Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung von Anträgen im Zusammenhang mit der Beendigung des kurativen Einzelvertrags eines Arztes mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze; keine Bedenken gegen die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren auch für bestehende Einzelverträge angesichts des zulässigen Ziels der Erleichterung eines angemessenen Generationenwechsels; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; stufenweise Übergangsregelungen im Gesamtvertrag unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz gesetzlich vorgesehen; einjährige Vorbereitungszeit für über 70-jährige Vertragsärzte unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausreichendSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
II. Die Beschwerden werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt und Verfahrensgeschehen
1. Der Beschwerdeführer ist Arzt für Allgemeinmedizin und steht jeweils in einem kurativen Einzelvertragsverhältnis zu den beteiligten Sozialversiche-rungsträgern: der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (B957/11), der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (B958/11), der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (B959/11), der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (B960/11) sowie der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (B1020/11). Er stellte am 18. Jänner 2010 fünf Anträge an die paritätische Schiedskommission für Niederösterreich mit dem Begehren festzustellen, dass zwischen dem Antragsteller und dem jeweiligen Versicherungsträger der kurative Einzelvertrag nicht durch Erreichen einer Altersgrenze beendet wird. Die paritätische Schiedskommission wies die Anträge des Beschwerdeführers mit fünf im Wesentlichen gleichlautenden Bescheiden ab.
2. Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer Berufungen an die Landesberufungskommission für Niederösterreich, welche den Berufungen keine Folge gab. In den Berufungsbescheiden betreffend die Einzelverträge des Beschwerdeführers zur Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern sprach die Landesberufungskommission für Niederösterreich in Abänderung des Spruchs aus, dass der kurative Einzelvertrag des Beschwerdeführers frühestens mit Ende des Jahres 2015 beendet werde.
3. Die belangte Behörde führte in den angefochtenen Bescheiden jeweils begründend aus (zitiert ist im Folgenden der angefochtene Bescheid zu B957/11):
"Gem §342 Abs1 Z10 ASVG idFd 4. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 147/2009 haben die Gesamtverträge auch die Festlegung einer Altersgrenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppenpraxis) sowie möglicher Ausnahmen davon bei drohender ärztlicher Unterversorgung zu enthalten; kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.
Die Übergangsbestimmung des §647 Abs4 ASVG nomiert, dass §342 Abs1 Z10 auf Einzelverträge von Vertrags(zahn)ärztinnen und -(zahn)ärzten (Vertrags-Gruppenpraxen) und Dentisten/Dentistinnen anzuwenden ist, die ab dem 1. Jänner 2010 geschlossen werden. Für vor diesem Zeitpunkt geschlossene Einzelverträge sind in den Gesamtverträgen stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen. Kommt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 im jeweiligen Gesamtvertrag keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.
Am 22.12.2010 wurde zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Zustimmung der BVA einerseits und der Ärztekammer für Niederösterreich andererseits eine gesamtvertragliche Vereinbarung betreffend die Altersgrenze abgeschlossen. Nach dieser im Rahmen des §647 Abs4 ASVG getroffenen Regelung endet die Übergangsfrist für zum 1.1.2010 bestehende Einzelverträge mit 31.12.2018. Nach der Einschleifregelung des Pkt III endet der Einzelvertrag für Vertragsärzte des Jahrganges 1942 und älter (dies ist beim Antragsteller der Fall) am 31.12.2015.
Der Antragsteller ist am 18.7.1941 geboren. Er erachtete sich dadurch beschwert, dass er, sollte keine günstigere Regelung getroffen werden (eine solche bestand zum Zeitpunkt der Antragstellung am 10.1.2010 noch nicht, wohl aber zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 23.2.2011) seinen kurativen Einzelvertrag zur Antragstellerin mit Vollendung des 70. Lebensjahres bzw zum Quartalsende nach Vollendung des 70. Lebensjahres – dies wäre der 18.7.2011 bzw der 30.9.2011 – verlieren würde. Auch nach Vorliegen eines Gesamtvertrages mit einer Übergangsbestimmung bis 31.12.2015 erachtet sich der Antragsteller dadurch beschwert, dass er nicht den Zeitpunkt der Beendigung seiner kassenvertragsärztlichen Tätigkeit selbst bestimmen kann.
Der Einzelvertrag des Antragstellers endet entsprechend der gesamtvertraglich getroffenen Einschleifregelung nicht mit Vollendung des 70. Lebensjahres, sondern erst mit 31.12.2015. Dem Feststellungsbegehren kommt daher Berechtigung zu.
