TE AsylGH Erkenntnis 2013/09/16 S7 437751-1/2013

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Veröffentlicht am 16.09.2013
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Spruch

S7 437.751-1/2013/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.09.2013, Zl. 13 10.951-EAST West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 und 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

I.1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Algerien, reiste am 29.07.2013 über Ungarn kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am selben Tag stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und wurde hiezu vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Dabei gab er an, seine Heimat im November 2009 verlassen zu haben, weil er gesundheitliche Probleme mit seinem linken Auge und seinem linken Ohr habe. Er habe kein Zielland gehabt, aber er wolle sich hier behandeln lassen. Bei einer Rückkehr nach Algerien habe er Angst vor der Arbeitslosigkeit und der ungewissen Zukunft.

 

Hinsichtlich seines Reiseweges führte der Antragsteller an, von Algerien in die Türkei geflogen und danach mit Hilfe eines Schleppers nach Griechenland gebracht worden zu sein. In Griechenland sei er von der Polizei angehalten worden und habe man ihm die Fingerabdrücke abgenommen. Er habe dort bis vor ca. zwei Monaten in verschiedenen Städten gelebt. Die Lage in Griechenland sei sehr schlecht gewesen. Anschließend sei er selbständig über Mazedonien, Kosovo und Serbien bis nach Ungarn gereist, wo man ihn erkennungsdienstlich behandelt habe. Er habe dort etwas unterschrieben, wisse aber nicht, ob er einen Asylantrag gestellt habe. In Ungarn habe er sich ca. 25 Tage in einem Lager aufgehalten. Danach habe er sich nach Österreich begeben.

 

Über Ungarn könne er sonst keine Angaben machen.

 

I.2. Eine EURODAC-Abfrage verlief ergebnislos.

 

I.3. Am 09.08.2013 richtete das Bundesasylamt aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates an Ungarn.

 

I.4. Am 13.08.2013 wurde dem Beschwerdeführer die Absicht mitgeteilt, seinen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG zurückzuweisen, da Konsultationen mit Ungarn geführt werden würden.

 

I.5. Ungarn hat mit Schreiben vom 23.08.2013, beim Bundesasylamt eingelangt am 26.08.2013, seine Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 16 Abs.1 lit. c. der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 erklärt. Die ungarischen Behörden erklärten weiters, dass der Beschwerdeführer am 09.07.2013 einen Asylantrag in Ungarn gestellt habe, aber Ende Juli 2013 untergetaucht sei. Sein Asylverfahren sei am 08.08.2013 beendet worden (vgl. Aktenseite 57 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes, infolge kurz AS: "Hereby we kindly inform you that the above named person applied for asylum in Hungary on 09.07.2013 but at the end of July 2013 he absconded. His asylum procedure was terminated on 08.08.2013. ...").

 

I.6. Am 02.09.2013 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, im Beisein seines Rechtsberaters einvernommen. Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich wurden von ihm verneint. Der Beschwerdeführer gab an, gesundheitliche Probleme zu haben. So könne er seit seinem 6. oder 7. Lebensjahr auf seinem linken Ohr nicht gut hören und sei seit der Geburt auf seinem linken Auge blind. Zudem sehe er auf seinem rechten Auge schlecht, wenn es hell sei. Eine Ärztin in XXXX habe sein Auge untersucht, jedoch gemeint, es sei hoffnungslos, da er auf diesem Auge blind sei. Seine Beschwerden mit dem Ohr seien jedoch bislang nicht untersucht worden. Ansonsten gab der Beschwerdeführer an, bis dato wahre Angaben gemacht zu haben. Nach Ungarn wolle er nicht zurück. Er habe dort keine medizinische Hilfe erhalten; es habe an ausreichendem Essen gefehlt und es sei immer wieder zu Schlägereien unter den Asylwerbern im Lager gekommen, wobei sich niemand um die dortige Sicherheit gekümmert habe.

 

Eine Einsichtnahme in die Berichte zu Ungarn lehnte der Beschwerdeführer ab.

 

Der anwesenden Rechtsberater gab abschließend zu bedenken, dass der Antragsteller aufgrund seines Augenleidens zu einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe gehöre, die in Ungarn einer besonderen Betreuung bedürfe.

