TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/12 S15 433376-1/2013

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Veröffentlicht am 12.07.2013
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Spruch

S15 433.376-1/2013/4E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Alice Höller als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.02.2013, Zl. 13 00.753 - EAST West, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 41 Abs. 6 leg. cit. wird festgestellt, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Der nunmehrige Beschwerdeführer reiste am 16.01.2013 illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am darauf folgenden 17.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 18.01.2013 wurde er vor der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.

 

Hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse brachte der Genannte vor, zwischen 1979 und 1984 die Grundschule in XXXX besucht und anschließend seinen Lebensunterhalt als Arbeiter bestritten zu haben. Auch sei er verheiratet und Vater von vier Kindern. Sämtliche seiner Angehörigen würden in seinem Heimatland leben, während er im Bundesgebiet wie auch im gesamten EU-Raum über keinerlei familiäre oder eheähnliche Anknüpfungspunkte verfüge. Als Motiv für das Verlassen seines Herkunftsstaates führte der Asylwerber die dort herrschenden kriegsähnlichen Umstände ins Treffen. Nach dem gewaltsamen Tod seines Vaters im Jahre 1986 wäre er wiederholt von Polizei und Militär bedroht sowie zum Verlassen des Landes aufgefordert worden. "Meine Familie habe ich zuvor in Sicherheit gebracht. Sie leben jetzt im Landesinneren, wo es sicherer ist" (Seite 7 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Im Falle seiner Rückkehr befürchte er inhaftiert, gefoltert oder gar ermordet zu werden.

 

Anfang Dezember 2010 habe der Beschwerdeführer seinen Wohnort mit einem Reisebus Richtung Iran verlassen. In XXXX hätte er dann illegal die Landesgrenze passiert und sei dann nach zwölftägigem Aufenthalt in diversen iranischen Städten schließlich mit einem Bus weitergereist. Wie bereits zuvor in den Iran habe der Antragsteller auch das Hoheitsgebiet der Türkei illegal zu Fuß betreten, um einen Monat später zusammen mit ungefähr sieben weiteren Personen in einem Schlauchboot über den Grenzfluss nach Griechenland zu gelangen. Von den lokalen Sicherheitsbehörden aufgegriffen, wäre der Rechtsmittelwerber ebenso wie auch seine Begleiter festgenommen und für zehn Tage inhaftiert worden. Trotz anschließender Aufforderung das Land zu verlassen, blieb der Beschwerdeführer die folgenden zwei Jahre illegal in Griechenland. Aufgrund der sich durch die Wirtschaftskrise rapide verschlechternden Bedingungen habe er dann aber schließlich im Sommer 2012 den Entschluss gefasst weiterzureisen. Gemeinsam mit fünf Landsmännern sei er unter Nutzung diverser Bus- und Zugverbindungen bis nach Rumänien gelangt, wobei auf diesem Weg zuvor Mazedonien, Serbien und Ungarn überquert worden wären. "Dabei wurden wir von keiner Polizei angehalten und kontrolliert" (Seite 5 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Dies habe sich aber in Rumänien geändert und hätte der Beschwerdeführer bei dieser Gelegenheit auch sofort seinen Antrag auf internationalen Schutz bei den örtlichen Sicherheitsbeamten gestellt. Die nächsten zwei Monate wäre der Asylwerber in einer nahe BUKAREST befindlichen Versorgungseinrichtung untergebracht worden und wäre sein Verfahren dann negativ finalisiert worden. Der Genannte habe sich dann gemeinsam mit einem anderen Pakistani dazu entschlossen, nach Österreich zu fahren. Nach einem einmonatigen Zwischenstopp in Ungarn, sei dieser dann alleine mit einem Reisezug nach WIEN gelangt. Drei zufällig am Bahnhof getroffene Afghanen wären dann mit ihm nach BREGENZ gereist, wo er letztlich seinen gegenständlichen Antrag gestellt habe. Gegen eine Rückführung seiner Person nach Rumänien spräche nach eigener Ansicht wörtlich "nichts" (Seite 9 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

3. Eine noch am Tag der Antragstellung durchgeführte EURODAC - Abfrage erzielte einen positiven Treffer vom 04.09.2012 in Rumänien (vgl. Seite 15 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

4. Ein daraufhin in weiterer Folge am 23.01.2013 an Rumänien übermitteltes Ersuchen um Wiederaufnahme des Asylwerbers gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO), welches noch am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt worden ist (vgl. Seiten 101 bis 105 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), wurde seitens des eben genannten Mitgliedslandes am 29.01.2013 beantwortet (vgl. Seite 129 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes) und erklärte sich Rumänien gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO) zur Rückübernahme des Asylwerbers bereit.

