TE Vfgh Erkenntnis 2013/6/29 U706/2012

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Veröffentlicht am 29.06.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

AsylG 2005 §3, §6 Abs1
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
Flüchtlingskonvention Genfer, BGBl 55/1955 Art1 Abschnitt D, Art5
Statusrichtlinie 2004/83/EG Art2, Art12 Abs1, Art38

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung des Asylantrags eines staatenlosen Palästinensers wegen objektiver Willkür infolge Verkennung der durch die Rechtsprechung des EuGH geklärten Rechtslage; Registrierung bei der UNRWA als ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe durch eine von der Genfer Flüchtlingskonvention erfasste Organisation; "ipso facto"-Schutz der Statusrichtlinie infolge Wegfalls des Beistands "aus irgendeinem Grund" nicht ausschließlich bei Vorliegen individueller Verfolgung

Spruch

I.              Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird aufgehoben.

II.              Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, angefochtene Entscheidung und Vorverfahren

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer ist ein aus dem Gazastreifen stammender staatenloser Palästinenser. Nach illegaler Einreise nach Österreich stellte er am 19. Mai 2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, er sei – nachdem er Schutzgeldforderungen für den von ihm betriebenen Supermarkt abgelehnt habe – mehrfach von Leuten der Hamas eingesperrt worden und auch sein Geschäft sei niedergebrannt worden. Im Fall einer Rückkehr fürchte er, erneut von der Hamas inhaftiert und schlecht behandelt zu werden.

2. Mit Bescheid vom 14. September 2011 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ab. Mit der Begründung, auf Grund der prekären Sicherheitslage im Gazastreifen bestünden stichhaltige Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Fall der Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in sein Heimatgebiet der realen Gefahr einer Verletzung von Art2, Art3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPMRK ausgesetzt wäre, erkannte das Bundes-asylamt dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

2.1. Der Asylgerichtshof wies die – nur hinsichtlich Spruchpunkt I (Abweisung des Antrages auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) erhobene – Beschwerde als unbegründet ab. Unter anderem geht der Asylgerichtshof davon aus, dass aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer als "palästinensischer Flüchtling" iSd Art1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention (im Folgenden: GFK) bis zu seiner Ausreise berechtigt gewesen sei, Beistand der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (im Folgenden: UNRWA) in Anspruch zu nehmen, nichts für dessen gegenständlichen Antrag auf Internationalen Schutz in Österreich zu gewinnen sei.

Dies begründet der Asylgerichtshof zum einen mit der Aussage, der Beschwerdeführer sei zwar – wie auch die vorgelegte, auf seinen Namen ausgestellte Registrierungskarte belege – als staatenloser palästinensischer Flüchtling bis zu seiner Ausreise berechtigt gewesen, den Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen, er habe den Beistand aber nicht mehr tatsächlich in Anspruch genommen. Als "Beleg" für diese Annahme verweist der Asylgerichtshof auf die Aussage des Beschwerdeführers, er habe vor seiner Ausreise keine Lebensmittel mehr von der UNRWA bezogen, weil die Rationen so "winzig" gewesen seien, dass es sich nicht mehr "gelohnt" hätte. Zum anderen habe der Beschwerdeführer keine Gründe individueller Verfolgung glaubhaft machen können, auf Grund derer es ihm unmöglich wäre, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren und den Schutz der UNRWA erneut in Anspruch zu nehmen.

2.2. Wörtlich begründet der Asylgerichtshof dies folgendermaßen (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Insoweit in der Beschwerde auf die festgestellte Anerkennung des BF als Flüchtling durch das Büro der Vereinten Nationen zur Unterstützung der Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNWRA) verwiesen wird, ist bezüglich den darauf gründenden Asylausschlussgrundes gemäß Art1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention Folgendes auszuführen:

Nach §6 Abs1 Z1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und so lange er Schutz gemäß Art1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Gem. §6 Abs2 AsylG kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden, wenn ein Ausschlussgrund nach Abs1 vorliegt.

Gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention findet dieses Abkommen keine Anwendung auf Personen, die zur Zeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.

Bereits das Bundesasylamt erkannte im Rahmen der Einvernahmen zutreffend, dass der BF vom Büro der Vereinten Nationen zur Unterstützung der Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNWRA) als Flüchtling anerkannt wurde, womit er grundsätzlich Schutz gemäß Art.1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (vgl. Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, 241).