 

I.7. Laut Aktenvermerk vom 02.09.2013 hat das Bundesasylamt mit der entsprechenden Arztstation Rücksprache gehalten. Demnach habe eine Augenärztin festgestellt, dass der Antragsteller am linken Auge erblindet und keine Therapie möglich sei. Bezüglich der Ohrenprobleme sei der Antragsteller an einen HNO-Arzt überwiesen worden. Diesbezüglich würden aber keine ärztlichen Unterlagen aufliegen (AS 85).

 

I.8. Mit Bescheid vom 03.09.2013 hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gem. Art. 16 Abs. 1 lit.c. der Dublin II-VO Ungarn zuständig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ungarn gem. § 10 Abs. 4 zulässig sei.

 

Das Bundesasylamt traf in diesem Bescheid basierend auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation iSd § 60 AsylG u.a. Feststellungen zum ungarischen Asylverfahren, zur Praxis des Non-Refoulement-Schutzes, zur Haft, zur Situation von Dublin II-Rückkehrern und zur Versorgung von Asylwerbern in Ungarn.

 

Daraus geht hervor, dass es im inhaltlichen Verfahren ein detailliertes Interview gebe, wobei die Heranziehung von Herkunftslandinformation verpflichtend sei. Der Zugang zu UNHCR und NGOs wäre gewährleistet. Gegen die Entscheidung der ungarischen Asylbehörde sei eine Beschwerde vor dem Gericht möglich.

 

Das Non-Refoulementgebot werde geachtet.

 

Seit 01.01.2013 werde Haft (gegenüber früher) nur noch eingeschränkt verhängt. Beruhend auf einer Information von UNHCR vom 12.04.2013 wurde ferner festgehalten, dass sich die ungarische Regierung nunmehr entschlossen habe, das Asylrecht erneut anzupassen.

 

Ab dem 01.07.2013 sei eine neue Regelung der Inhaftierung von Asylwerbern in bestimmten Fallkonstellationen vorgesehen. Diese Konstellationen seien ungeklärte Identität und Nationalität, das "sich Verstecken", die begründete Annahme, dass ein Asylwerber das Asylverfahren verzögere oder sich diesem entziehe, die Notwendigkeit der Haft zum Schutz der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die Antragstellung am Flughafen und die Behinderung des Dublin-Verfahrens wegen Nichterscheinung bei Ladungen. Die Haft werde zuerst für 72 Stunden verhängt, binnen der ersten 24 Stunden könne die ungarische Asylbehörde die Verlängerung beim zuständigen Bezirksgericht beantragen. Das Gericht könne die Haft um maximal 60 Tage verlängern, bis zu einer maximalen Haftdauer von 6 Monaten. Über die Verlängerung der Haft entscheide ein Gericht. Bei der ersten Verlängerung der Haft habe eine persönliche Anhörung zwingend zu erfolgen. Eine Anhörung könne auch auf Antrag des Betroffenen erfolgen. Gegen die Entscheidungen des Gerichtes gäbe es keine weiteren Rechtsmittel.

 

Weitere Ergänzungen, beziehungsweise neue Regelungen zum Asylgesetz, die mit 1.1.2014 in Kraft treten sollten, beträfen die Beschwerde gegen Zurückweisung des Asylantrages, die Einführung eines Integrationsvertrages und die Ausweitung des Anspruches auf Unterstützung.

 

Im Zusammenhang mit Dublin-II-Rückkehrern wurde ausgeführt, dass die ungarische Asylgesetzgebung jedem Dublin-Rückkehr die Möglichkeit der Stellung eines neuen Asylgesuches unabhängig davon, ob bereits vorher ein Asylverfahren betrieben worden sei, oder nicht, garantiere. Ein Folgeantrag sei nur unzulässig, wenn zuvor eine endgültige Ablehnung eines Asylantrags erfolgt wäre und keine neuen Elemente enthalten seien, beziehungsweise keine Sachlagenänderung eingetreten wäre. Die diesbezügliche Praxis sei ab Mitte Juni 2012 verbessert worden. Es gäbe auch keine Zurückschiebungen nach Serbien anstatt eines ordentlichen Asylverfahrens mehr. Die letzteren Informationen wurden auch von UNHCR im Dezember 2012 bestätigt.