 

5. Bereits am 23.01.2013 hatte der Asylwerber mit seiner Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG bestätigt, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Rumänien geführt würden. Die Mitteilung über das Führen von Konsultationen wurde sohin dem Beschwerdeführer innerhalb der in § 28 Abs. 2 leg. cit. gesetzlich normierten 20-Tagesfrist ab dem Zeitpunkt der Antragseinbringung übermittelt (vgl. Seite 99 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

6. Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 04.02.2013 vor der belangten Behörde bestätigte der Antragsteller zunächst seinen uneingeschränkten Gesundheitszustand. Im Bundesgebiet verfüge er über keinerlei Verwandte oder eheähnliche familiäre Bindungen. Ergänzend zu dem bereits bisher Gesagten wolle er noch anmerken, dass er nach fünfmonatigem Aufenthalt in einem rumänischen Asylbetreuungszentrum um den 19.01.2013 herum delogiert worden wäre. Während der nächsten drei Tage auf der Straße hätten ihn rumänische Polizisten angegriffen und all seiner Wertgegenstände beraubt. Schon die Unterbringung in der Versorgungseinrichtung namens XXXX sei von unzumutbaren Umständen begleitet gewesen. Das Essen wäre nur unregelmäßig ausgegeben worden und mangle es darüber hinaus auch an Dusch- und Heizmöglichkeiten. Beschwert habe sich der Asylwerber mangels Ansprechpartner jedoch weder bei der Lagerleitung noch bei Hilfsorganisationen oder Polizei. Von einem in Italien lebenden Freund darüber informiert, "dass Österreich das bessere Land in Europa ist" (Seite 161 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes), habe er sich daraufhin auf den Weg ins Bundesgebiet gemacht. "Ich wollte schon immer nach Österreich. Ich habe von jemandem gehört, dass Österreich ein sicheres und humanitäres Land ist" (Seite 161 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Nach Rumänien wolle er jedoch nicht zurück.

 

7. In einer schriftlichen Stellungnahme zu den konkret vorgehaltenen Länderfeststellungen zur Lage in Rumänien vom 08.02.2013 verwies der Genannte primär auf seine bereits bisher präsentierten Fluchtgründe, welche für das Verlassen seiner Heimat verantwortlich seien. Daneben ersuchte er abermals im Bundesgebiet dauerhaft bleiben zu dürfen.

 

8. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 25.02.2013, Zl. 13 00.753 - EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Rumänien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Antragsteller gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung in selbigen Mitgliedstaat zulässig sei.

 

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zum rumänischen Asylverfahren im Allgemeinen, zu den gesetzlichen Grundlagen, Rechten und Pflichten der Asylwerber, Beschwerdemöglichkeiten, Dublin-II Antragstellern, Unterbringung, Justiz, Haftbedingungen, Sicherheitsbehörden, Menschenrechten, Minderheiten, zur Praxis des Non - Refoulement - Schutzes, zur allgemeinen und medizinischen Versorgung sowie zur Existenz diverser Hilfsorganisationen.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass der Rechtsmittelwerber weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Erkrankung leide noch allfällig in diesem Kontext berücksichtigungswürdige psychische Krankheitsbilder vorgebracht habe respektive solche im Verfahren hervorgetreten wären. Aus gesundheitlichen Erwägungen bestünden daher keinerlei Bedenken gegen eine Überstellung nach Rumänien. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich in Kombination mit der lediglich sehr kurzen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet sei auch keinerlei unzulässiger Eingriff in die von Art. 8 EMRK normierten Rechte zu befürchten.

