Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch seinen Präsidenten Mag. Grauszer über die Berufungen des Herrn *** (hier kurz: ?BW? genannt), geboren am ***, wohnhaft in ***, vertreten durch Herrn Dr. ***, Rechtsanwalt in ***, vom 09.07.2013, gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 01.07.2013, Zl. 300-5695 und 5696-2010, betreffend den Aufschub des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen nach dem Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG wird den Berufungen keine Folge gegeben.
Die BH Neusiedl am See verhängte über den BW zwei rechtskräftige Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen. Diese BH übertrug den Strafvollzug gemäß § 29a VStG mit dem Hinweis auf den Wohnort des Bestraften und nunmehrigen BW in *** (siehe Schreiben vom 31.07.2012 zur Zahl 300-5696-2010 und vom 11.10.2011 zur Zahl 300-5695-2010) auf die BH Wien-Umgebung. Diese BH forderte den BW zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafen auf und gewährte mit Bescheiden vom 15.06.2012 und vom 03.12.2012 gemäß § 54a Abs 1 Z 1 VStG Haftaufschübe.
Mit Eingabe vom 20.12.2012 stellte der BW zwei Anträge an die BH Wien-Umgebung. Der erste Antrag ist darauf ausgerichtet, dass er anstelle des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafen ?gemeinnützige Leistungen erbringen? dürfe. Im zweiten Antrag ersucht er um Aufschub des Antritts der Ersatzfreiheitsstrafen, ?da anderenfalls ein nicht wieder gut zu machender Nachteil eintritt, falls die letztinstanzliche Entscheidung dahingehend lautet, dass die Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtlich zulässig ist?.
Die BH Wien-Umgebung übermittelte dieses Ansuchen mit ihrem Schreiben vom 16.01.2013 an die BH Neusiedl am See ?zur eigenen Entscheidung [zurück]?.
Die BH Neusiedl am See teilte dem BW mit Schreiben vom 24.05.2013 unter Bezugnahme auf das Ansuchen vom 20.12.2012 mit, ?dass die Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Verwaltungsstrafgesetz nicht vorgesehen? sei. Der Rechtsfreund fragte die BH, ob ihr Schreiben ein Bescheid sei, worauf sie nicht explizit antwortete.
Unter dem 01.07.2013 wurden von der BH Neusiedl am See zu jeder der zwei Aktenzahlen im Wesentlichen gleichlautende Bescheide erlassen, wonach ?Ihrem Antrag vom 20.12.2012 auf Aufschub des Strafvollzugs der von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See zur Zahl: 300-5695 [5696]-2010 verhängten Geldstrafe von ? 8000 [2.920], Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage [448 Stunden], nicht stattgegeben wird?.
Dagegen richtet sich die zu beiden Bescheiden gleichlautende Berufung vom 09.07.2013. Darin wird unter Hinweis auf das ErkdVfGH vom 11.10.2012, B1070/11-10, behauptet, dass es auch im Bereich des VStG zulässig sei, anstelle des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen gemeinnützige Leistungen zu erbringen.
Hierüber wurde erwogen:
Im Anlassfall geht es um den Vollzug von rechtskräftigen verwaltungsstrafrechtlichen Ersatzfreiheitsstrafen. Bei verständiger Betrachtung des Ansuchens und der bekämpften Bescheide wurde der beantragte Strafaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen nicht bewilligt.
Die BH Neusiedl am See hat den Strafvollzug an die BH Wien-Umgebung gemäß § 29a VStG - im Hinblick auf deren sachliche Zuständigkeit und den in ihrem Sprengel liegenden Wohnsitz des Bestraften - rechtmäßig übertragen. Warum die BH Neusiedl am See über das nunmehrige Ansuchen absprach und damit die unzulässige Rückübertragung des Strafvollzugs akzeptierte, ist der Bescheidbegründung nicht zu entnehmen. Dessen ungeachtet kann man aus § 53 Abs 1 erster Satz VStG auch im Falle einer Abtretung nach § 29a VStG eine Zuständigkeit der delegierenden Behörde bis zum Strafantritt (der hier nicht vorliegt) annehmen (siehe J. Kronister in N. Raschauer- W. Wessely, VStG, Sramek Verlag, RZ 5 zu § 53 VStG).