Zu beachten ist dabei allerdings, dass Palästina-Flüchtlingen für den Fall des Verlustes der UNRWA-Betreuung alle Rechte aus der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt werden, indem sie ipso facto unter ihre Bestimmungen fallen (vgl Art1 Abschnitt D 2. Satz GFK), wobei sich aus der im 2. Satz des Art1 Abschnitt D GFK enthaltenen Formulierung 'aus irgendeinem Grund' ergibt, dass Art1 Abschnitt D 2. Satz GFK nur dann anzuwenden ist, wenn die betroffene Person - auch nach einer freiwilligen Ausreise - entweder mangels Erlaubnis des jeweiligen Staates nicht in das Gebiet zurückkehren kann, in dem sie Schutz erhalten hat, oder aus anderen Gründen als aus eigenem Belieben nicht heimkehren will, z.B., weil sie glaubhaft darlegen kann, in diesem Staat verfolgt zu werden (vgl. Pinter, Fremden und Asylrecht3, Internationales Flüchtlingsrecht, 15).

Zur vorliegenden Problematik hat sich der EuGH erst jüngst in seinem Urteil vom 17.06.2010, C-31/09, geäußert, wobei es um die Auslegung des - dem Art1 Abschnitt D GFK nachgebildeten - Art12 Abs1 lita der RL 2004/83/EG ging. Zusammenfassend hielt der EuGH fest:

'Die besonderen Vorschriften der Konvention für vertriebene Palästinenser betreffen jedoch nur Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand der UNRWA genießen. Folglich fallen nur die Personen, die die von der UNRWA geleistete Hilfe tatsächlich in Anspruch nehmen, unter diese besonderen Vorschriften. Personen, die lediglich berechtigt sind oder waren, den Schutz oder Beistand dieses Hilfswerks in Anspruch zu nehmen, fallen dagegen unter die allgemeinen Vorschriften der Konvention. Ihre Anträge auf Anerkennung als Flüchtling sind daher individuell zu prüfen, und es kann ihnen nur im Fall einer Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder aus politischen Gründen stattgegeben werden.'

(Pressemitteilung Nr 57/10 des EuGH vom 17.06.2010)

Da der BF als staatenloser palästinensischer Flüchtling bis zur Ausreise aus der Heimatregion zwar berechtigt war, Beistand von UNRWA in Anspruch zu nehmen, was abgesehen von seinem Vorbringen nicht zuletzt auch aus der vorgelegten Registrierungskarte zu schließen war, diesen jedoch tatsächlich nicht mehr beansprucht hat (AS 259), im Falle einer Rückkehr diesen Beistand theoretisch aber wieder in Anspruch nehmen könnte, ergibt sich für das gegenständliche Verfahren, dass der BF seinen Antrag auf internationalen Schutz nicht darauf stützen kann, bereits auf der Grundlage des Art1 Abschn. D der GFK Anerkennung als Flüchtling zu finden. Folglich prüfte das BAA zu Recht, ob der BF seine Fluchtgründe glaubhaft darlegte. Dass es ihm nicht möglich wäre, in den Herkunftsstaat aus allfälligen Gründen individueller Verfolgung iSd Art1 Abschn. A der GFK zurückzukehren, woraus sich allenfalls die Unmöglichkeit des neuerlichen Beistands der UNRWA ergäbe, woran wiederum eine Anerkennung als Flüchtling iSd Art1 Abschn. D knüpfen könnte, hat er – wie oben ausführlich dargelegt – aber nicht glaubhaft gemacht. Für ihn war daher auch in diesem Zusammenhang nichts für sein Asylbegehren zu gewinnen."

3. Gegen diese Entscheidung des Asylgerichtshofes richtet sich die vorliegende, auf Art144a B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet wird. Der Asylgerichtshof sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab und übermittelte die Verfahrensakten.

II. Rechtslage

1. Die §§3, 6 und 8 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 – AsylG 2005) BGBl I 100/2005 in der jeweils relevanten Fassung (§§3 und 6 in der Stammfassung, §8 idF BGBl I 122/2009) lauten wie folgt:

"2. Hauptstück

Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten

1. Abschnitt

Status des Asylberechtigten

Status des Asylberechtigten

§3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art1 Abschnitt A Z2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§2 Z23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§6) gesetzt hat.

(4) Einem Fremden ist von Amts wegen und ohne weiteres Verfahren der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn sich die Republik Österreich völkerrechtlich dazu verpflichtet hat.