 

Hinsichtlich der im Rahmen seiner zweiten niederschriftlichen Einvernahme am 04.02.2013 erstmalig vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Defizite bezüglich einer mangelhaften Versorgung von Fremden in Rumänien als auch massiven Übergriffen seitens Angehörigen der Sicherheitskräfte sei es dem Genannten zu keinem Zeitpunkt gelungen, basierend auf jenen zur Stellungnahme vorgehaltenen aktuellen Länderberichten, ein reales Risiko potentiell menschenunwürdiger Behandlung im Falle seiner Rückführung nach Rumänien glaubhaft zu machen. Neben der Kontaktaufnahme zu diversen NGOs hätte der Asylwerber jederzeit Gebrauch von den rumänischen Behörden machen können, darauf habe er aber laut eigenem Vorbringen nicht zurückgegriffen. Ein präventiver Schutz vor strafrechtlich relevanten Übergriffen könne von keinem Staat der Welt zu hundert Prozent gewährleistet werden und könnten den vorliegenden Länderinformationen zur aktuellen Sicherheitslage in Rumänien keinerlei Hinweise auf eine generelle Schutzunfähigkeit respektive -willigkeit entnommen werden, weshalb den diesbezüglichen anderslautenden Angaben des Antragstellers keinerlei Glaubwürdigkeit zuerkannt werden könne.

 

9. Gegen diese Entscheidung brachte der Asylwerber fristgerecht Beschwerde ein und verwies darin primär auf sein bisheriges Vorbringen.

 

10. Die Beschwerdevorlage langte mit 11.03.2013 beim Asylgerichtshof ein.

 

11. Ein Auszug aus dem Asylinformationssystem vom 30.04.2013 hatte zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer am 25.04.2013 nach Rumänien überstellt worden ist.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß §§ 73 und 75 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 (im Folgenden: "AsylG 2005") ist dieses anzuwenden.

 

Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof sind die einschlägigen Bestimmungen des AsylG 2005 und das Bundesgesetz über den Asylgerichtshof, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBL I Nr. 147/2008 (in Folge: "AsylGHG") sowie subsidiär das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009 (in Folge: "AVG") anzuwenden. Schließlich war das Bundesgesetz über die Zustellung behördlicher Dokumente, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung (im Folgenden: ZustG) maßgeblich.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegt eine Beschwerde gegen eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 vor, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Rechts der Europäischen Union, die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer wie behauptet, tatsächlich Anfang 2011 zunächst nach Griechenland und anschließend eineinhalb Jahre später mittels diverser Transportmittel über Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Rumänien gereist ist, um dort die folgenden Monate zuzubringen. Wenig später ist er dann laut eigenem Vorbringen, mittels diverser Züge, über Ungarn illegal ins Bundesgebiet gelangt. Die vorgebrachte Reiseroute steht jedenfalls in Einklang mit dem erzielten EURODAC-Treffer, demzufolge der Antragsteller am 04.09.2012 in Rumänien einen Asylantrag gestellt hat. Dieser Sachverhalt wird auch vom Asylgerichtshof dem Verfahren zugrunde gelegt.

 

Vor dem Hintergrund der geschilderten Reisebewegungen und der Regelungen der Dublin-II-VO war zunächst Griechenland der für das Führen des Asylverfahrens des Beschwerdeführers zuständige Staat.

 

Zu dieser Durchführung des materiellen Asylverfahrens im Fall des Asylwerbers in Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO war Rumänien nun zum einen menschenrechtlich verpflichtet, da der EGMR ja bereits im Urteil vom 21.01.2012, Rs 30696/09, auf die systemischen Mängel des griechischen Asylwesens, die regelmäßig Art. 3 EMRK verletzten, hingewiesen hatte. Die Vorgangsweise Rumäniens war also nicht willkürlich und nicht ex post vom Asylgerichtshof als rechtswidrig zu erkennen.

 

Auch das in Hinblick auf die Lage für Asylwerber in Griechenland ergangene Urteil des EuGH vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, legt dar, dass im Falle der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylantragstellers an einen Mitgliedsstaat, der nach den Kriterien des Kapitels III. der Dublin-II-VO zuständig wäre, jener Mitgliedsstaat, der die Überstellung vornehmen müsste - vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen - die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen habe, um festzustellen, ob anhand eines der weiteren Kriterien ein anderer Mitgliedsstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden könne.

