TE Vwgh Erkenntnis 2013/6/25 2010/09/0119

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Veröffentlicht am 25.06.2013
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1;
AuslBG §15a Abs1 idF 2005/I/101;
AVG §38;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §54;
NAG 2005 §2 Abs2;
NAG 2005 §24 Abs1;
NAG 2005 §24 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok sowie die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des KH in W, vertreten durch Dr. Monika Ploier, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. März 2010, Zl. 3/08115/154 7558, betreffend Verlängerung eines Befreiungsscheins, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.306,10 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 13. Jänner 2010 den Antrag auf Verlängerung des ihm vom 31. Jänner 2005 bis 30. Jänner 2010 gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ausgestellten Befreiungsscheins.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde diesen Antrag gemäß § 15a Abs. 1 AuslBG ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) im Bundesgebiet nicht rechtmäßig niedergelassen sei, was gemäß § 15a AuslBG Voraussetzung für eine Verlängerung eines Befreiungsscheins sei. Zuletzt habe der Beschwerdeführer über eine bis 31. März 2005 gültige Aufenthaltserlaubnis mit dem Zweck "Ausbildung" gemäß § 7 Abs. 4 Z 1 Fremdengesetz 1997 (FrG) verfügt, deren Verlängerung er am 25. März 2005 beantragt habe. Mangels Erfüllung der Voraussetzungen hiefür sei er - im Instanzenzug - mit Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 23. Oktober 2009 (gemäß § 54 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG) aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Seine dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde sei noch anhängig; aufschiebende Wirkung sei ihr zuerkannt worden. Letztere begründe aber lediglich ein weiteres vorläufiges Aufenthaltsrecht im Sinn der dem Beschwerdeführer zuletzt ausgestellten Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 81 Abs. 2 NAG als Aufenthaltsbewilligung für Schüler oder Studierende weiter gelte. Eine solche Aufenthaltsbewilligung begründe jedoch keine Niederlassung nach dem NAG oder dem AuslBG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten, Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und Durchführung einer Verhandlung erwogen hat:

Gemäß § 15a Abs. 1 AuslBG (in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2005) ist ein Befreiungsschein zu verlängern, wenn die Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 15 Abs. 1 vorliegen oder der Ausländer während der letzten fünf Jahre mindestens zweieinhalb Jahre im Bundesgebiet gemäß diesem Bundesgesetz beschäftigt (§ 2 Abs. 2) war und rechtmäßig niedergelassen ist. Es gelten die Hemmungsgründe des § 15 Abs. 2 AuslBG.

Gemäß § 15 Abs. 1 AuslBG ist einem Ausländer, der noch keinen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (§ 17), auf Antrag ein Befreiungsschein auszustellen, wenn er

1. während der letzten acht Jahre mindestens fünf Jahre im Bundesgebiet mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war und rechtmäßig niedergelassen ist oder

2. das letzte volle Schuljahr vor Beendigung seiner Schulpflicht gemäß dem Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76, in Österreich absolviert hat, rechtmäßig niedergelassen ist und wenigstens ein niedergelassener Elternteil während der letzten fünf Jahre mindestens drei Jahre im Bundesgebiet erwerbstätig war oder

3. bisher gemäß § 1 Abs. 2 lit. l und m nicht dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterlegen und weiterhin rechtmäßig niedergelassen ist oder

4. Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines Ausländers gemäß Z 1 bis 3 und bereits zwölf Monate rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist.

Gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG (in der Fassung vor dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 - FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.

Gemäß § 2 Abs. 2 NAG (in der Fassung vor dem FrÄG 2011) ist Niederlassung der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck

1. der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;

2.

der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen oder

3.

der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.

Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung gilt gemäß § 2 Abs. 3 NAG nicht als Niederlassung im Sinn des Abs. 2.

