TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/11 D7 432891-1/2013

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Veröffentlicht am 11.07.2013
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Spruch

D7 432891-1/2013/5E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. STARK als Vorsitzende und die Richterin Mag. SCHERZ als Beisitzerin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.01.2013, Zahl 12 13.137-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Die Beschwerdeführerin verließ gemeinsam mit ihren drei Kindern XXXX in Tschetschenien, reiste am 14.09.2012 mit einem Reisebus nach XXXX und danach legal aus der Russischen Föderation aus. Die Beschwerdeführerin und ihre drei Kinder reisten zu einem unbekannten Zeitpunkt, unter Umgehung der Grenzkontrolle, in das Bundesgebiet ein und stellten am 21.09.2012 Anträge auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.09.2012, in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch und ihrer Tochter als Vertrauensperson, gab die Beschwerdeführerin zusammengefasst an, russische Staatsangehörige tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, verwitwet und Mutter einer Tochter und zweier Söhne zu sein. Die Beschwerdeführerin gab an, gemeinsam mit ihren Kindern schon im Jahre 2004 Tschetschenien verlassen zu haben. Im Jahre 2004 hätten sie und ihre drei Kinder in XXXX einen bis zum XXXX gültigen Aufenthaltstitel erhalten. Am XXXX seien die Beschwerdeführerin und ihre drei Kinder von XXXX in XXXX aus mit einem Taxi zur tschetschenischen Grenze gereist, welche sie zu Fuß überquert hätten. Nach der Grenze seien sie mit einem Taxi nach XXXX gefahren, von wo aus sie der Bruder der Beschwerdeführerin mit einem Pkw abgeholt und zu ihren Eltern und Geschwistern nach XXXX gebracht habe, wo die Beschwerdeführerin und ihre Kinder bis zu ihrer Ausreise am 14.09.2012 gewohnt hätten. Am 14.09.2012 sei die Beschwerdeführerin mit ihren drei Kindern mit dem Autobus von XXXX in Tschetschenien nach XXXX gefahren, wo sie am 16.09.2012 angekommen seien. Dort habe die Beschwerdeführerin einen Schlepper kennengelernt, mit welchem sie vereinbart habe, dass dieser sie für 600 US-Dollar von XXXX nach XXXX bringen solle. Vermutlich am 17.09.2012 seien die Beschwerdeführerin und ihre drei Kinder in den PKW des Schleppers gestiegen und mit diesem nach XXXX gefahren. Dort hätten sie in einen anderen PKW umsteigen müssen, dabei sei ihr zweiter Sohn XXXX von ihnen getrennt worden, da er in einem anderen Fahrzeug untergebracht worden sei. Von XXXX aus seien sie über der Beschwerdeführerin unbekannte Länder nach XXXX gereist und am 21.09.2012 gegen 21.00 Uhr in XXXX angekommen. Der Schlepper hätte ihnen mitgeteilt, dass sie in XXXX wären und er sie nicht weiter nach XXXX bringen könne, da das Geld dafür nicht ausreichen würde. Mit einer U-Bahn und einer anderen Bahn seien sie dann bis nach XXXX gefahren, wo sie ihre Asylanträge gestellt hätten. Befragt, ob die Beschwerdeführerin legal ausgereist sei, gab diese an, dass sie legal aus ihrem Herkunftsstaat ausgereist, allerdings illegal in die EU eingereist sei. In Tschetschenien würden derzeit ihre Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern leben. In Frankreich würde derzeit ihr Schwager leben. Zum Fluchtgrund befragt, führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihr Mann Kämpfer gegen die russische Armee gewesen und deswegen am XXXX ermordet worden sei. Sein Bruder XXXX sei am XXXX von XXXXaufgrund seines 10-jährigen aktiven Kampfes gegen XXXX und der Ermordung von 43 Männern XXXX ermordet worden. 2004 sei XXXX bei der Beschwerdeführerin in XXXX gewesen, wovon XXXX Leute erfahren haben könnten und ihr Haus abgebrannt hätten. Damals habe die Beschwerdeführerin von Tschetschenien nach XXXX fliehen müssen. Als im XXXX XXXX ermordet worden sei, habe es auch Drohungen gegenüber der Beschwerdeführerin, ihrer Schwiegermutter und ihren Kindern gegeben. Da ihre Schwiegermutter den Stress und Druck nicht mehr ausgehalten habe, sei sie vor drei Monaten verstorben. Nachdem die XXXX Stadt XXXX nur ca. 550 km von Tschetschenien entfernt sei, bestünde die Gefahr, dass die Beschwerdeführerin und ihre Kinder auch in XXXX verfolgt und ermordet werden könnten. Aus Rache, da ihr Schwager 43 Leute von XXXX ermordet habe, sei ihnen angedroht worden, dass die gesamte Familie ausgerottet werden würde. Aufgrund dessen habe die Beschwerdeführerin Angst um ihr Leben gehabt und habe XXXX bzw. Tschetschenien verlassen. Weiters führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten, sondern mit ihr als Familie, wenn möglich in Österreich, leben sollten. Im Falle einer Rückkehr fürchte die Beschwerdeführerin um ihr Leben und das ihrer Kinder. Die Beschwerdeführerin brachte ihren russischen Scheckkartenführerschein, ausgestellt am XXXX vom Verkehrsamt in XXXX, im Original in Vorlage, Kopien von zwei Seiten ihres russischen Inlandspasses und die Kopie einer Sterbeurkunde ihres Ehegatten, ausgestellt am XXXX.

 

Am 06.12.2012 langten beim Bundesasylamt ein medizinischer Bericht des XXXX vom XXXX mit der Diagnose Depression mit Somatisierung, ein vorläufiger Befund des Krankenhauses XXXX, vom XXXX mit der Diagnose Mischkopfschmerzen (Spannungskopfschmerz/Migräne, tlw. mit Flimmerskotomen), PTSD und eine Kurverordnung des XXXX XXXX, ein. Weiters langte eine Kursbestätigung vom XXXXüber den Besuch eines Deutschkurses für Anfänger seit XXXX im Ausmaß von 40 Unterrichtseinheiten à 50 Minuten ein.