 

Aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Reiseweg respektive Aufenthalt in Rumänien nahm das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit eben genanntem Mitgliedstaat auf und hat Rumänien die Wiederaufnahme des Antragstellers ausdrücklich mit Schreiben vom 29.01.2013 gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e akzeptiert (vgl. Seite 129 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

Im Lichte des Art. 7 VO 1560/2003 ergibt sich auch keine Verpflichtung seitens der beteiligten Mitgliedstaaten oder seitens der Regelungen der Dublin II VO, dass die Überstellung in einer Weise durchgeführt wird, die potentiell belastenden Zwangscharakter aufweist.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Unionsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall unionsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

 

Des Weiteren hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Unionsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Unionsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Unionsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen. Diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Unionsrechts und aus Beachtung der unionsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Sprung, Dublin II VO³, Kommentar zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Unionsrecht kann nur von den zuständigen unionsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Unionsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Unionsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls unionsrechtswidrig.

 

In Bezug auf Griechenland wurde seitens des erkennenden Gerichtshofes bereits seit längerem in zahlreichen Entscheidungen faktisch nicht mehr von einer generellen Annahme der Sicherheit ausgegangen und eine umso genauere Einzelfallprüfung durchgeführt. Der EGMR hat in diesem Kontext mit Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs Belgien/Griechenland (30696/09) klargelegt, dass fehlende Unterkunft in Verbindung mit einem langwierigen Asylverfahren (welches selbst schwerwiegende Mängel aufweist) unter dem Aspekt des Art. 3 EMRK relevant sein kann (vgl insb. Rz 263 des zitierten Urteils). Ein entsprechend weiter Prüfungsumfang in Bezug auf relevante Bestimmungen der EMRK (Art. 3, 8 und 13) ist daher unter dem Hintergrund einer Berichtslage wie zu Griechenland angebracht (wodurch auch die "effet utile"-Argumentation einzelfallbezogen relativiert wird) - was der herrschenden Praxis des AsylGH entspricht (anders wie die in Rz 351 und 352 des zitierten Urteils beschriebene Situation im belgischen Verfahren). Eine solche Berichtslage liegt zu Rumänien nun jedenfalls nicht vor, ebenso wenig eine vergleichbare Empfehlung von UNHCR (wie jene zu Griechenland), von Überstellungen abzusehen. Nichtsdestotrotz hat der AsylGH - unter Berücksichtigung dieser Unterschiede - auch im gegenständlichen Fall nachfolgend untersucht, ob die Anwendung des Selbsteintrittsrechts aus Gründen der EMRK angezeigt ist. Im Lichte der eben getroffenen Ausführungen zur Auslegung des Art. 3 EMRK ist schließlich nicht erkennbar und wurde auch nicht behauptet, dass die Grundrechtscharta der EU für den konkreten Fall relevante subjektive Rechte verliehe, welche über jene durch die EMRK gewährleisteten, hinausgingen. Auch spezifische Verletzungen der unionsrechtlichen Asylrichtlinien, die in ihrer Gesamtheit Verletzungen der Grundrechtscharta gleichkämen, sind nicht behauptet worden. Weitergehende Erwägungen dazu konnten also mangels Entscheidungsrelevanz in concreto entfallen.

 

2.1.2.1. Rumänisches Asylwesen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3

EMRK

 

Der Asylgerichtshof sieht zum jetzigen Zeitpunkt entgegen den Ausführungen in der Beschwerde keinen Grund, allgemein Überstellungen nach Rumänien nach der Dublin-II-VO für unzulässig zu erklären, indem generell die zwingende Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO festzusetzen wäre.

 

Rechtlich ist nun - unter den bisherigen Prämissen - zu erörtern, welcher Prüfungsmaßstab bei der Würdigung für den Asylgerichtshof in Verfahren wie dem vorliegenden anzulegen ist. Hierbei schließt sich der Asylgerichtshof den zentralen Erwägungen des schwedischen Obersten Gerichtshofes für Migrationssachen im Urteil in der Rechtssache UM 200397-08 an, wonach grundsätzlich die europäischen Organe, insbesondere zunächst die Europäische Kommission, dazu berufen sind, bei allgemeinen Mängeln im Asylwesen eines Mitgliedstaates tätig zu werden. Der Drittstaatsangehörige kann mögliche Rechtsverletzungen innerhalb des materiellen Asylverfahrens im Verfahren des Zielstaates geltend machen (vgl. auch den entsprechenden Ansatz des EGMR in seiner Entscheidung in der Rechtssache KRS vom 02.12.2008, Rs 32733/08). Dies entbindet klarerweise mitgliedstaatliche Organe nicht von der Notwendigkeit, bei Verletzungen des Art. 3 oder Art. 8 EMRK im Einzelfall tätig zu werden und entsprechende Überstellungen dann für ungültig zu erklären. Ein genereller Überstellungsstopp hat aber erst Platz zu greifen, wenn die Mängel in ihrer Gesamtheit derart schwer und systemisch sind, wie das in Bezug auf Griechenland der EGMR in seinem Urteil vom 21.01.2011 in der Rechtssache M.S.S. vs. Belgien/Griechenland (30696/09) erkannt hat.