 

Unter der Überschrift "Versorgung" finden sich auch Informationen über das offene Zentrum Debrecen; dort seien primär Erstantragsteller untergebracht; auf einen deutschen Liaisonsbeamten habe die Einrichtung 2012 einen guten Eindruck gemacht. Daneben wurden Feststellungen zu anderen Unterkünften getroffen, sowie zur medizinischen Versorgung, aus denen sich im Wesentlichen eine zufriedenstellende Situation ergibt.

 

Im Übrigen wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft vorgebracht habe, in Ungarn Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass schon aufgrund der ausdrücklichen Zusicherung seitens der ungarischen Behörden, den Beschwerdeführer zu übernehmen, keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden könne, dass man diesen in Ungarn ohne jegliche staatliche bzw. medizinische Versorgung gleichsam seinem Schicksal überlassen würde.

 

Hinsichtlich der gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers wurde angeführt, dass dieser an keiner Erkrankung jener besonderen Schwere leiden würde, die erforderlich sei, um die Außerlandesschaffung eines Fremden nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als in Widerspruch zu Art. 3 EMRK stehend erscheinen zu lassen. Zudem sei die medizinische und medikamentöse Versorgung in Ungarn gewährleistet. Vor der tatsächlichen Überstellung würden die ungarischen Behörden über den Krankheitszustand des Beschwerdeführers nachweislich verständigt, damit die Kette der Versorgung keinerlei Unterbrechung erleide. Zusätzlich handle es sich nur um eine kurze Überstellung in einen angrenzenden EU-Staat. Zudem sei Österreich in der Lage, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen.

 

Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO ergeben. Es liege auch kein im Sinne von Art. 8 EMRK schützenswertes Familien- oder Privatleben in Österreich vor.

 

I.9. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht und der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Zunächst wird im Rechtsmittelschriftsatz die festgestellte Zuständigkeit Ungarn zur Führung des gegenständlichen Verfahrens bemängelt. Da der Beschwerdeführer über Griechenland eingereist sei, hätten richtigerweise Konsultationen mit Griechenland geführt werden müssen. Aufgrund der aktuellen, amtsbekannten Situation in Griechenland und der aktuellen höchstgerichtlichen Rechtssprechung zum Abschiebeverbot nach Griechenland hätte dann Österreich in das Asylverfahren eintreten müssen. Das Bundesasylamt habe es auch unterlassen, dem Beschwerdeführer konkrete Fragen über seine Situation in Ungarn zu stellen. Dieser habe glaubhaft die katastrophalen Zustände in Ungarn für Asylwerber und seine mangelhafte medizinische Versorgung vorgebracht. Zudem habe mit 01.07.2013 eine gravierende Änderung der Asylgesetze in Ungarn stattgefunden, wobei das Bundesasylamt diese aktuelle Situation in seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt habe. Diesbezüglich wurde in der Beschwerde auf die beigelegte Stellungnahme "Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013" verwiesen. Darin werden allen voran die Haft, die verkürzte Rechtsmittelfrist und die Aufnahmebedingungen in Ungarn thematisiert. Im Übrigen wurden in der Beschwerde Auszüge aus dem "Bericht zur Situation der Asylsuchenden und Flüchtlinge in Ungarn" vom UNHCR (Stand April 2012) zitiert. Zudem wurden auch zwei Entscheidungen des EGMR benannt, welche die systemischen Mängel des ungarischen Asylverfahrens aufgreifen würden. Insgesamt betrachtet würde dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Ungarn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMKR drohen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

2.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG idF BGBl. I. Nr. 147/2008 sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.3. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

 

In Art. 16 sieht die Dublin II-VO in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:

 

"Art. 16 (1) Der Mitgliedstaat der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:

 

(...)

 

c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen;

 

(...)

 

(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II-VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Ungarns gemäß Art. 16 Abs. 1 lit.c. Dublin II VO besteht.

 

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nahm das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit Ungarn auf und erklärte sich Ungarn zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers bereit.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass an der Zuständigkeit Ungarns in Folge der dortigen Asylantragstellung keine Zweifel bestehen und Sachverhalte wie der vorliegende von denjenigen zu unterscheiden sind, welche der Asylgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 23.08.2012 zu Zahl S7 422.194-2/2012/19E zur Vorabentscheidung vorgelegt hat (siehe aber nunmehr den Schlussantrag des Generalanwaltes Cruz Villalón vom 11.07.2013 in diesem Verfahren, nach dem selbst eine objektiv falsch angenommene Zuständigkeit [hier: Ungarns] zumeist nicht erfolgreich bekämpfbar wäre).

