TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/11 E12 421661-1/2011

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Veröffentlicht am 11.07.2013
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Spruch

E12 421.661-1/2011/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. 0XXXX, StA. Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.09.2011, Zl. 11 06.717-BAT, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1, 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:

 

I.1. Bisheriger Verfahrenshergang

 

I.1.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bezeichnet), ein männlicher Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), brachte am 04.07.2011 beim Bundesasylamt (BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte die bP im Verfahren vor der belangten Behörde im Wesentlichen vor, dass ihr Cousin einen Jungen erschossen habe und die bP wegen Mittäterschaft gesucht werde.

 

Mit Bescheid des BAA vom 11.08.2011 wurde für die bP eine Rechtsberaterin für das Asylverfahren bestellt.

 

Mit Schreiben vom 05.09.2011 wurden eine Geburtsurkunde sowie ein pakistanischer Führerschein vorgelegt und wurde unter einem um Korrektur des Namens der bP ersucht.

 

I.1.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BAA gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

 

I.1.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen der bP unglaubwürdig.

 

I.1.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf das Bundesasylamt ausführliche Feststellungen.

 

I.1.2.3. Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben der bP dar.

 

I.1.2.4. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.3. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

 

Im Wesentlichen wurde Folgendes vorgebracht:

 

Es stelle eine Unschlüssigkeit iSd § 60 AVG dar, dass sich das BAA ausschließlich auf die Beurteilung des persönlichen Vorbringens hinsichtlich der Unglaubwürdigkeit gestützt habe. Unter Zitierung eines Rechtssatzes des Asylgerichtshofes (E3 238197-0) wurde weiters ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren moniert. Hätte das BAA die als nototisch vorauszusetzende Länderberichtslage zur Rechtsstaatlichkeit in Pakistan ausreichend berücksichtigt, so wäre es zu dem Schluss gelangt, dass das Vorbringen objektiv plausibel sei und sei insbesondere die Beweiswürdigung des BAA hinsichtlich der abgegebenen Schüsse auf das Haus der bP falsch.

 

Weiters sei die bP nicht nur vor den Angehörigen des Getöteten geflohen, sondern befürchte auch aufgrund der fehlenden rechtsstaatlichen Standards in Pakistan von der Polizei gefangen genommen zu werden. Die Haftbedingungen in Pakistan seien lebensbedrohlich und würde schon aus diesem Grund eine Abschiebung der bP eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen.

 

Angeführt wurden hierzu Zitate aus dem Bericht der Schweizer Flüchtlingshilfe vom 27.09.2011. Weiters berief sich die bP auf zwei YouTube Videos, die zeigen würden, wie weit die Gewalt Privater in Pakistan mangels staatlicher Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit gehen könne.

 

Die Muslim League (Q League) sei an der Regierung beteiligt und sehr einflussreich.

 

Beantragt wurden neben einer Parteieneinvernahme und einer Verhandlung die Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens zum Einflussbereich der Muslim League und Korruption in Pakistan sowie den dort herrschenden unmenschlichen Haftbedingungen.

 

Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail und des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

I.1.4. Antragsgemäß wurde der bP mit Verfahrensanordnung vom 07.10.2011 vom Asylgerichtshof ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

 

I.1.5. Am 03.04.2012 wurde von der Grundsatz- und Dublinabteilung mitgeteilt, dass der nationale Führerschein der bP am XXXX2011 in einen österreichischen Führerschein umgeschrieben worden ist.

 

I.1.6. Am 03.06.2013 wurden der bP aktuelle Länderberichte zur Lage in Pakistan mit der Aufforderung, binnen 2 Wochen ab Zustellung eine Stellungnahme abzugeben, zur Kenntnis gebracht. Weiters wurde die bP aufgefordert, Bescheinigungsmittel vorzulegen und etwaige Änderungen hinsichtlich ihrer Person, insbesondere was ein etwaiges Privat- und Familienleben sowie Erkrankungen betreffe, bekannt zu geben.

 

I.1.7. Am 21.06.2013 wurde eine Stellungnahme eingebracht.

 

Beigelegt wurden Gewerberegisterauszug, Verständigung über die Verlegung des Gewerbestandorts, Begründung der Gewerbeberechtigung vom XXXX2012, Anmeldung zum Deutschkurs A1/1 vom 17.06.2013, Bestätigung des Roten Kreuzes vom 17.06.2013 über die Tätigkeit der bP seit März 2013 für die Aktion Essen auf Rädern, Buchhaltungsunterlagen vom Buchhalter der bP (Kurzbrief, Einkommenssteuerbescheid 2012 [Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Jahr 2012: 3.644,14], Buchungsmitteilung, Steuerkontoauszug, Schreiben des Finanzamtes), Versicherungsdatenauszug, Frachtvereinbarung der bP mit der Firma XXXX vom 11.06.2012, Frachtvereinbarung der Firma XXXX mit zwei weiteren Personen als Subunternehmer vom 09.03.2013 sowie 01.04.2013, Unterstützungsschreiben Firma Transporte XXXX, Abonnentenvertrag vom 03.12.2012, Unterstützungsschreiben Gebietsbetreuer Hauszustellung, Strafregisterauszug, Unterstützungsschreiben mit sieben Unterschriften.

 

I.1.5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

I.2. Basierend auf das Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:

 

I.2.1. Die beschwerdeführende Partei

 

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich um einen männlichen pakistanischen Staatsbürger, welcher die Sprachen Punjabi, Urdu und Englisch beherrscht und sich zum Mehrheitsglauben des Islam bekennt. Die bP ist ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten (Eltern, 5 Geschwister und weitere Verwandte) in dessen Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreichgesicherten Existenzgrundlage.

 

Die bP hat nach Absolvierung der Grundschule von 2005 bis zur Ausreise als Kraftfahrer gearbeitet.

 

Die bP hat keine relevanten familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.

 

Die Identität der bP steht fest.