 

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union kürzlich in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat (Rn. 82 bis 85), sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86).

 

Folglich sind sämtliche Berichte und Beweismittel dahingehend zu würdigen, ob sie eine Verletzung des Art. 3 oder Art. 8 EMRK des überstellenden Mitgliedsstaates nahelegen und ob sie systemische Mängel des Asylverfahrens/der Aufnahmebedingungen bedeuten.

 

Die Ausführungen in der Beschwerde zum rumänischen Asylsystem sind letztlich nicht geeignet, die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 zu entkräften. Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Rumänien überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung glaubhaft erscheinen lässt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts.

 

Die im Zuge seiner Einvernahme aufgestellte und durch keinerlei Beweismittel belegte Behauptung, dass der Antragsteller in Rumänien nur ausgesprochen mangelhaft versorgt sowie wiederholt von Polizeiangehörigen schikaniert und misshandelt worden wäre, wird in inhaltlicher Übereinstimmung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes aus nachstehenden Gründen als nicht realitätskonform qualifiziert: So hatte der Beschwerdeführer zunächst noch im Zuge seiner Ersteinvernahme vor der Polizeiinspektion XXXX dezidiert behauptet, dass aus seiner Sicht keinerlei Gründe gegen eine Rückführung seiner Person in gegenständliches Mitgliedsland sprechen würden. Auch könne er sonst keinerlei nähere Angaben über seinen Aufenthalt in Rumänien machen (vgl. Seite 9 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

Demgegenüber beklagte der Antragsteller vor dem Bundesasylamt einige Wochen später erstmalig grobe Übergriffe von rumänischen Sicherheitsbeamten und prekäre Verhältnisse in seiner früheren Versorgungseinrichtung (vgl. Seite 161 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). In diesem Kontext erscheint hervorhebenswert, dass der nicht zuletzt aufgrund diverser Alias-Identitäten persönlich unglaubwürdige Asylwerber nicht dazu in der Lage war, die ihm konkret präsentierten Vorhalte zur Lage in Rumänien substantiell zu entkräften.

 

Bei einer Gesamtbetrachtung des konkret ins Treffen geführten Vorbringens hinsichtlich der angeblich höchstpersönlich durchlebten Missstände in rumänischen Versorgungseinrichtungen kommt der Asylgerichtshof somit in inhaltlicher Übereinstimmung mit der belangten Behörde zu dem Ergebnis, dass die Angaben des Antragstellers keine Basis in der Realität finden und steht daher im Ergebnis vor dem Hintergrund diverser aktueller Länderberichte diverser unabhängiger Quellen eine Verletzung seiner in der EMRK normierten Rechte im Falle seiner Rückführung nach Rumänien nicht mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

 

Es liegen keine Verurteilungen Rumäniens durch den EGMR oder EuGH vor, die eine Praxis systemischer Mängel des rumänischen Asylwesens, jedenfalls im Falle von Dublin-Rücküberstellten aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen.

 

Ein Vorbringen, welches geeignet wäre, die Annahme nahezulegen, dass Rumänien in Hinblick auf Asylwerber aus Pakistan unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

 

Entsprechend den Länderfeststellungen des Bundesasylamtes haben Personen nach einer Rücküberstellung nach der Dublin II-VO in Rumänien einen Anspruch auf Unterkunft und Versorgung. Aufgrund dieser Gegebenheiten besteht keine reale Gefahr, dass Asylwerber, die aufgrund der Dublin-II-VO nach Rumänien überstellt werden, im Hinblick auf die Versorgungssituation in Rumänien allgemein eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen hätten.