Was die Frage einer allfälligen Verfassungswidrigkeit der Regelung des §342 Abs1 Z10 ASVG und der dazu gehörigen Übergangsbestimmung des §647 Abs4 ASVG jeweils in der Fassung des 4. Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I/147/2009 betrifft, so kommt der Landesberufungskommission keine Berechtigung zur Einleitung eines Normenprüfungsverfahrens zu. Ob und inwieweit die getroffene Regelung zur Altersgrenze verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte verletzt, kann allenfalls im Rahmen einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof geklärt werden."
4. Gegen diese – keinem weiteren Rechtszug unterliegenden (vgl. §345 Abs3 iVm §346 Abs7 ASVG) – Bescheide richten sich die vorliegenden im Wesentlichen gleich lautenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit der Erwerbsausübung, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (in concreto: §342 Abs1 Z10 iVm §647 Abs4 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG, BGBl 189/1955, idF des 4. Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2009, BGBl I 147) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.
5. Die belangte Behörde legte unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Verwaltungsakten vor. Die beteiligten Versicherungsträger erstatteten Äußerungen, in denen sie dem Beschwerdevorbringen entgegentreten und die Abweisung der Beschwerden beantragen.
II. Rechtslage
1. Die durch die 71. Novelle zum ASVG, BGBl I 147/2009, neu eingeführten §§342 Abs1 Z10 und 647 Abs4 ASVG, lauten auszugsweise:
"Inhalt der Gesamtverträge
§342 (1) Die zwischen dem Hauptverband und den Ärztekammern abzuschließenden Gesamtverträge haben nach Maßgabe der nachfolgenden
Bestimmungen insbesondere folgende Gegenstände zu regeln:
1. – 9. […]
10. die Festlegung einer Altersgrenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppenpraxis) sowie möglicher Ausnahmen davon bei drohender ärztlicher Unterversorgung. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze.
(2) – (2a) […]"
"Schlussbestimmungen zu Art1 Teil 1 des Bundesgesetzes
BGBl I Nr 147/2009 (71. Novelle)
§647 (1) – (3) […]
(4) §342 Abs1 Z10 ist auf Einzelverträge von Vertrags(zahn)ärztinnen und -(zahn)ärztin (Vertrags-Gruppenpraxen) und Dentisten/Dentistinnen anzuwenden, die ab dem 1. Jänner 2010 geschlossen werden. Für vor diesem Zeitpunkt geschlossene Einzelverträge sind in den Gesamtverträgen stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen. Kommt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 im jeweiligen Gesamtvertrag keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze."
2. Diese Bestimmungen zur Festlegung einer Altersgrenze für die Beendigung von Einzelverträgen von Vertragsärzten werden in den Erläuterungen zur RV 476 BlgNR 24. GP, 6, wie folgt begründet:
"Als zwingender Bestandteil der Gesamtverträge hat zukünftig die Festlegung einer Altersgrenze (längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres) für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschafterinnen/Gesellschaftern einer Vertrags-Gruppenpraxis) sowie mögliche Ausnahmen davon bei ansonsten drohender ärztlicher Unterversorgung vorgesehen zu sein. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, hat das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze zu gelten.
Die gegenständliche Regelung soll dem Zweck dienen, nachrückenden Generationen an ausgebildeten [Ärztinnen und Ärzten] die Möglichkeit zu sichern, als [Vertragsarzt/-ärztin] tätig zu werden. Sie soll somit den Generationswechsel fördern und einen gerechten Ausgleich zwischen bereits in Vertrag genommenen Personen und jenen jungen, die sich um eine Zulassung bemühen, schaffen. Dabei handelt es sich bei der Festsetzung der Altersgrenze mit höchstens 70 Lebensjahren auch im Hinblick auf das gesetzliche Pensionsalter in Österreich nicht um eine unverhältnismäßige Beschränkung der Erwerbsausübung, die zu einer unzulässigen Diskriminierung auf Grund des Alters führen könnte.
