal so hohe Anzahl an getöteten und festgenommenen Rebellen angegeben.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 196, 26.10.2012)
2012 wurden zwischen Jänner und Mitte Oktober nach Angaben des Innenministeriums der Republik Tschetschenien 35 Kämpfer des bewaffneten Untergrunds in Tschetschenien getötet und weitere 80 verhaftet. Im selben Zeitraum seien 9 gemeinsame große Sonderoperationen gegen die Kämpfer durchgeführt worden.
(Caucasian Knot: The Ministry of Interior Affairs: 35 gunmen killed in Chechnya since the beginning of the year, 17.10.2012, http://www.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/22579/, Zugriff 3.12.2012)
Gemäß Daten aus offenen Quellen wurden 2012 bei Sondereinsätzen zwischen Jänner und September 40 Soldaten getötet und 50 verletzt.
(The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 176, 27.9.2012)
Menschenrechte
Die Regierung von Ramsan Kadyrow in Tschetschenien verletzt weiterhin Grundfreiheiten, ist in Kollektivbestrafungen von Familien vermeintlicher Rebellen involviert und fördert insgesamt eine Atmosphäre der Angst und Einschüchterung.
Der tschetschenische Ombudsmann Nurdi Nukhazhiyev zeigte sich der wichtigsten NRO in der Region, Memorial, gegenüber unkooperativ. Die Behörden weigerten sich gelegentlich mit NRO, die ihre Aktivitäten kritisierten, zusammenzuarbeiten. In Tschetschenien tätige Menschenrechts-NRO, darunter das Committee Against Torture, berichteten über Drohungen und Einschüchterungen durch Exekutivorgane.
Menschenrechtsgruppen beschwerten sich, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter waren Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)
Es werden weiterhin Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit den "anti-terroristischen" Operationen der Regierung berichtet. Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen berichten über Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folter, "Verschwindenlassen" und widerrechtliche Tötungen. Der russische Ombudsmann hat mehrfach über Verstöße im Nordkaukasus berichtet, ebenso wie der Menschenrechtskommissar des Europarates. Solche Berichte scheinen vor Ort aber wenige Auswirkungen zu haben.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)
Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2.000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden.
(ÖB Moskau: Asylländerbericht Russische Föderation, Stand September 2012)
Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow bei der Unterdrückung größerer Rebellenaktivitäten in seinem Einflussbereich wird begleitet von zahlreichen Berichten über außergerichtliche Hinrichtungen und Kollektivbestrafungen.
(Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)
2011 wurden in Tschetschenien 20 Fälle registriert, in denen Personen entführt wurden, verschwanden oder gesetzwidrig verhaftet wurden (2010: 6).
(Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/, Zugriff 3.12.2012)
Memorial dokumentierte zwischen Jänner und September 2011 elf Fälle von Entführungen lokaler Einwohner durch Sicherheitskräfte. Fünf der Entführten "verschwanden". Opfer weigern sich aus Angst vor behördlicher Vergeltung zusehends über Verstöße zu sprechen. In einem Brief an eine russische NRO im März 2011 sagten die föderalen Behörden, dass die tschetschenische Polizei Untersuchungen von Entführungen sabotierten und manchmal die Täter deckten. Der Brief war die erste öffentliche Bekenntnis des Unvermögens der föderalen Untersuchungsbehörden, Missbräuche in Tschetschenien zu untersuchen.
(Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)
Berichten zufolge verübten Beamte mit Polizeibefugnissen nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen. In einem Schreiben an die NGO Interregionales Komitee gegen Folter bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Für die Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien stellte der ungeklärte Mord an Natalja Estemirowa im Jahr 2009 nach wie vor eine schwere Belastung dar. Sie waren zudem weiterhin Einschüchterungsmaßnahmen und Schikanen ausgesetzt.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)
Im Nordkaukasus finden die schwersten Menschenrechtsverletzungen in der Russischen Föderation statt. Hierzu sind seit 2005 auch zahlreiche Urteile des EGMR gegen Russland ergangen, der insbesondere Verstöße gegen das Recht auf Leben festgestellt hat. Wiederholte Äußerungen von Präsident Medwedew und anderen Funktionsträgern deuten darauf hin, dass Recht und Gesetz hinreichend eingehalten und die Menschenrechte respektiert werden sollen. Es fehlt jedoch bislang an wirklich messbaren Fortschritten vor Ort. Die Urteile des EGMR werden von Russland nicht vollständig umgesetzt. Laut NRO "Kawkaski Usel" sind 2011 im Nordkaukasus 91 Personen entführt und verschleppt worden. Es wird vermutet, dass dafür in den meisten Fällen Sicherheitskräfte verantwortlich sind.
