TE UVS Steiermark 2013/05/10 20.3-13/2010

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Veröffentlicht am 10.05.2013
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Kundegraber über die Beschwerde des R P, geb. am, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:

 

Die Vorführung des Beschwerdeführers durch ein Polizeiorgan der Landespolizeidirektion Steiermark (zum Vorfallszeitpunkt Bundespolizeidirektion Graz) am 31. August 2010, um ca. 15 Uhr, in die Polizeiinspektion F war rechtswidrig.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 67 a Z 2, 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) § 153 Strafprozessordnung (StPO)

Art. 1 Abs 1 und 2 Bundes-Verfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988

 

Gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 456/2008, hat der Bund (Bundesministerin für Inneres) dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens in der Höhe von ? 751,90 binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 03. September 2010 wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die zwangsweise Vorführung des Beschwerdeführers am 31. August 2010, um 15:30 Uhr, entgegen einer getroffenen Abmachung mit dem Polizeibeamten durchgeführt wurde. Es sei ein anderer Termin für die Einvernahme vereinbart worden.

Es wurde die Anträge gestellt 1. das angefochtene Vorgehen für rechtswidrig erklären, 2. die belangte Behörde zum Aufwandersatz verpflichten und 3. gemäß § 67d AVG eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

 

2. Die belangte Behörde legte am 04. Oktober 2010 eine Gegenschrift vor, in der sie im Wesentlichen die Ausführungen in der Beschwerde bestätigte und anführte, dass der vom Beschwerdeführer eingeschlagene Rechtsweg unzulässig sei, da gegen die Anordnung Einspruch an das Gericht gemäß §§ 106 und 107 StPO möglich sei. Auf Grund der Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein und desselben Rechtes wäre daher der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark nicht zuständig und wurde daher der Antrag gestellt die Beschwerde wegen Unzuständigkeit kostenpflichtig zurückzuweisen.

Als Beilage wurde die Ladungsanordnung vom 04. August 2010, Zl. E1/7280/2010 und die Vorführungsanordnung vom 31. August 2010, Zl. E1/7280/2010 vorgelegt.

 

3. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 wurde die Beschwerdesache gemäß § 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz der Staatsanwaltschaft Graz zuständigkeitshalber (§§ 106 ff StPO) abgetreten.

 

4. Mit Schreiben vom 11. März 2013 wurde die Beschwerdesache infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2010 zu G19-21/10, mit dem die Wortfolge oder Kriminalpolizei nach durch Staatsanwaltschaft in der ursprünglichen Textierung des § 106 Abs 1 StPO als verfassungswidrig aufgehoben wurde, an den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark... rückabgetreten.

 

II.1. Auf Grund des Akteninhaltes wird von nachfolgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt ausgegangen:

 

Gegen den Beschwerdeführer wurden Ermittlungen im Dienste der Strafjustiz wegen des Verdachtes gemäß § 3 g Verbotsgesetz geführt. Auf Grund der bereits mündlichen Äußerung des Beschwerdeführers, er würde nicht freiwillig zu einer Einvernahme kommen, wurde ihm von der Sicherheitsbehörde erster Instanz eine Ladungsanordnung im Sinne des § 153 Abs 2 StPO für den 31. August 2010, um 10:00 Uhr, in der Polizeiinspektion F, geschickt (Ladungsanordnung vom 04. August 2010, Zl. E1/7280/2010). In der Ladungsanordnung wurde im Falle des Ausbleibens die sofortige Vorführung angedroht. Die Zustellung erfolgte am 06. August 2010 persönlich (siehe Rückschein).

Am 29. August 2010 suchte der Beschwerdeführer den zuständigen Polizeibeamten in der Polizeiinspektion F auf und vereinbarte mit ihm einen neuen Vernehmungstermin am 06. September 2010, um 10:00 Uhr, in der Polizeiinspektion F.

 

Am 31. August 2010, um ca. 10:00 Uhr, wurde die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in der Polizeiinspektion F einvernommen und über den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers befragt. Die Lebensgefährtin gab an, dass sie nicht wisse, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte. In weiterer Folge hielt der zuständige Polizeibeamte mit dem sicherheitspolizeilichen Referat der Bundespolizeidirektion Graz Rücksprache und gab an, dass der Beschwerdeführer die Ladung ohne wichtigen Grund nicht befolgt habe. Der Polizeibeamte ersuchte fernmündlich um die Ausstellung einer Vorführungsanordnung und erwähnte hiebei nicht, dass er bereits mit dem Beschwerdeführer einen neuen Vernehmungstermin am 06. September 2010, um 10:00 Uhr, vereinbart hatte. Das sicherheitspolizeiliche Referat der Bundespolizeidirektion Graz stellte sodann eine Vorführungsanordnung gemäß § 153 Abs 2 StPO aus und wurde diese vom zuständigen Polizeibeamten der Polizeiinspektion F übernommen. Die Vorführungsanordnung erfolgte auf Grund der fälschlichen Information, dass der Beschwerdeführer den Termin der Ladungsanordnung für 31. August 2010, 10:00 Uhr, nicht wahrgenommen habe.

