TE AsylGH Erkenntnis 2013/09/17 S17 437118-1/2013

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Veröffentlicht am 17.09.2013
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Spruch

Zl. S17 437118-1/2013/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Engel als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Georgien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.08.2013, Zl. 13 09.303-East-West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 AsylG 2005 BGBl I 100/2005 idF BGBl I 67/2012 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Die beschwerdeführende Partei (bP) reiste ihren Angaben nach am 01.07.2013 nicht rechtmäßig in Österreich ein und brachte am 02.07.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Im Rahmen der Erstbefragung brachte sie nach vorhergehender Aufforderung wahre und vollständige Angaben zu machen und dem Hinweis, dass unwahre Angaben für sie im Asylverfahren nachteilige Folgen nach sich ziehen können im Wesentlichen vor, dass sie Ende Juli 2012 über Tiflis nach Minsk geflogen und von dort mit dem Zug weiter nach Brest gefahren wäre. 12 Tage wäre sie in einem Hotel gewesen, bevor sie mit einem Zug nach Polen weitergefahren wäre, wo sie einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätte. Sie wäre lediglich 2 Tage in Polen gewesen, bevor sie mit einem PKW nach Italien weitergefahren wäre. Am 01.078.2013 wäre sie nun mit dem Zug nach Österreich gereist. Sie wäre in Polen im Flüchtlingslager Biala Podlaska gewesen. Sie hätte jedoch nicht in Polen bleiben wollen, sondern hätte sie damals schon nach Österreich gewollt. Sie hätte Angst nach Polen zu fahren, weil jeder über Weißrussland nach Polen einreisen könne. Sie hätte bereits früher in Ungarn und auch in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

In Georgien wäre sie Zeuge eines Autounfalles gewesen, wobei ein kleines Mädchen überfahren worden wäre. Der Lenker wäre einfach weiter gefahren. Sie habe Anzeige erstattet. Die Verwandten des Lenkers hätten sie daraufhin bedroht, zusammengeschlagen und erpresst.

 

Ein durchgeführter Abgleich ihrer Fingerabdruckdaten in der Eurodac-Datenbank ergab zwei Treffer (HU1...., PL1....). Demnach wurden ihr in Ungarn am 04.01.2008 und in Polen am 04.07.2012 je als "Asylbewerber" Fingerabdrücke abgenommen.

 

Am 04.07.2013 übermittelte das Bundesasylamt (BAA) an Polen ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art 16/1/c der Dublin II-VO.

 

Am 04.07.2013 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 29 Abs 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass das BAA beabsichtige ihren Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§4, 5 AsylG und 68/1 AVG), seit 04.07.2013 Dublin-Konsultationen mit Polen führe und durch diese Mitteilung die Zwanzigtagesfrist des Zulassungsverfahrens nicht mehr gelte.

 

Am 23.07.2013 teilte Polen mit, dass es der Wiederaufnahme auf Grundlage von Art 16/1/d der Dublin II-VO zustimme.

 

Seitens des Bundeskriminalamtes langte am 31.07.2013 beim BAA die Mitteilung ein, dass die bP laut Sirene Schweiz am 23.09.2008 nach Georgien abgeschoben worden ist.

 

Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim BAA zur Wahrung des Parteiengehörs brachte die beschwerdeführende Partei nach Belehrung über die sie treffenden wesentlichen Mitwirkungsverpflichtungen und Hinweis auf das Neuerungsverbot im Wesentlichen vor, dass sie derzeit keine Medikamente einnehme, aber sie ihre Nieren nicht in Ruhe lassen würden und sie an Schlaflosigkeit leide. Ich wäre beim Arzt mit Ultraschall untersucht worden und wäre ihr eine Blutprobe abgenommen worden. Es habe sich herausgestellt, dass sie an Hepatitis B leide. Die bP wurde aufgefordert, selbstständig und unverzüglich medizinische Unterlagen, Befunde, Gutachten, usw. unaufgefordert dem Bundesasylamt vorzulegen. Verwandte hätte sie in der EU nicht, jedoch eine Bekannte in Italien. In Polen gebe es sehr viele Georgier. Die Person, welche sie in der Heimat verfolgt hätte, hätte sie in der Vergangenheit überall finden können, egal ob sie ihre Telefonnummer oder ihre Adresse geändert hätte. In Polen wäre sie von ihren Landsleuten gefragt worden, ob sie so heißen würde, wie sie heiße. Sie hätte nein gesagt. Sie könne nicht genau sagen, ob es die Leute von der Person, welche sie in der Heimat verfolgt hätte, gewesen wären. Sie hätte jedoch Angst bekommen und hätte Polen verlassen. Eigentlich hätte sie auch nicht in Polen bleiben wollen, sie hätte nach Österreich gewollt. In weiterer Folge führte die bP aus, dass es sogar mit diesen Personen zu einer Rangelei gekommen wäre. Eine Anzeige bei der Polizei hätte sie nicht erstattet, weil sie so ein korruptes Land, nach Georgien, noch nie gesehen hätte. In weiter Folge fügte die bP aus, dass sie, als sie in das Flüchtlingslager gebracht worden wäre, großen Hunger gehabt hätte. Sie hätte nichts zu Essen bekommen, weshalb sie sich an den Sicherheitsdienst gewandt hätte. Der Mitarbeiter hätte gesagt, dass sie für Essen würde bezahlen müssen. Sie hätte ihm Euro 10,-- gegeben und er hätte ihr ein paar Kekse und ein Stück Wurst gegeben. Die Bedingungen wären nicht gut gewesen. Am Ende der Befragung führte die bP aus, dass sie liquidiert worden wäre, wäre sie in Polen geblieben.

 

Dem Rechtsberater wurde in dieser Einvernahme die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen. Dieser machte davon keinen Gebrauch.

 

Seitens der bP wurden ein Blut- und ein Röntgenbefund vorgelegt. Weiter legte die bP ein Schreiben vor, in welchem sie ersucht hierbleiben zu können und Ausführungen zu Georgien getätigt wurden.

 

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei wurde vom BAA gemäß § 5 Abs 1 AsylG 2005 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Art 16/1/d der der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen verfügt und erklärt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß § 10 Abs 4 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

 

Das BAA setzte sich mit der maßgeblichen Lage im als zuständig erachteten Staat auseinander und traf im angefochtenen Bescheid auf Grundlage von Berichten allgemeine Feststellungen zum staatlichen Asylverfahren sowie konkret zur Refoulement Prüfung, zur Schubhaftpraxis, zum Zugang zu Asylverfahren nach Rücküberstellung, zur Versorgung von Asylwerbern, zur medizinischen Versorgung sowie zur Anerkennungsquote.

 

Spruchpunkt I. wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Ermittlungsverfahren die Zuständigkeit von Polen gemäß Art 16/1/d der Dublin II-VO ergeben habe. Dieser Staat sei auch bereit, die beschwerdeführende Partei einreisen zu lassen und die sich aus der Dublin II-VO ergebenden Verpflichtungen ihr gegenüber zu erfüllen. Polen sei ein Mitgliedstaat der Europäischen Union und es sei festzustellen, dass es auf Grund der allgemeinen Lage nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass es im gegenständlichen Fall bei einer Überstellung zu einer entscheidungsrelevanten Verletzung der EMRK komme. Auch aus der Rechtsprechung des EGMR und aus sonstigem Amtswissen ließen sich keine systematischen, notorischen Verletzungen fundamentaler Menschenrechte in Polen erkennen.

 

Ein von der beschwerdeführenden Partei im besonderen Maße substantiiertes und glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter exzeptioneller Umstände, die die Gefahr einer maßgeblichen Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, sei im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG treffe daher zu.

 

Es habe sich im Ergebnis kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO ergeben, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen wäre.

 

Hinsichtlich Spruchpunkt II. verneinte das BAA das Vorhandensein eines relevanten Privat- und Familienlebens in Österreich, weshalb die Ausweisung nicht unzulässig in diese verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte eingreife.

 

Beachtliche Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs der Durchführung der Ausweisung gemäß § 10 Abs 3 AsylG hätten sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei innerhalb offener Frist Beschwerde. Im Wesentlichen wurde der bereits vorgebrachte Sachverhalt in Bezug auf Georgien widerholt, weshalb sie sich in Polen nicht sicher fühle.

 

Die gegenständliche Beschwerde langte am 14.08.2013 beim AsylGH ein. Dieser wurde nach Prüfung der Sach- und Rechtslage die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter erwogen:

 

1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes.

 

2. Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 67/2012 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. [.....]