 

Die bP stammt aus XXXX. Die Herkunftsregion der bP liegt nicht in einer regionalen Problemzonen [Khyber Pakhtunkhwa und FATA, Belutschistan, Karatschi, Kaschmir (Azad Jammu und Kashmir, Gilgit-Baltistan)] und besteht für diese Region etwa seitens des deutschen Auswärtigen Amtes keine spezielle Reisewarnung. (http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/PakistanSicherheit_node.html#doc344284bodyText1). Selbiges gilt für das Außenministerium der Schweiz (http://www.eda.admin.ch/eda/de/home/travad/hidden/hidde2/pakist.html). Seitens der vom österreichischen Außenministerium herausgegebenen partiellen Reisewarnung ist die oa. Region, aus welcher die bP stammt, nicht mitumfasst.

 

 

(http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/pakistan-de.html).

 

I.2.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

 

Zur Lage in Pakistan werden dem Erkenntnis die der bP bereits zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen (Feststellungen der Staatendokumentation des Bundesasylamtes vom Februar 2013, Feststellungen des Auswärtigen Amtes zur Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 02.11.2012) zugrunde gelegt.

 

Hieraus ergibt sich zusammengefasst im Wesentlichen folgendes Bild:

 

Allgemeine Lage

 

Staatsaufbau, Politik, Wahlen

 

Die pakistanische Bevölkerung wird mit Stand Juli 2012 auf über 190.290.000 geschätzt. Pakistan ist damit der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt.

 

(CIA - Central intelligence Agency: World Factbook, 5.2.2013,

 

 

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 7.2.2013)

 

Pakistan ist abwechselnd von demokratisch gewählten Regierungen und von Militärdiktaturen regiert worden. Im Herbst 2008 kehrte Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurück, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen.

 

Als sein Nachfolger wurde am 06.09.2008 Asif Ali Zardari, Witwer der am 27.12.2007 bei einem Attentat getöteten Benazir Bhutto und Ko-Vorsitzender der Pakistan People's Party PPP, zum neuen Präsidenten Pakistans gewählt. Pakistan wird seitdem von einer Koalitionsregierung unter Führung der PPP regiert.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012)

 

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province / NWFP) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegende Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell von der Zentralregierung in Islamabad abhängig.

 

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst

 

342 Abgeordnete, von denen 272 direkt vom Volke gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend ihrem Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.

 

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel der Kommission war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Premierministers bei gleichzeitiger Schwächung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung.

 

Am 19. Juni 2012 wurde Premierminister Gilani vom Obersten Gerichtshof für abgesetzt erklärt. Grund dafür war, dass Gilani sich geweigert hatte, einen Beschluss des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit Korruptionsverfahren gegen Präsident Zardari umzusetzen. Am 22. Juni 2012 wurde der PPP-Politiker Ashraf mit den Stimmen der Regierungskoalition zum Nachfolger Gilanis gewählt.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: Oktober 2012, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff

 

14.2.2013)

 

Gilani hatte die Vorwürfe bestritten und argumentiert, dass der Präsident als Staatsoberhaupt Immunität besäße. Bei dem Verfahren gegen den Premierminister handelt es sich um eine Facette des Konfliktes zwischen Regierung und Justiz, hinter der das Militär vermutet wird.

 

(BBC News: Pakistani PM Gilani guilty of contempt but spared jail, 26.4.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-17848796, Zugriff 14.2.2013)

 

Das pakistanische Parlament hat Raja Pervez Ashraf mit großer Mehrheit zum Nachfolger des entmachteten Regierungschefs Yousuf Raza Gilani gewählt. 211 der 342 Abgeordneten stimmten laut Parlamentspräsidentin Fehmida Mirza für den Kandidaten der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP). Ashraf gehört wie Präsident Asif Ali Zardari und sein Vorgänger Gilani der PPP an und gilt als enger Vertrauter des Präsidenten.

 

(Zeit Online: Ashraf ist neuer Regierungschef in Pakistan, 22.6.2012,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-06/pakistan-regierungschef-ashraf, Zugriff

 

29.12.2012)

 

Pakistans Premierminister Ashraf bat die Schweizer Behörden einen alten Korruptionsfall gegen Präsident Asif Ali Zardari zu eröffnen und gibt damit dem Druck des zunehmend mächtiger werdenden Obersten Gerichtshofs nach.

 

(NDTV: Pakistan Prime Minister asks Swiss to reopen graft case against president,

 

7.11.2012,

http://www.ndtv.com/article/world/pakistan-prime-minister-asks-swiss-to-reopengraft-case-against-president-289789, Zugriff 4.2.2013.)

 

Der Oberste Gerichtshof hatte [Anm. am 15.1.2013] die Verhaftung von Regierungschef Ashraf wegen Korruptionsvorwürfen angeordnet. Während seiner Amtszeit als Energieminister zwischen März 2008 und Februar 2011 soll er mehrere Millionen Dollar Schmiergeld für die Vergabe von Energieprojekten kassiert haben. Doch die zuständige Behörde weigert sich - weil die Ermittlungen schlampig gewesen sind, wie der Chefermittler selbst einräumt. Raja Pervez Ashraf bleibt auf freiem Fuß - vorerst.

 

(Spiegel-Online: Korruptionsvorwürfe in Pakistan: Fahnder verweigern Festnahme von

 

Premier Ashraf, 17.1.2013,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/pakistan-ermittlerverweigern-festnahme-von-premierminister-ashraf-a-878081.html, Zugriff 5.2.2013)

 

Bei aller Unbeliebtheit der Regierung - die Wirtschaft liegt danieder, wichtige Reformen wurden nicht angepackt, die Korruption grassiert weiter - gibt es auch Lichtblicke. Die Zahl terroristischer Anschläge durch Radikalislamisten, Pakistans größtes Sicherheitsproblem, ist zuletzt zurückgegangen, abgesehen von der Stadt Karachi, die von politisch-religiös motivierten Unruhen erfasst ist. Und Erzfeind Indien wurden Handelsliberalisierungen angeboten, ein möglicher Weg, den Dauerkonflikt zu entschärfen.

