TE Vwgh Erkenntnis 2013/8/20 2012/22/0040

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Veröffentlicht am 20.08.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §41a Abs9;
NAG 2005 §43 Abs3;
NAG 2005 §44b Abs1 Z1;
NAG 2005 §44b Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §42 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2012/22/0042 2012/22/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde 1. der S, 2. des T, und 3. der D, alle in S, vertreten durch Dr. Norbert Novohradsky, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Rathausplatz 2, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres je vom 30. November 2011, Zl. 160.634/5-III/4/11 (betreffend Erstbeschwerdeführerin), Zl. 160.634/4-III/4/11 (betreffend Zweitbeschwerdeführer) und Zl. 160.634/3-III/4/11 (betreffend Drittbeschwerdeführerin), jeweils betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind georgische Staatsangehörige und die Kinder der Drittbeschwerdeführerin, einer ukrainischen Staatsangehörigen.

Mit den angefochtenen Bescheiden bestätigte die belangte Behörde die in erster Instanz erfolgte Zurückweisung der Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 41a Abs. 9 (hinsichtlich Erstbeschwerdeführerin und Zweitbeschwerdeführer) bzw. § 43 Abs. 3 (hinsichtlich Drittbeschwerdeführerin) sowie § 44b Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

Die belangte Behörde stellte fest, dass die Drittbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann am 2. Oktober 2003 in Österreich eingereist sei und am 3. Oktober 2003 einen Asylerstreckungsantrag gestellt habe. Dieser sei zweitinstanzlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 10. November 2010 abgewiesen worden. In Österreich seien die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer geboren worden. Auch deren Asylanträge seien mit Erkenntnissen vom 10. November 2010 rechtskräftig abgewiesen worden.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft V vom 17. Dezember 2010 seien die beschwerdeführenden Parteien ausgewiesen worden. Der dagegen eingebrachten Berufung habe der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) des Landes Oberösterreich mit Erkenntnis vom 1. September 2011 keine Folge gegeben. "Die Ausweisung ist seit 09.09.2011 rechtskräftig."

Am 20. September 2011 hätten die beschwerdeführenden Parteien die vorliegenden Anträge auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 NAG (für die Mutter) bzw. eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG (für die Kinder) gestellt.

Der UVS des Landes Oberösterreich habe im genannten Erkenntnis vom 1. September 2011 "festgestellt", dass eine Ausweisung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK verhältnismäßig sei. Zur Frage, ob ein maßgeblich geänderter Sachverhalt gemäß § 44b Abs. 1 NAG vorliege, sei der Zeitraum zwischen der zweitinstanzlich erlassenen Ausweisung und der Entscheidung der erstinstanzlichen Niederlassungsbehörde heranzuziehen. Es sei nicht erkennbar, dass im Zeitraum zwischen den seit 9. September 2011 rechtskräftigen Ausweisungen (richtig:

Rückkehrentscheidungen, mit denen ein Einreiseverbot nicht verbunden wurde) und der Entscheidung der Niederlassungsbehörde in erster Instanz am 17. Oktober 2011 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt eingetreten wäre. Eine Neubeurteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK sei daher im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Somit sei die Zurückweisung der Anträge durch die Bezirkshauptmannschaft V zu bestätigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass angesichts der Zustellung der angefochtenen Bescheide am 9. Dezember 2011 die Bestimmungen des NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 112/2011 maßgeblich sind.

Gemäß § 44b Abs. 1 Z 1 NAG sind u.a. Anträge wie die vorliegenden als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 NAG ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

Gegen die beschwerdeführenden Parteien erließ der UVS des Landes Oberösterreich in zweiter Instanz mit keinem Einreiseverbot verbundene Rückkehrentscheidungen, die einer Ausweisung iSd § 44b Abs. 1 Z 1 NAG gleichzuhalten sind und die von der belangten Behörde als Grundlage für die Bestätigung der Zurückweisung der Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln herangezogen wurden. Der diese aussprechende (rechtskräftige) Bescheid wurde jedoch in der Folge durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2012, 2011/21/0270 und 0271, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Bescheides befunden hat.

Vorliegend ist damit den nunmehr angefochtenen Zurückweisungsbescheiden eine Tatbestandsvoraussetzung, nämlich das Vorhandensein einer rechtskräftigen Ausweisung, entzogen, weshalb sie schon aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet sind.

Demzufolge waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 20. August 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2012220040.X00

Im RIS seit

20.09.2013

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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