 

Weiters geht aus den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen hervor, dass Asylwerber, die im Rahmen der Dublin-II-VO nach Rumänien überstellt werden, Zugang zum normalen Asylverfahren haben sowie die rumänischen Gesetze Schutz gegen Refoulement bzw. "temporären Schutz" vorsehen. Nochmals ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass keine Hinweise dafür vorliegen, dass Rumänien gegen seine Verpflichtungen aus der GFK und der Dublin II-VO qualifiziert verstoßen würde und daher keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dieser Mitgliedsstaat dem Beschwerdeführer entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatstaat tatsächlich unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Der Beschwerdeführer konnte letztlich keine besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Rumänien sprechen, glaubhaft machen. Zusammenfassend steht somit eine Verletzung seiner in der EMRK normierten Rechte im Falle seiner Rückführung nach Rumänien nicht mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten.

 

2.1.2.2. Medizinische Krankheitszustände

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Rumänien nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Der VfGH hat zusammenfassend ausgeführt, dass sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK - Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Rumänien sind der Aktenlage nicht zu entnehmen.

 

2.1.2.3. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Der EGMR bzw. die EMRK verlangen zum Vorliegen des Art. 8 EMRK das Erfordernis eines "effektiven Familienlebens", das sich in der Führung eines gemeinsamen Haushaltes, dem Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses oder eines speziell engen, tatsächlich gelebten Bandes zu äußern hat (vgl. das Urteil Marckx [Ziffer 45] sowie Beschwerde Nr. 1240/86, V. Vereinigtes Königreich, DR 55, Seite 234; hierzu ausführlich: Kälin, "Die Bedeutung der EMRK für Asylsuchende und Flüchtlinge: Materialien und Hinweise", Mai 1997, Seite 46).

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse gemeinsame Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; siehe auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311), und zwischen Onkel und Tante und Neffen bzw. Nichten (vgl. EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1989, 761; Rosenmayer ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Wie bereits das Bundesasylamt zutreffend feststellte, verfügt der Asylwerber laut eigenen Angaben weder über nennenswerte Verwandte noch sonstige eheähnliche respektive familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, weshalb eine potenzielle Verletzung der in Art. 8 EMRK normierten Rechte bereits aus diesem Grunde auszuschließen ist.

 

Zu beachten sind auch die öffentlichen Interessen an der Effektuierung der Unzuständigkeitsentscheidung Österreichs. Hier ist zunächst klarzustellen, dass der gegenständliche Antrag (auch) eine Umgehung aller anderen niederlassungs- und fremdenrechtlichen Rechtsnormen in Situationen wie der vorliegenden ist. Würde der Asylgerichtshof also im gegenständlichen Fall Österreich verpflichten, das Selbsteintrittsrecht in Bezug auf den Asylwerber zwingend auszuüben, wäre damit die Umgehung dieser fremdenrechtlichen Bestimmungen legitimiert. Das heißt nicht, dass Derartiges in Ausnahmekonstellationen in Hinblick auf Art. 8 EMRK aus menschenrechtlichen Gesichtspunkten nicht dennoch notwendig sein kann, im konkreten Fall liegt diese Ausnahmekonstellation jedoch nicht vor.

 

2.2. Spruchpunkt I der Entscheidung der Erstinstanz war sohin in Bestätigung der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung des Bundesasylamtes mit obiger näherer Begründung als rechtsrichtig zu erkennen.

 

2.3. Hinsichtlich der vom Antragsteller ebenso bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass die belangte Behörde eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall zuzustimmen. Aus der Würdigung zu Spruchpunkt I folgt hier die Zulässigkeit der Ausweisung, deren sofortigem Vollzug die EMRK nicht widerstreitet. Gründe für einen Aufschub nach Art. 10 Abs. 3 AsylG waren nicht erkennbar.

 

2.4. Da der Rechtsmittelwerber zum Entscheidungszeitpunkt bereits überstellt worden ist, war gemäß § 41 Abs. 6 AsylG 2005 lediglich festzustellen, dass die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

 

2.5 Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung rechtmäßig, Glaubwürdigkeit, real risk
Zuletzt aktualisiert am
18.07.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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