 

(Zeit-online: Pakistan - Der Putschgeneral wartet schon, 19.1.2012, http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-01/pakistan-regierungskrise/seite-2, Zugriff 4.2.2013) Seit Monaten bestimmen die im Frühjahr 2013 planmäßig anstehenden Neuwahlen zum Nationalparlament den innenpolitischen Diskurs Pakistans. Obwohl die regierende Pakistan Peoples Party (PPP) unter der Führung von Staatspräsident Ali Asif Zardari nicht müde wird, die historische Bedeutung seiner Amtszeit zu betonen, versäumt es seine Regierung doch, die notwendigen Vorbereitungen und Abstimmungen für fristgerechte Parlamentswahlen zu treffen, und einen nahtlosen Übergang zur nächsten Regierung zu ermöglichen. Am 16. März 2013 endet die fünfjährige Legislaturperiode der 13. Nationalversammlung Pakistans. Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine demokratisch gewählte Zivilregierung bis zum Ende ihrer regulären Amtsperiode bestehen. Bis zum Ende des Berichtszeitraums steht allerdings kein Wahltermin fest. Die Regierung verspricht wiederholt, man werde rechtzeitig einen Wahltermin anberaumen, spätestens für Mai 2013. Am 17. März soll eine Übergangsregierung die Amtsgeschäfte übernehmen, die gemäß der Verfassung von der bis dahin amtierenden Regierung in Absprache mit der Führung der Opposition im Parlament, der Pakistan Muslim League unter der Führung von Nawaz Sharif (PML-N), zu ernennen ist.

 

Die Opposition zeigt sich besorgt, die Wahlen könnten unter dem Vorwand der instabilen Sicherheitslage - insb. in der Millionenmetropole Karatschi und der südwestlichen Provinz Belutschistan (s.u.) - verschoben werden. Mehrere Parteien drängen die Wahlkommission, einen Wahltermin vor Einsetzung einer Übergangsregierung bekannt zu geben. Genährt wird die Sorge um eine Wahlverzögerung auch durch die Entscheidung des Supreme Court of Pakistan, die Wahlkommission möge in Karatschi eine Neufassung der Wahlbezirke entlang ethnischer Grenzen durchführen. Beobachter befürchten, dass nun auch in anderen Landesteilen die Forderung nach neuen Wahlbezirksgrenzen laut werden könnte. Der Zuschnitt der Bezirke ist im Vielvölkerstaat Pakistan oft wahlentscheidend und war in der Vergangenheit bei Wahlgängen regelmäßig erbitterter Streitgegenstand ethno-politischer Partei- und Interessenvertreter.

 

(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan IV/2012, 17.1.2013,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_IV.pdf, Zugriff

 

11.2.2013)

 

- Parlamentswahlen 2008

 

Aus den Parlamentswahlen am 18. Februar 2008 war die bis dahin oppositionelle Pakistan Peoples Party (PPP) unter der Führung von Asif Ali Zardari, dem Witwer der 2007 ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, als Sieger hervorgegangen. Ihre Parlamentsmehrheit reichte aber für eine Alleinregierung nicht aus. Sie schloss sich deshalb mit der zweitgrößten Partei, der PML-N des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, und zwei kleineren Parteien zu einer Koalition zusammen. Yousaf Rana Gilani (PPP) wurde am 24. März 2008 zum Premierminister gewählt.

 

Am 6. September 2008 wurde Zardari von der Nationalversammlung und den vier Provinzversammlungen zum neuen Präsidenten gewählt und am 9. September vereidigt. Politische Differenzen zwischen der PPP und der PML-N hatten wenige Tage zuvor am 25. August 2008 zum Austritt der PML-N aus der Regierungskoalition geführt. Die PPP führte seitdem eine Koalitionsregierung mit der MQM, der viertstärksten Partei im Parlament, sowie den kleineren Parteien ANP und JUI-F. Die JUI-F trat im Dezember 2010 aus der Regierung aus, danach verließ auch die MQM die Regierung. Anfang Mai 2011 gelang es der PPP, die PML-Q, die in der Regierungszeit Musharrafs gegründet worden war, als Koalitionspartner zu gewinnen. Im Sommer 2001 [Anmerkung: Fehler in Quelle, richtig 2011] kehrte auch die MQM in die Regierung zurück, so dass die PPP-Regierung über eine solide Mehrheit im Parlament verfügt. Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stehen turnusmäßig im Frühjahr 2013 an.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: Oktober 2012, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff

 

14.2.2013)

 

Allgemeine Sicherheitslage

 

Das Hauptaugenmerk der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben. 2009 ging die Armee mit zwei größeren Militäroperationen (im Sommer 2009 im Swat-Tal und im Oktober 2009 in Süd-Wasiristan) gegen die Taliban vor, die ihrerseits Anschläge auf militärische Einrichtungen auch außerhalb der umkämpften Gebiete ausübten (z.B. Selbstmordanschlag auf eine Kaserne in Mardan, Khyber-Pakhtunkhwa, am 10. Februar 2011 mit 32 Toten).

 

Pakistan ist mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert. In den vergangenen Jahren hatten Talibangruppen in Teilen der sog. "Stammesgebiete" an der Grenze zu Afghanistan eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchgesetzt. Wesentliche Menschenrechte und Grundfreiheiten werden in diesen Gebieten verletzt; die Willkür der Taliban richtet sich nicht nur gegen politische Gegner, sondern auch gegen Schiiten und andere Minderheiten. Dabei kommt es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit so genannten "Lashkars" (Bürgerwehren, mit denen sich einzelne Stämme oder Dörfer gegen die Bedrohung der Taliban zur Wehr setzen).

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: September 2012)

 

Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Die Armee antwortete daraufhin am 26. April 2009 mit einer Gegenoffensive und beendete die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. Daneben finden auch in anderen Teilen der FATA immer wieder Gefechte statt. Die Taliban reagieren auf diese Militäroperationen mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber Pakhtunkhwa und FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, Lahore und Faisalabad richten. Die Terroranschläge halten auch im Jahr 2012 an. Sie zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis.