(5) Die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, ist mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

[…]

Ausschluss von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

§6. (1) Ein Fremder ist von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn

1. und so lange er Schutz gemäß Art1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt;

2. einer der in Art1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Ausschlussgründe vorliegt;

3. er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

4. er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des §73 StGB, BGBl Nr 60/1974, entspricht.

(2) Wenn ein Ausschlussgrund nach Abs1 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. §8 gilt.

[…]

Status des subsidiär Schutzberechtigten

§8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach §3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach §7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11) offen steht.

(3a) Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs1 oder aus den Gründen des Abs3 oder 6 abzuweisen, so hat eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß §9 Abs2 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 EMRK, Art3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesasylamt für jeweils ein weiteres Jahr verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

(5) In einem Familienverfahren gemäß §34 Abs1 Z2 gilt Abs4 mit der Maßgabe, dass die zu erteilende Aufenthaltsberechtigung gleichzeitig mit der des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, endet.

(6) Kann der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen. Diesfalls ist eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet zu verfügen, wenn diese gemäß §10 Abs2 nicht unzulässig ist. §10 Abs3 gilt.

(7) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten erlischt, wenn dem Fremden der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird."

2. Art1 Abschnitt D und Art5 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955 idF BGBl 78/1974 (im Folgenden: GFK), lauten wie folgt:

"Artikel 1

Definition des Ausdruckes 'Flüchtling'

[…]

D. Dieses Abkommen wird auf Personen keine Anwendung finden, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten. Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne daß die Stellung dieser Personen gemäß den bezüglichen Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt ist, so werden diese Personen ipso facto der Vorteile dieses Abkommens teilhaftig.

[…]

Artikel 5

Rechte außerhalb des Abkommens

Dieses Abkommen soll keinerlei Rechte oder Vorteile, die von einem vertragschließenden Staat vor oder neben diesem Abkommen gewährt wurden, beeinträchtigen."

3. Die im vorliegenden Zusammenhang relevanten Art2, 12 und 38 der RL 2004/83/EG über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 304, 12 ff. (im Folgenden: Status-RL) haben folgenden Wortlaut:

"Artikel 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

[…]

b) 'Genfer Flüchtlingskonvention' das Genfer Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 in der durch das New Yorker Protokoll vom 31. Januar 1967 geänderten Fassung;

c) "Flüchtling" einen Drittstaatsangehörigen, der aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder einen Staatenlosen, der sich aus denselben vorgenannten Gründen außerhalb des Landes seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht dorthin zurückkehren will und auf den Artikel 12 keine Anwendung findet;

[…]

Artikel 12

Ausschluss

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser ist von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er

a) den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie;

b) von den zuständigen Behörden des Landes, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Landes verknüpft sind, bzw. gleichwertige Rechte und Pflichten hat.

[…]

Artikel 38

Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens bis zum 10. Oktober 2006 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Wenn die Mitgliedstaaten diese Vorschriften erlassen, nehmen sie in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.

[…]

Artikel 39

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft."

III. Erwägungen

Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

2. Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl. zB VfSlg 16.214/2001), wenn der Asylgerichtshof dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s. etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn er bei Fällung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

3. Ein derartiger Fall liegt hier vor:

3.1. Der Beschwerdeführer legte im Asylverfahren eine auf seine Person ausgestellte "UNRWA Registration Card" vor. Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention, auf den sowohl Art12 Abs1 lita der Status-RL sowie §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtsstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art12 Abs1 lita Status-RL sieht – in Entsprechung des Art1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art12 Abs1 lita der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art12 Abs1 litb oder Abs2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 76).

3.2. Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die – in Satz 2 des Art12 Abs1 lita der Status-RL vorgesehene – "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art12 Abs1 lita der Status-RL fallenden Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, dass dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art12 Abs1 litb oder Abs2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 76). Somit dürfte es sich bei Satz 2 des Art12 lita der Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung in der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte.

