Zl. E8 233.370-2/2010/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und den Richter Dr. BRACHER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.09.2010, FZ. 01 25.631-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben.
Entscheidungsgründe:
I. VERFAHRENSGANG UND SACHVERHALT:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: "BF"), eigenen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger des Irak, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 02.11.2001 einen Asylantrag (AS. 1 ff).
2. Mit Urteil des LG K. vom 01.08.2002 wurde der BF rechtskräftig wegen § 278a Abs 1 StGB, § 104 Abs 1, 3 und 5 FrG und § 15 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in Dauer von drei Jahren verurteilt (AS. 57 ff).
3. Am 10.10.2002 wurde der BF vor dem BAA, Außenstelle Traiskirchen, niederschriftlich einvernommen (39 ff).
4. Mit Bescheid des BAA vom 06.11.2002, Zahl: 01 25.631-BAT (AS. 77 ff), wurde der Asylantrag des BF gem. § 13 Abs 2 AsylG 1997 wegen Vorliegen eines Asylausschließungsgrundes abgewiesen (Spruchpunkt I.); die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Irak wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
5. Der gegen diesen Bescheid rechtzeitig erhobenen Berufung gab der UBAS mit Bescheid vom 29.09.2003, Zahl: 233.370/0-VI/17/02, insofern statt, als zwar die Berufung gegen Spruchpunkt I. des Bescheids gem. § 7 und § 13 Abs 2 AsylG abgewiesen, gleichzeitig jedoch festgestellt wurde, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Irak gem. § 8 AsylG iVm § 57 Abs 1 FrG nicht zulässig sei (AS. 139 ff).
6. Mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 19.05.2006 wies der BF das BAA darauf hin, dass ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung zukomme und wurde die Ausstellung einer entsprechenden Karte zur Bescheinigung der befristeten Aufenthaltsberechtigung beantragt (AS. 193 f).
7. Mit Bescheid vom 02.06.2006, Zahl: 01 25.631-BAT, wies das BAA den Antrag auf Ausstellung und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsbescheinigung gem. § 8 Abs 3 iVm § 15 AsylG 1997 ab (AS. 197 f). Begründend führte das BAA im Wesentlichen aus, dass gem. § 8 Abs 3 AsylG 1997 nur jenen Antragstellern eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen sei, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen abgewiesen wurde; im Fall des BF sei jedoch ein Asylausschlussgrund vorgelegen. Dem BF komme somit eine befristete Aufenthaltsberechtigung nicht zu.
8. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobene Berufung wies der UBAS mit Bescheid vom 24.07.2006, Zahl: 233.370/8-VI/17/06, gem. § 8 Abs 4 iVm § 75 Abs 6 AsylG 2005 ab (AS. 217 ff). Begründend führte der UBAS aus, im gegenständlichen Verfahren komme entgegen der Auffassung des BAA das AsylG 2005 zur Anwendung. Da der BF die in § 75 Abs 6 AsylG vorgesehene Voraussetzung - nämlich, dass ihm am 31.12.2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung zukam - nicht erfülle und folglich gem. § 75 Abs 6 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten als nicht zuerkannt gelte, könne ihm auch nicht gem. § 8 Abs 4 AsylG 2005 eine "befristete Aufenthaltsberechtigung" erteilt werden.
Die Behandlung einer dagegen an den VwGH erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 11.11.2009, Zahl: 2008/23/0595-8, abgelehnt (AS. 303 ff).
9. Mit Schreiben vom 10.12.2009 stellte der BF beim BAA einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (AS. 329). Mit Schreiben des BAA vom 15.12.2009 wurde dem BF diesbezüglich mitgeteilt, dass ihm niemals eine befristete Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei und folglich eine solche auch nicht verlängert werden könne (AS. 351).
10. Am 15.09.2010 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BAA, Außenstelle Traiskirchen (AS. 361 ff) im Rahmen eines Aberkennungsverfahrens (Aberkennung gem. § 9 Abs 2 AsylG 2005).
11. Am 16.09.2010, Zahl: 01 25.631-BAT, erließ das BAA einen Bescheid mit folgendem Spruch (AS. 391 ff):
"I. Der Ihnen mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29.03.2003, Zahl 233.370/0-VI, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Absatz 2 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt.
II. Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Irak ist gemäß § 9 Abs 2 unzulässig."
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der BF sei (gemeint: am 01.08.2002) vom LG. K. wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden und sei ihm folglich der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Abs 2 Z 3 AsylG abzuerkennen. Aufgrund der problematischen Sicherheitslage im Irak sei jedoch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak gem. § 9 Abs 2 AsylG für unzulässig zu erklären.
12. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids erhob der BF mit Schriftsatz seines nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertreters fristgerecht Beschwerde (AS. 413 ff).
II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:
1. Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.
Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die für eine Entscheidung durch den Kammersenat vor.
Gemäß § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 147/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nichts anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. In analoger Anwendung dieser Bestimmung tritt an die Stelle des Begriffes "Berufungswerber" der Begriff "Beschwerdeführer".
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
2. Im bekämpften Bescheid hat das BAA dem BF den "mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 29.03.2003, Zahl 233.370/0-VI, zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten" gem. § 9 Abs 2 Z 3 AsylG 2005 aberkannt. Dabei verkennt das BAA jedoch, dass dem BF - wie bereits aus dem bisherigen Verfahrensgang ersichtlich - nie der Status eines subsidiär Schutzberechtigten iSd AsylG 2005 zukam:
So wurde seinerzeit zwar die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Irak gem. § 8 AsylG 1997 iVm § 57 Abs 1 FrG vom UBAS für nicht zulässig erklärt; zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung kam es jedoch nicht (§ 15 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002), da der Asylantrag des BF wegen eines Asylausschlussgrundes abgewiesen wurde (Bescheid des UBAS vom 29.09.2003, Zahl: 233.370/0-VI/17/02). In einem weiteren Verfahren den BF betreffend, in dem es ausschließlich um die Nichterteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung ging, stellte der UBAS klar, dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten iSd AsylG 2005 nicht zukomme: § 75 Abs 6 AsylG 2005 setze dafür nämlich voraus, dass dem BF am 31.12.2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung zugekommen wäre, was eben nicht der Fall gewesen sei (Bescheid des UBAS vom 24.07.2006, Zahl: 233.370/8-VI/17/06). Gegen diese Sichtweise hatte auch der VwGH offensichtlich keine Bedenken, hätte er dann wohl nicht die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 11.11.2009, Zahl: 2008/23/0595-8, abgelehnt.
Mangels Bestehens des Status des subsidiär Schutzberechtigten kann dieser Status folglich auch nicht aberkannt werden und ist der bekämpfte Bescheid somit (hinsichtlich beider Spruchpunkte) ersatzlos zu beheben.
In diesem Zusammenhang ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der AsylGH nicht verkennt, dass vom BF lediglich Spruchpunkt I. des Bescheids des BAA angefochten wurde. Allerdings sind die Aberkennung des subsidiären Schutzes gem. § 9 Abs 2 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und die Unzulässigerklärung der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung gem. § 9 Abs 2 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) untrennbar miteinander verbunden, sodass hier der gesamte Bescheid als Beschwerdegegenstand angesehen werden muss. Im Übrigen wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in den Irak gem. § 8 AsylG 1997 iVm § 57 Abs 1 FrG bereits seinerzeit vom UBAS für nicht zulässig erklärt.
3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs 7 AsylG iVm § 67d Abs 4 AVG unterbleiben; im gegenständlichen Verfahren steht der Sachverhalt fest und ist lediglich eine Rechtsfrage entscheidungsrelevant.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.