 

Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, müssen in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden. Schließlich gilt es, die große Zahl interner Flüchtlinge zu bewältigen, die im Sommer 2009 auf die Zahl von 2,7 Mio. angestiegen war. Mittlerweile sind die Bewohner des Swat-Tals wieder zurückgekehrt. Dennoch wird die Zahl der Binnenflüchtlinge, vor allem aufgrund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, immer noch auf knapp eine Mio. geschätzt.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: Oktober 2012, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff

 

14.2.2013)

 

Militante und terroristische Gruppen, darunter die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), eine militante Dachorganisation, zielten auf Zivilisten, Journalisten, Schulen, lokale Führungspersönlichkeiten, Sicherheitskräfte und Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden ab. Außerdem waren auch Angehörige von religiösen Minderheiten ein Ziel.

 

Die Regierung versuchte durch verschiedene Maßnahmen die Bevölkerung zu schützen. So wurden Aktionen gesetzt, um die terroristischen Gruppen zu schwächen und die Rekrutierung durch militante Gruppen einzuschränken. Es wurde gegen Mitglieder krimineller Banden und Kommandanten der TTP vorgegangen. Die Regierung betreibt auch weiterhin ein Zentrum zur Rehabilitation und Erziehung ehemaliger Kindersoldaten in Swat.

 

(USDOS - United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.5.2012)

 

Die Sicherheitslage im Punjab, in Kaschmir und Islamabad hat sich im Jahr 2011 wesentlich verbessert. In den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und den FATA ist die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle im Jahr 2011 jedoch gestiegen. Insgesamt gab es im Jahr

 

2011 in Pakistan 1.966 terroristische Anschläge. Dabei wurden 2.391 Menschen getötet. Zählt man die Opfer der terroristischen Anschläge, der militärischen Operationen, der Drohnen, der ethno-politischen Gewalt, der Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und der grenzüberschreitenden Gewalt zusammen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985

 

Zwischenfällen 7.107 Menschen getötet und 6.736 verletzt.

 

Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12 Prozent im Vergleich zu 2010 zurück (22 Prozent im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29 Prozent. Der Trend eines insgesamten Rückgangs von Gewaltvorfällen und Opferzahlen, der bereits im Jahr 2010 beobachtet werden konnte, hielt somit auch 2011 an. Die Sicherheitslage verbesserte sich langsam, die Gewalt hat in den Jahren 2010 und 2011 um 24 Prozent abgenommen. Dennoch gehört Pakistan zu den brisantesten Regionen der Welt.

 

Sicherheitsanalysten führen verschiedenen Gründe an, welche die Militanten davon abhielten, ihre Angriffe auszudehnen, wie die militärischen Operationen in Teilen der FATA, die gestiegene Überwachung durch die Rechtsdurchsetzungsbehörden und die Verhaftung von 4.219 Terror-Verdächtigen, aber auch die US-Drohnen, die Gespräche zwischen den Militanten und dem Staat und die Dezentralisierung der TTP.

 

Von den 1.966 terroristischen Anschlägen in ganz Pakistan 2011 fielen allein auf die beiden Unruheprovinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sowie die FATA zusammengenommen 1.827. Aus Karachi wurden 58 berichtet, aus den anderen Teilen der Provinz Sindh 21, aus dem Punjab 30, aus Gilgit-Baltistan 26, vier aus Islamabad und keine aus Azad Jammu und Kaschmir. (Pak Institute for Peace Studies:

Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012, http://san-

 

pips.com/download.php?f=108.pdf, Zugriff 4.2.2013)

 

Militante, nationalistische und gewalttätige konfessionell motivierte Gruppen führten 2012 in Pakistan 1577 Terrorattacken aus, welche 2.050 Menschen töteten und 3.822 verletzten. Über 61 Prozent - 971 - wurden durch religiös motivierte militante Gruppen, hauptsächlich Tehrik-e-Taliban Pakistan, ausgeführt, die dabei 1.076 Menschen töteten und 2.227 verletzten. Die belutschischen und Sindhi nationalistischen Rebellengruppen führten 404

 

Anschläge durch, bei denen 437 Menschen getötet und 823 verletzt wurden. In 202 in Bezug auf die Glaubensausrichtung stehenden Terrorakten, die von verbotenen Gruppen, wie der TTP und mit ihr in Beziehung stehenden Gruppen ausgeführt wurden, wurden 537

 

Menschen getötet und 772 verletzt.

 

Mit 474 wurde die höchste Anzahl an Terroranschlägen 2012 aus Belutschistan berichtet, welches seit Jahren ein Unruheherd nationalistischer Rebellen und interkonfessioneller Gewalt ist. Die durch die Taliban und Militante heimgesuchten Khyber Pakhtunkhwa und die FATA sind die zweit- und drittbrisanteste Region des Landes mit 456 respektive 388

 

Terroranschlägen. 187 Terroranschläge wurden aus Karatschi gemeldet und 28 aus anderen Teilen Sindhs, 26 aus Gilgit Baltistan, 17 aus dem Punjab und eine aus der Bundeshauptstadt Islamabad. Das zweite Jahr in Folge gab es keinen berichteten Terroranschlag aus Azad Jammu und Kaschmir.

 

Es gab diverse Taktiken durch die Terroristen: eine erhebliche Zahl dieser Anschläge, 587 bzw. 37 Prozent, waren gezielte Tötungen (in diesem Wert sind 177 Fälle politisch motivierter gezielter Tötungen nicht inkludiert). Andere signifikante Taktiken waren u.a. Selbstmordanschläge (33), improvisierte Sprengkörper (375 Anschläge), ferngesteuerte Bombenexplosionen (139), Handgranaten

(75) oder Köpfungen (9).