Vertreter russischer und internationaler NRO zeichnen ein insgesamt düsteres Lagebild. Gewalt und Menschenrechtsverletzungen bleiben dort an der Tagesordnung, es herrscht ein Klima der Angst und Einschüchterung. Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)
Justiz
Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen wird weiterhin gewährt, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Der EGMR hat die Russische Föderation wiederholt in Verletzung der Artikel 2 und/oder Artikel 3 der EMRK gesehen. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungesetzliche Tötungen, Verschwinden lassen, Folter und Misshandlungen und die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen. Russland zahlt den Opfern zwar die vorgeschriebene finanzielle Kompensation, versäumt es aber, effektivere Untersuchungen durchzuführen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012 / Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)
Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Schariah-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)
Tschetschenien hat nach wie vor Probleme, politischen Pluralismus, die Rechtsstaatlichkeit oder Frauenrechte zu gewährleisten.
(International Crisis Group: The North Caucasus: The Challenges of Integration (I), Ethnicity and Conflict, 19.10.2012)
Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es dadurch Rebellen Lebensmittel, Kleidung oder Schlafstätten zur Verfügung zu stellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug.
(BAA/Staatendokumentation: Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien, 20.4.2011)
In einem Schreiben an die NGO Interregionales Komitee gegen Folter bestätigte ein hochrangiger tschetschenischer Staatsanwalt, dass die Ermittlungen zu den Fällen von Verschwindenlassen in Tschetschenien ineffektiv seien. Für die Menschenrechtsverteidiger in Tschetschenien stellte der ungeklärte Mord an Natalja Estemirowa im Jahr 2009 nach wie vor eine schwere Belastung dar. Sie waren zudem weiterhin Einschüchterungsmaßnahmen und Schikanen ausgesetzt.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)
Die Nichtregierungsorganisation "Vesta" bietet kostenlose qualifizierte Rechtsberatung in den folgenden Bereichen:
Rechtsberatung bezüglich ziviler und juristischer Angelegenheiten, Vorbereitung von Anträgen und Anfragen, Ausstellung von Urkunden und Petitionen für die Gerichtshilfe, Einlegung von Berufung bei Verwaltungs- und Strafverfolgungsinstitutionen. Die Menschenrechtsorganisation "Memorial" bietet Rechtshilfe und befasst sich mit Wohnraumproblemen von Rückkehrer und Zwangsumgesiedelten in Grosny.
(BAMF: IOM Individualanfrage ZC96, 16.5.2012)
Sicherheitsbehörden
In Russland existiert eine Vielzahl von Sicherheitsdiensten. Es wird unterschieden zwischen den föderalen Sicherheitskräften, welche der Russischen Föderation unterstehen, und lokalen Abteilungen, welche den Behörden der einzelnen Republiken unterstellt sind. Die föderalen Streitkräfte im Nordkaukasus bestehen einerseits aus der russischen Armee, welche dem russischen Verteidigungsministerium MO RF angehört (am Kampf gegen den bewaffneten Widerstand sind auch viele Sondereinheiten des Geheimdienstes der russischen Armee (GRU) beteiligt), andererseits sind auch Polizeieinheiten des Innenministeriums MVD RF aktiv, um die lokalen Sicherheitskräfte zu verstärken und zu kontrollieren. Diese lokalen Sicherheitskräfte unterstehen ihrerseits den Innenministerien (MVD) der einzelnen Republiken. Innerhalb der Polizei gibt es zahlreiche Sondereinheiten, wie beispielsweise die OMON (Abteilung zur Aufstandsbekämpfung). Die Truppen der MVD sind hauptsächlich für die Kontrolle der Städte und Dörfer zuständig, sie beaufsichtigen Checkpoints und führen "Säuberungsaktionen" durch. Ebenfalls präsent im Nordkaukasus ist der Inlandgeheimdienst der Russischen Föderation (FSB). Dabei handelt es sich sowohl um den föderalen FSB als auch um lokale Abteilungen. Dieses komplizierte Geflecht erschwert es oft, die Verantwortlichen für Rechtsverletzungen zu finden, und erlaubt es den Behörden, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben. Die (sowohl lokalen als auch föderalen) Sicherheitskräfte nehmen in der Regel weder Rücksicht auf die Zivilbevölkerung noch auf Gesetzmäßigkeit, zumal sie weder mit Untersuchungen noch mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen müssen.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe: Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage, 12.9.2011)
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz betreibt im Nordkaukasus weiterhin Wissensvermittlung über Humanitäres Völkerrecht und andere rechtliche Instrumente und Standards für Behörden, Sicherheitskräfte, Organisationen der Zivilgesellschaft, Professoren, Studenten und Medien. 2011 wurden in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Nordossetien 15 Informationsveranstaltungen für über 400 Angestellte des Innenministeriums abgehalten.