Nach § 24 Abs. 1 und 4 NAG sind Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen. Nach Stellung eines Verlängerungsantrags ist der Antragsteller, unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Mit einem Verlängerungsantrag kann bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ein Antrag auf Änderung des Aufenthaltszwecks des bisher innegehabten Aufenthaltstitels oder auf Änderung des Aufenthaltstitels verbunden werden. Sind die Voraussetzungen für den beantragten anderen Aufenthaltszweck oder Aufenthaltstitel nicht erfüllt, ist darüber gesondert mit Bescheid abzusprechen und der bisherige Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu verlängern, soweit die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen.

Der Beschwerdeführer wendet sich in seiner Beschwerde gegen die Annahme der belangten Behörde, dass der Begriff "rechtmäßig niedergelassen" im Sinn des § 15a Abs. 1 AuslBG mit einer Niederlassung nach dem NAG gleichzusetzen sei. Zudem sei hinsichtlich seines Aufenthaltstitels ein Verlängerungsverfahren anhängig gewesen, sodass er sich rechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Weiters sei ihm bereits vom 31. Jänner 2005 bis 30. Jänner 2010 ein Befreiungsschein ausgestellt gewesen, sodass er jedenfalls zum Zeitpunkt dieser erstmaligen Erteilung "im Sinne der Gesetze" niedergelassen gewesen sei.

Vorauszuschicken ist, dass die Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Oktober 2009, mit dem der Beschwerdeführers gemäß § 54 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden war, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 2012, Zl. 2009/18/0501, auf das für nähere Details verwiesen wird, als unbegründet abgewiesen wurde.

Wie die belangte Behörde zutreffend ausführte, hätte die dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 4 Z 1 FrG ab Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 gemäß § 81 Abs. 2 NAG iVm § 11 Abs. 1 Abschnitt B Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung als "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" oder "Aufenthaltsbewilligung - Studierender" weiter gegolten.

Sowohl für die (erstmalige) Erteilung eines Befreiungsscheins als auch für jede Verlängerung ist nach den §§ 15, 15a AuslBG u. a. Voraussetzung, dass der Ausländer "rechtmäßig niedergelassen" ist. Zur Auslegung dieses mit der Novelle BGBl. I Nr. 101/2005 ab 1. Jänner 2006 neu in diese Bestimmungen aufgenommenen Begriffs wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das Erkenntnis vom 4. September 2006, Zl. 2006/09/0070, verwiesen.

Auch nach dem Beschwerdevorbringen war dem Beschwerdeführer bei Erlassung des angefochtenen Bescheides kein Aufenthaltstitel erteilt, der ihn zur Niederlassung berechtigt hätte. Ob von ihm - wie er vorbringt, im Rahmen eines Zweckänderungsantrags - allenfalls die (konstitutiv wirkende - siehe auch dazu das Erkenntnis vom 4. September 2006, Zl. 2006/09/0070) Erteilung einer Niederlassungsbewilligung begehrt wurde, war daher unerheblich. Die von ihm geforderte Aussetzung des Verwaltungsverfahrens gemäß § 38 AVG war deshalb nicht geboten, weil im Verfahren zur Erteilung oder Verlängerung eines Befreiungsscheins das Vorliegen eines - zur Niederlassung berechtigenden - Aufenthaltstitels Tatbestandsvoraussetzung ist (siehe auch das Erkenntnis vom 15. Oktober 2009, Zl. 2009/09/0233).

Die belangte Behörde durfte daher im vorliegenden Fall zu Recht annehmen, dass der Beschwerdeführer nicht "rechtmäßig niedergelassen" im Sinne des § 15a Abs. 1 iVm § 15 Abs. 1 AuslBG ist.

Entgegen des in der Beschwerde als Verfahrensrüge erhobenen Einwands erweist sich der angefochtene Bescheid als ausreichend und nachvollziehbar begründet; einen relevanten Ermittlungsmangel zeigt der Beschwerdeführer nicht auf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 25. Juni 2013

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2010090119.X00

Im RIS seit

18.07.2013

Zuletzt aktualisiert am

02.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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