TE Vfgh Erkenntnis 2013/6/29 U2430/2011

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Veröffentlicht am 29.06.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
EMRK Art8
AsylG 2005 §10

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Ausweisung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation; keine ausreichende Begründung für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Ausweisung trotz Schwangerschaft der in Österreich lebenden Ehefrau

Spruch

I.              1. Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtene Entscheidung, soweit durch die Abweisung seiner Beschwerde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgesprochen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander verletzt worden.

Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II.              Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Er stellte am 22. Oktober 2005 einen Antrag auf Gewährung von Asyl und befindet sich seither in Österreich. Seinen Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, er sei drei Mal (erstmals im Oktober 2001, dann im März sowie im August 2003) von Soldaten festgenommen und gefoltert worden. Ihm sei dabei seine Unterstützung der Kämpfer im Jahre 1995 vorgehalten worden. 2005 habe er sich nicht mehr länger verstecken wollen und sei daher ausgereist.

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (in der Folge: BAA) vom 22. März 2007 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß §7 Asylgesetz 1997 (AsylG 1997), BGBl I 76 idF BGBl I 101/2003, abgewiesen (Spruchpunkt I.), seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß §8 Abs1 AsylG 1997 für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.) und er gemäß §8 Abs2 AsylG 1997 in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Begründend führte das BAA aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei einerseits widersprüchlich gewesen, andererseits habe sich daraus keine asylrelevante Verfolgung ergeben. Im Falle seiner Rückkehr wäre der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht mit einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe konfrontiert. Zur Ausweisungsentscheidung führte das BAA aus, es liege kein Familienbezug zu einer dauernd aufenthaltsberechtigten Person in Österreich vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine – ab 1. Juli 2008 gemäß §75 Abs7 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl I 100 idF BGBl I 38/2011, iVm §23 Abs1 Asylgerichtshofgesetz, BGBl I 4/2008, als Beschwerde an den Asylgerichtshof zu behandelnde – Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat (in der Folge: UBAS).

3. Am 8. März 2011 legte der Beschwerdeführer dem Asylgerichtshof zwei Ladungen (beide auf Russisch, ohne Übersetzung) vor, die an seine frühere Adresse in Tschetschenien zugestellt worden seien. Darin werde er jeweils aufgefordert, "beim OVD des Atschkoj Martnskij Rajon" zu erscheinen, um als Zeuge auszusagen. Diese habe ihm sein nunmehr dort wohnender Bruder weitergeleitet.

Mit von einem Rechtsanwalt ausgeführten Schriftsatz vom 27. Mai 2011 legte der Beschwerdeführer die beiden Ladungen neuerlich vor. Dazu brachte er vor, dass Zeugenladungen "nur in den seltensten Fällen als solche zu verstehen" seien, dies entspreche der Lebenserfahrung und der gängigen Praxis der tschetschenischen Behörden. Die individuelle Verfolgungsgefahr finde auch in den Asylentscheidungen von drei in Europa aufhältigen Brüdern des Beschwerdeführers Bestätigung. Bereits mit Bescheid vom 15. November 2007 habe der UBAS seinem Bruder **** Asyl zuerkannt, zwei weitere Brüder hätten in Italien bzw. Belgien Asyl erhalten.

4. Am 31. Mai 2011 führte der Asylgerichtshof eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der zusätzlich auch über die Beschwerden eines weiteren Bruders des Beschwerdeführers und von dessen Exfrau verhandelt wurde. Dort gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er nach der Scheidung seiner ersten Ehe "am 20. März oder am 20. April 2011" eine aus Tschetschenien stammende Asylwerberin geheiratet habe. Diese wohne in der Wohnung seines Bruders ***. Er wohne in einer eigenen Wohnung, die ebenfalls sein Bruder bezahle. Er sei allerdings oft in der Wohnung des Bruders, weil seine Frau dort wohne. Auf die Frage, warum seine Frau nicht bei ihm lebe, gab der Beschwerdeführer an, ihr Antrag werde "hier" behandelt und man habe sie keiner Pension zugewiesen. Der Beschwerdeführer und seine Gattin hätten aber beantragt, dass sie zusammen eine Wohnmöglichkeit bekommen. Der Beschwerdeführer gab weiters an, er habe außer den beiden Brüdern noch weitere Verwandte in Österreich.