(ReliefWeb: Russian Federation/Northern Caucasus: ICRC responds to long-lasting needs, 24.4.2012, http://reliefweb.int/node/492154, Zugriff 4.12.2012)
Polizeigewalt
Anwälte, Journalisten und Menschenrechtsorganisationen berichten über Entführungen, willkürliche Verhaftungen, Folter, "Verschwindenlassen" und widerrechtliche Tötungen.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)
Sicherheitskräfte entführten oder verhafteten Personen oft für einige Tage ohne sofortige Erklärung oder Anklage.
Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass die Anzahl der Entführungen unvollkommen erfasst ist, da die Verwandten der Opfer aus Angst vor Repressalien durch die Behörden abgeneigt seien, sich zu beschweren. Im Allgemeinen wurde an Entführungen beteiligtes staatliches Sicherheitspersonal nicht zur Rechenschaft gezogen. Kriminelle Gruppen, möglicherweise mit Verbindungen zu den Rebellen, entführten häufig Personen für Lösegeld.
Menschenrechtsgruppen kreideten an, dass Sicherheitskräfte unter dem Kommando Kadyrows eine bedeutende Rolle bei Entführungen spielten, entweder auf eigene Initiative oder in gemeinsamen Operationen mit föderalen Kräften. Darunter waren Entführungen von Familienmitgliedern von Rebellenkommandanten und -kämpfern.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)
Berichten zufolge verübten Beamte mit Polizeibefugnissen nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)
Korruption
Korruption ist allgegenwärtig - in der Gesundheitsversorgung, im Bildungswesen, an den Gerichten, auf dem Arbeitsmarkt.
(Schweizerische Flüchtlingshilfe: Nordkaukasus: Sicherheits- und Menschenrechtslage, 12.9.2011)
Problematisch ist Korruption auch im Zusammenhang mit der Auszahlung von Kompensationsleistungen für kriegszerstörtes Eigentum. Man geht davon aus, dass 30-50% gewährter Kompensationssummen gleich wieder als Schmiergelder gezahlt werden müssen.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)
Endemische Korruption schließt signifikante Investitionen von Geschäftsmännern, die keine Verbindung zu lokalen Politikern haben, aus.
(CACI-Analyst: The role of public relations in the economic development of the North Caucasus, 25.5.2011, http://www.cacianalyst.org/newsite/?q=node/5562, Zugriff 4.12.2012)
In Zusammenhang mit dem Wiederaufbau in Tschetschenien war die Finanzierung nicht transparent, Arbeiter wurden oft nicht bezahlt und es gab zahlreiche Korruptionsvorwürfe.
(International Crisis Group: The North Caucasus: The Challenges of Integration (I), Ethnicity and Conflict, 19.10.2012)
Frauen und Kinder
Es gab 2011 keine weiteren Berichte über Angriffe auf Mädchen und Frauen, die keine Kopftücher tragen wollten. Jedoch können jene, die dies verweigern, nicht im öffentlichen Dienst arbeiten oder Schulen und Universitäten besuchen.
(Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)
Human Rights Watch berichtete, dass Ehrenmorde im Nordkaukasus weiterhin ein Problem wären, wenngleich es schwer ist, die Anzahl der Opfer zu schätzen. Ramsan Kadyrow hat sich öffentlich für Ehrenmorde ausgesprochen. In einigen Teilen des Nordkaukasus sind Frauen mit Brautentführung, Polygamie und erzwungenem Beachten islamischer Kleidungsvorschriften konfrontiert. Als Teil seiner "Anstandskampagne" gebot Kadyrow Frauen in der Öffentlichkeit Kopftuch zu tragen (darunter in Schulen, Universitäten und staatlichen Büros) und sprach sich unter anderem dafür aus, jungen Frauen das Mobiltelefon abzunehmen. In einigen Teilen des Nordkaukasus gab es Fälle, in denen Männer vorgaben in alter Tradition Bräute zu entführen, junge Frauen aber entführten und vergewaltigten und in einigen Fällen zu einer Heirat zwangen. In anderen Fällen waren Frauen für immer "befleckt", da sie keine Jungfrauen mehr waren und somit nicht in eine legitime Ehe eintreten konnten.
Sicherheitsdienste in Tschetschenien nahmen NRO ins Visier, deren Schwerpunkt auf Frauenrechten in Tschetschenien lag, und warnten diese, nicht mit ausländischen Gesprächspartnern zu sprechen, und insbesondere nicht einen Menschenrechtsworkshop in Stockholm zu besuchen.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)
Die Wiederbelebung "tschetschenischer Traditionen", die vom tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow aktiv betrieben wurde, führte zu einer verstärkten Benachteiligung von Frauen. Für Mädchen und Frauen erhöhte sich das Risiko, Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt zu werden.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)
In Tschetschenien ist in den letzten Jahren die zunehmende Schikane und Diskriminierung von Frauen zu beobachten, die nicht die öffentlich durchgesetzten Kleidungsvorschriften beachten. In Tschetschenien wurden Morde als Ehrenmorde identifiziert, jedoch ist die Häufigkeit derartiger Verbrechen schwer festzustellen.
(Minority Rights Group International: State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2011, 6.7.2011)
Der Einfluss des [tschetschenischen Gewohnheitsrechts] Adat und teilweise die Islamisierung in Tschetschenien unter dem Regime von Ramsan Kadyrow scheinen die Situation von tschetschenischen Frauen erschwert zu haben. Die zwei tschetschenischen Kriege beeinflussten die Familienmuster und machten Frauen insgesamt schutzloser. Sehr wenige Frauen versuchen Schutz bei den Behörden zu finden, wenn sie Opfer von Gewalt werden. Die Behörden geben Frauen nicht den Schutz, den sie benötigen.
(Landinfo: Tsjetsjenia: Kvinner i dagens Tsjetsjenia, 17.7.2012, http://www.landinfo.no/asset/2118/1/2118_1.pdf, Zugriff 3.12.2012)
Tendenzen zur Einführung von Schariah-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen.
In Tschetschenien hat der Druck auf Frauen erheblich zugenommen, sich gemäß den vom dortigen Regime als islamisch propagierten Sitten zu verhalten und zu kleiden. Russische Menschenrechtsorganisationen sprechen von systematischen Diskriminierungen, die nicht zuletzt im Widerspruch zur russischen Verfassung und anderen geltenden Gesetzen stehen.
(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand Juni 2012), 6.7.2012)
Aus Traditionsgründen oder durch Sicherheitskräfte begangene Verbrechen werden oft nicht angezeigt oder verfolgt. Häusliche und sexuelle Gewalt sind weiterhin Tabuthemen in der tschetschenischen Gesellschaft und werden gemeinhin gemäß den Traditionen gelöst, können jedoch bei den Behörden angezeigt werden. Bei Scheidungen bzw. im Falle des Todes eines Mannes "gehören" seine Kinder den Bräuchen folgend ihm bzw. seiner Familie. Auch hier besteht in der Praxis die Möglichkeit für Frauen, sich an Gerichte zu wenden, die im Normalfall zu Gunsten der Frau entscheiden dürften. Ob und inwieweit eine tschetschenische Frau Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch nimmt hängt, ebenso wie etwa Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten, Kleidung, oder Vorgehen bei "unehrenhaftem Verhalten", stark von ihrer individuellen Situation ab: von ihrer Erziehung, ihren sozialen Netzwerken, vor allem also von ihrer Familie bzw. jener ihres Ehemannes, von deren Modernität, Traditionalität und Religiosität.