 

Aufgrund des Umstandes, dass angesichts der systemischen Mängel im griechischen Asylverfahren und den dortigen schwer mangelhaften Aufnahmebedingungen Überstellungen nach Griechenland nicht stattfinden dürfen, war Ungarn in einer Situation wie der vorliegenden gehalten, von seinem Selbsteintrittsrecht im Sinne des Art. 3 Abs. 2 VO 343/2003 Gebrauch zu machen. Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit der Judikatur der Europäischen Instanzen. Die diesbezügliche Kritik in der Beschwerde, man hätte richtigerweise Konsultationen mit Griechenland führen müssen, geht somit ins Leere.

 

Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II-VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.4. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Unionsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall unionsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

2.5. Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die unionsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechtes sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrecht verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II-VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren, verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II-VO³, Kommentar zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Unionsrecht kann nur von den zuständigen unionsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass der Rechtsschutz des Unionsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls unionsrechtswidrig.

 

In Bezug auf Griechenland wurde seitens des erkennenden Gerichtshofes bereits seit längerem in zahlreichen Entscheidungen faktisch nicht mehr von einer generellen Annahme der Sicherheit ausgegangen und eine umso genauere Einzelfallprüfung durchgeführt. Der EGMR hat in diesem Kontext mit Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs Belgien/Griechenland (30696/09) klargelegt, dass fehlende Unterkunft in Verbindung mit einem langwierigen Asylverfahren (welches selbst schwerwiegende Mängel aufweist) unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK relevant sein kann (vgl insb. Rz 263 des zitierten Urteils). Ein entsprechend weiter Prüfungsumfang in Bezug auf relevante Bestimmungen der EMRK (Art. 3, 8 und 13) ist daher unter dem Hintergrund einer Berichtslage wie zu Griechenland angebracht (wodurch auch die "effet utile"-Argumentation einzelfallbezogen relativiert wird) - was der herrschenden Praxis des AsylGH entspricht (anders wie die in Rz 351 und 352 des zitierten Urteils beschriebene Situation im belgischen Verfahren). Eine solche Berichtslage liegt zum hier zu prüfenden Dublinstaat nun in einer Gesamtschau nicht vor, ebenso wenig eine vergleichbare Empfehlung von UNHCR (wie jene zu Griechenland), von Überstellungen abzusehen.

 

Nichtsdestotrotz hat der AsylGH - unter Berücksichtigung dieser Unterschiede zu Griechenland - auch im gegenständlichen Fall nachfolgend untersucht, ob die Anwendung des Selbsteintrittsrechts aus Gründen der EMRK angezeigt ist. Im Lichte der eben getroffenen Ausführungen zur Auslegung des Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar und wurde auch nicht behauptet, dass die Grundrechtscharta der EU für den konkreten Fall relevante subjektive Rechte verliehe, welche über jene durch die EMRK gewährleisteten, hinausgingen. Auch spezifische Verletzungen der unionsrechtlichen Asylrichtlinien, die in ihrer Gesamtheit Verletzungen der Grundrechtscharta gleichkämen, sind nicht behauptet worden. Weitergehende Erwägungen dazu konnten also mangels Entscheidungsrelevanz in concreto entfallen.

 

Unter diesen Prämissen war also zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Ausweisung nach Ungarn gemäß §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gemäß Art. 3 und 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

2.6. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

Was eine Verletzung von Art. 8 EMRK betrifft, so stellt der Asylgerichtshof fest, dass im Falle des Beschwerdeführers mangels familiärer Beziehungen in Österreich kein Eingriff in sein Recht auf Familienleben vorliegt. Es liegt auch kein Eingriff in das Recht auf Schutz des Privatlebens vor, da in der Person des Beschwerdeführers angesichts seines kurzen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht von einer verfestigten Integration in Österreich gesprochen werden kann.

 

2.7. Zum ungarischen Asylwesen und der Versorgung:

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).

 

Solche qualifizierten Defizite (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind auf Basis der Feststellungen des Bundesasylamtes nicht erkennbar.