Mit der angefochtenen Entscheidung wies der Asylgerichtshof die Beschwerde als unbegründet ab, wobei die Ausweisung nunmehr auf §10 Abs1 Z2 AsylG 2005 gestützt wurde. In der Begründung gab der Asylgerichtshof zunächst umfangreiche Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation und speziell in Tschetschenien wieder. Sodann führte er aus, dass der Beschwerdeführer im Laufe des Asylverfahrens sein Vorbringen mehrfach nach Belieben verändert habe. Während er bei der Antragstellung von drei Verhaftungen gesprochen habe, habe er vor dem BAA am 2. November 2005 als Grund für seine Ausreise eine einzige Festnahme im Jahr 2001 angegeben. Anlässlich der Einvernahme vor dem BAA am 4. November 2005 habe er wieder drei Festnahmen angeführt und erstmals von massiven Folterungen gesprochen. Hätte der Beschwerdeführer diese tatsächlich über sich ergehen lassen müssen, so hätte er diese schon bei der ersten Einvernahme erwähnt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2001 tatsächlich festgenommen worden wäre, habe der Beschwerdeführer diesen Vorfall im Zuge einer Säuberungsaktion und damit nicht zielgerichtet gegen seine Person dargestellt. Zwischenzeitig habe sich die Lage in Tschetschenien verändert und Säuberungsaktionen, wie es sie noch 2001 gab, würden nun nicht mehr stattfinden. Die Dauer der ersten Festnahme sei nicht einheitlich geschildert worden. Auch zu seinen Aufenthaltsorten habe der Beschwerdeführer Unterschiedliches angegeben. Er habe nicht überzeugend darlegen können, warum er nach einer verfolgungsfreien Zeit von rund zwei Jahren erst im September 2005 ausgereist sei und legal aus der Russischen Föderation habe ausreisen können. Der Beschwerdeführer habe außerdem angegeben, selbst den Kontakt zu den Behörden gesucht zu haben, um den Grund für seine Anhaltungen zu erfahren. Dies spreche gegen die behauptete Furcht. Bei den im Original vorgelegten Ladungen sei auffällig, dass die Handschrift, mit der diese ausgefüllt wurden, zwar identisch sei, aber sie dennoch von unterschiedlichen Personen unterschrieben worden seien. Aus dem Umstand, dass drei Brüdern (einem davon in Österreich) Asyl gewährt worden sei, sei für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Anders als der in Österreich asylberechtigte Bruder habe er keinen Asylgrund glaubhaft ins Treffen führen können, ebensowenig drohe ihm wegen der drei Brüder ein reales Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung. Der Beschwerdeführer sei grundsätzlich arbeitsfähig, er könne ohne fremde Hilfe für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Es würden auch noch Verwandte in seiner Heimat leben. Somit liege kein Grund für die Gewährung von Asyl vor, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung sei – unter Berücksichtigung der Länderberichte – zulässig.

Hinsichtlich der Ausweisung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation ging der Asylgerichtshof von der Heirat des Beschwerdeführers aus und hielt zu seiner Ehegattin fest, dass deren Asylverfahren im zweiten Rechtsgang beim Asylgerichtshof anhängig sei. Die Eheleute würden nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Sowohl dem Beschwerdeführer als auch seiner zwischenzeitig schwangeren Ehegattin habe zum Zeitpunkt der Eheschließung bewusst sein müssen, dass beide über kein dauerndes Aufenthaltsrecht verfügen. Dennoch sei ein Familienleben begründet worden. Zum asylberechtigten Bruder des Beschwerdeführers bestehe kein Abhängigkeits- oder Pflegeverhältnis. Besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich seien im Verfahren, dessen Dauer dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden könne, nicht hervorgekommen. Die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet seien angesichts der erst vor kurzem erfolgten Heirat und der damit einhergehenden Ungewissheit einer Fortsetzung des Ehelebens im Inland relativ schwach ausgeprägt. Der Beschwerdeführer sei illegal eingereist und habe sich kaum Deutschkenntnisse angeeignet. Er habe kurzfristig geringfügig gearbeitet, gehe aber keiner regelmäßigen legalen Beschäftigung nach, sondern beziehe Leistungen aus der Grundversorgung und habe keine Ausbildung absolviert. Der asylberechtigte Bruder könne den Beschwerdeführer auch weiterhin finanziell unterstützen. Auch sonst könne von einer gelungenen Integration nicht gesprochen werden. Es seien keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zu erblicken. Auch wenn er schon mehrere Jahre nicht mehr in Tschetschenien gewesen sei, könne von einer völligen Entwurzelung nicht gesprochen werden. Somit überwiege das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremden- und Zuwanderungswesen das private Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144a B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, insbesondere im Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973), auf Leben (Art2 EMRK), auf Schutz vor Folter sowie unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Art3 EMRK) und auf Schutz des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt wird. Der Beschwerde war auch die Geburtsurkunde des mittlerweile zur Welt gekommenen Sohnes des Beschwerdeführers beigelegt.

