TE AsylGH Erkenntnis 2013/09/17 E1 430431-1/2012

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Veröffentlicht am 17.09.2013
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Spruch

E1 430.431-1/2013/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. FAHRNER als Vorsitzende und den Richter Mag. HUBER-HUBER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2012, Zl. 11 14.766-BAG, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 08.12.2011 einen Asylantrag.

 

Bei der am 08.12.2011 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, er sei im Iran bis vor ca. 3 Monaten Mitglied der XXXX gewesen und habe Demonstrationen gegen die Regierung zu organisieren gehabt. Er sei verraten, festgehalten und mit Hilfe dritter Personen wiederum freigelassen worden, in der Folge ein zweites Mal von der Sepah angehalten und ihm eine weitere Festnahme angedroht worden und sei er deshalb ausgereist.

 

2. Am 11.10.2012 wurde der BF vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

 

Der BF gab zusammengefasst im Wesentlichen an, er habe wegen Problemen, die nicht wirtschaftlicher Natur gewesen seien, den Iran verlassen und habe er die Religion gewechselt. Er fühle sich nunmehr als Christ und sei XXXX. Früher habe er viele Punkte als Moslem akzeptieren müssen die er nicht gewollt habe. Er habe nicht freiwillig beten können, er sei gezwungen worden. Hier fühle er die Freiheit, könne freiwillig beten und mit Gott reden. Er fühle sich seit ca. 1 Monat als Christ. Befragt nach religiösen Regeln, die er nunmehr einzuhalten habe, beantwortete der BF unter anderem dahingehend, dass er keine Zigaretten rauchen dürfe, alles was für den Köper schädlich sei dürfe er nicht machen. Er befürchte für den Fall einer Rückkehr in seine Heimat Probleme. Er würde sicher für 10 Jahre verhaftet werden.

 

Gleichzeitig legte der BF eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom XXXX vor. In dieser wird bestätigt, dass der BF aus der XXXXGlaubensgemeinschaft ausgetreten sei und die Rechtswirksamkeit des Austrittes am XXXX eingetreten sei.

 

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Unter einem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

Das Bundesasylamt stellte neben der gegebenen Identität des BF unter anderem fest, dass dieser Moslem, nicht getauft und ledig sei und keine Kinder habe. Es habe insbesondere nicht festgestellt werden können, dass dem BF im Iran aus GFK relevanten Gründen Verfolgung drohe und wird wörtlich ausgeführt: "es konnte bei Ihnen als geborener Muslime, ohne getauft zu sein, nach dem christlichen Glauben zu leben und diesen Glauben an Dritte weiter zu geben und dadurch einer Verfolgung im Iran rechnen zu müssen, nicht festgestellt werden." Im Übrigen würde er in Österreich alleine leben. Seine Familienmitglieder würden im Iran leben.

 

Spruchpunkt II. begründete das Bundesasylamt zusammengefasst damit, dass keine individuellen Umstände vorlägen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK darstellen würde und auch keine sonstigen Hinweise auf eine Verletzung bzw. Gefährdung im Sinne dieses Bundesgesetzes sich ergeben hätten.

 

Unter Spruchpunkt III. gelangte das Bundesasylamt zu dem Ergebnis, dass kein Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK, welches die Ausweisung des Beschwerdeführers in dessen Herkunftsstaat unzulässig machen würde, vorliege.

 

4. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben und neben umfangreichen handschriftlichen Ausführungen ein Dokument in persischer Sprache und das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft XXXX, der Beschwerde beigelegt.

 

5. Der Asylgerichtshof ließ die handschriftlichen Ausführungen des BF als auch das der Beschwerde beigelegte Dokument übersetzen.

 

6. Der BF legte in weitere Folge im Wege des BAA ein weiteres Dokument in persischer Sprache vor, zu dem er nach Aufforderung bekannt gab, dass es sich dabei um den Festnahmebefehl, ausgestellt durch die Vollzugsabteilung des Allgemein- und Revolutionsgerichtes in XXXX handle und er auf Grund seiner Konvertierung zu einer 10 jährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Des Gleichen führte er an, dass sich das Original im Akt des Revolutionsgerichtes unter der angegeben Geschäftszahl befinde und sein Rechtsanwalt eine Kopie des Festnahmebefehls nach Akteneinsicht besorgen konnte.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Gemäß § 23 Absatz 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idF BGBL. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Im vorliegenden Fall ist das Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100 in geltender Fassung anzuwenden.

 

2. Gemäß § 18 AsylG 2005 haben die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm stellt eine Konkretisierung der aus § 37 AVG i.V.m. § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung einer Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, dar.

 

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung zu nehmen. Den Parteien ist das Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme in förmlicher Weise zur Kenntnis zu bringen und ausdrücklich unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit zu geben, zu diesen Ergebnissen Stellung zu nehmen (VwGH 05.09.1995, Zl. 95/08/0002). Gegenstand des Parteiengehörs sind sämtliche Ergebnisse der Beweisaufnahme. Auch soweit die Behörde bestimmte Tatsachen als offenkundig behandelt, ist dies der Partei bekannt zu geben (VwGH 17.10.1995, Zl. 94/08/0269). Gemäß der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 27.02.2003, Zl. 2000/18/0040) ist die Verletzung des Parteiengehörs zwar saniert, wenn im Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens dargelegt werden und die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Berufung dagegen Stellung zu nehmen - Voraussetzung einer solchen Sanierung ist aber, dass in der erstinstanzlichen Bescheidbegründung tatsächlich alle Beweisergebnisse dargelegt werden, da ansonsten der Asylgerichtshof das Parteiengehör einräumen müsste (VwGH 25.03.2004, Zl. 2003/07/0062).