 

Die Beschwerdeführerin wurde am 06.12.2012 beim Bundesasylamt, in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch, befragt und gab - nach Hinweis, dass sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten oder Verständnisproblemen jederzeit rückfragen könne, erfolgter "Zulassungs- und Rückkehrbelehrung", Hinweis, dass die Angaben der Beschwerdeführerin im Asylverfahren vertraulich behandelt und nicht an die Behörden ihres Heimatlandes weitergeleitet würden, einer Aufforderung, die Wahrheit anzugeben und Erklärung bezüglich sonstiger Folgen, Belehrung bezüglich Mitwirkungspflichten und Neuerungsverbot, Belehrung, dass die Beschwerdeführerin nunmehr die Gelegenheit habe, die Gründe für ihren Antrag auf internationalen Schutz ausführlich darzulegen und Aufforderung, nach Möglichkeit ihre Gründe detailliert zu schildern, sodass diese auch für eine unbeteiligte Person nachvollziehbar seien, Hinweis auf ihre Meldepflicht und nachdem der Beschwerdeführerin erklärt worden war, dass sie jederzeit um eine Pause ersuchen könne, bzw. bezüglich der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Rechtsberatung informiert wurde - zusammengefasst an, dass die Erstbefragung in Ordnung gewesen sei und sie damals die Wahrheit angegeben habe. Befragt, ob ihre Angaben zum Reiseweg vollständig und wahrheitsgemäß seien, bejahte die Beschwerdeführerin dies und führte weiters aus, dass sie Tschetschenien am XXXX verlassen habe. Zuerst sei sie vier Monate in Dagestan gewesen, danach nach XXXX geflohen und habe dort in XXXX gelebt. Dort hätten sie mehrere Wohnungen gemietet gehabt und die Beschwerdeführerin habe als Verkäuferin arbeiten können. Nach Österreich sei die Beschwerdeführerin illegal eingereist. Befragt, ob die Beschwerdeführerin in Österreich Verwandte habe, oder in Österreich eine besondere private Bindung bzw. ein Familienleben bestehe, führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre drei Kinder als Asylwerber mit ihr hier seien. Ihre Schwester lebe ebenfalls in Österreich, diese habe einen positiven Bescheid erhalten. Weiters würde ein Neffe in Österreich leben. In Österreich gebe es laut Beschwerdeführerin keine Personen, zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe. In Österreich gehe die Beschwerdeführerin keiner legalen Arbeit nach, sie würde aber gerne arbeiten gehen. Befragt, ob sie in Österreich Mitglied einer Organisation oder eines Vereines sei, führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie nur einen Deutschkurs besuche. Bezüglich ihres Gesundheitszustandes befragt, gab die Beschwerdeführerin an, dass sie an "nichts Schwerem" leide. Ihre Nerven seien angespannt und sei sie bereits zwei Mal bei einer psychologischen Therapie gewesen, aber noch nie in eine geschlossene Anstalt eingewiesen worden, sie würde aber Medikamente bezüglich ihrer psychischen Beeinträchtigung einnehmen. In der Russischen Föderation sei sie nicht vorbestraft und habe zuletzt in XXXX als Verkäuferin für Damenbekleidung, welche speziell für Tschetscheninnen angefertigt werde, gearbeitet. In XXXX habe auch ihre Schwester gelebt, welche jetzt in Österreich lebe. In XXXX habe die Beschwerdeführerin Unterstützung von 140 Manat erhalten, da sie Flüchtlinge gewesen seien. Bezüglich ihres Reiseweges habe sie schon alles angegeben. Bezüglich ihres Fluchtgrundes führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie ihr größtes Problem wegen ihres Schwagers XXXX habe. Er habe 10 Jahre gegen die Russen und die Leute von XXXX gekämpft. Vor seiner Tötung am XXXX habe er im Wald gelebt. Es habe eine Schießerei zwischen den Leuten von XXXX und den Widerstandskämpfern gegeben. XXXX habe einen Gefolgsmann von XXXX getötet. Weiters führte die Beschwerdeführerin wörtlich aus: "Ich bin mit meinen Kindern ausgereist, weil es geheißen hat, dass alle Familienangehörigen ausgelöscht werden. Alle männlichen Verwandten meines verstorbenen Ehegatten haben Russland bereits verlassen. Meine Söhne werden immer größer. Ich bekam Angst um sie. Ich erzähle meinen Söhnen nicht viel darüber, damit sie nicht noch mehr Angst bekommen. Außerdem befinden sich einige Freunde meines Ehegatten noch im Wald. Ich befürchte, dass sie Kontakt zu meinen Söhnen herstellen wollen, um sie in den Wald zu locken. Ich möchte noch anführen, dass im Jahre 2006 alle männlichen Verwandten von XXXX verhaftet wurden. Das Regime wollte, dass sich XXXX stellt. Nach einem Jahr wurden sie freigelassen. Dann flohen sie sofort ins Ausland.

 

F: Weshalb sind Sie nicht sofort mit den Schwagern ins Ausland geflohen? Ihre Söhne sind ja auch männliche Nachfahren von XXXX.

 

A: Ich hatte kein Geld. Außerdem waren meine Söhne damals klein. Jetzt hat die Verwandtschaft Geld für uns gesammelt. Ich habe einen USB Stick mit, auf dem sich Fotos und drei Videos befinden. Auf den Videos sieht man XXXX. Er sagt, dass XXXX schwer zu fassen war. Er sagt seinen Namen. Auf dem zweiten Video sieht man die Leiche von XXXX. Auf dem dritten Video sieht man eine Nachrichtensendung.

 

Aufforderung: Sie werden aufgefordert, die Beweismittel auf eine DVD zu brennen und dem Bundesasylamt zu übermitteln (Frist: zwei Wochen). Weiters werden Sie aufgefordert, die Beweismittel entsprechend zu beschriften (zumindest die Fotos).

 

F: Wie haben Sie Kenntnis über die Ermordung von XXXX erlangt?

 

A: Das wurde im Fernsehen gezeigt. Während der Fernsehsendung wurde auch gesagt, dass alle Männer mit dem Namen XXXX vernichtet werden.

 

F: Wo wurde XXXX ermordet?

 

A: In Dagestan, im Bezirk XXXX. Er war eigentlich nicht Schuld, dass er in den Wald gezogen ist. Die Russen haben ihn zweimal festgenommen und misshandelt. Er bekam zuhause Angst und zog in den Wald.

 

F: Wann haben Sie geheiratet?

 

A: Das war im Jahre 1991.

 

F: Hat Ihr Ehegatte auch am ersten Tschetschenienkrieg mitgewirkt.

 

A: Nein. Er ist gleich im Dezember 1999 in den Wald gezogen. Dann habe ich ihn nie wieder gesehen.

 

F: Wie haben Sie vom Tod des Ehegatten erfahren?

 

A: Ich habe den Leichnam gefunden. Ich habe etwa drei Monate nach meinem Ehegatten gesucht. Dann habe ich ihn in der Nähe der Ortschaft XXXX gefunden. Seine ehemaligen Mitstreiter haben mir den Ort verraten, wo er begraben war. Ich habe ihn ausgegraben und nach XXXX gebracht. Dort ist er jetzt begraben.

 

F: Was können Sie über den Brand des Hauses erzählen?

 

A: Er war am XXXX. Am XXXX wurde das Haus von XXXX verbrannt. Am XXXX kamen diese Leute (maskierte XXXX) zu uns. Es war der Sterbetag meines Ehegatten. Wir hatten Gäste eingeladen. Zuerst haben sie auf das Haus geschossen. Dann haben sie meine Kinder geschlagen. Ich wurde auch geschlagen und wurde ohnmächtig. Dann wurde das Haus niedergebrannt. Ich lebte bei meinen Schwiegereltern. Es war der Brauch, dass der jüngste Sohn bei den Eltern lebt. Mein Mann war der jüngste Sohn. Ich zog mit den Kindern zu meinen Eltern. Ich blieb eine Woche bei meinen Eltern. Dann zogen wir nach XXXX. Da es geheißen hat, dass nach uns gefahndet wird, flohen wir nach XXXX.