Beide Parteien des Verfahrens erkennen, dass das VStG keinen Aufschub der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe zwecks Leistung von gemeinnütziger Arbeit vorsieht. In Ermangelung einer diesbezüglichen gesetzlichen Ermächtigung hat die BH Neusiedl am See rechtmäßig entschieden. Das gegenteilige Vorbringen führt die Berufung nicht zum Erfolg. Aus dem vom BW zitierten VfGH-Urteil ist für den - unterschiedlichen - Anlassfall nichts zu gewinnen. Dem hg. Erkenntnis lag eine Finanzstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) zugrunde, deren Vollzug zwecks Erbringung gemeinnütziger Leistungen gemäß § 3a Strafvollzugsgesetz (StVG) nicht wie beantragt aufgeschoben wurde. Der damals belangte UFS ging davon aus, dass eine Substitution des Vollzugs finanzbehördlicher (Ersatz-) Freiheitsstrafen schon von Gesetzes wegen ausscheide. Für den Vollzug von finanzbehördlichen Ersatzfreiheitsstrafen gelte der eigenständige § 175 Abs 1 FinStrG, der keine den §§ 3 und 3a StVG vergleichbare Regelung kenne, die nur auf strafgerichtliche nicht aber auf finanzbehördliche Verurteilungen anzuwenden sei. Eine solche Auslegung unterstelle - so der VfGH - dem § 175 einen gleichheitswidrigen Inhalt. Demgegenüber hat der VfGH erkannt, dass kein sachlicher Grund ersichtlich sei, der es rechtfertigen würde, ?dass die von einem Strafgericht wegen einer Finanzstraftat zu einer - maximal neunmonatigen - (Ersatz-) Freiheitsstrafe Verurteilten in §§ 3 und 3a StVG eröffnete Option einer von der Finanzstrafbehörde mit einer - geringeren (höchstens dreimonatigen) - Ersatzfreiheitsstrafe belegten Person nicht zukomme.
Der BW will diese Auslegung auch für das VStG anwenden, weil der vorstehende Wertungswiderspruch auch hinsichtlich des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens gelte. Dies trifft nicht zu, weil das VStG nicht mit dem Finanzstrafrecht und dessen Regelungssystem vergleichbar ist (siehe VfGH 07.06.2013, B 353/2013).
Während das FinStrG nach seinem § 175 Abs 1 den Vollzug von verwaltungsbehördlichen (Ersatz-) Freiheitsstrafen ausschließlich in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten bestimmt und damit gleich wie den Vollzug gerichtlicher Freiheitsstrafen regelt, sieht das System des VStG vor, dass (Ersatz-) Freiheitsstrafen wegen Verwaltungsübertretungen vornehmlich in Hafträumen der Verwaltung und nur als letzte Möglichkeit in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu vollziehen sind. Nach § 53 Abs 1 VStG ist die (Ersatz-) Freiheitsstrafe in den Hafträumen der erstinstanzlichen Strafbehörde oder der Behörde, welcher der Strafvollzug gemäß § 29a VStG übertragen wurde, zu vollziehen. Nur wenn diese Behörden keine Hafträume haben und deshalb die Strafe nicht vollziehen können oder es der Bestrafte verlangt, ist die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Erst wenn auch diese Behörden die Strafe nicht vollziehen können, darf der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses um den Vollzug ersucht werden. Nach diesem System des VStG sollen Freiheitsstrafen also grundsätzlich in Hafträumen der Verwaltungsbehörde vollzogen werden. Darin liegt ein systematischer Unterschied zum FinStrG, das einen Vollzug in Hafträumen der Verwaltung nicht kennt. Praktisch wird die Ersatzfreiheitsstrafe überwiegend in Hafträumen einer Landespolizeidirektion und nur beim seltenen Anschlussvollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten vollzogen.
Zudem ist das StVG auch deshalb im Anlassfall nicht anzuwenden, weil hier kein Vollzug in einem gerichtlichen Gefangenenhaus oder einer Strafvollzugsanstalt beabsichtigt war (siehe § 53d Abs 1 VStG, der genau darauf abstellt).
Da ein dem Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen dienender Aufschub hinsichtlich des Vollzugs von Ersatzfreiheitsstrafen im VStG nicht vorgesehen ist (jedenfalls nicht betreffend den hier beabsichtigten Vollzug in Hafträumen der Verwaltung), war auch der diesbezügliche Antrag unzulässig.
Die für 27.08.2013 anberaumte Berufungsverhandlung entfällt.