Bei Erreichen der Altersgrenze soll der Einzelvertrag mit dem Ende des jeweiligen Kalendervierteljahres ohne Kündigung erlöschen, wobei eine Vertrags-Gruppenpraxis das Erlöschen eines Einzelvertrages verhindern kann, wenn sie innerhalb von vier Wochen ab Erreichen der Altersgrenze die/den betroffene/n persönlich haftenden Gesellschafterin/Gesellschafter aus der Vertrags-Gruppenpraxis ausschließt. Gegenständliche Regelung soll für jene Einzelverträge zur Anwendung gelangen, die ab dem 1. Jänner 2010 geschlossen werden. Für bestehende Einzelverträge sollen in den Gesamtverträgen Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorgesehen werden. Auch für "Altverträge" hat das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze zu gelten, falls bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 keine vertragliche Einigung darüber erfolgt."
Die durch §342 Abs1 Z10 ASVG ermöglichten Zusatzübereinkommen wurden zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit Zustimmung der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter einerseits und der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer andererseits zum Gesamtvertrag der Krankenversicherungsanstalt der Bundesangestellten vom 31. Mai 1957 sowie zwischen der Österreichischen Ärztekammer, der Bundeskurie der niedergelassenen Ärzte, für die jeweilige Kurie der Landesärztekammern und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger am 14. Dezember 2010 zum Gesamtvertrag für Ärzte für Allgemeinmedizin und Fachärzte vom 9. Juni 2005 für den Bereich der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau mit jeweils folgendem Wortlaut abgeschlossen:
"Gemäß §342 Abs1 Z10 ASVG wird folgende Übergangsregelung zur Altersgrenze vereinbart:
I.
Geltungsbereich
Betroffen von dieser Zusatzvereinbarung sind alle Vertragsärzte der BVA [VAEB].
II.
Subsidiariät
Für den Fall, dass zwischen einer Landesärztekammer und der jeweiligen Gebietskrankenkasse eine eigene Zusatzvereinbarung zur Altersgrenze existiert, gelten deren Regelungen auch für den Bereich der BVA [VAEB].
III.
Übergangsregelung
Die Übergangsfrist für zum 1.1.2010 bestehende Einzelverträge endet mit 31.12.2018. Ab 1.1.2019 erlöschen jedenfalls Einzelverträge von Vertragsärzten mit Vollendung des 70. Lebensjahres.
Davor gilt folgende Einschleifregelung:
Für Vertragsärzte die vor dem 1.1.2010
das 68. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 74, frühestens jedoch ab 1.1.2015
das 66. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 73, frühestens jedoch ab 1.1.2016
das 64. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 72, frühestens jedoch ab 1.1.2017
das 62. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 71, frühestens jedoch ab 1.1.2018
das 60. Lebensjahr vollendet haben gilt die Altersgrenze 70, frühestens jedoch ab 1.1.2019."
3. Für die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse und die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wurde ebenfalls ein Zusatzübereinkommen zum Gesamtvertrag gemäß §342 Abs1 Z10 ASVG am 24. November 2010 (in Kraft getreten am 18. Dezember 2010) zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Ärztekammer für Niederösterreich (Kurie der niedergelassenen Ärzte) abgeschlossen:
"I.
Grundlagen
Gemäß §342 Abs1 Z10 ASVG ist in den Gesamtverträgen die Festlegung einer Altersgrenze für die Beendigung der Einzelverträge von Vertragsärzten (persönlich haftenden Gesellschaftern von Vertrags-Gruppenpraxen) zu regeln. Kommt keine Einigung über eine Altersgrenze zustande, so gilt auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze. Die genannte Bestimmung ist nach §647 Abs4 ASVG auf Einzelverträge anzuwenden, die ab dem 1. Jänner 2010 geschlossen werden. Für vor diesem Zeitpunkt geschlossene Einzelverträge sind in den Gesamtverträgen stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen.
Im Sinne der Rechts- und Planungssicherheit für die betroffenen Vertragsärzte (Vertrags-Gruppenpraxen und deren persönlich haftenden Gesellschafter) wird zwischen den Vertragsparteien gemäß §647 Abs4 ASVG in Bezug auf die Anwendung des §342 Abs1 Z10 ASVG nachfolgende stufenweise Übergangsregelung unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vereinbart.
II.
Altersgrenze und Übergangsregelung
(1) Ab 01.01.2019 enden bestehende Einzelverträge von Vertragsärzten mit Vollendung des 70. Lebensjahres mit Ablauf jenes Quartales, in dem das 70. Lebensjahr vollendet wurde.