 

Die höchste Anzahl an berichteten Todesopfern bei Anschlägen gab es in der FATA und in Belutschistan, 631 Personen wurden in jeder der beiden Regionen getötet, 1.095 wurden in der FATA bei den Attentaten verletzt, 1.032 in Belutschistan. In Khyber Pakhtunkhwa wurden bei Anschlägen 401 Menschen getötet und 1.081 verletzt. Eine signifikante Anzahl von Toten bei Terrorakten wird auch von Karatschi berichtet, 272 Tote und 352 Verletzte. Terroranschläge töteten 17 Menschen im inneren Sindh und 22 in Gilgit Baltistan.

 

Werden die Todesopfer von Terroranschlägen, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Attacken sowie Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei zusammengerechnet wurde 2012 5.047 Menschen getötet und 5.688 in 2.217 Anschlägen und Zusammenstößen unterschiedlicher Art verletzt.

 

2012 war ein Jahr der gemischten Reaktionen durch den Staat und die Gesellschaft auf kritische Sicherheitsbedrohungen in Pakistan. Der Trend eines Rückgangs der Anzahl der Vorfälle von Gewalt und Todesopfern, der 2010 begann, hielt auch 2011 und 2012 an. Es entwickelte sich etwas Klarheit über die institutionelle Herangehensweise für den Umgang mit der Terrorismusbedrohung, aber die Ermordung des Khyber Pakhtunkhwa Ministers Bilour und der Anschlag auf die junge Friedensaktivistin vom Swat-Tal Malala Yousafzai, dämpfte den Optimismus. Auf den Umstand, dass die Sicherheitsbehörden, die lange nicht den wachsenden Einfluss von Extremisten auf das Land erkennen wollte, diesen nun formal als Bedrohung anerkannte, muss aufgebaut werden. Koordination und Vertrauen mangeln zwischen den verschiedenen Geheimdienst- und Rechtsdurchsetzungsabteilungen. Die öffentliche Meinung ist noch geteilt, wie mit den Terroristen in den Stammesgebieten umgegangen werden soll, aber die militärischen Offensiven im Swat und in Südwasiristan reduzierten die Bedrohung des Terrorismus auf das Land. Ein Rückgang von Terroranschlägen im Land um 24 Prozent wurde nach diesen Operationen erfasst.

 

Vor den allgemeinen Wahlen sind die politischen Parteien nicht gewillt, eine klare Haltung einzunehmen. Viele Herausforderungen haben das Potential die interne Sicherheit in der nächsten Zeit zu schwächen. Der Anstieg der Gewalt zwischen den Glaubensrichtungen, die höheren ethnopolitischen Spannungen in Karatschi, die Tehrik-e-Taliban Pakistan und ihre Verbündeten, die Situation in Belutschistan bleiben ernste Sicherheitsherausforderungen für das Jahr 2013, besonders vor dem Hintergrund der anstehenden allgemeinen Wahlen 2013. (Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2012, 4.1.2013, herunterzuladen unter http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 5.2.2013)

 

Zielgerichtete Anschläge auf Personen oder Gruppen, die sich gegen die Tehreek-i Taliban Pakistan (TTP) aussprechen, halten im Berichtszeitraum an. Neben Trauerumzügen werden vermehrt auch Moscheen zu Anschlagszielen, die von Mitgliedern von Pro-Regierungsmilizen aufgesucht werden. Die Anschläge konzentrieren sich auf die Provinz Khyber-Paschtunistan (KPK) und die Stammesgebiete im Grenzgebiet zu Afghanistan (Federally Administered Tribal Areas, FATA). Auch Angehörige der schiitischen Minderheit werden weiterhin zielgerichtet angegriffen.

 

(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan I/2012, 5.4.2012,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_I.pdf, Zugriff

 

13.2.2013)

 

Im Berichtszeitraum weitet die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ihre Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte und ihre Einrichtungen aus. Nicht nur in der vorwiegend betroffenen Provinz Khyber-Paschtunistan (PKP), sondern auch in anderen Landesteilen kommt es zu Anschlägen. Am 16. August wird der Luftwaffenstützpunkt Minhas von schwerbewaffneten TTP-Kämpfern angegriffen. Der Angriff auf einen der größten und bestgesicherten Luftwaffenstützpunkte des Landes kann erst nach einem mehrstündigen Feuergefecht und dem Einsatz von Kommandosoldaten der Special Service Group (SSG) beendet werden. Alle neun Angreifer sowie zwei Soldaten werden getötet.

 

Schiiten sind im Berichtszeitraum weiterhin Ziel von Angriffen. Im Norden des Landes stoppen neuerlich TTP-Kämpfer in Armeeuniformen drei Busse auf ihrem Weg von Rawalpindi nach Gilgit. Nach der Kontrolle der Ausweispapiere erschießen sie alle 20 schiitischen Businsassen. Dies ist bereits der dritte Vorfall dieser Art im laufenden Jahr.

 

(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan III/2012, 10.10.2012,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff

 

5.2.2012)

 

Immer wieder kommt es im Berichtszeitraum zu teils schweren Anschlägen und Attentaten, die in einer Gewaltwelle zum Jahresende kulminieren. Auch im 4. Quartal stehen viele Attentate im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Die meisten Angriffe ereignen sich in Karatschi, doch auch in der Provinz Belutschistan sterben zahlreiche Menschen. Ende November werden landesweit die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Aschura-Festes in bislang ungekanntem Ausmaß erhöht. Dennoch kommt es während dem zehntägigen Trauerritual der Schiiten zu zahlreichen Anschlägen in ganz Pakistan, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kommen. In einer landesweiten Welle der Gewalt sterben in der vorletzten Woche des Jahres 2012 mindestens 75 Menschen durch Anschläge. Beobachter verbinden die drastische Zunahme der Gewalt mit den bevorstehenden Parlamentswahlen. Militante Kräfte würden versuchen, die politische Lage zu destabilisieren und den Wahltermin zu torpedieren.

 

(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan IV/2012, 17.1.2013,

http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_IV.pdf, Zugriff

 

11.2.2013).

