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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
AsylG 1997 §7, §8Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Ausweisung des Beschwerdeführers nach Armenien infolge unsachlicher und tendenziöser Erwägungen und mangels ausreichender Begründung der Prognoseentscheidung betreffend die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit; kein Entzug des gesetzlichen Richters; Rechtmäßigkeit der seinerzeitigen Aktenzuteilung an den erkennenden Senat des AsylGH mangels Bekämpfung der zunächst ergangenen aufhebenden Entscheidung dieses Senats nicht aufgreifbarRechtssatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Da die Rechtssache nach der Aufhebung des Bescheides des UBAS durch den VwGH im fortgesetzten Verfahren vor dem AsylGH einem Senat zugeteilt worden ist, dem das ursprüngliche Mitglied des UBAS nicht angehört hat, jedoch die in der Folge zunächst ergangene, den erstinstanzlichen Bescheid gemäß §66 Abs2 AVG aufhebende Entscheidung dieses Senates trotz der abweichenden Gerichtsbesetzung vom Beschwerdeführer unbekämpft geblieben ist, kann die Frage der Rechtmäßigkeit der seinerzeitigen Aktenzuteilung in der Folge nicht mehr mit Erfolg aufgeworfen werden. Zweck des §35 der Geschäftsverteilung des AsylGH ist es nämlich nur, eine Entscheidung des gleichen Organwalters in bereits von ihm behandelten oder mit der aktuellen zusammenhängenden Rechtssachen auch in fortgesetzten Verfahren, in denen zwischenzeitig der AsylGH zuständig geworden ist, sicherzustellen. Dieser Zweck kann nach einer zwischenzeitig anderen Zuteilung nicht mehr erfüllt werden.
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die verfügte Ausweisung.
Die Erwägungen, mit denen der AsylGH im Zuge der nach Art8 EMRK anzustellenden Abwägung im Ergebnis die Religionsausübung in der armenischen Kirche und damit die Ausübung des Grundrechts auf Religionsfreiheit zum Kriterium fehlender Integration macht, das durch die Unterstützung zum Ausdruck kommende Maß an Integration durch den Vergleich mit der Gesamtzahl der Bevölkerung geradezu ins Lächerliche zieht und dem Beschwerdeführer angesichts dessen in geradezu zynischer Weise bescheinigt, dass sein Weggang aus Österreich keine Lücke hinterlassen würde, sind nicht nur in nicht hinzunehmender Weise unsachlich und tendenziös, sondern verfehlen auch den rechtlichen Maßstab der Integration.
Vergleichbares trifft schließlich auch auf die Erwägungen im Zusammenhang mit dem Gewicht der einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich entgegenstehenden öffentlichen Interessen zu: Angesichts der - wenngleich schon längere Zeit zurückliegenden - zwei strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers hatte der AsylGH eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob vom Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen wird. Dazu hat der AsylGH die Auffassung vertreten, dass angesichts seines sechsjährigen Wohlverhaltens seit der Haftentlassung "im Großen und Ganzen" davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer nicht mehr straffällig werde. Hier endet die auf Tatsachen beruhende Prognose. In der Folge nimmt der AsylGH jedoch eine Umkehr in eine für den Beschwerdeführer nachteilige Prognose dadurch vor, dass er es im Falle einer künftigen Arbeitslosigkeit und gleichzeitigen familiären Entwurzelung des Beschwerdeführers für durchaus "möglich und denkbar" hält, dass der Beschwerdeführer seine Kontakte zu den Schleppern wieder aktivieren werde. Diesem Teil fehlen aber entsprechende Begründungselemente: Es handelt sich um Annahmen künftiger Entwicklungen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit vom AsylGH nicht anhand konkreter Tatsachen dargetan wird.
Im Übrigen Ablehnung der Beschwerdebehandlung.
Schlagworte
Asylrecht, Ausweisung, Privat- und Familienleben, Bescheidbegründung, BehördenzusammensetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:U222.2012Zuletzt aktualisiert am
08.08.2014