 

Sofern in der Beschwerde zwei Entscheidungen des EGMR vom Oktober 2012 aufgegriffen werden, welche systemische Mängel des ungarischen Asylverfahrens aufgreifen würden, und auf einen Bericht des UNHCR vom April 2012 sowie auf eine Stellungnahme des Ungarischen Helsinki Kommittees vom Juli 2013 hingewiesen wird, ist festzuhalten, dass der Asylgerichtshof zum heutigen Datum auch in Kenntnis aller in das gegenständliche Verfahren eingeführten Beweismittel (weiterhin) nicht davon ausgeht, dass Überstellungen nach Ungarn allgemein die EMRK oder die Grundrechtecharta/Unionsrecht verletzen (so auch EGMR 06.06.2013, Rs 2293/12, Mohammed, vgl auch die Beschwerdeablehnung des VfGH in einem vergleichbaren Fall zu Ungarn 26.06.2013, U 174-2013-13 und aus der deutschen obergerichtlichen Rechtsprechung, OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.06.2013, 4 L 169/12, 5 A 180/12

MD).

 

Aus den Feststellungen im angefochtenen Bescheid wird deutlich, dass das ungarische Asylwesen starker Kritik ausgesetzt war, dass aber nichtsdestotrotz ein Vergleich mit den systemischen Mängeln, wie sie in Griechenland bestanden haben und bestehen, nicht gerechtfertigt ist. Zwischenzeitig (mit Jahresbeginn 2013) sind Gesetzesänderungen in Ungarn eingetreten, die nach bisherigem Kenntnisstand zu einer Verbesserung der Situation beigetragen haben. Dass weitere Änderungen mit Mitte Juli 2013, beziehungsweise für Anfang 2014, dies wieder entscheidend relativieren würden, ist nicht ersichtlich.

 

In diesem Zusammenhang hat UNHCR zunächst ein mit "Note on Dublin Transfers to Hungary of People who transited through Serbia - Update" übertiteltes Dokument von UNHCR im Dezember 2012 verfasst. Darin wird ausgeführt, dass UNHCR bisher Bedenken bezüglich der Behandlung von Asylanträgen der meisten Dublin-II-Rückkehrer (als Folgeantragsteller ohne garantierten Schutz vor Zurückweisung in Drittstaaten vor einer inhaltlichen Prüfung der Asylanträge) geäußert hätte.

 

UNHCR hätte nun aber positive Entwicklungen festgestellt.

 

UNHCR beobachte, dass Ungarn nicht länger die inhaltliche Überprüfung eines Asylantrages verneine, wenn die Asylbewerber vor ihrer Ankunft in Ungarn über Serbien oder die Ukraine gereist seien. Solche Asylbewerber würden nicht länger nach Serbien oder in die Ukraine zurückgestellt. Zusätzlich hätte der Zugang zum Asylverfahren für jene Asylbewerber, die nach dem Dublin-II-System nach Ungarn zurückkämen, Verbesserungen erfahren, wenn die entsprechenden Asylverfahren noch keine endgültige inhaltliche Entscheidung erfahren hätten.

 

Solche Asylwerber hätten Zugang zu einer inhaltlichen Überprüfung ihrer Anträge nach ihrer Rückkehr, wenn sie einen formalen Antrag stellten, die Überprüfung des früheren Asylantrages wiederaufzunehmen. Sie würden dann nicht inhaftiert werden und könnten den Ausgang ihrer Verfahren in Ungarn abwarten.

 

Zudem garantiert die ungarische Asylgesetzgebung jedem Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit der Stellung eines neuen Asylgesuches, unabhängig davon, ob bereits vorher ein Asylverfahren betrieben wurde oder nicht.

 

Im Übrigen wären Verbesserungen bezüglich der Inhaftierung von Asylwerbern zu konstatieren. In Zusammenhang mit einer möglichen Inhaftierung ist grundsätzlich festzuhalten, dass der Umstand, dass ein Asylbewerber nach einer Dublin-Rücküberstellung in Haft genommen werden könnte, nicht allein ausreicht, eine Überstellung nach der Dublin-II-VO für unzulässig zu erklären (vergleiche VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095). Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die ungarischen Behörden als Behörden eines EU-Mitgliedstaates keine Konsequenzen aus verschiedenen Verurteilungen durch den EGMR im Jahre 2012 wegen schlechter Haftbedingungen bei Drittstaatsangehörigen gezogen hätten. Gegenteilige Informationen liegen nicht vor.

