TE Vfgh Erkenntnis 2013/6/26 B1541/2012

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Veröffentlicht am 26.06.2013
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Index

L6500 Jagd, Wild

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
Nö JagdG 1974 §2, §73 Abs1, §86 Abs1, §135 Abs1
Nö JagdV §26a Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Geldstrafe wegen Erlegens eines beidseitigen Kronenhirsches; keine Bedenken gegen das in der Nö Jagdverordnung festgelegte Verbot des Erlegens bestimmter Altersklassen von Kronenhirschen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer erlegte als Jagdausübungsberechtigter eines Eigenjagdgebietes in Niederösterreich am 25. September 2010 einen sieben Jahre alten Hirsch. Beide Geweihstangen des Hirschen wiesen über dem Mittelspross mehr als zwei Enden auf. Tiere mit einer solchen Geweihform werden als "beidseitige Kronenhirsche" bezeichnet.

2. Mit Straferkenntnis vom 7. Februar 2012 wurde über den Beschwerdeführer durch die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld gemäß §135 Abs1 Z30 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, LGBl Nr 6500-25 (im Folgenden NÖ JagdG), eine Geldstrafe in Höhe von € 1.500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt; mit derselben Erledigung wurde ihm die Bezahlung eines Kostenbeitrages in Höhe von € 150,-- vorgeschrieben. Denn der Beschwerdeführer habe am 25. September 2010 entgegen §26a Abs2 der Niederösterreichischen Jagdverordnung, LGBl Nr 6500/1-50 (im Folgenden NÖ JVO), einen beidseitigen Kronenhirsch der (Alters-)Klasse II erlegt.

3. Mit Bescheid vom 12. November 2012 wurde die dagegen erhobene Berufung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Niederösterreich mit der Maßgabe abgewiesen, dass die Strafnorm §135 Abs2 NÖ JagdG und die Übertretungsnormen §135 Abs1 Z25 NÖ JagdG sowie §26a Abs2 NÖ JVO lauten.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4.1. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Der Beschwerdeführer werde durch die Anwendung der gesetzwidrigen NÖ JVO in seinen Rechten verletzt. Denn §73 NÖ JagdG ermächtige den Verordnungsgeber lediglich dazu, Schuss- und Schonzeiten, gegebenenfalls getrennt nach Alter und Geschlecht, festzusetzen. Ferner werde der Verordnungsgeber gemäß §86 Abs1 NÖ JagdG ermächtigt, nähere Bestimmungen über die Einteilung der Schalenwildarten (worunter auch Hirsche fallen) in Altersklassen zu erlassen. Im Ergebnis sei die Landesregierung nur befugt, im Verordnungswege Bestimmungen über die Einteilung der Schalenwildarten in Altersklassen zu erlassen und diese Altersklassen sowie das Geschlecht der Tiere bei der Festlegung der Schuss- und Schonzeiten zu berücksichtigen. Das NÖ JagdG enthalte aber keine Ermächtigung, Hirsche nach genetischen Merkmalen wie der Geweihform einzuteilen und die Schuss- und Schonzeiten entsprechend dieser Merkmale festzulegen. Die weitere Differenzierung der Schuss- und Schonzeiten innerhalb der Altersklassen nach dem genetischen Kriterium der Geweihform gemäß §26a Abs2 NÖ JVO sei also gesetzwidrig, weil der Verordnungsermächtigung des NÖ JagdG widersprochen werde.

4.2. Ferner verstoße §26a Abs2 NÖ JVO gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und auf Unverletzlichkeit des Eigentums gemäß Art5 StGG. Denn die Differenzierung gemäß §26a Abs2 NÖ JVO zwischen beidseitigen Kronenhirschen der Altersklasse II, die nicht erlegt werden dürften, und Hirschen derselben Altersklasse mit einer genetisch bedingt anderen Geweihform, welche zum Abschuss frei seien, sei unsachlich und schädlich. Der bevorzugte Abschuss von Hirschen anderer Geweihformen führe zu einer genetischen Verarmung durch die Bevorzugung genetischer Merkmale, welche mit der Überlebensfähigkeit der Population nichts zu tun hätten. Es gebe kein öffentliches Interesse an dem Hegeziel einer bestimmten Geweihform, welches die genannten Grundrechtseingriffe rechtfertigen würde.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde abzuweisen.