Außereheliche Beziehungen werden von der Gemeinschaft streng bestraft. Vergewaltigung und sexuelle Nötigung sind Tabuthemen in der tschetschenischen Gesellschaft. Ein Mann, von dem bekannt ist, dass er ein solches Verbrechen begangen hat, wird von den Familienmitgliedern der Frau getötet. Verheiratete Vergewaltigungsopfer wurden üblicherweise geschieden.
(BAA Staatendokumentation: Analyse zu Russland/Tschetschenien: Frauen in Tschetschenien, 8.4.2010)
Nichtregierungsorganisationen
Menschenrechtsverteidiger werden weiterhin aufgrund ihrer Arbeit ins Visier genommen. Zunehmender Druck und Einschüchterung minimieren zusammen mit der fehlenden unabhängigen Presse die Kontrolle der Menschenrechte und Berichterstattung. Druck und Einschüchterung gehen sogar von hochrangigen Regierungsbeamten aus. Das tschetschenische Oberhaupt Ramsan Kadyrow bezeichnete beispielsweise die NRO Memorial als "Feinde des Staates, des Volkes und des Gesetzes". Leider scheint der Ombudsmann der Republik, Nurdi Nukhazhiev, ähnliche Ansichten zu teilen. Er tat während seines Treffens mit Vertretern der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im September 2011 wenig, um seine Abneigung gegenüber internationalen und lokalen Menschenrechtsorganisationen zu verheimlichen.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)
Menschenrechtsverteidiger in Russland sind gefährdet, Schikanen und gewalttätigen Angriffen ausgesetzt zu sein, insbesondere jene, die im Nordkaukasus arbeiten. Die Straffreiheit für die Morde an drei Aktivisten 2009 (Estemirova, Saidulaeva und Dzhabrailov) haben abschreckende Wirkung auf tschetschenische Aktivisten. In mindestens zwei Fällen 2011 waren Aktivisten schweren Schikanen durch Behörden ausgesetzt. Aus Angst vor Strafe wurden keine offiziellen Beschwerden eingereicht.
(Human Rights Watch: World Report 2012, 22.1.2012)
Das Verschwinden und die Morde an mehreren Mitgliedern von Menschenrechts- und anderen wohltätigen Organisationen 2009 hatte abschreckende Wirkung auf die Aktivitäten von Menschenrechtsorganisationen im gesamten Nordkaukasus. Unter Führung der NRO "Komitee gegen Folter" unterzeichneten mehrere führende russische NRO ein Memorandum, mit dem man gemeinsame mobile Gruppen einrichtete, die abwechselnd in Tschetschenien arbeiten. Die Gruppen unternehmen unabhängige Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen und stellen Opfern rechtliche Hilfe zur Verfügung. Insgesamt sind Menschenrechtsaktivisten im Nordkaukasus weiterhin Einschüchterungen und Druck ausgesetzt, einige haben glaubhafte Gründe zu glauben, dass ihr Leben in Gefahr sein könnte, wenn sie weiterhin in bestimmten Gebieten arbeiten.
(Council of Europe - Commissioner for Human Rights: Report by Thomas Hammarberg Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 12 to 21 May 2011, 6.9.2011)
Der tschetschenische Ombudsmann Nurdi Nukhazhiyev zeigte sich der in der Region führenden NRO Memorial gegenüber unkooperativ. Die Behörden weigerten sich gelegentlich mit NRO zusammenzuarbeiten, die ihre Aktivitäten kritisierten. In Tschetschenien tätige Menschenrechts-NRO, darunter das Committee Against Torture, berichteten über Drohungen und Einschüchterungen durch Exekutivorgane
Sicherheitsdienste in Tschetschenien nahmen NRO ins Visier, deren Schwerpunkt auf Frauenrechten in Tschetschenien lag, und warnten diese, nicht mit ausländischen Gesprächspartnern zu sprechen, und insbesondere nicht einen Menschenrechtsworkshop in Stockholm zu besuchen.
(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)
Tschetschenische Behörden und auch einige Tschetschenen selbst verstehen nicht, was eine "Nichtregierungsorganisation" ist. Präsident Kadyrow schlug Oleg Orlow von Memorial laut dessen eigenen Aussagen eine Änderung der Arbeitsmethoden der NRO vor: Anstatt die Fälle öffentlich zu machen, solle sie sich persönlich an Kadyrow wenden, der dann die Probleme lösen könnte.