6. Der Asylgerichtshof legte die Akten des Asylverfahrens (sowohl seine eigenen als auch jene des BAA) vor und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Von der Erstattung einer Gegenschrift sah er ab.

II. Rechtslage

§10 AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Verbindung mit der Ausweisung

§10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und kein Fall der §§8 Abs3a oder 9 Abs2 vorliegt.

(2) Ausweisungen nach Abs1 sind unzulässig, wenn

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

2. diese eine Verletzung von Art8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

d) der Grad der Integration;

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

[…]

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß §10 Abs2 Z2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§45 und 48 oder §§51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

[…]

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl I Nr 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen.

[…]"

III. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Die Beschwerde ist im Hinblick auf die mit der angefochtenen Entscheidung ausgesprochene Ausweisung auch begründet:

2.1. Ein willkürliches Verhalten des Asylgerichtshofes, das eine Verletzung in dem durch ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung gewährleisteten subjektiven Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander bedeutet, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2.2. Der Asylgerichtshof ist zunächst zutreffend vom Bestehen eines Familienlebens des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau in Österreich ausgegangen. Er ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er mit seiner Ehefrau nur deshalb nicht zusammenlebe, weil ihnen dies mangels einer geeigneten Wohnung nicht möglich sei und sie (im Rahmen der Grundversorgung) schon einen Antrag auf Zuweisung einer solchen gestellt hätten, nicht entgegen getreten. Somit war im Entscheidungszeitpunkt davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nur vorübergehend und nur auf Grund äußerer Notwendigkeiten getrennt von seiner – mittlerweile bei ihm wohnenden – Ehefrau lebte. Der Asylgerichtshof hat dennoch im Hinblick auf die aus seiner Sicht nicht besonders ausgeprägten sozialen und wirtschaftlichen Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich und die Begründung des Familienlebens in einem Zeitpunkt, in dem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltsstatus hätte bewusst sein müssen, gestützt auf §10 Abs1 iVm Abs2 AsylG 2005 eine Ausweisung ausgesprochen.

Der Asylgerichtshof hat jedoch bei der – im Wege der Anwendung des §10 Abs2 Z2 AsylG 2005 von ihm durchgeführten – Prüfung der Verhältnismäßigkeit des damit bewirkten Eingriffes in das durch Art8 EMRK geschützte Familienleben des Beschwerdeführers den von ihm festgestellten Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im Entscheidungszeitpunkt von diesem schwanger war, bei der Interessenabwägung zwar berücksichtigt. Im Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Ausweisung war es indessen absehbar, dass der Beschwerdeführer demnächst Vater eines Kindes werden würde. Davon ausgehend hätte der Asylgerichtshof eingehend begründen müssen, weshalb die Ausweisung des Beschwerdeführers und die damit verbundene Trennung von seinem Kind im öffentlichen Interesse geboten ist. Damit hat der Asylgerichtshof einen wesentlichen Gesichtspunkt des konkreten Sachverhalts außer Acht gelassen und den Beschwerdeführer im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung durch ein willkürliches Verhalten im Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander verletzt.

3. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde gemäß Art144a B-VG ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144a Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Soweit durch die angefochtene Entscheidung dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, sind der Entscheidung Anhaltspunkte für eine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Leben (Art2 EMRK) nicht zu entnehmen. Dem Asylgerichtshof ist bei Erlassung dieser Teile der angefochtenen Entscheidung auch keine Verletzung des Art3 EMRK unterlaufen, hat er sich doch in aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandender Weise mit allen aus Art3 EMRK erfließenden Aspekten auseinandergesetzt (vgl. zB VfSlg 18.610/2008).

Die im Übrigen gerügten Rechtsverletzungen wären im vorliegenden Fall nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch die angefochtene Entscheidung, soweit damit seine Beschwerde gegen die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet abgewiesen worden ist, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander verletzt worden.

2. Die angefochtene Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben.

3. Im Übrigen lagen die Voraussetzungen des Art144a Abs2 B-VG für die Ablehnung der Beschwerde vor.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88a iVm §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht, Ausweisung, Privat- und Familienleben, Bescheidbegründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U2430.2011

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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