S3 437.034-1/2013/5E
S3 437.035-1/2013/5E
S3 437.036-1/2013/5E
S3 437.037-1/2013/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX, 2.) XXXX, 3.) XXXX,
4.) XXXX, alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 19.07.2013, GZ 13 06.860-EAST Ost (ad 1.), GZ 13 06.861-EAST Ost (ad 2.), GZ 13 06.862-EAST Ost (ad 3.), GZ 13 06.863-EAST Ost (ad 4.), zu Recht erkannt:
Die Beschwerden werden gemäß § 5 und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Den Beschwerden liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin. Die Dritt- bis Viertbeschwerdeführer sind die Kinder der beiden. Die Beschwerdeführer brachten nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.05.2013 die vorliegenden Anträge auf internationalen Schutz ein.
Im Rahmen einer Erstbefragung am 28.05.2013 gab der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er an keinen Krankheiten oder Beschwerden leide. Zur Reiseroute gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er am 26.04.2013 allein mit einem Zug von Gudermes nach Moskau und anschließend weiter nach Brest in Weißrussland gefahren sei. Am 14.05.2013 sei seine Frau mit den beiden Kindern nachgekommen. Gemeinsam seien sie noch am selben Tag mit dem Zug nach Polen gefahren, wo sie von der Polizei aufgegriffen worden seien und schließlich einen Asylantrag gestellt hätten. Aus Angst, nach Russland abgeschoben zu werden, hätten sie das Lager in einem Kleinbus wieder verlassen und seien nach einem zehntägigen Zwischenstopp an einem dem Erstbeschwerdeführer unbekannten Ort infolge einer Erkrankung seiner Frau nach Österreich gefahren. In welchem Stadium sich das Asylverfahren in Polen befinde, wisse der Erstbeschwerdeführer nicht. Der Erstbeschwerdeführer gab an, er habe keine Familienmitglieder im EU-Raum. Zu seinem Fluchtgrund gab der Erstbeschwerdeführer an, dass es im Jahr 2012 zu einer Schießerei gekommen sei. Dabei sei ein Nachbarhaus in die Luft gesprengt und es seien zwei oder drei Männer getötet worden. Die Bewohner des Hauses seien noch zuvor bei ihnen gewesen und hätten sie um Essen gebeten. Der Erstbeschwerdeführer sei von der dagestanischen Polizei festgenommen und befragt worden. Es habe sich offensichtlich um einen Terroranschlag gehandelt und die Polizei habe gedacht, dass der Erstbeschwerdeführer mit diesen Leuten zusammenarbeite. Er sei von der Polizei geschlagen worden und die Verletzungen haben im Krankenhaus behandelt werden müssen. Am 18.04.2013 habe er zwecks Einvernahme eine Vorladung zur Polizeidienststelle erhalten. Kurz davor sei es zu einem Terroranschlag in Chasawjurt gekommen, bei dem sehr viele Menschen umgekommen und Häuser zerstört worden seien. Am 24.04.2013 habe der Erstbeschwerdeführer eine zweite Vorladung bekommen. Er sei der Aufforderung nicht nachgekommen, sondern nach Weißrussland geflüchtet. Er habe Angst vor weiteren Drohungen und Misshandlungen gehabt, deswegen sei er geflüchtet. Er wolle nicht nach Polen zurück, weil er Angst habe, nach Russland abgeschoben zu werden. Er habe in Polen kein Asyl gewollt, sein Zielland sei Österreich gewesen.
Die Zweitbeschwerdeführerin wurde ebenfalls am 28.05.2013 einvernommen, wobei sie im Wesentlichen dasselbe aussagte wie der Erstbeschwerdeführer. Außerdem gab die Zweitbeschwerdeführerin zum Fluchtgrund noch an, dass die Polizei am 29.04.2013, als ihr Mann bereits auf der Flucht gewesen sei, bei ihnen zu Hause nach dem Erstbeschwerdeführer gesucht habe. Sie hätten ihr gesagt, dass sie die Zweitbeschwerdeführerin beim nächsten Mal zu einer Einvernahme mitnehmen würden. Daraufhin habe sie ihren Mann angerufen und gesagt, dass sie nach Weißrussland nachkomme. Eigene Fluchtgründe habe sie nicht. Im Fall der Rückkehr in ihre Heimat hätte sie Angst um das Leben ihres Mannes. Nach Polen wolle sie nicht zurück. Ihr Zielland sei Österreich gewesen. Ihre ganze Familie lebe in Österreich. Für ihre Kinder würden die gleichen Asylgründe wie für sie gelten.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am 14.05.2013 in Lublin in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
Das Bundesasylamt richtete am 29.05.2013 auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 06.06.2013, eingelangt am selben Tag, stimmte Polen den Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich zu.