 

Allein mindestens 82 Tote [spätere Quellen um die 90] forderte der Doppelanschlag in einer Billardhalle in einem Schiiten-Viertel der Provinzhauptstadt Quetta [Belutschistan, am 10.1]. Zu der Tat bekannte sich nun die sunnitische Extremistengruppe Lashkar-i-Jhangvi. Sie unterhält Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida und den radikalislamischen Taliban. Der Anschlag auf den Billardclub in Quetta war der schwerste seit fast zwei Jahren. Zudem war es der blutigste Anschlag auf die schiitische Minderheit in Pakistan überhaupt. Ein weiterer Bombenangriff wurde aber offenbar von Separatisten verübt. Insgesamt starben am Donnerstag [10.1] mindestens 114 Menschen.

 

(Spiegel-online: Sunniten bekennen sich zu Anschlägen in Pakistan, 11.1.2013,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/sunnitische-terrorgruppe-bekennt-sich-zu-anschlaegen-

 

in-pakistan-a-876945.html, Zugriff 5.2.2013)

 

Von den 92 Toten des Doppelanschlages gehörten 86 der schiitischen Hazara Minderheit an.

 

(Dawn: Desperate Hazaras want army rule in Quetta, 12.1.2013, http://dawn.com/2013/01/12/relatives-refuse-to-bury-blast-victims-hold-sit-in-with-coffins-

 

desperate-hazaras-want-army-rule-in-quetta/, Zugriff 12.2.2013.)

 

Bei einem erneuten Anschlag in einer überwiegend von schiitischen Hazara bewohnten Enklave in Quetta starben [am 16.2.2012] mindestens 84 Personen. Schiiten protestieren und verurteilen die Unfähigkeit der Regierung die Anschläge zu verringern. Angehörige weigern sich die Toten zu begraben und halten einen Sitzstreik ab. Auch in anderen Städten kam es zu Protesten.

 

(New York Times: Shiite Protesters Demand Arrests After Deadly Bombing in Pakistan,

 

17.2.2013,

http://www.nytimes.com/2013/02/18/world/asia/explosion-in-crowded-market-killsdozens-in-pakistan.html?partner=rss&emc=rss&_r=0, Zugriff 18.2.2013)

 

Menschenrechte

 

Allgemein

 

Pakistan hat im Juni 2010 den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Konvention gegen Folter ratifiziert. Nach der Ratifikation des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im April 2008 hat Pakistan damit eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Kodifikationen ratifiziert. Die bei den Ratifikationen der Konventionen eingereichten, sehr weitreichenden Vorbehalte, die den Schutzbereich der Konventionen teilweise erheblich eingeschränkt haben, wurden am 14. September 2011 größtenteils zurückgezogen.

 

Die pakistanische Verfassung enthält in einem eigenen Abschnitt über Grundrechte auch eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Garantien. Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichtshöfe sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Auch die seit dem Ende der Militärherrschaft wiedererstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten. In der Menschenrechtsgesetzgebung ist es seit Ende 2011 v.a. im Bereich der Frauenrechte zu erkennbaren Fortschritten gekommen, diese müssen aber noch konkret umgesetzt werden.

 

(Auswärtiges Amt: Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik, Stand:

Oktober 2012, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bod

 

yText3, Zugriff 7.2.2013)

 

Seit der Rückkehr zur Demokratie 2008 hat sich die Menschenrechtslage in Pakistan leicht verbessert, bleibt aber kritisch. Menschenrechtsverletzungen werden vom Staat in der Regel nicht angeordnet oder initiiert, die pakistanische Regierung bekennt sich zu den Menschenrechten. Es gelingt ihr aber aufgrund schwacher staatlicher Institutionen, auch im Justizbereich, oftmals nicht, Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen und gefährdete Personengruppen zu schützen. Regierung und vor allem Justiz bemühen sich, Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit der Militärherrschaft aufzuklären.

 

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 §§ 1 und 2 der Verfassung garantieren den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft). Art. 24 Abs. 2 garantiert den Schutz vor willkürlicher Enteignung persönlichen Eigentums und Art. 25 § 1 die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 § 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Art. 37 sichert eine kostengünstige und zügige Rechtsprechung zu.

 

Zwischen Verfassungsanspruch und Wirklichkeit besteht eine erhebliche Diskrepanz. Seit 2008 gibt es ein Ministerium für Menschenrechte; im Dezember 2008 wurde von der Regierung ein Gesetzentwurf zur Wiedereinrichtung einer staatlichen Menschenrechtskommission eingebracht.

 

Fälle von Verschwindenlassen (Journalisten, Aktivisten, Terrorverdächtige oder Stammesführer) durch die Sicherheitskräfte stammen überwiegend aus der Zeit der Militärdiktatur, kommen aber immer noch vor. 2011 hat die Menschenrechtskommission 62 neue Fälle registriert, davon 35 in Belutschistan und 20 in Sindh. In Belutschistan wurden die Leichen von 173 Opfern gefunden.

 

Die im Jahre 2011 eingesetzte Commission on Missing Persons gibt an, dass 83 Personen wieder aufgefunden werden konnten. Nach dem Stand von Januar 2011 verblieben 138 unaufgeklärte Fälle; im Juli 2011 belief sich die Zahl von Fällen verschwundener Personen schließlich auf insgesamt 228, davon 71 aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, 49 aus Sindh.

 

44 aus dem Punjab, sechs aus FATA und jeweils fünf aus Islamabad und aus Azad Kaschmir.

 

Der Oberste Gerichtshof hat sich seit Anfang Januar 2010 der Thematik der "verschwundenen Personen" angenommen und damit Regierung und Sicherheitskräfte unter Druck gesetzt, die Aufklärung der ungeklärten Fälle zu beschleunigen.

 

Extralegale Tötungen kommen vor allem in Form der so genannten "police encounters" vor, d.h. bei Zusammenstößen zwischen mutmaßlichen Straftätern und der Polizei, die mit dem Tod des mutmaßlich unbeschälligen enden. Als Begründung führt die Polizei regelmäßig an, dass die Opfer versuchten, aus dem Polizeigewahrsam zu flüchten oder bei ihrer Verhaftung von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten.