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 31. August 2010, um ca. 15:00 Uhr, in G, T-K-St/H, von zwei Polizeibeamten angetroffen. Der Beschwerdeführer verweigerte die Annahme der Vorführungsanordnung und nachdem er der angeordneten Vorführung freiwillig nicht Folge leistete, wurde er mit Zwangsgewalt in den Streifenwagen getragen, mit dem er zur Vernehmung in die Polizeiinspektion F verbracht wurde. Hiebei wurde der Beschwerdeführer weder verletzt noch seine Kleidung beschädigt.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt konnte auf Grund der Beschwerdeausführungen als auch den Ausführungen in der Gegenschrift ermittelt werden und steht außer Streit. Die beantragte Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 67 b Abs 2 Z 3 AVG entfallen, da feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist.

 

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

 

1. Die Beschwerde langte am 09. September 2010 (Postaufgabestempel: 06. September 2010) beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die von Beamten der Landespolizeidirektion Steiermark (zum Vorfallszeitpunkt der Bundespolizeidirektion Graz) vorgenommene Vorführung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark stattgefunden hat.

 

2. Gemäß § 153 Abs 2 StPO ist eine Person, die vernommen werden soll, in der Regel schriftlich vorzuladen. Die Ladung muss den Gegenstand des Verfahrens und der Vernehmung sowie den Ort, den Tag und die Stunde ihres Beginns enthalten. Der Beschuldigte und das Opfer sind darin über ihre wesentlichen Rechte im Verfahren (§§ 50 und 70) zu informieren, soweit dies nicht bereits zuvor geschehen ist. Jedermann ist verpflichtet, eine solche Ladung zu befolgen und kann im Fall eines ungerechtfertigten Ausbleibens vorgeführt werden, wenn dies in der Ladung ausdrücklich angedroht wurde.

Der Beschwerdeführer war einer Straftat verdächtigt und diente seine Vernehmung der Beweisaufnahme (§ 153 Abs 1 StPO). Da der Beschwerdeführer bereits mündlich äußerte, dass er einer Ladung nicht Folge leisten würde, war eine schriftliche Ladung notwendig und wurde die Ladungsanordnung ihm persönlich am 06. August 2010, Zl. E1/7280/2010, zugestellt. Es wurde ihm im Falle des Ausbleibens auch die sofortige Vorführung angedroht. Eine derartige Ladung kann auch von der Kriminalpolizei erlassen werden (§ 99 Abs 1 StPO).

Der Beschwerdeführer hat in weiterer Folge mit dem zuständigen Polizeibeamten jedoch einen neuen Verhandlungstermin am 06. September 2010 vereinbart. Der neue Vernehmungstermin wurde jedoch von dem zuständigen Polizeibeamten der Behörde im Zuge des fernmündlichen Ersuchens um Erlassung einer Vorführungsanordnung nicht mitgeteilt. Der Behörde war daher die Grundlage für die Erlassung der Vorführungsanordnung am 31. August 2010, Zl. E1/7280/2010 entzogen, da es der zuständige Polizeibeamte unterlassen hat die Behörde über den neuen Termin zu informieren und konnte somit nicht von einem ungerechtfertigten Ausbleiben des Beschwerdeführers ausgegangen werden.

Gemäß Art. 1 Abs 1 Bundes-Verfassungsgesetz vom 29.11.1988, BGBl. Nr. 1988/684, über den Schutz der persönlichen Freiheit, hat jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit). Gemäß Abs 2 leg cit darf niemand aus anderen als in diesem Bundes-Verfassungsgesetz genannten Gründen oder auf andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

Die Festnahme des Beschwerdeführers im Rahmen der Vorführung am 31. August 2010, um ca. 15:00 Uhr, durch Beamte der Landespolizeidirektion Steiermark (Bundespolizeidirektion Graz) wurde ohne entsprechende Rechtsgrundlage durchgeführt und war daher rechtswidrig. Bemerkt wird noch, dass auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2010, G19-21/10, der Unabhängige Verwaltungssenat für kriminalpolizeiliche Zwangsakte, die ohne gerichtliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung vorgenommen werden, zuständig ist. Es bestand daher zum jetzigen Zeitpunkt die Kognitionsbefugnis des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark.

 

IV. Als Kosten wurden gemäß § 79 a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 456/2008, dem Beschwerdeführer ein Betrag von ? 751,90 zugesprochen. Der Betrag setzt sich aus ? 737,60 Schriftsatzaufwand und ? 14,30 Stempelgebühr zusammen.

Schlagworte
Vorführung; Ladungstermin; Kenntnis; Vereinbarung; persönliche Freiheit
Zuletzt aktualisiert am
23.07.2013
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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