Am 19.06.2013 wurde die Zweitbeschwerdeführerin von einer Ärztin für Allgemein- und psychotherapeutische Medizin untersucht. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie bei Aufregung Krämpfe habe. Auf Nachfrage gab sie an, dass dann Hände, Füße und der Mundbereich taub würden. Sie würde zittern und ihr würde die Stimme versagen. Auch ihr zweijähriges Kind, der Viertbeschwerdeführer, bekäme Anfälle. Dabei würde er zu zittern beginnen und sei "wie tot". Seit der Geburt habe er viel geweint. Seine Anfälle seien mit Fieber verbunden.
Laut der daraufhin erstellten gutachterlichen Stellungnahme lagen bei der Zweitbeschwerdeführerin aus aktueller Sicht keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung oder sonstigen psychischen Krankheitssymptome vor.
Am 10.07.2013 wurde der Erstbeschwerdeführer nach erfolgter Rechtsberatung durch einen Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen. Zu Beginn der Einvernahme brachte der Erstbeschwerdeführer mehrere Dokumente zum Beweis seiner Probleme im Herkunftsstaat in Vorlage. Diese wurden zum Akt genommen, und der Erstbeschwerdeführer wurde darüber belehrt, dass es sich um kein inhaltliches Verfahren handle. Der Erstbeschwerdeführer machte sodann im Wesentlichen folgende Angaben:
Er habe keinerlei Verwandte im EU-Raum, nur seine Frau und seine beiden Kinder. Seine Frau habe aber ihre ganze Familie in Österreich. Die Familie seiner Frau würde sie finanziell unterstützen. Sie hätten ein gutes Verhältnis. Wie viel Geld jene seiner Frau konkret gegeben hätten, wisse er nicht. Jene würden sie auch mit Bekleidung unterstützen. In welchem Stadium sich ihr Verfahren in Polen befinde, wisse er nicht. Sie hätten weder eine Antwort noch Dokumente bekommen. Auf den Hinweis, dass beabsichtigt sei, die Ausweisung nach Polen zu veranlassen, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass er einen namentlich genannten Bekannten habe, der aus ähnlichen Gründen aus Dagestan nach Polen ausgereist sei. Dieser sei nach Dagestan abgeschoben worden und nun könne ihn niemand mehr auffinden. Er befürchte, dass ihm dasselbe passiere. In der Folge nahm der Erstbeschwerdeführer Einsicht in die Länderfeststellungen zu Polen und gab dazu an, die Länderinformationen würden zeigen, dass eine Abschiebung nach Russland nicht ausgeschlossen sei. Deswegen wolle er aus Sicherheitsgründen in Österreich bleiben. Es gebe in Polen viele Verräter und Informanten des heutigen Regimes. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese die Leute in Polen leicht finden und umbringen oder verschleppen könnten. Befragt zu seinen familiären Anknüpfungspunkten, gab der Erstbeschwerdeführer an, dass nur die Verwandten seiner Frau in Österreich seien. Abschließend gab er an, dass er Angst um sein Leben und das seiner Familie hätte, sollte er nach Polen abgeschoben werden.