(2) Die Übergangsfrist für zum 01.01.2010 bestehende Einzelverträge endet mit 31.12.2018. Für die Jahre davor wird für Vertragsärzte mit zum 01.01.2010 bestehenden Einzelverträgen eine stufenweise Einschleifregelung wie folgt vereinbart:
Für Vertragsärzte
- des Jahrganges 1942 und älter endet der Einzelvertrag am 31.12.2015,
- der Jahrgänge 1943 und 1944 endet der Einzelvertrag am 31.12.2016,
- der Jahrgänge [1945] und 1946 endet der Einzelvertrag am 31.12.2017,
- des Jahrganges 1947 endet der Einzelvertrag am 31.12.2018,
- des Jahrganges 1948 endet der Einzelvertrag am 31.3.2019,
- des Jahrganges 1949 und jünger gelangt Abs1 zur Anwendung.
(3) […]."
4. Zum Gesamtvertrag für den Bereich der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft wurde kein entsprechendes Zusatzübereinkommen abgeschlossen, sodass gemäß §647 Abs4 ASVG das vollendete 70. Lebensjahr als Altersgrenze für die Beendigung von Einzelverträgen festgelegt ist.
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die – gemäß §§187, 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen – zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Der Beschwerdeführer behauptet im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt zu sein. Die Bestimmungen zur Einführung einer Altersgrenze für die Beendigung von Einzelverträgen hätten bereits bestehende kurative Einzelverträge nicht betreffen dürfen. Unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes wäre nur eine solche Regelung zulässig gewesen, bei der Altverträge keinem wie auch immer festgesetzten Pensionsalter unterliegen würden. Die Einführung einer Altersgrenze sei auch nicht durch das Ziel gerechtfertigt, freien Unternehmern, wie es Bewerber um Kassenvertragsstellen seien, den Zugang zu privatrechtlichen Verträgen (kurativen Einzelverträgen) "durch gesetzgeberischen Eingriff an Stelle bestehender Unternehmer zu verschaffen".
1.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
1.2. §647 Abs4 ASVG idF der 71. Novelle zum ASVG verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz:
1.2.1. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der Gesetzgeber hätte bei der Einführung einer Altersgrenze für die Beendigung von Einzelverträgen in bestehende privatrechtliche Verträge nicht eingreifen dürfen, ist zu entgegnen, dass der wesentliche Inhalt, vor allem aber die Gründe für die Beendigung der Einzelverträge der Vertragsärzte schon bisher durch gesetzliche und gesamtvertragliche Bestimmungen geregelt werden und daher nicht der Privatautonomie der Vertragsparteien unterliegen (vgl. zB VfSlg 16.463/2002, 19.306/2011). Daher trifft schon die Prämisse dieses Bedenkens des Beschwerdeführers nicht zu (vgl. im Übrigen VfSlg 17.071/2003 zur Zulässigkeit eines im öffentlichen Interesse gelegenen und verhältnismäßigen Eingriffs des Gesetzgebers in die Ruhestandsversetzung und Pensionsansprüche regelnde privatrechtliche Dienstverträge unter dem Blickwinkel des Eigentumsrechts).
1.2.2. Dem Gesetzgeber ist es an sich unbenommen, im Rahmen seiner Regelungskompetenz die Rechtslage hinsichtlich der Beendigung der Einzelverträge für die Zukunft zu ändern und sie auch – aus der Sicht der Vertragsärzte betrachtet – dadurch zu verschlechtern, dass nunmehr auch das Erreichen einer Altersgrenze als Endigungsgrund von Einzelverträgen vorgesehen wird. Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. VfSlg 11.368/1987, 13.461/1993, 13.657/1993).
1.3. Der Gesetzgeber verfolgt mit der hier in Rede stehenden Maßnahme ein zulässiges Ziel, nämlich bei den Vertragsärzten einen angemessenen Generationenwechsel zu erleichtern, und das gewählte Mittel, nämlich die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren auch für bereits bestehende Einzelverträge, ist dazu geeignet.