 

(2) [.....]

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

[......]

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Soweit sich aus AsylG 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, nicht anderes ergibt, sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof gemäß § 23 Abs 1 Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Zu Spruchpunkt I.:

 

1. § 5 AsylG lautet:

 

"(1) Ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."

 

Die Dublin II VO ist eine Verordnung auf Basis des Unionsrechtes der Europäischen Union (vgl Art. 78 AEUV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat (nach den hierarchisch aufgebauten [Art. 5 Abs 1 Dublin II VO] Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II-VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO) zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Im vorliegenden Fall ist das Bundesasylamt nach Durchführung von Konsultationen mit Polen nachvollziehbar von einer Zuständigkeit dieses Landes ausgegangen. Polen hatte sich bereit erklärt, die bP auf Grundlage von Art 16/1/d der Dublin II-VO zu übernehmen, da die bP ihren Antrag während dessen Prüfung in Polen zurückgezogen hatte und in Österreich einen Asylantrag stellte.

 

Es sind aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313).

 

Derartiges hat auch die beschwerdeführende Partei nicht behauptet. Das Konsultationsverfahren erfolgte nach Ansicht des Asylgerichtshofes ohne relevante Mängel.

 

Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

3. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung von maßgeblichen Vorschriften der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht [nunmehr: Unionsrecht] nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich [unionsrechtlich] zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Es ist auch nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582; 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025; 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673; 31.5.2005, 2005/20/0095), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die unionsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechtes entstehen. Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrecht verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechtes und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II VO², K9 ff zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht [Unionsrecht] kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen [unionsrechtlichen] Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts [Unionsrechts] regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls unionsrechtswidrig.

 

3.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

Art 8 EMRK lautet:

 

(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

 

Eine Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. eine Aufenthaltsbeendigung (Ausweisung) kann einen (unzulässigen) Eingriff in das Privat- und/oder Familienleben des Betroffenen darstellen.

 

Die beschwerdeführende Partei befindet sich erst seit weniger als 3 Monaten in Österreich. Ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, etwa auf Grundlage des FPG bzw. NAG, kam ihr zu keiner Zeit zu. Allfällige private Anknüpfungspunkte wurden daher in einer Zeit gegründet, in der ihr Aufenthaltsstatus in Österreich auf Grund des laufenden Asylverfahrens ungewiss war.

 

Im gegenständlichen Fall ist jedoch schon insbesondere auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer in Österreich nicht davon auszugehen, dass hinreichend starke private Anknüpfungspunkte zu Österreich bestehen, die zu einem relevanten Privatleben iSd Art 8 EMRK führen würden (vgl. zB VfGH 6.3.2008, B 2400/07). Derartiges wurde auch durch die bP nicht behauptet.

 

Mangels Verletzung von Art 8 EMRK war aus diesem Grund daher zu Recht von einem Selbsteintritt Österreichs gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO nicht Gebrauch zu machen.

 

3.2. Mögliche Verletzung von Art 3 EMRK:

 

Art 3 EMRK lautet:

 

"Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden".

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder nicht effektiv verhinderbaren Bedrohung seiner relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, Zl. 95/18/1293, 17.7.1997, Zl. 97/18/0336). So auch der EGMR in stRsp, welcher anführt, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt - so weit als möglich - Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (zB EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005). Bloßes Leugnen oder eine allgemeine Behauptung reicht für eine Glaubhaftmachung nicht aus (VwGH 24.2.1993, 92/03/0011; 1.10.1997, 96/09/0007).

 

Nach der hier maßgeblichen Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG 2005 ist zu beachten, dass, sofern nicht besondere (exzeptionelle) Gründe, die in der Person des Asylwerbers glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die "reale Gefahr" (darunter ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen [vgl. VwGH 99/20/0573

v. 19.2.2004 mwN auf die Judikatur des EGMR]) des fehlenden Schutzes sprechen, davon auszugehen ist, dass der Asylwerber im zuständigen Dublin-Staat hinreichenden Schutz findet.

 

Erst wenn es dem Asylwerber gelingt die oa. "besonderen Gründe" glaubhaft zu machen, ist die dem § 5 Abs 3 AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit widerlegt. In diesem Fall sind die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Die Ermittlungspflicht ergibt sich aus § 18 AsylG 2005, die insoweit von § 5 Abs 3 AsylG 2005 unberührt bleibt.