 

Willkürliche Festnahmen kommen insbesondere aufgrund der weit verbreiteten Korruption innerhalb der Polizei vor. Selbst bei offensichtlich unbegründeten Beschuldigungen kann eine lange Inhaftierung erfolgen, ohne dass es dabei zu einer Haftprüfung kommt. Beispiel hierfür sind die Blasphemiefälle. Die Regierung des Punjab hat verstärkt Haftprüfungen in den Gefängnissen der Provinz durchführen lassen, um bei Bagatelldelikten und überlanger Untersuchungshaft Abhilfe zu schaffen. Auch die Sicherheitsdienste greifen in Fällen mit terroristischem Hintergrund oder in Fällen von Landesverrat auf willkürlichen und rechtswidrigen Gewahrsam zurück.

 

Am 4. Mai 2012 wurde das Gesetz zur Gründung der (unabhängigen, staatlich finanzierten) National Commission for Human Rights im Parlament verabschiedet; damit kam das Parlament einer langjährigen Forderung der pakistanischen Zivilgesellschaft nach. Die Kommission ist zwar staatlich finanziert, soll aber unabhängig agieren können. Ihre Aufgabe ist die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen; die Kommission soll zudem Empfehlungen an die zuständigen Regierungsbehörden oder Gerichte aussprechen.

 

Für bessere Haftbedingungen und die Begnadigung von zum Tode Verurteilten sowie für die Suche nach vermissten Personen setzt sich der im Jahre 1980 gegründete Ansar Burney Welfare Trust International ein.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

 

Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012)

 

Nach der Rückkehr zur Demokratie setzte die Regierung im Mai 2008 zwei Untersuchungsausschüsse zur Suche nach verschwundenen Personen ein. Gemäß Angaben der "Bewegung zu Aufklärung von Fällen erzwungenen Verschwindenlassens" wurden bis Oktober 2009 650 Personen identifiziert; 416 Fälle sind beim Obersten Gerichtshof anhängig. (AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)

 

Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen die außergerichtlichen Tötungen,

 

Verschwindenlassen von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte, aber auch Militante, Terroristen und extremistische Gruppen dar.

 

(USDOS - United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices

 

2011, 24.5.2012)

 

Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit

 

Die Medienlandschaft ist breit und pluralistisch. In den letzten Jahren haben sich 75 private Fernsehsender neu etabliert, es gibt neue online-Magazine und neue Radiostationen. Selbst in den FATA an der Grenze zu Afghanistan gab es Ende 2011 trotz der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen für Journalisten mindestens zwölf Presse-Clubs in Selbstorganisation mit dem Ziel, auch aus dieser Region die Medienberichterstattung zu verbessern. Allerdings haben Betreiber von Kabelfernsehsendern 2011 die Ausstrahlung einer Reihe ausländischer Nachrichtensender, darunter auch BBC World News, zeitweilig wegen angeblich pakistanfeindlicher Berichterstattung eingestellt. Das ehemals dominante staatliche Fernsehen spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.

 

Die zahlreichen Medien können weitgehend frei berichten, Kritik an der Regierung ist möglich und verbreitet. In Einzelfällen berichten Journalisten über Repressionen durch Regierungsstellen, dies betrifft vor allem Reaktionen auf Fälle von investigativem Journalismus gegenüber einzelnen Regierungsmitgliedern. Nicht geduldet wird auch eine ein bestimmtes Maß überschreitende Kritik an der Institution des Militärs oder den Sicherheitsdiensten. In diesen Fällen sehen sich Journalisten Repressionen ausgesetzt.

 

Trotz der vielfältigen Medienangebote in Pakistan ist deren Reichweite bei den zahlreichen Bevölkerungsgruppen im Land sehr unterschiedlich. Informationen werden vor allem in den ländlichen Gebieten im Wesentlichen mündlich über Dorfversammlungen oder das Radio weitergegeben, da mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Lesens unkundig ist - bei Frauen beträgt die Analphabetenrate in den Provinzen Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa bis zu

 

80%. Dies führt dazu, dass Print- und textbasierte Online-Medien von weiten Teilen der

 

Bevölkerung nicht eigenständig genutzt werden können.

 

Die Hauptgefahr für die Meinungsfreiheit und die freie Betätigung der Medien geht von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen wie den Taliban und mit ihnen verbündeten Gruppen sowie anderen religiös-extremistischen Gruppen aus. Diese setzen Morde, Entführungen und Einschüchterungen, auch gegenüber Familienangehörigen, ein, um missliebige Journalisten zu beseitigen oder mundtot zu machen. In von Taliban kontrollierten Gebieten ist eine Talibankritische Berichterstattung unmöglich, in den übrigen Landesteilen werden Taliban- kritische Journalisten gezielt bedroht und eingeschüchtert. Insgesamt wurden 2011 landesweit wenigstens zehn Journalisten getötet, vor allem in Belutschistan, Khyber-Pakhtunkhwa und den FATA (dort alleine zwölf in den vergangenen zehn Jahren).

 

Viele Journalisten aus der Provinz Khyber Pakhtunkhwa oder den "Stammesgebieten" sind in die Städte Karachi, Lahore oder Islamabad geflohen und arbeiten von dort aus. Auch in Belutschistan ist die freie Betätigung der Presse sehr eingeschränkt und sehen sich Journalisten Drohungen und Einschüchterungen ausgesetzt. Urheber sind zumeist nichtstaatliche bewaffnete Gruppen oder kriminelle Banden. Im Index der NRO "Reporter ohne Grenzen" zur weltweiten Pressefreiheit belegte Pakistan 2011 Platz 151 von 178.