1.3.1. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, er habe im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage Investitionen getätigt, eine Ordinationsgehilfin ausgebildet und seine gesamte Lebensplanung darauf ausgerichtet, solange ihm dies gesundheitlich möglich sei, weiterhin als Kassenvertragsarzt tätig zu sein. Das Ziel, jüngeren Ärzten den Zugang zu Kassenvertragsstellen zu verschaffen, rechtfertige nicht den mit einer äußerst hohen Intensität verbundenen Eingriff in die Rechtssphäre und in wohlerworbene Rechte des Beschwerdeführers. Die Regelungen zur Einführung einer Altersgrenze seien daher, wenn schon nicht ohne sachliche Rechtfertigung, dann doch derart überschießend, dass sie die vom Gleichheitssatz gesetzte Grenze bei weitem überschreiten würden. Der Eingriff wiege beim Antragsteller umso schwerer, als er unmittelbar vor Erreichen des 70. Lebensjahres von der Neuregelung überrascht worden sei. Daran könne auch der Umstand nichts ändern, dass der Gesetzgeber die Schaffung von Übergangsregelungen an die Gesamtvertragsparteien delegiert habe. Der kurative Einzelvertrag des Beschwerdeführers zur Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft werde ex lege zum 30. September 2011 enden, da für diesen Gesamtvertrag keine Übergangsregelungen beschlossen worden seien. Im Bereich der übrigen in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger seien Übergangsregelungen beschlossen worden, sodass der jeweilige kurative Einzelvertrag des Beschwerdeführers zum 31. Dezember 2015 enden werde.
1.3.2. Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass sich Vertragsärzte in der Vergangenheit darauf einstellen konnten, dass ein Einzelvertrag – sieht man von organisatorischen Änderungen in Bezug auf den jeweiligen Krankenversicherungsträger (vgl. die Erlöschensgründe des §343 Abs2 Z1 und 2 ASVG) und vom Fall des Erlöschens des Gesamtvertrages einmal ab – auf Grund des Kündigungsschutzes des §343 Abs4 ASVG im Allgemeinen nur aus wichtigen Gründen, die vom Vertragsarzt zu vertreten sind, enden werde.
1.3.3. Vertrauensschutz begründende Umstände können nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darin liegen, dass rückwirkend an in der Vergangenheit liegende Sachverhalte geänderte (für die Normunterworfenen nachteilige) Rechtsfolgen geknüpft werden (vgl. VfSlg 13.020/1992, 16.850/2003) oder dass der Gesetzgeber in Rechtsansprüche, auf die sich die Normunterworfenen nach ihrer Zweckbestimmung rechtens einstellen durften (wie auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe) plötzlich und intensiv nachteilig eingreift (vgl. VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004) oder dass der Gesetzgeber, der Normunterworfene zu Dispositionen veranlasst hat, durch eine spätere Maßnahme diese im Vertrauen auf die Rechtslage vorgenommenen Dispositionen frustriert bzw. ihrer Wirkung beraubt (vgl. VfSlg 12.944/1991, 13.655/1993, 16.452/2002). Nur unter besonderen Umständen verbietet also der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber eine die Rechtsposition der Normunterworfenen verschlechternde Rechtsgestaltung.
1.3.4. Solche oder vergleichbare Umstände sind für den Verfassungsgerichtshof hier nicht erkennbar:
1.3.4.1. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Aufwendungen mögen zwar im Hinblick auf die Erwartung einer unveränderten Fortdauer der bisherigen Rechtslage getätigt worden sein, sie wurden aber durch keine Maßnahme des Gesetzgebers veranlasst und können daher insoweit auch keinen besonderen Schutz beanspruchen. Der Gesetzgeber musste bei jenen Vertragsärzten, bei denen die Altergrenze zu einer baldigen Beendigung des Vertragsverhältnisses führt, auch nicht davon ausgehen, dass sie von der zeitlichen Wirksamkeit dieser Altersgrenze typischerweise zu einem Zeitpunkt betroffen sein würden, zu dem wirtschaftlich ins Gewicht fallende Investitionen erst kurze Zeit zurückliegen.
1.3.4.2. Der Beschwerdeführer ist in diesem Zusammenhang auch daran zu erinnern, dass die Auflösung des Einzelvertrages mit dem Krankenversicherungsträger keinem Berufsverbot gleichkommt und ihn daher auch nicht zu einer Auflösung der Ordination zwingt; es ist ihm vielmehr unbenommen, weiterhin – wie jeder andere der zahlreichen niedergelassenen Ärzte, die über keinen Einzelvertrag mit einem Krankenversicherungsträger verfügen – als Wahlarzt auch für sozialversicherte Personen tätig zu sein und auf diese Weise seinen Patientenstock zumindest teilweise weiter zu erhalten. Eine Verletzung des Vertrauensschutzes wegen vorzeitiger Frustration von Aufwendungen infolge der Gesetzesänderung liegt daher auch deshalb nicht vor.