 

F: Gab es Vorfälle in XXXX? Wurde dort nach Ihnen gefahndet?

 

A: Ich wurde vom FSB angerufen. Sie sagten, dass ich mit den Kindern nach Hause kommen soll. Sie interessieren sich für meine Kinder, weil sie XXXX heißen. Zu meinen Eltern, die in Tschetschenien sind, kamen oft Leute in Uniformen. Sie wollten wissen, weshalb ich nicht nach Hause komme.

 

F: Sowohl Ihr Ehegatte, als auch Ihr Schwager sind tot. Was sollte XXXX von Ihnen wollen?

 

A: Mein Schwager hat 43 XXXX Leute getötet. Die Schießerei dauerte etwa eine Woche. Es gibt so etwas wie Rache.

 

V: Es ist nicht nachvollziehbar, wie man aufgrund einer Schießerei im Wald feststellen kann, wer der Mörder ist. Erklären Sie das.

 

A: Das wurde in den Nachrichten gesagt.

 

F: Wie sollte der Journalist das herausfinden?

 

A: XXXX war ein Scharfschütze.

 

F: Weshalb haben Sie mit den Kindern die XXXX nicht verlassen, um sich zum Beispiel in XXXX niederzulassen?

 

A: Die XXXX Leute und die Leute aus XXXX ziehen die gleiche Sache durch. Ich möchte, dass aus meinen Kindern etwas wird. Ich möchte, dass sie in Ruhe heranwachsen und dass sie nicht in den Wald ziehen müssen.

 

F: War das der Grund der Asylantragstellung?

 

A: Ja.

 

F: Wollen Sie Ihre Angaben näher ausführen?

 

A: Nein.

 

F: Konnten Sie die Dolmetscherin bisher einwandfrei verstehen und haben Sie das Gefühl, dass diese Ihre Angaben richtig und vollständig wiedergibt?

 

A: Ja.

 

F: Waren Sie in der Russischen Föderation jemals in Haft oder wurden Sie jemals festgenommen?

 

A: Voriges Jahr starb meine Schwiegermutter. Ich begab mich nach Tschetschenien. Das war Anfang August 2011. Ich wurde festgenommen und eine Nacht festgehalten. Sie haben mich geschlagen. Dann kamen alle möglichen Verwandten hin und haben mich abgeholt." Die Beschwerdeführerin verneinte die Fragen, ob sie in der Russischen Föderation jemals Probleme mit der Polizei oder einem Gericht gehabt habe, auch sei sie niemals aus religiösen Gründen oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt worden, auch sei sie nie Mitglied einer politischen Partei gewesen. Befragt, was die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation befürchte, gab diese an, dass alle getötet werden würden. Ihr Ehegatte sei ein Kämpfer gewesen. Ihre Kinder würden keine Arbeit bekommen und sie hätten dort kein Haus. Die Beschwerdeführerin verneinte die Frage, ob sie Wahabitin sei, auch sei sie für keine terroristischen Akte verantwortlich und habe auch nicht ab Ende 1999 als aktive Widerstandskämpferin auf tschetschenischer Seite mitgewirkt. Befragt, ob es ein Problem gebe, welches sie nur einer Frau erzählen wolle, verneinte die Beschwerdeführerin. Auch verneinte die Beschwerdeführerin die Frage, ob sie weitere Gründe unter Beachtung des Neuerungsverbotes vorbringen wolle. Sie habe auch keine weiteren Fragen. Die Beschwerdeführerin verzichtete auf Ausfolgung der Länderinformationen. Nach wortwörtlicher Rückübersetzung der gesamten Niederschrift gab die Beschwerdeführerin an, dass sie keine Einwendungen oder Korrekturen habe.

 

Das Bundesasylamt ersuchte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.12.2012 um Übermittlung einer Kopie der Sterbeurkunde ihres verstorbenen Ehegatten. Eine Kopie der russischen Sterbeurkunde, ausgestellt am XXXX, langte am 20.12.2012 beim Bundesasylamt ein.

 

Mit Verfahrensanordnung vom 29.01.2013, Zahl 12 13.137-BAE, wurde der Beschwerdeführerin ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.01.2013, Zahl 12 13.137-BAE, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 21.09.2012 in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm

 

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in Spruchpunkt II. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. abgewiesen und die Beschwerdeführerin in Spruchpunkt III. des Bescheides gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Begründend wurde kurz zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe, da es zu näher dargestellten Divergenzen und Unplausibilitäten in den Angaben der Beschwerdeführerin gekommen sei. Auch könne ihr mehrjähriger Aufenthalt in ihrem "Verfolgerstaat" nicht dazu beitragen, ihrem Vorbringen die für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erforderliche Glaubhaftigkeit zuzusprechen. Weiters lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe oder mit dieser für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes einhergehe. Im Hinblick auf die Ausweisungsentscheidung führte die belangte Behörde aus, dass die mitgereiste Familie der Beschwerdeführerin ebenso von einer Ausweisung betroffen sei und die Beschwerdeführerin keine enge Bindung an ihre Schwester in Österreich habe.

 

I.2. Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.01.2013, Zahl 12 13.137-BAE, zugestellt am 31.01.2013, richtet sich gegenständliche fristgerecht am 12.02.2013 eingebrachte Beschwerde. In der Beschwerde wurde der Bescheid des Bundesasylamtes in vollem Umfang angefochten. Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder hätten in ihren Befragungen und Einvernahmen ausführlich zu ihren Asylgründen wahrheitsgemäß Stellung genommen und durch Vorlage von Beweismitteln versucht zur Feststellung der Identität als auch zur Wahrheitsfindung hinsichtlich der von ihr vorgebrachten Fluchtgründe beizutragen. Es wurden §§ 37, 39 Abs. 2 und 45 Abs. 3 AVG zitiert. Der Gatte der Beschwerdeführerin, dessen Sterbeurkunde die Beschwerdeführerin vorgelegt habe, sei Widerstandskämpfer gewesen, ihr Bruder XXXX sei von XXXX umgebracht worden (wörtlich: "Mein Mann war Widerstandskämpfer und mein Bruder XXXX wurde von XXXX umgebracht."). Die Beschwerdeführerin wolle nochmals anführen, dass sie und ihre Kinder einer aktuellen Bedrohung in Tschetschenien ausgesetzt seien, da sie zum XXXXgehören würden und daher ein rotes Tuch für die Gefolgschaft XXXX seien. Die Beschwerdeführerin könne unter solchen Voraussetzungen keinen Schutz in ihrer Heimat finden. Auch seien die Vorlage ihrer DVD und das Schreiben des UNHCR-Büros in XXXX im Bescheid des Bundesasylamtes nicht ausreichend gewürdigt worden. Danach wurde wieder § 45 Abs. 3 AVG und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Recht auf Parteiengehör zitiert. Dem Bundesasylamt wäre es durchaus möglich gewesen, gezielte Nachforschungen im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin zu machen. Die Schwester der Beschwerdeführerin sei geflohen weil deren Mann geflohen sei. Der Schwager der Beschwerdeführerin hätte in engem Zusammenhang mit dem Tschetschenienkrieg Probleme gehabt. Die ganze Familie der Beschwerdeführerin sei aktiv am Widerstand beteiligt gewesen und alle jene Leute, welche sich daran beteiligt hätten, würden nach wie vor verfolgt, verschleppt oder einfach verschwinden. Der Mann der Beschwerdeführerin und dessen Bruder seien umgebracht worden. Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder hätten einen Konventionsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention verwirklicht. Danach wird aus dem UNHCR-Handbuch zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zitiert, wonach zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung sei.