Auch die Zweitbeschwerdeführerin wurde, ebenso nach erfolgter Rechtsberatung, am 10.07.2013 durch einen Organwalter des Bundesasylamtes einvernommen. Sie brachte dabei folgende Dokumente in Vorlage: ein als "medizinische Bestätigung" tituliertes Schreiben des medizinischen Versorgungszentrums Dagestan, wonach die Patientin an einer "medikamentösen Allergie und vegetativ-vaskulären Dystonie" leide, einen Laborbefund sowie eine medizinische Bestätigung eines Landesklinikums über ihren dortigen stationären Aufenthalt vom 04.07.2013 bis 05.07.2013. Laut Aufenthaltsbericht wurden bei der Zweitbeschwerdeführerin Hyperventilation und eine Allergie auf Analgetika diagnostiziert sowie der Verdacht auf eine Belastungsreaktion geäußert. Entlassen wurde sie jedoch "in gutem Allgemeinzustand". Außerdem legte sie zwei Unterstützungsschreiben ihrer Eltern bzw. ihrer Schwester vor. Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der Einvernahme im Wesentlichen an, dass sie sich momentan nicht so gut fühle. Sie habe oft Kopfschmerzen. Sie fühle sich müde, schwach und unausgeschlafen. Sie glaube, dass sie mit den Nerven Probleme habe. Sie sei leicht aufbrausend und bekomme Krämpfe, wenn sie nervös sei. An dem Tag, als sie stationär aufgenommen worden sei, sei ihr dasselbe passiert. Sie sei in Dagestan bereits in psychologischer Behandlung gewesen. Auf Nachfrage antwortete sie, dass sie sich zurzeit aber keiner ärztlichen Behandlung oder Therapie unterziehe. Sie nehme momentan Beruhigungsmittel, die sie kenne. Vielleicht würde sie mehr Medikamente benötigen, sie habe aber auf viele Medikamente eine Allergie. Auf Nachfrage gab sie an, dass ihre Eltern, zwei Brüder und eine Schwester in Österreich leben würden. Ihre Brüder und die Schwester würden schon seit zehn Jahren in Österreich leben, ihre Mutter seit circa drei Jahren. Ihr Vater sei seit Jänner 2013 in Österreich, Genaueres wisse sie nicht. Anschließend gab die Zweitbeschwerdeführerin die Namen und Geburtsdaten ihrer in Österreich aufhältigen Verwandten an. Ihre Brüder und die Mutter seien anerkannte Flüchtlinge. Ihre Schwester habe eine Aufenthaltsgenehmigung und ihr Vater würde sich in einem laufenden Asylverfahren befinden. Sie habe ein gutes Verhältnis zu ihrer Familie. Sie würde jetzt, da es ihr gesundheitlich nicht gut gehe, nicht nur finanzielle, sondern auch moralische Unterstützung ihrer Familie benötigen. In ihrer Heimat habe bis zu ihrer traditionellen Heirat am 22.03.2008 ein gemeinsamer Haushalt mit den angeführten Familienmitgliedern bestanden. Danach sei sie zu ihrem Mann nach Dagestan gezogen. Ihre Eltern und Geschwister hätten sie dreimal in Österreich besucht, ihnen etwa EUR 300 gegeben und Bekleidungsstücke für die Kinder sowie Lebensmittel gebracht. In Polen habe sich die Zweitbeschwerdeführerin nicht sicher gefühlt. Sie habe in Polen weder Verwandte noch Bekannte. In der Folge wurden der Zweitbeschwerdeführerin die Länderfeststellungen zu Polen zur Kenntnis gebracht. Dazu gab sie an, dass sie nicht wegen der medizinischen Versorgung und sozialen Hilfe nach Österreich gekommen seien. Sie habe sich in Polen nicht sicher gefühlt. In Polen habe sie Angst, dass sie ihren Mann verliere oder er verschleppt werden könnte. Deswegen sei es ihr gesundheitlich schlecht gegangen. Sie hätte Krämpfe und keine Stimme gehabt. Wenn sie nach Polen abgeschoben werden sollte, hätte sie Angst, psychisch krank zu werden. Sie hätten Bekannte gehabt, die aus Polen in ihr Heimatland abgeschoben worden seien und seither verschwunden seien. Sie wolle nicht, dass ihrem Mann dasselbe passiere. Auf Vorhalt, die gutachterliche Stellungnahme habe ergeben, dass bei der Zweitbeschwerdeführerin keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorliege, gab diese an, dass sie sich psychisch nicht gesund fühle. Sie sei schon zu Hause und auch hier in Österreich in neurologischer Behandlung gewesen. Das Angstgefühl verlasse sie nicht. Diesen Zustand habe sie auch zu Hause schon gehabt. Sie glaube, dass die Krämpfe mit einer psychischen Störung zusammenhängen würden. Ärztliche Ausbildung habe sie zwar keine, aber sie kenne sich mit ihren Krankheiten aus, weil sie schon früher bei einem Neurologen in Behandlung gewesen sei. Der Rechtsberater stellte sodann den Antrag auf Selbsteintritt Österreichs und begründete dies mit der psychischen Erkrankung der Zweitbeschwerdeführerin und den verwandtschaftlichen Verhältnissen. Abschließend gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie keinesfalls nach Polen fahren wolle. Sie könne sich nicht vorstellen, von ihrer Familie getrennt zu werden. Sollte sie nach Polen geschickt werden, dann wolle sie gleich lieber nach Russland zurück. Sie würde es nicht überleben, wenn ihrem Mann etwas passieren würde.