 

Was nun die Kritik in der Beschwerde (bzw. in der darin beigelegten Stellungnahme des Ungarischen Helsinki Kommitees) betrifft, dass nunmehr wieder verstärkt Inhaftierungen durchgeführt werden könnten, so ist klar festzuhalten, dass es sich hierbei um Befürchtungen, beziehungsweise (unbelegte) Annahmen handelt. Auch die Anwendung von Gesetzen, die den Entzug der persönlichen Freiheit zum Inhalt haben, stand und steht in Ungarn weiterhin unter Kontrolle der ungarischen Gerichte und letztlich auch unter Kontrolle des EGMR. Hier (ohne tatsächliche Belege des Gegenteils) von vornherein anzunehmen, dass Ungarn systematisch entsprechende gesetzliche Bestimmungen entgegen seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen anwenden würde, verbietet sich angesichts der Mitgliedschaft Ungarns bei der EU, beziehungsweise angesichts des Fehlens eines Verfahrens nach § 39 Abs. 2 AsylG.

 

Somit kann also gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, willkürlich inhaftiert zu werden. Dabei wird nicht allgemein in Abrede gestellt, dass sich im Falle einer Inhaftierung Schwierigkeiten bei der Führung ordnungsgemäßer Asylverfahren ergeben könnten und dass auch die Frage der hinreichenden Rechtsmittelfrist hier von besonderer Relevanz ist. Auch eine nur 8-tägige Rechtsmittelfrist kann (noch) nicht per se als unzulässige rechtliche Sonderposition angesehen werden. Dass Hilfsorganisationen auch in geschlossenen Zentren für Asylbewerber Hilfestellungen bei einer Beschwerde geben können, ist nach der vorliegenden Erkenntnislage anzunehmen.

 

Auch allgemein liegen keine Informationen dahingehend vor, dass in Ungarn keine positiven Asylentscheidungen ergingen und dass daraus unzulässige rechtliche Sonderpositionen im ungarischen Verfahren abzuleiten wären. Trotz aller Kritik am ungarischen Asylsystem hat UNHCR immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass eine Zusammenarbeit mit ungarischen Behörden besteht und jedenfalls auch nicht dargelegt, dass das inhaltliche Asylverfahren in Ungarn bloß ein Scheinverfahren wäre, wie dies in anderen, Ungarn betreffenden, hiergerichtlichen Beschwerdeverfahren in den Raum gestellt wurde. So zeigen etwa die allgemein zugänglichen Zahlen von Eurostat, dass im ersten Quartal 2012 in Ungarn 330 Entscheidungen über Asylanträge getroffen worden sind, wobei davon 90 positive waren. Diese Zahl zeigt sohin keine auffälligen Abweichungen zu vergleichbaren Verfahrenszahlen anderer Staaten in der EU auf.

 

Dem Bundesasylamt ist in diesem Zusammenhang ferner dahingehend Recht zu geben, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers über Auseinandersetzungen zwischen Asylbewerbern in Ungarn nicht geeignet sind, eine entsprechende, Art. 3 EMRK tangierende, persönliche Gefährdung im Falle einer Rückkehr darzutun. Der Beschwerdeführer hat auch nicht angegeben, in derartige Auseinandersetzungen zwischen Asylwerbern selbst involviert gewesen zu sein. Dass im Zusammenhang mit der Aufnahme von Asylbewerbern in Ungarn systematisch und straflos Übergriffe Dritter erfolgen könnten, ist aus der Quellenlage nicht ableitbar.

 

Es haben sich auch keine Hinweise darauf ergeben, dass dem Beschwerdeführer in Ungarn die notwendige Versorgung nicht gewährt würde. Die Darstellung des Antragstellers, dass er in Ungarn nicht (ausreichend) medizinisch versorgt worden sei, erweist sich als unsubstantiiert. Unter Berücksichtigung der aktuellen Länderberichte ergibt sich nämlich zweifelsfrei, dass die medizinische Versorgung in Ungarn gewährleistet ist. Wesentlich erscheint hierbei insbesondere auch, dass seitens der Europäischen Kommission gegen Ungarn kein Vertragsverletzungsverfahren wegen Missachtung der Status-, Verfahrens- oder Aufnahmerichtlinie eingeleitet wurde und es daher nicht erkennbar ist, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rücküberstellung nach Ungarn Gefahr liefe, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

 

Eine systematisch-Art. 3 EMRK widrige Behandlung oder eine solche im Einzelfall vermögen die vagen und auch wenig glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers somit jedenfalls nicht zu belegen, sodass dem Bundesasylamt in diesem Zusammenhang keine Verletzung von Ermittlungspflichten vorzuwerfen ist.