Daran anschließend führt die Beschwerdeführerin wörtlich aus: "Ich war in Russland schon in Haft und ich wurde dort auch heftig gefoltert. Dies können meine Verwandten bezeugen." Danach folgen Ausführungen zur "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe". Zudem habe das Bundesasylamt nicht darauf Bedacht genommen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund des Verwandtschaftsverhältnisses einer realen Gefahr im Sinne einer Sippenhaftung ausgesetzt sei. Daran anschließend wird unter Verweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass bei der Beschwerdeführerin und ihren drei Kindern "das Vorliegen der Sippe bzw. einer daraus resultierenden Haftung gegeben" sei. Der Mann der Beschwerdeführerin sei Widerstandskämpfer gewesen und sie habe seine Leiche im Wald gefunden, sein Bruder habe 43 Leute von XXXX im Widerstand umgebracht. Es solle "die sogenannte "Regelvermutung" für das Vorliegen von Sippenhaft greifen". Zum zweiten Spruchpunkt wurde aus einem Bericht von Amnesty International zur Sicherheitslage in Tschetschenien vom 27.02.2012 zitiert, wonach diese instabil sei und kritische Journalisten, Oppositionelle, Menschenrechtsverteidiger oder auch deren Familienangehörige Opfer von Menschenrechtsverletzungen seien. Alleine diese Berichte würden schon das Vorliegen einer massiven Bedrohung bestätigen. Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder hätten keine innerstaatliche Fluchtalternative, man könne sie überall finden. Danach wird wieder aus dem Amnesty International Bericht vom 27.02.2012 zum Thema Rückkehr und "racial profiling" zitiert. Die Beschwerdeführerin bekämpfe auch die "Ausweisungsentscheidung" und beantrage eine öffentliche mündliche Verhandlung und stütze sich dabei auf Art. 47 § 2 iVm Art. 52 Abs. 1 und Abs. 3 der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Der Beschwerde wurde ein handschriftliches Schreiben der Beschwerdeführerin in russischer Sprache angeschlossen, in welchem sie Teile ihres Vorbringens wiederholt. Die Beschwerdeführerin führt noch einmal aus, dass sie ihre Kinder nach dem Tod ihres Mannes und Vater der Kinder alleine erzogen und viele schwierige Situationen überwunden habe. Weiters schreibt die Beschwerdeführerin wörtlich: "Bei uns in Tschetschenien gibt es so etwas, wie Blutrache. Ihr Onkel hat XXXXumgebracht." Nun wolle man sich an ihr und ihren Söhnen rächen. Die Beschwerdeführerin habe aufgrund von Drohungen gegenüber ihr und ihren Kindern Tschetschenien verlassen müssen und sei aufgrund dessen 2004 nach XXXX gefahren, wo sie ums Überleben gekämpft habe. Im September 2012 seien sie in der Hoffnung auf Asyl und Unterstützung nach Österreich gereist. Weites führt die Beschwerdeführerin an, dass ebenso ihre Kinder Opfer seien und in Tschetschenien keine Lebensgrundlage hätten.

 

Die Beschwerdevorlage vom 13.02.2013 langte am 20.02.2013 beim Asylgerichtshof ein und wurde gemäß der geltenden Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung D/7 zugeteilt.

 

Beim Asylgerichtshof langten am 14.05.2013 und 16.05.2013 idente Dokumentenvorlagen ein, zu denen ausgeführt wurde, dass es sich dabei um amtliche Schreiben handle, welche sich auf den Fluchtgrund und Fluchtstatus der Familie der Beschwerdeführerin beziehen würden. Auch sei nochmals auf die nicht vorhandene innerstaatliche Fluchtalternative und die Diskriminierung von Frauen in Tschetschenien hinsichtlich der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder hinzuweisen. Im Original sei ein Ansuchen vom XXXX, Nr. XXXX, eines Abgeordneten des Parlaments der Tschetschenischen Republik XXXX, Stadt XXXX, übermittelt worden, worin dieser handschriftlich bestätige, dass er mit der Familie der Beschwerdeführerin bekannt sei, ihr Mann bei den Streitkräften der Tschetschenischen Republik XXXX gedient habe und am XXXX ums Leben gekommen sei. Die Familie der Beschwerdeführerin hätte einen großen Beitrag zum Entstehen eines unabhängigen tschetschenischen Staates geleistet. Sie seien aufgrund ihrer politischen Ansichten mehrmals von Sonderdiensten Russlands verfolgt worden und niemand könne in der Tschetschenischen Republik die Sicherheit der Familie garantieren und es werde daher ersucht, der Beschwerdeführerin und ihrer Familie den Flüchtlingsstatus zu gewähren. Weiters langte eine Bestätigung von XXXX, laut eigenen Angaben ein in XXXX lebender Abgeordneter des Parlaments der Tschetschenischen Republik XXXX, ein. Darin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Ausreise und die Ausreise ihrer Kinder nach Europa ihr Leben vor Verfolgung seitens der russischen militärischen Strukturen und ihrer Komplizen der tschetschenischen Volksgruppenzugehörigkeit gerettet hätten. Der Mann der Beschwerdeführerin sei ein aufrichtiger Patriot seines Volkes und Anhänger der tschetschenischen staatlichen Unabhängigkeit gewesen und sei so gut er gekonnt habe am Widerstand gegen die russische Aggression beteiligt gewesen. Er sei im Jahre 2000 ums Leben gekommen. Die Beschwerdeführerin und ihre Kinder seien danach in ihrem Haus ständigen Drohungen seitens der russischen paramilitärischen Strukturen ausgesetzt gewesen. Am XXXX hätten die russischen Strafstrukturen das Haus ihres Schwagers XXXX und einen Tag später das Haus der Beschwerdeführerin in Brand gesetzt. Einige Zeit später sei der Schwager der Beschwerdeführerin, XXXX XXXX, umgebracht worden, obwohl er sich zuvor versteckt gehalten habe. Die Beschwerdeführerin habe die Bedrohung bezüglich ihrer ganzen Familie erkannt und sei mit ihren Kindern nach XXXX gereist. Aufgrund der schlechten politischen Zustände in XXXX gegenüber Flüchtlingen aus Tschetschenien sei die Beschwerdeführerin in der Folge nach Europa gereist. Die in Tschetschenien lebenden Verwandten der Beschwerdeführerin würden bis dato bedroht und geschlagen, wobei gefordert werden würde, man wolle, dass die Beschwerdeführerin zurückkehre, da man mit ihr tätlich abrechnen wolle.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

 

II.1. Gemäß § 28 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG), Art. 1 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Juli 2008 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat - UBASG, BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2005, außer Kraft.

