E11 434.668-1/2013-5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter DDr. KINZLBAUER, LL.M. als Vorsitzenden und die Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin über die Beschwerde des mj. XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter Bezirkshauptmannschaft XXXX, Abteilung Jugendwohlfahrt, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.04.2013, Zl. 12 13.224-BAI, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
In Erledigung der Beschwerde von XXXX vom 25.04.2013 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.04.2013, Zl. 12 13.224-BAI, wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.1. Die beschwerdeführende Partei (bP), ein mj. männlicher Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan ("Pakistan"), stellte am 22.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag wurde er erstbefragt und am 04.03.2013 von einem Organwalter des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen.
Im Wesentlichen brachte der mj. BF vor, dass es in seinem Heimatland immer wieder Grundstücksstreitigkeiten gegeben habe, schon vor seiner Geburt seien zwei Onkeln von ihm umgebracht worden. Er sei im Jahr 2011 von drei Leuten entführt und erst nach Bezahlung von Lösegeld durch seine Eltern wieder freigelassen worden. Die Familie habe das strittige Grundstück verkauft und dann das Lösegeld bezahlt. In der Gefangenschaft sei er mit Stöcken und einer heißen Eisenstange geschlagen worden, er habe immer noch Narben davon. Einer der Entführer sei Mitglied der verfeindeten Familie XXXX gewesen. Ein hoher Polizeibeamter stamme ebenso aus dieser Familie, daher habe die Polizei nichts unternommen. Im Falle einer Rückkehr nach Pakistan befürchte er umgebracht zu werden.
I.2. Mit Bescheid vom 10.04.2013 wurde der Antrag auf internationalen Schutz folglich mit im Spruch ersichtlichen Bescheid des BAA gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).
I.2.1. Zur Person des mj. BF wurden u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Es habe nicht festgestellt werde können, dass er aktuell an lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen leide.
Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass er an physischen Beeinträchtigungen leide. Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass er an Asthma leide.
I.2.2. Im Wesentlichen ging die belangte Behörde davon aus, dass die Verfolgungsbehauptung des BF nicht glaubhaft sei.
I.3. Mit Schriftsatz vom 24.04.2013 wurde vom mj. Beschwerdeführer im Wege der gesetzlichen Vertretung Beschwerde erhoben. Gerügt wurden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängel (AS 399 ff).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Der AsylGH hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) fest.
III. Rechtliche Beurteilung
III.1. Gemäß § 61 (1) AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes, weshalb im gegenständlichen Beschwerdefall die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts gegeben ist.
Gemäß § 61 (1) Z.1 AsylG 2005 BGBl I Nr. 100/2005 idF BGBl I Nr. 38/2011 entscheidet der Asylgerichtshof im gegenständlichen Fall im Senat.
Gem. § 23 (1) des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG idgF hat der Asylgerichtshof [Berufungsbehörde], sofern die Beschwerde [Berufung] nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Er [sie] ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) seine [ihre] Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde [das ho. Gericht], wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann die Berufungsbehörde [das ho. Gericht] jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiermit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Auch der AsylGH ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084).
Auch wenn der AsylGH eine Außenstelle in Linz einrichtete, ist auszuführen, dass aufgrund des organisatorischen Aufbaues des AsylGH und des Bundesasylamtes, sowie aufgrund des Aufenthaltsortes der bP und der Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes eine Weiterführung des Verfahrens durch den AsylGH im Sinne des § 66 (3) AVG nicht mit einer Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
III.2.1. Für die Einvernahme am 04.03.2013 erteilte der gesetzliche Vertreter (BH XXXX) Vertretungsvollmacht an die Diakonie Flüchtlingsdienst, XXXX. Diese wurde an Mag. XXXX substituiert, welcher die Vertretung des mj. BF in der Einvernahme am 04.03.2013 durchführte (AS 189, 191).
Der BF hatte in der Einvernahme beim Bundesasylamt am 04.03.2013 angegeben, er leide an Asthma, diesbezüglich nehme er Medikamente in Form eines Sprays ein, in seinem Herkunftsland habe er Tabletten genommen (AS 195).
In der Einvernahme wurde dem Vertreter des mj. BF aufgetragen, bis zum 18.03.2013 ärztliche Unterlagen in Vorlage zu bringen.
Per E-mail vom 06.03.2013 (AS 207) legte der Vertreter des mj. BF eine Überweisung des Gemeindearztes von XXXX vom 04.03.2013 an die "LKHF Jugendpsychiatrie" vor, wobei unter der Rubrik Diagnose/Zweck der Überweisung "Albträume bei V.a. psychische Traumata" angeführt war (AS 209).
Mit E-mail vom 10.03.2013 wurde eine Stellungnahme des Vertreters des mj. BF (bei der Einvernahme) vom 09.03.2013 vorgelegt, in welchem dieser die Umstände bei der Einvernahme vom 04.03.2013 kritisierte und rügte, dass der BF zu Beginn der Einvernahme nach seiner Gesundheit befragt, wobei durch den Vertreter vorgebracht worden sei, dass der BF unter Alpträumen und entsprechenden Schlafstörungen leide und eine alsbaldige psychiatrische Abklärung diesbezüglich vorgesehen sei. Dies sei jedoch im Protokoll nicht festgehalten worden, sowie auch in der Vorgehensweise der weiteren Einvernahme ignoriert worden (AS 213 - 217).