Mit den angefochtenen Bescheiden vom 19.07.2013 wurden I. die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung zur Prüfung der Anträge zuständig ist, sowie II. die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist.
Diese Bescheide legen in ihrer Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in Polen die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde vom 02.08.2013 samt Beschwerdeergänzung vom 08.08.2013, worin darauf hingewiesen wurde, dass sich sämtliche Familienangehörige der Zweitbeschwerdeführerin, nämlich die Eltern, zwei Brüder und eine Schwester, in Österreich aufhalten würden und bereits Asylstatus hätten. Das ursprüngliche Zielland der Familie sei immer Österreich gewesen, sie hätten jedoch keine andere Möglichkeit gehabt, als über Polen einzureisen. Es sei von maßgeblicher Bedeutung, dass die Zweitbeschwerdeführerin im Heimatland und in Polen keine Familienangehörigen habe. Alle näheren Familienangehörigen würden sich in Österreich aufhalten. Zu diesen würde ein intensiver Kontakt bestehen und sie würden von ihnen in allen Belangen sehr unterstützt werden. Die beiliegenden ärztlichen Befunde hätten ergeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin psychisch vorbelastet sei und dringend ihrer Familienangehörigen bedürfe, welche sie im täglichen Leben und bei der Kindererziehung unterstützen würden. Erst kürzlich sei der Viertbeschwerdeführer gesundheitlich sehr angeschlagen und vom 20.07.2013 bis zum 23.07.2013 in einem Landesklinikum aufhältig gewesen. Österreich hätte aufgrund der intensiven familiären Bindungen vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssen. Mit einer Beschwerdeergänzung brachte der Viertbeschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, den Entlassungsbrief vom 21.07.2013 betreffend seinen stationären Aufenthalt in einem Landesklinikum samt Aufenthaltsbestätigung und Entlassungsinformationsblatt in Vorlage. Demnach wurde beim Viertbeschwerdeführer ein "Fieberkrampf bei viralem Infekt der oberen Luftwege" diagnostiziert. Unter der Rubrik Therapie/Verlauf wurde erläutert, dass sich unter Monitorüberwachung kein weiterer Krampfanfall ereignet habe. Während des stationären Aufenthaltes seien zwar Temperaturen bis 39° C aufgetreten, allerdings sei der Viertbeschwerdeführer seit dem Nachmittag des 22.07.2013 fieberfrei. Aufgrund einer erhöhten Erregungsbereitschaft im EEG und der Häufigkeit der Fieberkrämpfe sei eine antiepileptische Therapie eingeleitet worden. Die Entlassung des Viertbeschwerdeführers sei in gutem Allgemeinzustand erfolgt.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation. Sie stellten am 14.05.2013 in Polen einen Asylantrag, bevor sie illegal in das österreichische Bundesgebiet weiterreisten und am 26.05.2013 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachten. Es wird weiters festgestellt, dass das Bundesasylamt am 29.05.2013 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen richtete und Polen mit Schreiben vom 06.06.2013, eingelangt am selben Tag, der Wiederaufnahme der Beschwerdeführer gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich zustimmte.
Besondere, in der Person der Beschwerdeführer gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen sprechen, sind nicht glaubhaft.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.
Nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:
a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;
b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;
c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;
d) der Grad der Integration;
e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;
f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;
g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;
h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;
i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.
Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.
§ 10 Abs. 7 AsylG 2005 ordnet Folgendes an: Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 10 Abs. 8 AsylG 2005 ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.
Laut Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung kann abweichend von Abs. 1 jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
In den Art. 5ff Dublin-Verordnung werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."
Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.
Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, dass die Beschwerden zu beiden Spruchpunkten abzuweisen sind:
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs ist dem Bundesasylamt beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens ergibt, und zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung.
In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 16 Dublin-Verordnung findet eine neuerliche Überprüfung der Richtigkeit der seinerzeit erfolgten Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr statt, es ist vielmehr lediglich zu prüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen wieder erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II - Verordnung³, K 5 zu Art. 16). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung diese Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12-12). Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Polen keine Anhaltspunkte.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise darauf ersichtlich, dass die Durchführung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des genannten Mitgliedstaates aus diesem Grund wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte. Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei (zur Willkürschranke vgl. Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migralex, 1/2007, 22ff).
Zu einer Verpflichtung Österreichs, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, XXII. GP):
"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.2.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.3.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk" - Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."
Nach der - zur Vorläuferbestimmung im Asylgesetz 1997 ergangenen - Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 15.10.2004, G 237/03; 17.6.2005, B 336/05) sehe die Dublin-Verordnung vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen könne (Art. 3 Abs. 2). Er werde damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht sei schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen gewesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (7.3.2000, 3844/98, T. I./Vereinigtes Königreich; 12.1.1998, 32829/96, Iruretagoyena/Frankreich; 5.2.2002, 51564/99, Conka/Belgien). Im Erkenntnis VfSlg. 16.122/2001 hatte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art. 3 Abs. 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung i. S. d. § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 [sei] durch die Heranziehung des Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden". Der Verfassungsgerichtshof ging im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Dublin-Verordnung davon aus, dass diese zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zutreffen.
Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 26.7.2005, 2005/20/0224) zeigten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass sich die zur verfassungskonformen Auslegung des § 5 AsylG ergangene Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes auch auf die neue Rechtslage übertragen lasse. So habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05, bereits festgehalten, dass eine Nachprüfung durch die österreichischen Behörden, ob ein der Dublin-Verordnung unterliegender Mitgliedstaat für Asylwerber aus Drittstaaten generell sicher sei, nicht zu erfolgen habe, weil die entsprechende Vergewisserung durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften ohnedies erfolgt sei. Insofern sei auch der Verfassungsgerichtshof an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Indem die Dublin-Verordnung den Asylbehörden der Mitgliedstaaten aber ein Eintrittsrecht einräume, sei eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall auch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, so sei aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben. Die grundrechtskonforme Interpretation des Asylgesetzes mache eine Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig. Die Asylbehörden müssten bei Entscheidungen nach § 5 AsylG auch Art. 3 EMRK berücksichtigen, aus dieser Bestimmung ergebe sich - unbeschadet internationaler Vereinbarungen oder gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen - das Erfordernis, auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung bei Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat Rücksicht zu nehmen. Maßgeblich für die Wahrnehmung des Eintrittsrechtes sei, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substanziiertes "real risk" besteht, der auf Grund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesene Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes im Zielstaat, der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. Diese Grundsätze hätten auch für die Auslegung des § 5 AsylG 2005 weiterhin Beachtung zu finden (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.03.2005, 2002/20/0582). Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine "Beweisregel" zu schaffen, die es - im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung - grundsätzlich nicht notwendig mache, die Sicherheit des Asylwerbers vor "Verfolgung" in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat (insbesondere gemeint im Sinne der Achtung der Grundsätze des Non-Refoulements durch diesen Staat) von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung sei jedoch widerlegt, wenn besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen seien, glaubhaft gemacht würden oder bei der Behörde offenkundig seien, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in diesem Mitgliedstaat sprächen. Die Wendung "in der Person des Asylwerbers gelegene besondere Gründe" gleiche schon ihrem Wortlaut nach dem § 4 Abs. 2 AsylG. Zu dieser Bestimmung habe der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 15.10.2004, G 237/03, ausgeführt, die Regelung dürfe nicht eng ausgelegt werden und erfasse alle Umstände, die sich auf die besondere Situation des einzelnen Asylwerbers auswirken, daher auch solche, die durch die Änderung der Rechtslage oder der Behördenpraxis bewirkt werden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den Materialien zum AsylG 2005 - davon aus, dass diese Auslegung auch für § 5 Abs. 3 AsylG 2005 maßgeblich sei. Was die Frage der "Beweislast" anbelange, so sei vorweg klarzustellen, dass bei Vorliegen "offenkundiger" Gründe (vgl. § 45 Abs. 1 AVG; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², 1998, E 27 zu § 45 AVG) eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 implizit aufgestellten Vermutung nicht erforderlich sei. Davon abgesehen liege es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu werde es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstatte, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeuge, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist. Es verstehe sich von selbst, dass bei der Beurteilung, ob die geforderte "Glaubhaftmachung" gelungen ist, der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen hätten, Rechnung getragen werden müsse. Habe der Asylwerber die oben angesprochenen besonderen Gründe glaubhaft gemacht, sei die dem § 5 Abs. 3 AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit vor Verfolgung widerlegt. In diesem Fall seien die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die (nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erforderliche) Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Diese Ermittlungspflicht ergebe sich aus § 18 AsylG 2005, die insoweit von § 5 Abs. 3 AsylG 2005 unberührt bleibe.
Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union kürzlich in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86):
"75. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Die Beachtung der Genfer Flüchtlingskonvention und des Protokolls von 1967 ist in Art. 18 der Charta und in Art. 78 AEUV geregelt (vgl. Urteile vom 2. März 2010, Salahadin Abdulla u. a., C-175/08, C-176/08, C-178/08 und C-179/08, Slg. 2010, I-1493, Randnr. 53, und vom 17. Juni 2010, Bolbol, C-31/09, Slg. 2010, I-0000, Randnr. 38).
76. Wie oben in Randnr. 15 ausgeführt, heißt es in den einzelnen Verordnungen und Richtlinien, die für die Ausgangsverfahren einschlägig sind, dass sie die Grundrechte und die mit der Charta anerkannten Grundsätze achten.
77. Nach gefestigter Rechtsprechung haben überdies die Mitgliedstaaten nicht nur ihr nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen, sondern auch darauf zu achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten oder den anderen allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts kollidiert (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. November 2003, Lindqvist, C-101/01, Slg. 2003, I-12971, Randnr. 87, und vom 26. Juni 2007, Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a., C-305/05, Slg. 2007, I-5305, Randnr. 28).
78. Die Prüfung der Rechtstexte, die das Gemeinsame Europäische Asylsystem bilden, ergibt, dass dieses in einem Kontext entworfen wurde, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen.
79. Gerade aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Verordnung Nr. 343/2003 erlassen und die oben in den Randnrn. 24 bis 26 genannten Übereinkommen und Abkommen geschlossen, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem "forum shopping" zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen.
80. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht.
81. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist.
82. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde.
83. Auf dem Spiel stehen nämlich der Daseinsgrund der Union und die Verwirklichung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, konkret des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, das auf gegenseitigem Vertrauen und einer Vermutung der Beachtung des Unionsrechts, genauer der Grundrechte, durch die anderen Mitgliedstaaten gründet.
84. Es wäre auch nicht mit den Zielen und dem System der Verordnung Nr. 343/2003 vereinbar, wenn der geringste Verstoß gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen würde, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Mit der Verordnung Nr. 343/2003 soll nämlich, ausgehend von der Vermutung, dass die Grundrechte des Asylbewerbers in dem normalerweise für die Entscheidung über seinen Antrag zuständigen Mitgliedstaat beachtet werden, wie in den Nrn. 124 und 125 der Schlussanträge in der Rechtssache C-411/10 ausgeführt worden ist, eine klare und praktikable Methode eingerichtet werden, mit der rasch bestimmt werden kann, welcher Mitgliedstaat für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist. Zu diesem Zweck sieht die Verordnung Nr. 343/2003 vor, dass für die Entscheidung über in einem Land der Union gestellte Asylanträge nur ein Mitgliedstaat zuständig ist, der auf der Grundlage objektiver Kriterien bestimmt wird.
85. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen der Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist.
86. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 der Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar.