 

Gemäß § 28 Abs. 5 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, treten in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 147/2008 in Kraft:

 

das Inhaltsverzeichnis, § 13 Abs. 2 und Abs. 4 letzter Satz, § 14 Abs. 3, § 17 Abs. 5, § 23 und § 29 Abs. 6 mit 1. Juli 2008;

 

§ 24 mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes. Auf vor diesem Zeitpunkt ergangene, zu vollstreckende Entscheidungen Abs. 2 dieser Bestimmung mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass der Asylgerichtshof mit Beschluss nachträglich eine Vollstreckungsbehörde bestimmen kann.

 

Gemäß § 22 Abs. 1 Asylgesetz 2005, Art. 2 Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008, ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses. Die Entscheidungen des Bundesasylamtes und des Asylgerichtshofes haben den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung auch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten.

 

II.2. Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft.

 

Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz wurde am 21.09.2012 gestellt, weshalb das Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden ist.

 

II.3. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt des Bundesasylamtes, insbesondere in die niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführerin vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesasylamt, die Beschwerdeschrift, vorgelegte Stellungnahmen und Unterlagen, sowie Einholung eines Auszugs aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Betreuungsinformations-, Asylwerber- und Fremdeninformationssystem.

 

Der Asylgerichtshof geht von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

II.3.1. Frau XXXXist Staatsangehörige der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der Tschetschenen an und ist moslemischen Glaubens.

 

II.3.2. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich jener Gründe, die für ihre Ausreise aus der Russischen Föderation maßgeblich gewesen sein sollen, ist nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.

 

II.3.3. Im gegenständlichen Verfahren können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe oder sonst einer konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt sein würde.

 

Die Beschwerdeführerin hat eine zehnjährige Schulbildung und ist eine arbeitsfähige Frau im arbeitsfähigen Alter, die auch während der letzten Jahre, nach dem Tod ihres Ehegatten und Vater ihrer Kinder am XXXX, ihren Lebensunterhalt für sich und ihre damals drei minderjährigen Kinder durch eigene Arbeit als Verkäuferin, bestreiten konnte. Die Beschwerdeführerin besitzt eine russische Lenkerberechtigung für PKWs. Die Beschwerdeführerin leidet an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, die einer Rückkehr entgegenstünden. Die Beschwerdeführerin hat ihre Eltern, zwei Brüder und drei Schwestern mit deren Familien in Tschetschenien und kann mit deren Unterstützung rechnen. Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in die Russische Föderation in eine ihre Existenz gefährdende Notsituation geraten würde.

 

Die Beschwerdeführerin gab anlässlich der niederschriftlichen Befragung am 22.09.2012 an, dass sie keine Beschwerden oder Krankheiten habe, die sie an der Einvernahme hindern würden und sie der Einvernahme ohne Probleme folgen könne. Die Beschwerdeführerin leidet laut Schreiben des XXXXvom XXXX an Mischkopfschmerzen (Spannungskopfschmerzen/Migräne, teilweise mit Flimmerskotomen), PTSD. Es werden Medikamente (XXXX Tropfen sowie XXXX oder XXXX unter XXXX) empfohlen, sowie eine psychiatrische Vorstellung und ein Therapievorschlag. Laut eines Schreibens des XXXX vom XXXX ist die Beschwerdeführerin wach, orientiert, Stimmung depressiv, vermehrtes Grübeln und Studieren, Ein- und Durchschlafstörungen, Spannungskopfschmerzen bzw. hat schon wegen ihres vor 13 Jahren getöteten Mannes Suizidideen und Suizidversuche hinter sich.

Diagnose: Depression mit Somatisierung. Therapievorschlag: XXXX 1/2-0-0 und XXXX 0-0-1/2 nach drei Tagen 0-0-1. Die Beschwerdeführerin teilte dem Bundesasylamt am 06.12.2012 mit, dass sie für den XXXX einen Termin in der XXXX vereinbart habe.

 

II.3.4. Die Beschwerdeführerin reiste illegal nach Österreich und stellte am 21.09.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerdeführerin hat außer ihrem Aufenthaltsrecht auf Grund ihrer Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz keinen fremdenpolizeilichen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet. Die XXXX Beschwerdeführerin verbrachte mit Ausnahme eines ca. achtjährigen Aufenthaltes in XXXX ihr gesamtes Leben im Herkunftsstaat, wohingegen sie keine nennenswerten Bindungen in Österreich hat. Die unbescholtene Beschwerdeführerin ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig und lebt von Sozialhilfe.

 

II.3.5. Zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation wird in Übereinstimmung mit den Feststellungen des Bundesasylamtes festgestellt:

 

Allgemeine Sicherheitslage

 

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter. Die Gewalt in Tschetschenien ging jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück. (U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.05.2012)

 

Den offiziellen Aussagen zufolge hat sich die Anzahl der Angriffe von Aufständischen im Nordkaukasus 2010 im Vergleich zu 2009 verdoppelt. 2011 war der islamistische Aufstand weiterhin im Anwachsen, insbesondere in der Teilrepublik Dagestan. Im Jänner 2011 tötete ein Selbstmordattentäter aus dem Nordkaukasus auf einem Moskauer Flughafen 37 Personen, mehr als 120 wurden verletzt. Der Tod von drei Touristen in Kabardino-Balkarien, vermutlich durch Aufständische, führte zur Schließung der dortigen Schiressorts. Die Anwendung von Folter, Entführungen gleichkommenden Verhaftungen, erzwungenem "Verschwinden", und außergerichtlichen Tötungen durch Sicherheitskräfte im Rahmen ihrer Aufstandsbekämpfung, und damit einhergehend die Straffreiheit für diese Missbräuche, brachte die Bevölkerung des Nordkaukasus auf. (Human Rights Watch: World Report 2012 - Russia, 22.01.2012)

 

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus war noch immer instabil. Bewaffnete Gruppen gingen weiter gezielt gegen Polizeibeamte und andere Staatsbedienstete vor. Dabei gerieten oft Zivilisten ins Kreuzfeuer oder wurden gezielt angegriffen. Sowohl bewaffnete Gruppen als auch die Sicherheitskräfte begingen gravierende Menschenrechtsverstöße. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte im gesamten Nordkaukasus ging oft mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher. Es gingen Berichte über die Drangsalierung und Tötung von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern und Rechtsanwälten sowie über die Einschüchterung von Zeugen ein. Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück. (Amnesty International: Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights, 24.05.2012)

 

Rund 200 Terroristen wurden im ersten Halbjahr 2012 im Nordkaukasus "vernichtet", während die Verluste der bewaffneten Strukturen mehr als 100 Mann ausgemacht haben. Das teilte Sergej Tschentschik, Chef der Verwaltung des Innern im nordkaukasischen Föderationsbezirk mit. Zudem seien 235 Mitglieder von Terrorgruppen festgenommen worden. Als Folge von Aktionen der Terroristen seien 32 zivile Einwohner getötet und rund 130 weitere verletzt worden. Im ganzen Jahr 2011 seien 209 Terroristen getötet worden. (Ria Novosti: Rund 200 Terroristen seit Jahresbeginn im Nordkaukasus getötet, 5.7.2012, http://de.rian.ru/politics/20120705/263933440.html, Zugriff 01.08.2012)