Mit Schreiben vom 18.03.2013 schloss sich der gesetzliche Vertreter XXXX inhaltlich der bezeichneten Stellungnahme an (AS 227).
Der Niederschrift über die Einvernahme des mj. BF vom 04.03.2013 ist nicht zu entnehmen, dass für den mj. BF psychische Probleme vorgebracht worden wären. Die Niederschrift wurde vom Vertreter mitunterfertigt (AS 205). Allerdings findet sich im weiteren Verfahren und im angefochtenen Bescheid zu dieser Behauptung konkret auch keine Entgegnung, es wurde lediglich in der Beweiswürdigung ausgeführt, dass der mj. BF selbst psychische Probleme nicht behauptet hatte (AS 325).
Tatsache ist aber, dass für den mj. BF am 06.03.2013 eine Kopie der Überweisung eines Allgemeinmediziners an die Jugendpsychiatrie vorgelegt wurde.
III.2.2. Das BAA schloss aus dem Umstand, dass keine entsprechenden ärztlichen Unterlagen vorgelegt wurden, dass beim BF keine psychische Gesundheitsbeeinträchtigung gegeben sei. Es lag aber eine Überweisung des mj. BF an die Jugendpsychiatrie durch einen Allgemeinmediziner vor, was das Bundesasylamt allerdings unberücksichtigt ließ. Dass das Bescheid erlassende Organ über entsprechendes medizinisches Fachwissen verfügt, geht aus dem Akteninhalt jedenfalls nicht hervor. Eine Abklärung, ob beim mj. BF eine psychische Beeinträchtigung vorliegt, wäre schon aus dem Grund notwendig gewesen, weil dessen Flucht begründendes Vorbringen als unglaubwürdig erkannt worden war, bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung aber das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung eine Rolle spielt und mitberücksichtigt hätte werden müssen.
III.2.3. Auch der sonstige Gesundheitszustand wurde nicht entsprechend festgestellt. Die Negativfeststellungen - es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF an physischen Beeinträchtigungen leide; es habe nicht festgestellt werden können, dass er an Asthma leide; es habe nicht festgestellt werden können, ob er gegenwärtig Medikamente einnehme - ergeben sich nicht schlüssig aus dem Akteninhalt, hatte der doch angegeben, er leide an Asthma und nehme dagegen ein Medikament in Form eines Sprays. Gegebenenfalls hätte der Gesundheitszustand von Amts wegen ermittelt werden müssen. Der Verweis auf die Nichtvorlage entsprechender Bescheinigungen reicht hier nicht aus.
Wenn aber der Gesundheitszustand des mj. BF nicht festgestellt wurde, dann kann auch nicht feststehen, ob dieser an lebensbedrohlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen leidet oder eben nicht leidet.
III.2.4. Der BF hatte im Verfahren auch angegeben er sei im Zuge seiner Gefangenhaltung mit einem Holzstock und einer heißen Eisenstange geschlagen worden, diese Eisenstange hätten sie [die Täter] einfach auf seinem Fuß liegenlassen, von den Verletzungen habe er immer noch Narben. Auch diese Verletzungen wurden keiner sachverständigen Begutachtung zugeführt. Aus einer solchen hätten sich aber Rückschlüsse auf das Fluchtvorbringen ableiten lassen, ob die vom BF behaupteten Verletzungen tatsächlich vorliegen und ob sie mit seinem Vorbringen in Einklang zu bringen sind.
III.2.5. Der BF hatte im Verfahren weiter vorgebracht, ein Mitglied der verfeindeten Familie XXXX sei hochrangiges Mitglied bei der Polizei, weshalb die Polizei wegen der Entführung des mj. BF nichts unternommen habe. Dieses Familienmitglied bekleide die Funktion eines ASI bei der Polizei. Zur Beurteilung dieses Vorbringens wäre auch notwendig, zu erheben, welche Stellung ein ASI im Gefüge der Polizei in Pakistan nun einnimmt.
III.3. Die belangte Behörde wird daher im Rahmen des fortzusetzenden Verfahrens den Gesundheitszustand des mj. BF - wie oben ausgeführt - festzustellen und die weiteren Ermittlungen durchzuführen haben.
Im Rahmen der nachzuholenden Ermittlungstätigkeiten wird das Bundesasylamt auch den mj. BF ein weiteres Mal zu befragen und das ergänzende Beweisthema zu erörtern haben. Ebenso wird es dem mj. BF das Ermittlungsergebnis zur Kenntnis zu bringen und ihm die Gelegenheit einzuräumen zu haben, sich hierzu zu äußern. In weiterer Folge wird das BAA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.
Zwar stellt sich das bisherige Befragungsergebnis in einer Weise dar, welche die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens in Frage stellt, jedenfalls ist es aufgrund der fehlenden Ermittlungen aber offen, ob das Vorbringen des mj. BF den Tatsachen entspricht und wird es Aufgabe der belangten Behörde sein, weitergehende Ermittlungen zu tätigen.
Im Zuge der weiteren Einvernahme wird auch darauf zu achten sein, dass der Vertreter keine Suggestivfragen stellt (vgl. AS 204 oben).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.