 

2.8. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Ungarn:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Ungarn nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Weitere Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG 2005 in der Stammfassung); dabei sind die von den Asylinstanzen festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK- Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Ungarn sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer ist laut eigenen Angaben seit seiner Kindheit auf einem Auge blind und bereite ihm auch das andere Auge Probleme. Nach Rücksprache mit der Arztstation XXXX wurde bestätigt, dass der Genannte am linken Auge erblindet und keine Therapie möglich ist. Sofern der Beschwerdeführer angibt, dass wegen seiner Ohrenprobleme bislang nichts unternommen worden sei, ist auf den Aktenvermerk vom 02.09.2013 hinzuweisen. Demnach wurde er an einen HNO-Arzt überwiesen; diesbezüglich wurden aber bis dato keinerlei Unterlagen an das Bundeasylamt (oder nunmehr an den Asylgerichtshof im Rahmen der Beschwerde) übermittelt.

 

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass beim Beschwerdeführer aktuell eine Krankheit von solcher Gravität vorliegt, die eine Überstellung nach Ungarn unzulässig machen würde, weil er dadurch in einen qualvollen Zustand versetzt würde und Gefahr liefe, unter qualvollen Umständen zu sterben.

 

Nachdem sich aus den Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde zur medizinischen Versorgung in Ungarn ergibt, dass Asylwerber in Ungarn Zugang zu einer kostenlosen, umfangreichen medizinischen Versorgung haben, gibt es keine Bedenken dagegen, dass allfällige weitere notwendige Behandlungen in Ungarn durchgeführt werden können. Die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner vorgebrachten Kritik an der mangelnden medizinischen Versorgung in Ungarn wurde bereits unter Punkt 2.7. verneint.

 

Im Übrigen ist es Aufgabe der Fremdenpolizei bei der tatsächlichen Effektuierung einer Überstellung nach Ungarn die Überstellungsfähigkeit des Beschwerdeführers aktuell zu prüfen, um hier eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung jedenfalls zu vermeiden.

 

2.9. Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Ungarn keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.

 

Spruchpunkt I. der Entscheidung des Bundesasylamtes war sohin in Bestätigung der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung des Bundesasylamtes mit obiger näherer Begründung zu bekräftigen.

 

2.10. Ausweisungsentscheidung:

 

2.10.1. Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer ebenso bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Aus der Würdigung zu Spruchpunkt I. folgt hier die Zulässigkeit der Ausweisung, deren sofortiger Vollzug der EMRK nicht widerstreitet. Die Existenz eines schützenswerten Familienlebens, in welches im Sinne des Art. 8 EMRK ein Eingriff unzulässig wäre, wurde bereits verneint. Sonstige außergewöhnliche Integrationsaspekte, welche unter dem Gesichtspunkt eines schützenswerten Privatlebens zu relevieren wären, sind schon aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in Österreich nicht anzunehmen. Im Gegenteil ist der Aktenlage zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer am 23.08.2013 bei einem versuchten Ladendiebstahl betreten wurde. Dieser Umstand lässt jedenfalls keine positive Zukunftsprognose erkennen.

 

2.10.2. Gründe für einen Aufschub nach Art. 10 Abs. 3 AsylG sind nicht erkennbar.

 

Der Beschwerdeführer hat während des Verfahrens keine gesundheitlichen Probleme erkennen lassen, die Anlass wären, an der Überstellungsfähigkeit nach Ungarn (temporär) zu zweifeln, beziehungsweise - im gegenständlichen Zusammenhang - die Überstellung für eine bestimmte Zeit aufzuschieben. Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung eines Krankheitszustandes, welche im Falle einer Überstellung nach Ungarn allenfalls im Hinblick auf Art. 3 EMRK Relevanz entfalten könnten, sind der Aktenlage nicht zu entnehmen.

 

2.11. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Haft, medizinische Versorgung, real risk, unverzügliche Ausreiseverpflichtung, Versorgungslage
Zuletzt aktualisiert am
19.09.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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