 

Nach Schätzung des Bevollmächtigten für den Föderationskreis Nordkaukasus Alexander Chloponin, waren [mit Stand September 2011] rund 1.000 Rebellenkämpfer in diesem Föderationskreis aktiv. (Ria Novosti: Some 1,000 militants 'still active' in North Caucasus, 30.9.2011, http://en.rian.ru/russia/ 20110930/167282370.html, Zugriff 1.8.2012)

 

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus ist insgesamt weiterhin schlecht, auch wenn zwischen den einzelnen Entitäten z. T. zu differenzieren ist. Fast täglich gibt es Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Kabardino-Balkarien, Tschetschenien und Inguschetien kommt es zu Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Nur vereinzelt ist bisher von Attentaten und anderen extremistischen Straftaten aus den übrigen Republiken des Förderalbezirks Nordkaukasus zu hören. Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin vor allem mit harter Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter. (Auswärtiges Amt:

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 06.07.2012)

 

Gemäß den Aufzeichnungen des Caucasian Knot gab es 2011 mindestens

1.378 Opfer des bewaffneten Konflikts im Nordkaukasus (2010: 1.710), darunter 750 Tote und 628 Verletzte (2010: 754 und 956). Unter den 750 Toten waren 384 als Mitglieder des bewaffneten Untergrunds bezeichnete Personen, 190 Sicherheitskräfte und 176 Zivilisten. Zudem gab es weiterhin Entführungen, Fälle von Verschwindenlassen und ungesetzliche Festnahmen; 2011 wurden insgesamt 70 solcher Fälle registriert (2010: 50). Weiters wurden 370 mutmaßliche Mitglieder "illegaler bewaffneter Formatierungen" verhaftet (2010: 254). Die meisten der über 1.300 Opfer, nämlich 824, davon 413 Tote, waren in Dagestan zu beklagen (2010: 685, davon 378 Tote), gefolgt von Tschetschenien mit 201 Opfern, davon 95 Tote (2010: 250, davon 127 Tote). Auf Platz drei lag 2011 Kabardino-Balkarien mit 173 Opfern, davon 129 Tote (2010: 161, davon 79 Tote). In Inguschetien gab es 108 Opfer, davon 70 Tote (2010: 326, davon 134 Tote); in Karatschajewo-Tscherkessien 34 Opfer, davon 22 Tote (2010: 4, davon 2 Tote); in Stawropol 24 Opfer, davon 17 Tote (2010: 89, davon 10 Tote); und in Nordossetien 14 Opfer, davon 4 Tote (2010: 195, davon 24 Tote). 2011 gab es in den Regionen des Föderationskreises Nordkaukasus mindestens 167 Explosionen und Terrorakte, 86 in Dagestan, 29 in Inguschetien, 26 in Tschetschenien, 21 in Kabardino-Balkarien, jeweils zwei in Nordossetien und Stawropol und einen in Karatschajewo-Tscherkessien. Sieben der Vorfälle waren Selbstmordattentate. 2010 hatte es noch mindestens 239 solcher Vorfälle gegeben. (Caucasian Knot: In 2011, armed conflict in Northern Caucasus killed and wounded 1378 people, 12.1.2012, http://abhazia.eng.kavkaz-uzel.ru/articles/19641/, Zugriff 01.08.2012)

 

2010 waren 74% der Opfer im Nordkaukasus in Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan zu beklagen, 2011 waren es 82%. Beinahe 60% aller Opfer waren 2011 in Dagestan zu verzeichnen. (The Jamestown Foundation: Eurasia Daily Monitor -- Volume 9, Issue 18, 26.01.2012)

 

Teile des Landes, vor allem im Nordkaukasus, sind von hohem Gewaltniveau betroffen. Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde. Der Bombenanschlag am Flughafen Domodedovo, bei dem mindestens 37 Personen starben, machte deutlich, dass der Kreml die Gewalt noch eindämmen muss. (Freedom House: Freedom in the World 2012 - Russia, März 2012)

 

Menschenrechte

 

Russland befindet sich seit dem Ende der Sowjetunion in einem umfassenden und schwierigen Transformationsprozess. Die rechtlichen Grundlagen für den Menschenrechtsschutz haben sich seit Beginn der 90er Jahre verbessert. Normen und Rechtswirklichkeit klaffen aber weiterhin oft stark auseinander. Ein gravierendes Problem ist nach wie vor die mangelnde Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten. Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Wladimir Lukin, übt in seinen Jahresberichten abgewogene, aber teils auch sehr deutliche Kritik unter anderem an Missständen im Gerichtswesen und den Zuständen in russischen Gefängnissen, insbesondere hinsichtlich Gewaltakten gegenüber Häftlingen und deren unzureichender medizinischer Versorgung. Kaum weniger dezidiert äußerte sich in den letzten zwei Jahren der konsultative "Rat zur Entwicklung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte" beim russischen Präsidenten. Insgesamt hat sich die Menschenrechtslage in Russland in jüngerer Vergangenheit trotz entsprechender Willensbekundungen auch des damaligen Präsidenten Medwedew und einer Reihe von Gesetzesänderungen in der Praxis kaum verbessert und allenfalls punktuell-atmosphärisch etwas aufgehellt. Der Europarat äußerte sich mehrmals kritisch zur Menschenrechtslage in der Russischen Föderation. Über ein Viertel der vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Anfang 2012 anhängigen Individualbeschwerden betreffen Russland. Ein großer Teil der EGMR-Entscheidungen fällt dabei zugunsten der Kläger aus und konstatiert mehr oder weniger gravierende Menschenrechtsverletzungen. Die Umsetzung der Entscheidungen erfolgt vielfach nur mangelhaft; zwar erbringt Russland in der Regel die Kompensationszahlungen an die Kläger bzw. Opfer, in der Sache selbst wird aber wenig unternommen. Ein russischer Gesetzentwurf, der die Urteile des EGMR unter einen Prüfvorbehalt stellen würde, ist nach deutlicher Kritik aus dem Ausland im Sommer 2011 gestoppt worden. Die Verfassung der Russischen Föderation vom Dezember 1993 orientiert sich an westeuropäischen Vorbildern. Sie postuliert, dass die Russische Föderation ein "demokratischer, föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform" ist. Im Grundrechtsteil der Verfassung ist die Gleichheit aller vor Gesetz und Gericht festgelegt. Geschlecht, Rasse, Nationalität, Sprache, Herkunft und Vermögenslage dürfen nicht zu diskriminierender Ungleichbehandlung führen (Art. 19 Abs. 2). Die Einbindung des internationalen Rechts ist in Art. 15 Abs. 4 der russischen

Verfassung aufgeführt: Danach "sind die allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts und die internationalen Verträge der Russischen Föderation Bestandteil ihres Rechtssystems."