87. Hinsichtlich der Lage in Griechenland ist zwischen den Beteiligten, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, unstreitig, dass im Jahr 2010 fast 90 % der illegalen Einwanderer über diesen Mitgliedstaat in die Union gelangten, so dass die wegen dieses Zustroms auf ihm liegende Last außer Verhältnis zu der Belastung der anderen Mitgliedstaaten steht und es den griechischen Behörden tatsächlich unmöglich ist, diesen Zustrom zu bewältigen. Die Hellenische Republik hat darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten nicht den Vorschlag der Kommission angenommen hätten, die Anwendung der Verordnung Nr. 343/2003 auszusetzen und diese unter Abschwächung des Kriteriums der ersten Einreise zu ändern.
88. Bei einem Sachverhalt, der denen der Ausgangsverfahren gleicht, nämlich einer Überstellung eines Asylbewerbers an Griechenland, den im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zuständigen Mitgliedstaat, im Juni 2009, hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte u. a. entschieden, dass das Königreich Belgien gegen Art. 3 EMRK verstoßen habe, indem es den Beschwerdeführer zum einen den sich aus den Mängeln des Asylverfahrens in Griechenland ergebenden Risiken ausgesetzt habe, da die belgischen Behörden gewusst hätten oder hätten wissen müssen, dass eine gewissenhafte Prüfung seines Asylantrags durch die griechischen Behörden in keiner Weise gewährleistet gewesen sei, und indem es ihn zum anderen wissentlich Haft- und Existenzbedingungen ausgesetzt habe, die eine erniedrigende Behandlung darstellten (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Januar 2011, M.S.S./Belgien und Griechenland, noch nicht im Recueil des arrêts et décisions veröffentlicht, §§ 358, 360 und 367).
89. Das in jenem Urteil beschriebene Ausmaß der Beeinträchtigung der Grundrechte zeugt von einer systemischen Unzulänglichkeit des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Griechenland zur Zeit der Überstellung des Beschwerdeführers M.S.S.
...
105. In Anbetracht dessen ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass das Unionsrecht der Geltung einer unwiderlegbaren Vermutung entgegensteht, dass der im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 343/2003 als zuständig bestimmte Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet.
106. Art. 4 der Charta ist dahin auszulegen, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Verordnung Nr. 343/2003 zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden.
107. Ist die Überstellung eines Antragstellers an einen anderen Mitgliedstaat der Union, wenn dieser Staat nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung Nr. 343/2003 als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt worden ist, nicht möglich, so hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne des Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob anhand eines der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
108. Der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befindet, hat jedoch darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 selbst prüfen."
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:
Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken habe im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, RN 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).
Aus dem von der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Schreiben aus ihrem Herkunftsstaat ergibt sich eine "medikamentöse Allergie und vegetative-vaskuläre Dystonie", und diese brachte im Laufe des Verfahrens weiters vor, dass es ihr psychisch nicht gut gehe. Daraufhin veranlasste das Bundesasylamt eine medizinische Untersuchung durch eine Ärztin für Allgemein- und psychotherapeutische Medizin. Diese Untersuchung ergab, dass die Zweitbeschwerdeführerin an keiner psychischen Störung oder sonstigen schweren Krankheit leidet. Am 04.07.2013 erfolgte dann eine stationäre Aufnahme der Zweitbeschwerdeführerin in einem Landesklinikum wegen "starker Hyperventilation mit konsekutiven Parästhesien in allen vier Extremitäten und perioral". Allerdings verschwanden die Beschwerden nach Gabe des Medikamentes Midazolam prompt. Die Zweitbeschwerdeführerin war im weiteren Verlauf beschwerdefrei und konnte bereits am nächsten Tag "in gutem Allgemeinzustand" wieder entlassen werden.
Zum Viertbeschwerdeführer ist festzuhalten, dass dieser - so ergibt es sich aus dem Vorbringen der Eltern und den vorgelegten Unterlagen - einen "Fieberkrampf bei viralem Infekt der oberen Luftwege" erlitt und deswegen vom 20.07.2013 bis 23.07.2013 in einem Landesklinikum stationär aufgenommen wurde. Nach Einleitung einer medikamentösen Behandlung und insbesondere der Gabe eines Antiepileptikums wegen der Häufigkeit der Fieberkrämpfe und einer per EEG aufgezeichneten erhöhten Erregungsbereitschaft konnte aber auch der Viertbeschwerdeführer "in gutem Allgemeinzustand" entlassen werden.