 

Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert, kann aber aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eingeschränkt werden; dies äußert sich teilweise durch die Anordnung von Sicherheitsverwahrung und durch massiven Gewalteinsatz der Polizei gegenüber Demonstranten. 2011 richteten sich eine wachsende Zahl von Demonstrationen gegen die sich ausweitende Energiekrise, einige Demonstrationen schlugen in Gewalt um. Nach HRCP-Angaben, die auf Medienberichten beruhen, sollen bei der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen durch die Polizei 2011 mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen und 343 verletzt worden sein. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird auch durch die Gefahr terroristischer Anschläge eingeschränkt, da der Staat nicht in der Lage ist, angemessenen Schutz zu gewähren.

 

Art. 19 der Verfassung garantiert die Meinungsfreiheit, stellt sie jedoch unter einen Gesetzesvorbehalt. Einschränkungen der Meinungsfreiheit sind danach zulässig zum Schutz der Integrität, Sicherheit oder Verteidigung von Pakistan oder zum Schutz des Islam ("in the interest of the glory of Islam").

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

 

Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012)

 

Acht Journalisten wurden in Pakistan während des Jahres getötet. Ein Klima von Angst erschwert die Berichterstattung über das Militär und über militante Gruppen. Journalisten berichteten selten über Menschenrechtsverletzungen durch das Militär bei Antiterroroperationen. Die Taliban und andere bewaffnete Gruppen bedrohten regelmäßig Medien über ihre Berichterstattung. Aber wie jedes Jahr seit der Rückkehr zu einer Zivilregierung 2008, erfuhren Journalisten, die lautstark kritisch der Regierung gegenüber

 

(HRW - Human Rights Watch: World Report 2013, 29.1.2013)

 

Das Gesetz gewährt Rede- und Pressefreiheit, aber Drohungen, Gewalt und Tötungen führten dazu, dass Journalisten und Redakteure Selbstzensur praktizierten. Die Staatsbürger konnten die Regierung öffentlich oder privat kritisieren, doch Kritik am Militär wurde beschränkt. Die Regierung behinderte Kritik durch die Überwachung politischer Aktivität.

 

Unabhängige Medien sind aktiv. Es gibt eine Vielzahl von unabhängigen englisch- und urdusprachigen Zeitung und Magazinen. Private Kabel- und Satellitenkanäle strahlten heimische Nachrichten aus und waren kritisch gegenüber der Regierung. Die wenigen kleinen privaten Nachrichtenagenturen und private Medienunternehmen üben sich in Selbstzensur, vor allem wenn es sich um das Militär handelt. Um in Azad Kashmir zu publizieren, benötigt man eine Erlaubnis der Regierung.

 

Es gab Beispiele, bei denen die Regierung private Fernsehsender verboten hat, und die Ausstrahlung bestimmter Programme blockierte. Es kam vor, dass Journalisten und ihre Familien von militanten Gruppen und kriminellen Elementen eingesperrt, geschlagen, entführt und eingeschüchtert wurden. Dies führte häufig zur Praxis der Selbstzensur.

 

Die Regierung schränkt normalerweise die akademische Freiheit nicht ein, aber Mitglieder von Studierendenorganisationen mit Kontakten zu politischen Parteien erzeugen eine Atmosphäre der Gewalt und Intoleranz, welche die akademische Freiheit ihrer Kommilitonen beschränkt.

 

Das Gesetz garantiert grundsätzlich die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Dieses Recht ist aber Beschränkungen unterworfen. So können Versammlungen von mehr als vier Personen von den Distriktbehörden untersagt werden, wenn keine polizeiliche Genehmigung vorliegt. Das Gesetz erlaubt der Regierung alle Arten von Versammlungen, außer Begräbnisprozessionen, aus Sicherheitsgründen zu verbieten.

 

(USDOS - United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.5.2012)

 

Opposition

 

Eine Einschränkung der politischen Opposition findet nicht statt. Politische Auseinandersetzungen werden jedoch vor allem in Karachi zum Teil gewalttätig ausgetragen.

 

2010 wurden in Karachi fast 200 Angehörige politischer Parteien durch sogenannte gezielte Tötungen ("targeted killings") ermordet. Die Regierung hat im November 2009 ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Situation in Belutschistan verabschiedet. Dazu zählt auch die Bereitschaft zum Dialog mit belutschischen Nationalisten, die wegen der Repressionen durch die Musharraf-Regierung ins Exil gegangen waren oder die Wahlen in Belutschistan boykottiert haben. Dennoch ist es bislang noch zu keiner grundlegenden Verbesserung der politischen Situation in Belutschistan gekommen; die politisch motivierten Gewalttaten gehen weiter. 2011 wurde der Geltungsbereich der Political Parties Act auf die "Stammesgebiete" ("Federally Administered Tribal Areas", FATA) ausgedehnt. Seitdem dürfen - erstmals in der Geschichte Pakistans - politische Parteien dort aktiv werden.

 

(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

 

Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012)

 

Haftbedingungen

 

Das Verhältnis der Zahl der Strafgefangenen zur Gesamtbevölkerung (geschätzt auf 164,6 Mio.) liegt bei 50: 100.000 und ist damit gering. Ungefähr 74% der Häftlinge sind nicht zuletzt wegen der allgemein überlangen Verfahrensdauer Untersuchungshäftlinge; Mitte 2011 waren landesweit rund 1,35 Mio. unerledigte Strafverfahren anhängig. Dabei übersteigt die Dauer der Untersuchungshaft nicht selten das zu erwartende Strafmaß. Von der Möglichkeit, Untersuchungshäftlinge auf Kaution frei zu lassen, wird selten Gebrauch gemacht. Viele Untersuchungshäftlinge verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten zur Stellung einer Kaution. Abhilfe soll hier der am 18.04.2011 vom Staatspräsidenten unterzeichnete Code of Criminal Procedure (Amendment) Act 2011 schaffen, der die Möglichkeiten der Entlassung von Untersuchungsgefangenen sowie von Strafgefangenen in überlangen Berufungsverfahren auf Kaution regelt.

 

Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind sehr schlecht; nach Feststellung von UNODC und HRCP sind die Grundrechte der Strafgefangenen, insbesondere auf körperliche Unversehrtheit und Menschenwürde, nicht gewahrt. Dies gilt verstärkt für

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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