Es gibt "offizielle" NRO, die mit der Regierung zusammenarbeiten, und deren Aktivitäten von der tschetschenischen Verwaltung unterstützt oder zumindest toleriert werden. Andererseits gibt es "unabhängige" NRO, die sich nicht von Regierungsbehörden lenken lassen wollen. Die "offiziellen" NRO können Präsident Kadyrow und seine Verwaltung nicht direkt kritisieren, obwohl sie sehr wohl auch ernsthafte Bedenken äußerten, gelegentlich sogar mutmaßliche Vergehen von und Bedenken über tschetschenische Sicherheitskräfte. "Unabhängige" NRO wie Memorial und jene der "Gemeinsamen Mobilen Arbeitsgruppe" diskutieren offen gut begründete Vorwürfe gegen tschetschenische Sicherheitskräfte, die Verwaltung und den Präsidenten selbst. Für unabhängige NRO wird es zunehmend herausfordernd und gefährlich zu arbeiten.
Im Zuge einer Fact-Finding Mission nach Tschetschenien 2010 wurden von britischen Parlamentariern folgende Menschenrechts-NRO getroffen: "Nijso", "Union on Chechen Women", "Echo of War", "People of Mercy", "Women¿s Dignity", "Charitable Fund for support of NGOs", "Azalia", "Stimul", "In search of missing persons", "Children of Kazakhstan", "Dialogue", "Chechen Human Rights Centre", "North Caucasus Peacebuilding Centre", "Committee Against Torture", "Rights Defence of the Population of the Chechen Republic", "Lamaz AZ", "Peace and Human Rights", "Mother's Alarm", "Information-Resource Centre of the Chechen Republic", "Coalition".
(Parliamentary Human Rights Group: Chechnya Fact-Finding Mission - 15-19 February 2010, Juni 2010)
Dem Danish Refugee Council gibt es in Tschetschenien neben dem DRC selbst unter anderem folgende lokale und internationale Nichtregierungsorganisationen:
Women's Dignity: Die NRO führt Kurse über Menschen- und Frauenrechte in städtischen und ländlichen Schulen durch, zu Frauenrechten im Frauenzentrum, sowie zu Hygiene, Frauenhygiene und Sexualkunde für Mädchen. Des Weiteren führt die NRO Berufsbildungskurse (Nähen, Computer) durch, sowie Schulungen über Frauenrechte für im Gesundheitswesen tätige, Lehrer und Journalisten. Die NRO bietet im Bereich Rechtshilfe Frauen Beratung an, rechtlichen Beistand bei Gericht, und hilft bei der Vorbereitung von Anträgen an Justizbehörden. Frauen wird Beratung durch einen Gynäkologen angeboten, und die NRO betreibt Tuberkulose-Prävention.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) kümmert sich um Opfer von Katastrophen und treibt Gas- und Wasserversorgung im ländlichen Tschetschenien voran. Zudem ist das IKRK im Bereich Arbeit/Einkommen für Familien vermisster Personen, von der fortdauernden schlechten Lage betroffene Familien, wirtschaftlich Schutzbedürftige, Frauen, Familien Verhafteter, orthopädische Patienten und Minenopfer tätig. Psychosoziale Unterstützung wird den Familien Vermisster bzw. für besonders schutzbedürftige Familien angeboten. Weiters führt das IKRK Schulungen für Krankenschwestern, Krankenhausangestellte und das Gesundheitsministerium durch.
International Medical Corps (IMC) stellt IDPs in Tschetschenien unter anderem über Mikroprojekte Unterstützung für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Im Bereich "Medizinisches" bietet IMC primäre medizinische Versorgung (in Vedeno und Nozhai-Yurt), Fortpflanzungsmedizin, Tuberkulose-Prävention und Schulungen für das Gesundheitsministerium. Zudem führt IMC psycho-soziale Beratungen durch. IMC unterstützt die Tuberkulose-Prävention des Gesundheitsministeriums und schult im Gesundheitswesen Tätige.
Ärzte ohne Grenzen bietet Behandlung von Tuberkulose über das Nationale Tuberkulose-Programm des Gesundheitsministeriums und Laborunterstützung. Zudem behandelt die NRO HIV-TB Koinfektionen und führt Infektionskontrollen durch, sowie Schulungen. Die ersten Medikamente-resistenten Patienten sollen ihre Behandlung im ersten Quartal 2012 durchgeführt haben. Weiters bietet die NRO psycho-soziale Unteerstützung durch Beratung für die lokale Bevölkerung und IDPs in Grosny und im südlichen Tschetschenien.