Russland ist folgenden VN-Übereinkommen beigetreten: Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (1969); Internationaler Pakt für bürgerliche und politische Rechte (1973) und erstes Zusatzprotokoll (1991); Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1973); Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1981) und Zusatzprotokoll (2004); Konvention gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (1987); Kinderrechtskonvention (1990), deren erstes Zusatzprotokoll gezeichnet (2001). (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 06.07.2012)

 

Formal garantiert Russland in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten. Präsident und Regierung bekennen sich immer wieder zur Einhaltung von Menschenrechten. Es mangelt jedoch häufig an der praktischen Umsetzung. Menschenrechtler bewerten die Lage weiterhin kritisch und beklagen staatlichen Druck auf zivilgesellschaftliche Akteure. Repressive Traditionen und ein Mangel an Rechtsstaatskultur verbinden sich mit einem teilweise immer noch fehlenden Respekt für individuelle Rechte und Freiheiten. Hinzu kommen Mängel bei der Unabhängigkeit der Judikative und die verbreitete Korruption. Bei der Terrorismusbekämpfung, insbesondere im Nordkaukasus, sind auch autoritäre Einschränkungen der Grundrechte zu beobachten. Trotz einiger Reformbemühungen, namentlich im Strafvollzugsbereich, und punktueller Verbesserungen bestehen bei der Menschenrechtslage im Land zum Teil erhebliche Defizite fort. (Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Mai 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laen der/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 01.08.2012)

 

Die wichtigsten Menschenrechtsverletzungen 2011 betrafen Verstöße gegen demokratische Prozesse, die Justizverwaltung und den Rechtsstaat, sowie die Meinungsäußerungsfreiheit. Weitere beobachtete Probleme umfassten physische Misshandlung von Wehrdienern durch Militärs; Einschränkungen der Versammlungsfreiheit; weit verbreitete Korruption auf allen Ebenen der Staatsführung und im Gesetzesvollzug; Gewalt gegen Frauen und Kinder; xenophobische Angriffe und Hassverbrechen; gesellschaftliche Diskriminierung, Schikane und Angriffe auf religiöse und ethnische Minderheiten und Immigranten; gesellschaftliche und behördliche Einschüchterung der Zivilgesellschaft und von Gewerkschaftern; Diskriminierung von Homosexuellen; und Einschränkungen der Arbeiterrechte. (U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

 

Todesstrafe

 

Das Strafgesetzbuch sieht seit 1997 für schwere Kapitalverbrechen die Todesstrafe vor. Seit 1996 galt jedoch ein Moratorium des Staatspräsidenten gegen die Verhängung der Todesstrafe. Der Verpflichtung, bis spätestens 1999 auch dem 6. Protokoll zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe beizutreten, ist Russland bisher nicht nachgekommen. Eine Gesetzesvorlage zur Ratifikation des Protokolls ist seit Dezember 2001 in der Duma anhängig, wurde bisher nicht zur Abstimmung gebracht, weil sich keine Mehrheit abzeichnet. Die Bevölkerung ist mehrheitlich für die Beibehaltung der Todesstrafe, der Menschenrechtsbeauftragte Lukin berichtet aber von einem zunehmenden Stimmungswandel. Im Hinblick auf die Europaratmitgliedschaft hat das russische Verfassungsgericht trotz des de-iure-Fortbestehens der Todesstrafe bereits 1999 entschieden und 2009 bestätigt, dass die Todesstrafe in Russland auch weiterhin nicht verhängt werden darf; man kann somit von einer de facto Abschaffung der Todesstrafe sprechen. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 06.07.2012)

 

Die Todesstrafe ist in der Praxis abgeschafft. (Amnesty International: Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights, 24.05.2012)

 

Frauen

 

Gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verfassung haben "Mann und Frau die gleichen Rechte und Freiheiten und die gleichen Möglichkeiten zu deren Realisierung". Die Anzahl von Frauen in Führungspositionen entspricht ungefähr dem europäischen Durchschnitt. (Auswärtiges Amt:

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 06.07.2012)

 

Grundversorgung/Wirtschaft

 

Seit 2000 haben sich die Realeinkünfte der Bevölkerung im Durchschnitt mehr als verdoppelt, gleichzeitig ging die Armut zurück. Während nach offiziellen Angaben im Jahr 2000 in Russland über 29 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebten, waren es 2011 etwa 14%. Staatliche Unterstützung reicht häufig jedoch nicht zur Deckung des Grundbedarfs. Die zwischenzeitlich gestiegene Arbeitslosenquote sank nunmehr wieder auf das Niveau vor der Wirtschaftskrise. Problematisch ist die Situation der Rentner. In der jüngeren Vergangenheit hat sich die Lage nach einigen Rentenerhöhungen verbessert, die Mehrheit der Rentner lebt jedoch in armen Verhältnissen. (Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 06.07.2012)

 

Gemäß Umfrageergebnissen des Lewada-Zentrums in 45 russischen Regionen, ist für ein "normales Leben" eines russischen Staatsbürgers eine Mindestsumme von 27.247 Rubel (ca. 680 Euro) notwendig - um rund 80 Euro mehr als in einer analogen Statistik aus dem Vorjahr (24.000 Rubel). Die Umfragewerte entsprechen in etwa den offiziellen Angaben zum Durchschnittseinkommen der Russen, das laut dem staatlichen Statistikamt Rosstat bei 25.600 Rubel liegt. Die Befragten sind der Ansicht, dass das Existenzminimum für jedes Familienmitglied mindestens 12.000 Rubel (ca. 300 Euro) betragen muss. In dieser Frage weichen die Antworten der Bürger etwas von den Berechnungen der Behörden ab: In Moskau gilt als Existenzminimum derzeit eine Summe von 9.600 Rubel (240 Euro), während im Gebiet Tjumen (Westsibirien) etwas mehr als 6.000 Rubel (150 Euro) ausreichen. (Ria Novosti: Konsumenten-Studie: Westen spart, Russen prassen, 21.6.2012,

http://de.rian.ru/society/20120621/263842348.html, Zugriff 01.08.2012)

 

Die Zahl der sozial schwachen Einwohner Russlands, deren Einkommen unter dem Existenzminimum liegen, ist 2011 laut vorläufigen Angaben der russischen Statistikbehörde im Vergleich zu 2010 um 1,1 Prozent auf 18,1 Millionen gestiegen, das sind 12,8 Prozent der gesamten Landesbevölkerung. Das von der russischen Regierung festgelegte Existenzminimum pro Kopf der Bevölkerung hatte im vierten Quartal 2011 im Landesdurchschnitt 6.209 Rubel (ca. 155 Euro) pro Monat betragen. Für die erwerbsfähigen Bürger lagen die Lebenshaltungskosten etwas höher, bei 6.710 Rubel (ca. 168 Euro), für die Rentner bei 4.902 Rubel (122,5 Euro), für Kinder bei 5.993 Rubel (150 Euro). (Ria Novosti: Fast 13 Prozent der Bevölkerung Russlands leben unter der Armutsgrenze, 12.4.2012, http://de.rian.ru/business/20120412/263344348.html, Zugriff 01.08.2012)

 

Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin rückläufig. Nach einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote im Jahr 2010 von 7,5% waren 2011 noch 6,6% der erwerbsfähigen Bevölkerung ohne Arbeit. (jeweils berechnet nach der ILO-Methode). Allerdings bestehen erhebliche regionale Unterschiede. Der Durchschnittslohn 2011 betrug rund

