RS Vfgh 2013/6/19 G18/2013 ua

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Veröffentlicht am 19.06.2013
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Index

41/03 Personenstandsrecht

Norm

PersonenstandsG §47, §47a Abs1
Eingetragene Partnerschaft-Gesetz §6, §26a, §43 Abs1 Z17
StVG §100
EMRK Art8, Art14

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung des PersonenstandsG über die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft (nur) in den Amtsräumen der Bezirksverwaltungsbehörde als unsachlich und dem Diskriminerungsverbot der EMRK widersprechend

Rechtssatz

Aufhebung der Wortfolge "in den Amtsräumen der Bezirksverwaltungsbehörde"in §47a Abs1 PersonenstandsG - PStG idF BGBl I 135/2009.

Unterschiedliche Regelung der Zeremonie der Trauung für Eheleute einer- und der Begründung der eingetragenen Partnerschaft andererseits im PStG.

§47a PStG schließt nicht aus, dass der Beamte der Bezirksverwaltungsbehörde die Partnerschaftswerber anlässlich der Begründung der eingetragenen Partnerschaft und der Aufnahme der Niederschrift darüber einzeln und nacheinander befragt, ob sie die eingetragene Partnerschaft miteinander eingehen wollen, und nach Bejahung dieser Frage ausspricht, dass sie rechtmäßig verbundene eingetragene Partner sind (vgl Prüfungsbeschluss vom 12.12.2012, B125/11 ua).

§47a PStG steht dem auch nicht entgegen, dass die Behörde auf Wunsch der Partnerschaftswerber neben anderen Personen, die der Zeremonie der Begründung der eingetragenen Partnerschaft nach Maßgabe der räumlichen Verfügbarkeiten der Bezirksverwaltungsbehörde mit den Partnerschaftswerbern beiwohnen, etwa auch zwei Personen eine besondere Stellung dadurch einräumt, dass sie den Anlass in besonderer Weise mitverfolgen. Dass der Gesetzgeber davon absieht, solchen Personen als "Zeugen" eine besondere Bedeutung für die Begründung der eingetragenen Partnerschaft zuzumessen, verletzt das Recht der Beschwerdeführer auf Nichtdiskriminierung nicht.

Schließlich ist der Beamte der Bezirksverwaltungsbehörde vor dem Hintergrund gleichheitsrechtlicher Anforderungen auch gehalten, auf Begehren der Partnerschaftswerber am Ende der Amtshandlung nach Begründung der eingetragenen Partnerschaft den eingetragenen Partnern in angemessener Form mitzuteilen, dass sie nunmehr rechtmäßig verbundene eingetragene Partner sind.

Eine unterschiedliche Behandlung der Ehe und der eingetragenen Partnerschaft, die nach der sexuellen Orientierung differenziert, bedarf im Lichte von Art14 iVm Art8 EMRK besonders schwerwiegender Gründe für eine sachliche Rechtfertigung. Für das Vorliegen solcher schwerwiegender Gründe ist es wesentlich, dass ein Sachzusammenhang zwischen der Ehe, die der Gesetzgeber sowohl nach Art12 EMRK als auch nach Art14 iVm Art8 EMRK verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten kann, und diesen (unterschiedlichen) Rechtsfolgen bestehen muss. Eine Diskriminierung einer der beiden Partnerschaftsformen gegenüber der anderen quasi "aus Prinzip" oder eine Ungleichbehandlung ohne sachliche Rechtfertigung durch einen Sachzusammenhang zwischen Institut und Rechtsfolge ist mit den genannten Anforderungen nicht vereinbar (VfSlg 19623/2012).

§47a Abs1 PStG verwehrt es dem Beamten der Bezirksverwaltungsbehörde, die Begründung der eingetragenen Partnerschaft in anderen als den von §43 Abs1 Z17 EPG (Eingetragene Partnerschaft-Gesetz) erfassten Fällen außerhalb der Amtsräume der Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmen, während es §47 PStG zulässt, eine Trauung an jedem Ort vorzunehmen, der der Bedeutung der Ehe entspricht, diskriminiert Personen, die eine eingetragene Partnerschaft begründen wollen, gegenüber Personen, die miteinander eine Ehe eingehen wollen, und verletzt daher Art14 iVm Art8 EMRK.

§43 Abs1 Z17 EPG sieht durch die Anordnung, dass §100 StVG auch "auf eingetragenen Partner, Partnersachen oder Partnerangelegenheiten sinngemäß anzuwenden" ist, die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft außerhalb der Amtsräume der Bezirksverwaltungsbehörde nur vor, wenn einer der Partnerschaftswerber in einer Strafvollzugsanstalt angehalten wird.

Die Frage der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft innerhalb oder außerhalb der Amtsräume steht mit dem unterschiedlichen Institut der Ehe einerseits und der eingetragenen Partnerschaft andererseits in keinem inneren Sachzusammenhang. Auch sonst sind keine Gründe ersichtlich, die diese unterschiedliche Behandlung von Menschen, die eine Ehe eingehen, und Menschen, die eine eingetragenen Partnerschaft begründen wollen, zu rechtfertigen vermögen. Darüber hinaus ist es ebenso unsachlich, dass den Beamten der Bezirksverwaltungsbehörde auch untersagt ist, die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft außerhalb der Amtsräume der Bezirksverwaltungsbehörde vorzunehmen, wenn es einem der Partnerschaftswerber dauernd oder vorübergehend zB wegen Krankheit oder Behinderung unmöglich oder unzumutbar ist, die Amtsräume der nächstliegenden Bezirksverwaltungsbehörde aufzusuchen. Es stellt sohin eine unzulässige Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung dar, wenn es der Gesetzgeber Partnerschaftswerbern - anders als Personen, die die Ehe miteinander eingehen wollen - verwehrt, mit Einverständnis der Behörde eine eingetragene Partnerschaft auch an anderen angemessenen Orten als in den behördlichen Amtsräumen zu begründen.

Keine Fristsetzung für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle im Hinblick auf die Konventionswidrigkeit der aufgehobenen Gesetzesstelle und weil legistische Vorkehrungen, um eine konventionskonforme Vornahme der Begründung einer eingetragenen Partnerschaft durch den Beamten der Bezirksverwaltungsbehörde sicherzustellen, nicht erforderlich sind.

(Anlassfälle B125/2011 und B138/2011, E v 19.06.2013, Aufhebung der angefochtenen Bescheide).

Entscheidungstexte

  • G18/2013 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 19.06.2013 G18/2013 ua

Schlagworte

Personenstandswesen, Homosexualität, Ehe und Verwandtschaft, Lebensgemeinschaft, Privat- und Familienleben, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G18.2013

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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