 

3.2.1. Behauptete Bedrohung im Zielstaat:

 

Die bP brachte ursprünglich vor, dass sie schon von Anfang an nicht in Polen hätte bleiben wollen. Ihr Zielland wäre Österreich gewesen. In Polen gebe es zu viele Georgier, jeder könne über Weißrussland nach Polen einreisen. Im Zuge des Verfahrens steigerte die bP ständig ihr Vorbringen. So führte sie im Zuge der Einvernahme vor dem BAA anfangs aus, dass sie zu ihrem bisherigen Vorbringen nichts hinzuzufügen hätte. In weiterer Folge legte die bP dann erstmals dar, dass die Person, welche sie in der Heimat verfolgt hätte, sie in der Vergangenheit überall hätte finden können, egal ob sie ihre Telefonnummer oder ihre Adresse geändert hätte. In Polen wäre sie von ihren Landsleuten gefragt worden, ob sie so heißen würde, wie sie heiße. Sie hätte nein gesagt. Sie könne nicht genau sagen, ob es die Leute von der Person, welche sie in der Heimat verfolgt hätten, gewesen wären. Sie hätte jedoch Angst bekommen und hätte Polen verlassen. An anderer Stelle der Einvernahme führte die bP dann erstmals aus und steigerte somit wiederum ihr Vorbringen, dass es mit diesen Personen sogar zu einer Rangelei gekommen wäre. Eine Anzeige bei der Polizei hätte sie nicht erstattet, weil sie so ein korruptes Land, nach Georgien, noch nie gesehen hätte. Danach legte die bP dar, dass sie im Flüchtlingslager nichts zu Essen bekommen hätte, weshalb sie sich an den Sicherheitsdienst gewandt hätte. Der Mitarbeiter hätte gesagt, dass sie für Essen würde bezahlen müssen. Sie hätte ihm Euro 10,-- gegeben und er hätte ihr ein paar Kekse und ein Stück Wurst gegeben. Die Bedingungen wären nicht gut gewesen. Am Ende der Befragung führte die bP dann noch aus, dass sie liquidiert worden wäre, wäre sie in Polen geblieben.

 

Seitens des AsylGH wird festgestellt, dass die Darlegungen der bP zu Polen aufgrund ständiger Steigerungen im Vorbringen nicht glaubhaft sind. Es ist ganz offensichtlich, dass die bP die Lage in Polen ganz bewusst in einem schlechteren Licht darstellt, als dies tatsächlich der Fall ist offenbar um so die Prüfung ihres Asylantrages in Österreich zu erwirken. Verstärkt wird diese Ansicht dadurch, dass die bP selbst ausführte, dass sie eigentlich nie in Polen hätte bleiben wollen, sondern ihr Zielland immer Österreich gewesen wäre.

 

Auch zu den Angaben der bP, dass sie in Ungarn kein Essen bzw. Essen nur gegen Bezahlung bekommen hätte, wird festgestellt, dass diesen Ausführungen kein Glaube geschenkt wird, da diese Angaben mit den Länderfeststellungen nicht vereinbar sind und zudem auch völlig konträr zum ho. Amtswissen sind, wie auch das BAA bereits feststellte. Aus den Länderfeststellungen geht eindeutig hervor, dass Asylwerber in Ungarn ausreichend versorgt werden.

 

Aus diesen Angaben lässt sich somit keine mangelnde Sicherheit von Polen ableiten.

 

Im Rahmen der Refoulemententscheidung ist unter anderem zu prüfen, ob der Abschiebung des Asylwerbers ein über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes "real risk" einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK entgegen steht.

 

Die bP legte dar, dass ihr die Nieren zu schaffen machen würden. Laut beigebrachtem Röntgenbefund (Oberbauchsonografie und Sonografie der Nieren) konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden. Die beschriebenen Schmerzen sind demnach nicht erklärbar, es wurde auf die Möglichkeit von Rückenschmerzen hingewiesen. Die bP führte zudem aus, dass sie Schlafstörungen hätte, jedoch keine Medikamente nehme. Auch würde sie an Hepatitis B leiden. Besondere Komplikationen im Zusammenhang mit dieser Erkrankung wurden nicht dargelegt. Hinsichtlich der Behandelbarkeit der Erkrankung in Polen wird auf die Feststellungen des BAA verwiesen.