23.700 Rubel (knapp 600 ¿), was einem nominalen Wachstum von 13% und einem realen Wachstum von 4,2% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Die Durchschnittsrente betrug 2011 8.522 Rubel (ca. 213 Euro), nominal plus 8,8% und real plus 1,2% gegenüber dem Vorjahr. (Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Mai 2012,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 01.08.2012)

 

Seit 2002 gibt es in Russland ein Pensionssystem, das eine obligatorische Pensionsversicherung, staatliche Pensionsunterstützung und eine nicht-staatliche Pensionsversicherung umfasst. Ältere Menschen erhalten unabhängig von der Dauer ihrer Beschäftigungsverhältnisse Pensionen. Die staatliche Sozialhilfe wird jenen Bürgern ausbezahlt, die aus einem bestimmten Grund kein Recht auf Alterspension haben. Hierzu gehören unter anderem Behinderte der Gruppen I, II und II, darunter von klein auf Behinderte, behinderte Kinder, Männer ab einem Alter von 65 und Frauen ab einem Alter von 60 Jahren, wenn sie nicht genug Versicherungszeiten haben. Mehr als 3 Millionen Personen erhalten die staatliche Sozialhilfe. Arbeitspensionen werden über die obligatorische Pensionsversicherung (OPI) ausbezahlt. Alterspensionen sind monatliche Barzahlungen, die Gehälter oder andere Zahlungen ersetzen, die die versicherte Person aufgrund von Arbeitsunfähigkeit aufgrund ihres Alters oder Behinderung verliert.

Es gibt drei Arten von Pensionen im Rahmen der OPI: Alterspension, Invaliditätspension, Überlebendenpension. Die häufigste Pension ist die Alterspension, für die man mindestens fünf Versicherungsjahre benötigt. Das Mindestalter für die Alterspension liegt bei 55 Jahren bei Frauen und bei 60 Jahren bei Männern. Frühpensionen, also Personen die 5 bis 10 Jahre vor Erreichen des Pensionsalters in Rente gehen, sind ebenfalls weit verbreitet. Hierfür sind aber längere Versicherungszeiten vorgeschrieben (15 bis 25 Jahre), sowie Tätigkeiten in einem bestimmten Arbeitsfeld (z.B. gesundheitsschädigend). Rund 40 Millionen Russen erhalten die Alterspension. Die Überlebendenpension wird Verwandten ausbezahlt, die den Familienernährer verloren haben, und die auf dessen Einkommen bis zum Tag seines Todes abhängig waren (Kinder, Eltern, Ehepartner, Geschwister und Großeltern). Rund 11 Millionen Personen haben zusätzlich in nicht-staatliche Pensionsfonds Anzahlungen geleistet. (Pension Fund of the Russian Federation: Pension system principles, ohne Datum, http://www.pfrf.ru/ot_en/system/, Zugriff 01.08.2012 / Council of Europe - European Committee of Social

Rights: 1st National Report on the implementation of the European Social Charter submitted by the government of the Russian Federation, 28.10.2011)

 

Seit 1.1.2007 erhält in Russland jede Familie für die Geburt oder Adoption eines zweiten Kindes (bzw. ein drittes oder weiteren Kindes, wenn der Anspruch auf das Geld noch nicht bei der Geburt eines vorigen Kindes eingelöst wurde) so genanntes "Mutterschaftskapital". Die Höhe des Mutterschaftskapitals wurde jährlich angehoben, und beträgt für 2012 387.640 Rubel. Die Zertifikate für das Mutterschaftskapital erhält man bei der lokalen Stelle des russischen Pensionsfonds. Das Kapital wird nicht bar ausbezahlt, sondern kann für folgendes investiert werden:

Verbesserung des Wohnraums (Kauf oder Bau eines Wohnraums, Zahlung von Hypothekendarlehen), Bildung für eines der Kinder der Familie (u. a. Kindergarten, höhere Schulbildung, postgraduale Kurse) oder um die zukünftige Pension der Mutter zu aufzustocken. Die Geldsumme kann - mit Ausnahme der Hypothekenrückzahlung - erst verwendet werden, wenn das (zweite oder weitere) Kind drei Jahre alt wird. (Pension Fund of the Russian Federation: Maternity (family) capital, ohne Datum, http://www.pfrf.ru/ot_en/mother/, Zugriff 1.8.2012 / IOM: Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2011)

 

Medizinische Versorgung

 

Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit und soziale Entwicklung erstellt. Sie umfasst unter anderen: multiple Sklerose, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Diabetes, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, hämatologische Erkrankungen, Lepra, Tuberkulose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphilis, Herzinfarktnachsorge

 

(6 Monate nach dem Infarkt), Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter 3 Jahren, Kinder unter 6 Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung. Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt. Die Preise für Aspirin-Tabletten in Moskauer Apotheken liegen beispielsweise zwischen 30 (ca. 1,07 USD) und 135 RUB (ca. 4,80 USD). Um Arzneimittel erhalten zu können, sollte die betreffende Person über einen Personalausweis und eine Krankenpflichtversicherung (OMS) oder eine freiwillige Krankenversicherung (DMS) verfügen. (IOM: Länderinformationsblatt Russische Föderation, Juni 2011) Das "Föderale Gesetz Nr. 326 über die medizinische Pflichtversicherung in der Russischen Föderation vom 29.11.2010" legt fest, dass jeder russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen kann. Bei Anmeldung in der Klinik muss die Krankenversicherungskarte (oder der Polizze) vorgelegt werden, womit der Zugang zur medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation, unabhängig von der Meldeadresse, gewährt ist. Allerdings gibt es Einschränkungen bei der freien Wahl der Klinik und des Arztes. Ein Wechsel der Klinik, bei der man sich als Patient angemeldet hat, ist nur einmal im Jahr möglich, ebenso ein Wechsel des Arztes. Außerdem kann ein Arzt einen Patienten wegen Überlastung ablehnen. Im Bezug auf das "Föderale Gesetz Nr. 323 über die Grundlagen der medizinischen Versorgung der Bürger der Russischen Föderation vom 21.11.2011" listet die "Rossijskaja Gazeta" neben der freien Wahl des Arztes und der medizinischen Einrichtung durch den Patienten folgende Neuerungen auf: Einheitlicher Standard der Krankenversorgung und Qualitätsforderung der medizinischen Dienstleistungen in allen Regionen. Unzulässigkeit der Verweigerung von medizinischer Hilfe. Definiert wurde der Begriff orphaner (seltener) Krankheiten, deren teure medikamentöse Behandlung auf Kosten regionaler Quellen und aus dem föderalen Budget bezahlt wird. Eingeführt wird eine "Woche der Ruhe" bei Schwangerschaftsunterbrechung. Die Abtreibung darf erst sieben Tage nach dem Besuch der medizinischen Einrichtung gemacht werden. Verankert ist das Recht der Bürger auf eine Kryokonservierung und Aufbewahrung der Geschlechtszellen und des Gewebes reproduktiver Organe. Gesetzlich verankert und geregelt ist die Leihmutters

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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