Die gesundheitlichen Probleme der Zweitbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers weisen somit keinesfalls jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung nach Polen als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die Zweitbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer in dauernder stationärer Behandlung befänden oder auf Dauer nicht reisefähig wären. Laut den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides wird Asylwerbern in Polen die notwendige medizinische Versorgung gewährt und können daher die erforderlichen Therapien und Behandlungen auch in Polen erfolgen (z. B. UDSC - Office for Foreigners, Medical Care, 13.09.2011). In diesem Mitgliedstaat der Union sind alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, ob die Behandlung im Zielland etwa nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.
Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt.
Insgesamt gesehen handelt es sich im vorliegenden Fall nach dem Maßstab der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte um keinen "ganz außergewöhnlichen Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die Rückführung zwingend sind" ("a very exceptional case, where the humanitarian grounds against the removal are compelling"), fehlt es doch an sämtlichen dafür maßgeblichen Kriterien: Denn im Fall D./Vereinigtes Königreich (EGMR 02.05.1997, 30240/96) lagen die ganz außergewöhnlichen Umstände darin, dass sich der Beschwerdeführer erstens in der Endphase einer tödlichen Erkrankung befand, zweitens für ihn im Herkunftsstaat keine Krankenbehandlung und -pflege verfügbar war und drittens mangels Angehöriger seine Grundbedürfnisse nicht gesichert waren.
Die Behauptungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, dass in Polen die Sicherheitslage unzureichend sei, können die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 nicht entkräften. Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Polen überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts (AsylGH 17.02.2012, S1 424.309-1/2012; 01.03.2010, S2 411.713-1/2010; 21.01.2009, S3 402.665-1/2008).
Auch die Darstellung der Beschwerdeführer, dass sie in Polen in ihrer Sicherheit gefährdet wären, ist nicht geeignet, eine entscheidungswesentliche Gefährdungssituation zu begründen. In diesem Zusammenhang ist nämlich festzuhalten, dass die Beschwerdeführer allfälligen Angriffen in Polen nicht wehrlos ausgesetzt wären, sondern ihnen jedenfalls die Möglichkeit offen stünde, etwaige gegen sie gerichtete kriminelle Handlungen bei der Polizei zur Anzeige zu bringen und den staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen, zumal vom Vorhandensein einer prinzipiell ausreichend funktionierenden Staatsgewalt in Polen sowie einer Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit auch gegenüber Asylwerbern ausgegangen werden kann, sodass auch in dieser Hinsicht kein reales Risiko einer Verletzung der Rechte gemäß Art. 3 EMRK im Fall einer Überstellung nach Polen zu befürchten ist.
Weder aus den Stellungnahmen des UNHCR noch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ergeben sich irgendwelche Hinweise darauf, dass etwa die Republik Polen bei der Vollziehung der Dublin-Verordnung ihre Verpflichtungen nach der GFK, der EMRK oder nach dem Unionsrecht missachten oder unvertretbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde. Nicht zuletzt ist es vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Vorgaben in Gestalt der Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.01.2003 gänzlich unwahrscheinlich, dass in Polen Asylwerber infolge der Verweigerung staatlicher Unterstützung in eine Notlage geraten könnten. In den Art. 13ff der Aufnahmerichtlinie ist die Pflicht der Mitgliedstaaten statuiert, für ausreichende materielle Aufnahmebedingungen und eine medizinische Versorgung von kranken Asylwerbern zu sorgen. Es bestehen gegenwärtig keine Anzeichen dafür, dass etwa Polen seinen diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkäme. Polen stimmte jedenfalls dem Wiederaufnahmeersuchen betreffend die Beschwerdeführer gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ausdrücklich zu.
Wie im angefochtenen Bescheid ausführlich und unter Heranziehung zahlreicher aktueller Berichte dargelegt wurde, ist in Polen insbesondere auch die Versorgung der Asylwerber gewährleistet. Nach den Länderberichten zu Polen kann keinesfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Asylwerber im Fall einer Überstellung nach Polen konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. Insgesamt gesehen herrschen somit im Mitgliedstaat Polen nach dem gegenwärtigen Informationsstand keineswegs derartige systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar wären.
Auch sonst konnten die Beschwerdeführer keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprächen, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.
Jedenfalls haben die Beschwerdeführer auch die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in ihren Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Polen und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK wurde erwogen:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Besch