6. Die Niederösterreichische Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der den Beschwerdevorwürfen im Wesentlichen Folgendes entgegengehalten wird:
Auf Grund der Gesetzesbestimmung des §73 Abs1 NÖ JagdG seien die Schusszeiten innerhalb eines Jagdjahres für verschiedenste Tierarten, zum Teil getrennt nach Alter und Geschlecht, festgelegt worden. Diese Gesetzesbestimmung sei ferner so zu interpretieren, dass eine Regelung der gänzlichen Schonung bestimmter Altersklassen bestimmter Wildarten zulässig sei. Bei der Regelung des §26a Abs2 NÖ JVO handle es sich um eine Schonzeitenregelung, welche die gänzliche Schonung bestimmter Altersklassen des männlichen Rotwildes unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich der Kronenbildung des Geweihes, normiere. Selbst wenn man unterstelle, das Ziel der Regelung des §26a Abs2 NÖ JVO sei die Maximierung der Anzahl von Kronenhirschen, werde der dem Verordnungsgeber eingeräumte Regelungsspielraum nicht überschritten.

II. Rechtslage

Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

§§2, 73 und 86 Abs1 NÖ JagdG lauten:

"§2

Hege, Weidgerechtigkeit und Jagdwirtschaft

(1) Mit dem Jagdrecht ist die Berechtigung und Verpflichtung verbunden, das Wild unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu hegen, damit ein artenreicher und gesunder Wildstand sich entwickeln kann und erhalten bleibt. Die Jagdausübung und die Wildhege haben insbesondere so zu erfolgen, dass die Erhaltung des Waldes und seiner Wirkungen nicht gefährdet wird.

(2) Die Jagd ist in einer allgemein als weidgerecht anerkannten Weise und unter Beobachtung der Grundsätze einer geordneten Jagdwirtschaft auszuüben.

[…]

§73

Schuß- und Schonzeiten

(1) Für die in §3 angeführten jagdbaren Tiere sind unter Bedachtnahme auf die Arterhaltung und auf die Erfordernisse der Land- und Forstwirtschaft sowie der Brut-, Nist- und Aufzuchtszeit der Federwildarten durch Verordnung Schuß- und Schonzeiten, gegebenenfalls getrennt nach Alter und Geschlecht, festzusetzen.

(2) Die außerhalb der festgesetzten Schußzeit liegenden Zeiten gelten als Schonzeiten, während welcher diese Wildarten weder verfolgt, noch gefangen, noch erlegt werden dürfen.

(3) Jagdbare Tiere, für die keine Schußzeit festgesetzt wurde, sowie Gelege des Federwildes sind grundsätzlich ganzjährig geschont.

[…]

§86

Verordnungsermächtigung

(1) Die Landesregierung hat durch Verordnung

[…]

* nähere Bestimmungen über die Einteilung der Schalenwildarten in Altersklassen […] zu erlassen.

[…]

§135

Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wenn die Tat nicht einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer

[…]

25. einem in diesem Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes verfügten sonstigen Verbot oder Gebot zuwiderhandelt;

[…]

(2) Verwaltungsübertretungen gemäß Abs1 sind mit einer Geldstrafe bis zu € 7.000,–, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu 6 Wochen zu bestrafen."

§§25, 26 und 26a JVO lauten:

"25

Altersklassen

Die der Abschußplanung unterliegenden Wildstücke sind in Altersklassen zu unterteilen. Die Zuordnung in eine bestimmte Altersklasse ist wie folgt vorzunehmen:

[…]

2. Rothirsche, die

das 5. Lebensjahr noch nicht vollendet haben: Klasse III

das 5. Lebensjahr vollendet und das 10. Lebensjahr noch nicht vollendet haben: Klasse II,

das 10. Lebensjahr vollendet haben: Klasse I;

[…]

§26

Abschußverfügung

(1) Bei der Verfügung von Abschüssen mit Ausnahme solcher gemäß §100 Abs1 und 2 NÖ JG – ist auf eine zweckvolle Gliederung des Abschusses trophäentragender Wildstücke nach Altersklassen zu achten, damit im verbleibenden Wildstand ein biologisch richtiger Altersklassenaufbau hergestellt wird.