 

Es ergaben sich im Ermittlungsverfahren somit keine Hinweise, dass sich der Gesundheitszustand der bP so schlecht darstellen würde, dass eine Art. 3 EMRK konforme Überstellung nach Polen nicht möglich wäre (vgl. Paramasothy v. Netherlands 10.11.2005; Ramadan Ahjeredine

v. Netherlands, 10.11.2005, Ovidienko v. Finland 31.5.2005; Hukic v. Sweden, 27.9.2005).

 

3.2.2. Kritik am Asylwesen im Zielstaat:

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind; dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

 

Aus den Feststellungen des BAA ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Rechtsstaatlichkeit des Asylverfahrens im Zielstaat in Zweifel zu ziehen. Die beschwerdeführende Partei ist diesen Feststellungen auch in der Beschwerde nicht substantiiert entgegen getreten.

 

Auf Grund des Konsulationsverfahrens steht es - so wie auch schon für die belangte Behörde - für den Asylgerichtshof fest, dass die bP schon vor ihrer Reise nach Österreich Zugang zum polnischen Asylsystem hatte. Polen hatte sich auch ausdrücklich bereit erklärt die bP wieder aufzunehmen. Im Ergebnis besteht damit nach der Dublin II-Verordnung die Pflicht des auf- oder wiederaufnehmenden Staates, den in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Asylantrag, und sei es auch ein "Folgeantrag" ohne weiteres einer Prüfung zuzuführen (VwGH 2011/21/0128 vom 19.03.2013).

 

3.2.3. Im gegenständlichen Fall kann bei abschließender Betrachtung unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht gesagt werden, dass die beschwerdeführende Partei ausreichend substantiiert und glaubwürdig dargelegt hätte, dass ihr auf Grund ihrer persönlichen Situation durch eine Rückverbringung in den Zielstaat, entgegen der Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG 2005, eine - über die bloße Möglichkeit hinausgehende - exzeptionelle reale Gefahr (sog. "real risk") einer Artikel 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Die Widerlegung der in § 5 Abs 3 AsylG in Hinblick auf das Bestehen eines hinreichenden Schutzes in allen EU-Mitgliedstaaten normierten Rechtsvermutung ist der beschwerdeführenden Partei damit nicht gelungen.

 

Eine verpflichtende Inanspruchnahme des Selbsteintrittsrechtes gemäß Art 3 Abs 2 Dublin II-VO seitens Österreichs war somit weder aus Gründen des Art 8 noch aus jenen des Art 3 EMRK geboten.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG 2005 wegen der Zuständigkeit Polens zurückzuweisen, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt I. abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II.:

 

1. § 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird

 

(2) Ausweisungen nach Abs 1 sind unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu

 

berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt

 

des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-,

 

Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden

 

zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

(6) Ausweisungen nach Abs. 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen."

 

2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

 

2.1 Der Antrag auf internationalen Schutz der beschwerdeführenden Partei war gem. § 5 AsylG 2005 zurückzuweisen, weshalb diese Entscheidung grds. mit einer Ausweisung zu verbinden ist.

 

2.2. Ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet wurde von der beschwerdeführenden Partei nicht dargetan und konnte auch amtswegig nicht festgestellt werden. Daraus ergibt sich somit kein Ausweisungshindernis.

 

2.3. Wie sich aus den Ausführungen zu Punkt 3.1 ergibt, kommt es durch eine Überstellung bzw. Ausweisung im gegenständlichen Fall zu keiner Verletzung des Privat- und Familienlebens iSd Art 8 EMRK.

 

3. Es ergaben sich im Verfahren keine begründeten und glaubhaften Hinweise auf die Notwendigkeit eines Aufschubs, weil etwa die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person der beschwerdeführenden Partei liegen, eine Verletzung von Art 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer wären. (§ 10 Abs 3 AsylG 2005).

 

4. Gemäß § 10 Abs 4 AsylG 2005 gilt diese Ausweisung auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den gegenständlichen Zielstaat.

 

Es war unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände daher zu Recht eine Ausweisung zu verfügen, die Entscheidung des BAA im Ergebnis zu bestätigen und die Beschwerde somit hinsichtlich Spruchpunkt II. abzuweisen.

 

III. Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, real risk, unverzügliche Ausreiseverpflichtung
Zuletzt aktualisiert am
25.09.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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