 

3. Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde (kraft oben zitierter Bestimmung auch der Asylgerichtshof, es bestehen diesbezüglich keine materiellrechtlichen Sondernormen), so der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

 

Gemäß Absatz 3 dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnissen vom 21. November 2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im zuletzt genannten Erkenntnis insbesondere ausgeführt:

 

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer ¿obersten Berufungsbehörde' (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen."

 

Im Erkenntnis vom 17.10.2006 (Zl 2005/20/0459) hat der VwGH betont, dass eine Behebung nach § 66 Abs 2 AVG nur zulässig ist, wenn eine weitere Verhandlung/Einvernahme erforderlich ist, was nicht der Fall wäre, wenn die Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens durch schriftliches Parteiengehör saniert hätten werden können.

 

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat nun zusammengefasst in verschiedenen Erkenntnissen betont, dass eine umfangreiche und detaillierte Erhebung des asylrechtlich relevanten Sachverhaltes durch die Behörde erster Instanz durchzuführen ist. Im vorliegenden Fall ist dies in qualifizierter Weise unterlassen worden, dies aus folgenden Erwägungen:

 

Der BF hat im Wege der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BAA am 11.10.2012 eine Hinwendung zum christlichen Glauben geltend gemacht. Es wurden ihm seitens des Einvernehmenden einige Wissensfragen zur christlichen Religion gestellt, die er eher unzureichend beantworten konnte und ist ohne nähere Befassung bzw. ergänzende Befragung des BF durchaus der erste Eindruck, dass der BF möglicher Weise nur vorgibt seine Religion geändert zu haben, nicht von der Hand zu weisen. In Anbetracht der aktuellen Situation im Iran und des Umstandes, dass der BF seinen Austritt aus der XXXX Glaubensgemeinschaft offensichtlich öffentlichkeitswirksam erklärt hat, ist eine ergänzende Befragung bzw. sind ergänzende Ermittlungsschritte unerlässlich. Die vom BAA bisher durchgeführte Befragung erweist sich jedenfalls als unzulänglich und wird dies innerhalb der Beschwerde zu Recht gerügt. In wieweit, wie in der Beschwerde ausgeführt, der BF nicht XXXX ist sondern Anhänger der XXXX (seine Angabe vor dem BAA, nicht rauchen zu dürfen würde für diese Annahme sprechen) wird in einer ergänzenden Befragung zu klären sein. Dem BAA ist insbesondere vorzuwerfen, dass es nicht Personen - sei es aus dem Kreise der Religionsgemeinschaft der XXXX oder der XXXX - als Zeugen zur behaupteten Konversion des BF, insbesondere einer allfälligen Taufvorbereitung, des Vorliegens eines Engagement innerhalb der gewählten christlichen Gemeinde, einvernommen hat. Nur so könnte in einer gesamten beweiswürdigenden Form zum religiösen Wissen des BF an Hand der tatsächlichen in der genannten Religionsgemeinschaft gelehrten christlichen Inhalte überprüft und abgewogen werden und auch damit Schlüsse zu einer ernstlichen oder nur vorgegebenen Hinwendung zum christlichen Glauben gezogen werden.

 

Das BAA wird zunächst abzuklären haben, welcher christlichen Gemeinschaft sich der BF nun tatsächlich in Österreich zugewandt hat, seit wann und zu wem diese Kontakte bestehen, in weiterer Folge aus dieser religiösen Gemeinschaft die entsprechenden Personen als Zeugen einzuvernehmen und unabhängig davon den Austritt aus der XXXX Glaubensgemeinschaft in Bezug auf eine mögliche Rückkehrgefährdung zu überprüfen haben. Des Weiteren wird sich das BAA mit den nun mehr vom BF übermittelten iranischen Dokumenten (Festnahmeaufträge) auseinanderzusetzen haben und diese über einen Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft - nach entsprechender Zustimmung durch den BF - an Hand der angegebenen Daten des Gericht und der Geschäftszahl - auf deren Richtigkeit zu überprüfen haben.

 

Im Anschluss daran wird der BF zu den erhaltenen Ermittlungsergebnissen ergänzend einzuvernehmen sein.

 

Ohne die aufgezeigten notwendigen Ermittlungsschritte und so erhaltenen Ermittlungsergebnisse stellt sich das vom BAA abgeführte Verfahren, mit den darin enthaltenen Schlussfolgerungen, jedenfalls als grob mangelhaft dar.

 

5. Wie oben dargestellt, kann es nicht Sache der Beschwerdeinstanz sein, die im gegenständlichen Fall dazu erforderlichen - jedoch im Verfahren vor dem Bundesasylamt wesentlich mangelhaft gebliebenen - Ermittlungen nachzuholen, um dadurch erst zu den erforderlichen Entscheidungsgrundlagen zu gelangen und würde es darüber hinaus, sofern der Asylgerichtshof diese Vorgangsweise wählen würde, (mindestens) einer mündlichen Verhandlung nur zur Erörterung der Ermittlungsergebnisse bedürfen.

 

Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall das dem Asylgerichtshof gem. § 66 Abs. 2 und 3 AVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung zu üben. Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Beschwerdeführers gegen eine Kassation des Bescheides des Bundesasylamtes sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.

 

6. Die Rechtssache war daher spruchgemäß an das Bundesasylamt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das Bundesasylamt wird im fortzusetzenden Verfahren die dargestellten Mängel zu verbessern haben.

Schlagworte
Befragung, Beweise, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, wesentlicher Verfahrensmangel
Zuletzt aktualisiert am
20.09.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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