TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/15 96/08/0115

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Veröffentlicht am 15.11.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §24 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des J in U, vertreten durch Dr. Gerlinde Dellhorn, Rechtsanwalt in Wien I, Krugerstraße 17, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 26. März 1996, Zl. IIf 7022/7100 B, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt 2. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides hob die belangte Behörde einen erstinstanzlichen Bescheid vom 22. November 1995, mit dem das dem Beschwerdeführer gewährte Arbeitslosengeld ab 1. August 1995 eingestellt worden war, auf. Mit Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides bestätigte die belangte Behörde einen erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Dezember 1995, mit dem die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. August 1995 bis zum 31. Oktober 1995 widerrufen und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 38.438,-- verpflichtet worden war.

Die belangte Behörde stellte im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer sei ab dem 1. August 1995 selbständig erwerbstätig gewesen und habe seinem Auftraggeber hierüber für die Zeiträume 1. August bis 31. August 1995, 1. September bis 30. September 1995 und 1. Oktober bis 31. Oktober 1995 Honorarnoten in der Höhe von je S 3.400,-- monatlich zuzüglich USt, insgesamt also S 4.080,-- monatlich, gelegt. Für den Zeitraum vom 1. November 1995 bis zum 24. November 1995 habe der Beschwerdeführer, der seit 27. November 1995 wieder in einem Dienstverhältnis stehe, eine Honorarnote über S 800,-- zuzüglich USt, insgesamt also S 960,-- gelegt. Die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 lit. c ASVG habe 1995 S 3.452,-- betragen. Da der Beschwerdeführer diesen Betrag mit den für die Monate August bis Oktober 1995 gelegten Honorarnoten überschritten habe, sei er während dieser Monate gemäß § 12 Abs. 3 lit. b in Verbindung mit § 12 Abs. 6 lit. c und § 36a AlVG nicht arbeitslos gewesen. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, der Beschwerdeführer habe seine selbständige Erwerbstätigkeit erst im November 1995 gemeldet und damit den Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG verwirklicht.

Gegen diesen Bescheid - und zwar der Sache nach nur gegen Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides - richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 2000, Zl. 96/08/0258, mit den Voraussetzungen der Einstellung einer Leistung gemäß § 24 Abs. 1 AlVG einerseits und des Widerrufes einer Leistung gemäß § 24 Abs. 2 AlVG andererseits befasst und ist dabei in Auseinandersetzung mit der Vorjudikatur seit dem Erkenntnis vom 21. September 1993, Zlen. 91/08/0145, 0146, in einer am Gesetzeswortlaut orientierten Auslegung zu dem Ergebnis gekommen, Leistungen seien auch für in der Vergangenheit liegende Zeiträume - und zwar unabhängig davon, ob die tatsächliche Auszahlung schon erfolgt sei - einzustellen und nicht zu widerrufen, wenn der Grund für die Einstellung oder den Widerruf nicht auf die Zuerkennung der Leistung zurückwirkt, sondern im nachträglichen Wegfall einer Leistungsvoraussetzung besteht. Die Einstellung der Leistung für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum sei somit weder "begrifflich unmöglich" noch vom Unterbleiben einer tatsächlichen Auszahlung abhängig, wobei der Leistungsbezieher durch den Ausspruch einer Einstellung statt eines Widerrufes oder umgekehrt aber nicht in seinen Rechten verletzt werde.

Im vorliegenden Fall wäre - ausgehend von den Prämissen der belangten Behörde - die vom Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde zunächst (nämlich für die Zeit vom 8. Juli 1995 bis zum 31. Juli 1995) zu Recht bezogene Leistung wegen der angenommenen Sachverhaltsänderung, nämlich der Aufnahme einer die Arbeitslosigkeit ausschließenden Beschäftigung mit 1. August 1995, für den davon betroffenen Zeitraum wegen des Wegfalls einer der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 1 AlVG einzustellen gewesen. Dass der Ausspruch, dem Beschwerdeführer sei die Leistung nicht zugestanden, in die Form eines Widerrufes gekleidet wurde, hätte den Beschwerdeführer - wie erwähnt - aber nicht in seinen Rechten verletzt. Ausgehend von den Annahmen der belangten Behörde hinsichtlich der Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers wäre es auch nicht richtig gewesen, den erstinstanzlichen Bescheid vom 22. November 1995, mit dem die Leistung "ab 010895" eingestellt worden war, zu bestätigen. Dieser zeitlich offene Abspruch hätte eine Verneinung der Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers auch über den 31. Oktober 1995 hinaus bedeutet und den Beschwerdeführer daher, anders als die Wortwahl und das Gesetzeszitat beim Abspruch über die mangelnde Anspruchsberechtigung im Zeitraum vom 1. August 1995 bis zum 31. Oktober 1995 in dem von der belangten Behörde bestätigten erstinstanzlichen Bescheid vom 6. Dezember 1995, jedenfalls in seinen Rechten verletzt.

2. Die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei in den Monaten August bis Oktober 1995 nicht arbeitslos gewesen, ist auf der Grundlage der Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde aber nicht zu teilen. Die belangte Behörde hat es verabsäumt, die Honorarnote des Beschwerdeführers für den Zeitraum vom 1. November 1995 bis zum 24. November 1995, in dem der Beschwerdeführer gleichfalls noch selbständig erwerbstätig war, in ihre Berechnung einzubeziehen und daraus - in Ermangelung eines Einkommensteuerbescheides auf der Grundlage sonstiger Nachweise - das monatliche Durchschnittseinkommen des Beschwerdeführers während der Gesamtdauer seiner selbständigen Erwerbstätigkeit zu errechnen (vgl. zur Maßgeblichkeit der Gesamtdauer der Erwerbstätigkeit bei derartigen nur einige Monate hindurch ausgeübten Tätigkeiten etwa die Erkenntnisse vom 20. Oktober 1999, Zl. 97/08/0522, und vom 8. September 1998, Zl. 95/08/0229, und die dort angeführte Vorjudikatur). Eine solche Berechnung hätte im Falle des Beschwerdeführers - auch ausgehend von den von der belangten Behörde herangezogenen Gesamtbeträgen - zu einem die zuvor erwähnte Geringfügigkeitsgrenze des Jahres 1995 unterschreitenden Monatseinkommen des Beschwerdeführers geführt. Auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die in den genannten Beträgen enthaltene Umsatzsteuer schon vor ihrer Abfuhr außer Betracht zu bleiben hatte, und die Frage der Berücksichtigung von allfälligen Betriebsangaben bei Ermittlung des Einkommens braucht unter diesen Umständen nicht mehr eingegangen zu werden.

Der angefochtene Bescheid war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand besteht danach nicht.

Wien, am 15. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996080115.X00

Im RIS seit

14.12.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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