Die NRO Nizam bietet Rechtsberatung für ehemalige IDPs, Rückkehrer, Staatenlose und Asylwerber und bemüht sich, rechtliche Informationen zu verbreiten. Auch in Bezug auf Wohnrechte stellt die NRO Rechtshilfe zur Verfügung. Nizam arbeitet mit dem DRC zusammen und wird vom UNHCR unterstützt. Der Danish Refugee Council selbst stellt ebenfalls Rechtsberatung zur Verfügung und zwar über mobile Rechtsberatungsstellen an IDPs/Rückkehrer und besonders Schutzbedürftige. Zudem werden Informationskampagnen über grundlegende sozio-ökonomische Rechte durchgeführte (wo und wie IDPs bei verschiedenen staatlichen Stellen anzusuchen haben).
Folgende lokale NRO werden vom DRC unterstützt: "Let¿s Save Generation" (Reintegration von IDP Kindern und Jugendlichen), "Reliance" (Verbesserung der Lebensqualität für durch Minen und Blindgänger behinderte Jugendliche durch Berufsbildungskurse), "Elif" (Rechtsberatung für IDPs und schutzbedürftige Haushalte für die Umsetzung ihrer sozio-ökonomischen Rechte).
Das International Rescue Committee (IRC) versucht in Zusammenarbeit mit der lokalen NRO "Uspokoenie Dushi-Sintem" und dem "Zentrum für psychosoziale und pädagogische Rehabilitation und Korrektur" in Grosny lokale Strukturen aufzubauen, die Gewalt gegen IDP- und Rückkehrer-Frauen und -Mädchen beendigen sollen.
(Danish Refugee Council: WHO does WHAT, WHERE, and for WHOM in 2012, Stand März 2012)
Ombudsmann
Im Mai 2011 wurde Nurdi Nukhazhiev vom tschetschenischen Parlament für eine zweite fünfjährige Amtszeit bestätigt. Nukhazhiev wurde in diesem Zusammenhang von Kadyrow für seine gute Arbeit und die gute Zusammenarbeit gelobt.
(Chechenombudsman.ru: ????????? ????????? ????????? ?? ?????? ????, 21.5.2011,
http://chechenombudsman.ru/index.php?option=com_content&task=view&id=1326&Itemid=206, Zugriff 18.6.2012)
Der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates bezweifelt ernsthaft, ob der tschetschenische Ombudsmann seine Rolle als unabhängige Institution zum Schutz der Menschenrechte in der Republik versteht.
(Council of Europe - Parliamentary Assembly: The situation of IDPs and returnees in the North Caucasus region, 5.3.2012)
Offizielle Homepage des Ombudsmannes:
http://www.chechenombudsman.ru/ (Russisch; Zugriff 4.12.2012)
Grundversorgung/Wirtschaft
Dank einer hohen finanziellen Förderung durch die Russische Föderation kam der Wiederaufbau Tschetscheniens nach dem Krieg zügig voran. Die hohe Erwerbslosigkeitsrate stellte weiterhin ein Problem dar.
(Amnesty International: Jahresbericht 2012 [Beobachtungszeitraum 2011], 24.5.2012)
Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow führt die Republik weiterhin mit Hilfe umfangreicher föderaler Subventionen. Sein verschwenderischer Lebensstil und seine extravagante Geburtstagsfeier 2011 führten zu Protesten in anderen Teilen Russlands. Trotz seiner Abhängigkeit von föderalen Mitteln arbeitet Kadyrow mit größerer Autonomie als andere regionale Oberhäupter. Putin besuchte Tschetschenien im Dezember 2011 und machte klar, dass er seinen Verbündeten weiter zu unterstützen gedenkt.
(Freedom House: Nations in Transit 2012 - Russia, 6.6.2012)
Die durch den Wiederaufbau herbeigeführten Veränderungen deuten Prosperität an, aber der Anschein kann irreführend sein. Die Wirtschaft im Nordkaukasus, darunter auch Tschetschenien, ist unterentwickelt und wird weitgehend von Mo