Da der Beschwerdeführer – in dem durch seinen am 19. Mai 2011 gestellten Antrag eingeleiteten Asylverfahren – eine Registrierungskarte der UNRWA vorgelegt hat, hatte der Asylgerichtshof zu prüfen, ob der Beschwerdeführer nicht den Asylausschlussgrund des – in Umsetzung des Art12 Abs1 lita 1. Satz ergangenen – §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 erfüllt. Nach der Begründung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache Bolbol liegt mit der "Registrierung bei der UNRWA ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme ihrer Hilfe" vor (EuGH 17.6.2010, Rs. C-31/09, Nawras Bolbol, Rz 52). Demgegenüber geht der Asylgerichtshof, der den Asylantrag des Beschwerdeführers am Maßstab des §3 AsylG 2005 prüft, offenbar davon aus, dass der Asylausschlussgrund des §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 nicht erfüllt ist, wenn eine Person zwar bei der UNRWA registriert ist, jedoch – wie der Beschwerdeführer – vor seiner Ausreise keine Lebensmittel der UNRWA mehr bezogen hat. Damit hat der Asylgerichtshof – ohne dem Gerichtshof der Europäischen Union diese Frage vorzulegen – seiner Entscheidung eine Interpretation des den (ersten Teil) des Art12 Abs1 der Status-RL in innerstaatliches Recht umsetzenden §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 zugrunde gelegt, die der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union zur genannten Bestimmung der Status-RL zu widersprechen scheint.

3.3. Da der Asylgerichtshof nicht vom Vorliegen des Asylausschlussgrundes des §6 Abs1 Z1 AsylG 2005 ausgegangen ist, war für den Asylgerichtshof auch die Frage von Bedeutung, ob der Beschwerdeführer nicht "ipso facto" den Schutz der Status-RL genießt, weil ihm der Beistand der UNRWA zwar – jedenfalls – in der Vergangenheit gewährt wurde, nunmehr jedoch "aus irgendeinem Grund" iSd Status-RL nicht mehr gewährt wird. Der AsylGH geht offenbar davon aus, dass ein Wegfall des Beistandes der UNRWA aus "aus irgendeinem Grund" iSd Art1 Abschnitt D GFK und iSd Art12 Abs1 Z1 Satz 2 Status-RL nur bei Glaubhaftmachung individueller Verfolgung iSd Art1 Abschnitt A der GFK anzunehmen sei. In seiner im Dezember 2012 – und somit nach der vorliegenden Entscheidung des AsylGH ergangenen – Entscheidung in der Rechtssache El Kott ist der Gerichtshof der Europäischen Union aber gerade nicht davon ausgegangen, dass der "ipso facto"-Schutz infolge des Wegfalls des Beistandes "aus irgendeinem Grund" ausschließlich im Fall individueller Verfolgung iSd Art1 Abschnitt A der GFK eintritt; er hat vielmehr ausgeführt, dass die nationalen Behörden für "die Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz im Sinne dieser Bestimmung […] tatsächlich nicht länger gewährt wird, […] zu prüfen [haben], ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets zwingen und somit daran hindern, den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 61).

3.4. Indem der Asylgerichtshof somit zum einen davon ausgegangen ist, dass die Registrierung bei der UNRWA nicht zum Nachweis für die tatsächliche Inanspruchnahme des Schutzes der UNRWA ausreiche, und indem er zum anderen angenommen hat, dass ausschließlich bei Vorliegen individueller Verfolgung iSd Art1 Abschnitt A der GFK davon auszugehen sei, dass der Schutz der UNRWA "aus irgendeinem Grund" iSd Art1 Abschnitt D GFK und iSd Art12 Abs1 lita Satz 2 Status-RL weggefallen ist, hat er die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union geklärte Rechtslage in maßgeblicher Weise verkannt und damit objektiv Willkür geübt.

3.5. Der Verfassungsgerichtshof hat auch nach Klärung von unionsrechtlichen Rechtsfragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union dadurch offenkundig gewordene Fehler in der rechtlichen Beurteilung des Asylgerichtshofes aufzugreifen. Er hat nämlich eine festgestellte Rechtswidrigkeit der Gesetzesanwendung im Sinne der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts in jedem Stadium des Verfahrens zu beachten, und zwar auch dann, wenn die korrekte Auslegung des Unionsrechts erst im Zuge des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof offenkundig wurde (VfSlg 15.448/1999; VfGH 29.6.2013, U2465/2012).

4. Im fortgesetzten Verfahren wird der Asylgerichtshof zu prüfen haben, ob er über die Beschwerde auf Grund des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtsachte El Kott entscheiden kann, oder ob er vor dem Hintergrund des vorliegenden Falles gegebenenfalls weitere Fragen an den Gerichtshof der Europäischen Union richten muss.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88a iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– enthalten.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Asylrecht, EU-Recht Richtlinie, Auslegung gemeinschaftsrechtskonforme, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U706.2012

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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