(2) Das Hauptgewicht des Abschusses ist in der jüngsten Altersklasse festzulegen.

(3) In der Altersklasse II ist der Eingriff grundsätzlich sehr mäßig zu halten.

§26a

Durchführung des Abschusses

(1) Bei der Durchführung des Abschusses dürfen nur jene Stücke erlegt werden, die auf Grund ihrer Körper- und Trophäenentwicklung darauf schließen lassen, daß sie das der bewilligten Altersklasse entsprechende Lebensalter haben.

(2) Beim Rotwild dürfen zur Gewährleistung des biologisch richtigen Altersklassenaufbaues in der Altersklasse III ein- und beidseitige Kronenhirsche und in der Altersklasse II beidseitige Kronenhirsche nicht erlegt werden. Als Krone gilt jedes Geweih mit mehr als zwei Enden über dem Mittelspross, wobei die Endenanordnung gleichgültig ist. Als Ende zählt jede Stangenabzweigung ab 4 cm Länge, gemessen vom tiefsten Punkt der inneren Seitenlänge des jeweiligen Endes bis zu deren Spitze."

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist nicht begründet.

2. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften sind – aus der Sicht des Beschwerdefalles – nicht entstanden:

3. Zum Beschwerdevorbringen, §26a Abs2 NÖ JVO sei gesetzwidrig, weil es diese Bestimmung verbiete, Kronenhirsche zu erlegen und darin eine Differenzierung bei der Festlegung der Schuss- und Schonzeiten nach dem genetischen Kriterium der Geweihform liege, zu welcher der Verordnungsgeber nach dem NÖ JagdG nicht befugt sei:

3.1. Die angegriffene Bestimmung der NÖ JVO hat ihre gesetzliche Grundlage in der Verordnungsermächtigung des §73 Abs1 NÖ JagdG. Dieser Gesetzesbestimmung nach sind die Schuss- und Schonzeiten unter anderem unter 'Bedachtnahme auf die Arterhaltung' im Verordnungsweg festzusetzen. Der Begriff 'Arterhaltung' im Sinne des §73 Abs1 NÖ JagdG ist so auszulegen, dass der Verordnungsgeber ermächtigt wird, neben Erhaltung der Art im Sinne der biologischen Spezies des Wildes ferner die Erhaltung von Tieren mit besonderen Eigenschaften innerhalb derselben Spezies anzustreben. Dem Verordnungsgeber kommt mithin bei der Verfolgung der in §2 NÖ JagdG genannten Grundsätze und Ziele ein Gestaltungsspielraum zu, der nicht überschritten wird, wenn er in Ergänzung der Bestimmungen über die Verfügung des Abschusses (vgl. §26 Abs1 NÖ JVO) in Zusammenhang mit der Regelung der Durchführung des Abschusses in §26a Abs2 NÖ JVO ein Verbot normiert, bestimmte Altersklassen von Kronenhirschen zu erlegen.

3.2. Zum Vorbringen, für das Hegeziel der Maximierung von Hirschen mit einer bestimmten Geweihform fehle es an einem sachlich rechtfertigenden öffentlichen Interesse:

Der Gleichheitsgrundsatz bindet den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001) wie den Verordnungsgeber (s. VfSlg 13.310/1992, 13.482/1993). Er setzt insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetz- wie dem Verordnungsgeber jedoch durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

3.3. Dementsprechend kommt dem Gesetz- wie dem Verordnungsgeber in Hinblick auf den Gleichheitssatz ein breiter Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der jagdrechtlichen Hegeziele zu; dieser schließt das Anliegen der Bevorzugung von Hirschen bestimmter Geweihformen ein. Das Verbot des §26a Abs2 NÖ JVO ist ferner nicht überschießend, weil es in der Altersklasse II (zwischen 5 und 10 Jahren) nur beidseitige Kronenhirsche betrifft. Die Altersklasse I (nach Vollendung des 10. Lebensjahres) ist völlig unbetroffen.

IV. Ergebnis

1. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, dass er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.

2. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Jagdrecht, Auslegung eines Gesetzes

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B1541.2012

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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