1.3.4.3. Die Übergangsbestimmung des §647 Abs4 ASVG sieht zwar die Altersgrenze von 70 Lebensjahren grundsätzlich auch für Einzelverträge vor, die vor dem 1. Jänner 2010 geschlossen werden. Die Rechtsfolge der Auflösung des Einzelvertrages wegen Erreichung des 70. Lebensjahres tritt aber frühestens mit dem 31. Dezember 2010 (also ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes) ein.
1.3.4.4. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang bestimmt, dass in den Gesamtverträgen "stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen" sind. Angesichts der gesetzlichen Aufgabenstellung der Vertragspartner des Gesamtvertrages im Zusammenhang mit der gesetzlichen Sozialversicherung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber den Vertragspartnern des Gesamtvertrages die Beurteilung der Bedürfnisse der Vertragsärzte einerseits und der Versorgungslage andererseits im Zusammenwirken überlassen hat. Davon haben die Vertragspartner (mit Ausnahme der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft) auch in ausreichendem Maße im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht.
1.3.5. Der Verfassungsgerichtshof erachtet nach dem Vorgesagten daher die einjährige Vorbereitungszeit für jene Vertragsärzte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes das 70. Lebensjahr bereits überschritten hatten oder dieses bis spätestens 31. Dezember 2010 vollendeten, unter Vertrauensschutzgesichtspunkten als ausreichend. Auch eine unzulässige Diskriminierung auf Grund des Alters liegt nicht vor (vgl. EuGH 12.1.2010, Rs. C-341/08, Petersen Slg. 2010, I-00047, sowie 21.7.2011, Rs. C-159/10, Fuchs, und C-160/10, Köhler).
2. Im Hinblick auf die Ausführungen zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz ist auch auszuschließen, dass der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Erwerbsausübungsfreiheit und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt wurde.
3. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.
3.1. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
3.2. Der Behörde ist nach dem oben Gesagten kein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsfehler unterlaufen, wenn sie die maßgebenden Bestimmungen des jeweiligen Gesamtvertrages weder als sittenwidrig noch als sonst mit den Grundrechten in Widerspruch stehend beurteilt hat (vgl. VfSlg 19.306/2011).
4. Schließlich behauptet der Beschwerdeführer in den zu B957/11, B958/11, B959/11 und B960/11 protokollierten Beschwerden, in seinem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein:
4.1. Die belangte Behörde habe nicht über seine Anträge abgesprochen, sondern die Anträge ohne erkennbaren Grund und sohin rechtswidrig modifiziert. Der Beschwerdeführer habe die Erlassung von Bescheiden begehrt, mit denen festgestellt werde, dass sein jeweiliger kurativer Einzelvertrag nicht durch Erreichen einer Altersgrenze beendet werde. Die belangte Behörde habe im jeweiligen Spruch ihrer Bescheide nur ausgesprochen, es werde festgestellt, dass der kurative Einzelvertrag des Antragstellers zur Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, zur Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau, zur Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse und zur Sozialversicherungsanstalt der Bauern mit Ende 2015 beendet werde.
4.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg 15.373/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2011 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).
4.3. Selbst wenn Spruch und Begründung des jeweils angefochtenen Bescheides so zu verstehen wären, dass die belangte Behörde das Antragsbegehren des Beschwerdeführers noch nicht zur Gänze erledigt hätte, dann wäre die belangte Behörde insoweit zwar säumig geworden, die bloße Säumigkeit ist aber von der (ausdrücklichen) Ablehnung einer Sachentscheidung wegen vermeintlicher, tatsächlich aber nicht bestehender Unzuständigkeit der Behörde zu unterscheiden. Gegen die bloße Säumigkeit der Behörde gibt es vor dem Verfassungsgerichtshof keinen Rechtsschutz (vgl. VfSlg 19.306/2011).
IV. Ergebnis
1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
2. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
3. Ob die Behörde das Gesetz in jeder Hinsicht richtig angewendet hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde – wie vorliegend – gegen den Bescheid einer sogenannten Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag richtet, der gemäß Art133 Z4 B-VG nicht mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden kann (zB VfSlg 3975/1961, 6760/1972, 7121/1973, 7654/1975, 9541/1982 mwN, 17.412/2004 uva).
4. Die Beschwerden sind daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).
Den beteiligten Parteien sind für die von ihnen eingebrachten, vom Verfassungsgerichtshof aber nicht abverlangten Schriftsätze Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).
Schlagworte
Sozialversicherung, Ärzte, Berufsrecht, Übergangsbestimmung, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B957.2011Zuletzt aktualisiert am
08.08.2014