Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung von Anträgen im Zusammenhang mit der Beendigung des kurativen Einzelvertrags eines Arztes mit Erreichen einer bestimmten Altersgrenze; keine Bedenken gegen die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren auch für bestehende Einzelverträge angesichts des zulässigen Ziels der Erleichterung eines angemessenen Generationenwechsels; keine Verletzung des Vertrauensschutzes; stufenweise Übergangsregelungen im Gesamtvertrag unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz gesetzlich vorgesehen; einjährige Vorbereitungszeit für über 70-jährige Vertragsärzte unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausreichendRechtssatz
Kein Verstoß des §647 Abs4 ASVG idF der 71. Novelle gegen den Gleichheitssatz.
Der wesentliche Inhalt, vor allem aber die Gründe für die Beendigung der Einzelverträge der Vertragsärzte werden schon bisher durch gesetzliche und gesamtvertragliche Bestimmungen geregelt und unterliegen daher nicht der Privatautonomie der Vertragsparteien (vgl zB VfSlg 19306/2011).
Dem Gesetzgeber ist es an sich unbenommen, im Rahmen seiner Regelungskompetenz die Rechtslage hinsichtlich der Beendigung der Einzelverträge für die Zukunft zu ändern und sie auch - aus der Sicht der Vertragsärzte betrachtet - dadurch zu verschlechtern, dass nunmehr auch das Erreichen einer Altersgrenze als Endigungsgrund von Einzelverträgen vorgesehen wird. Das Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.
Der Gesetzgeber verfolgt mit der hier in Rede stehenden Maßnahme ein zulässiges Ziel, nämlich bei den Vertragsärzten einen angemessenen Generationenwechsel zu erleichtern, und das gewählte Mittel, nämlich die Einführung einer Altersgrenze von 70 Jahren auch für bereits bestehende Einzelverträge, ist dazu geeignet.
Vertrauensschutz begründende Umstände nicht erkennbar.
Die vom Beschwerdeführer behaupteten Aufwendungen mögen zwar im Hinblick auf die Erwartung einer unveränderten Fortdauer der bisherigen Rechtslage getätigt worden sein, sie wurden aber durch keine Maßnahme des Gesetzgebers veranlasst und können daher insoweit auch keinen besonderen Schutz beanspruchen. Der Gesetzgeber musste bei jenen Vertragsärzten, bei denen die Altergrenze zu einer baldigen Beendigung des Vertragsverhältnisses führt, auch nicht davon ausgehen, dass sie von der zeitlichen Wirksamkeit dieser Altersgrenze typischerweise zu einem Zeitpunkt betroffen sein würden, zu dem wirtschaftlich ins Gewicht fallende Investitionen erst kurze Zeit zurückliegen.
Die Auflösung des Einzelvertrages mit dem Krankenversicherungsträger kommt keinem Berufsverbot gleich und zwingt ihn daher auch nicht zu einer Auflösung der Ordination; es ist ihm vielmehr unbenommen, weiterhin als Wahlarzt auch für sozialversicherte Personen tätig zu sein und auf diese Weise seinen Patientenstock zumindest teilweise weiter zu erhalten. Eine Verletzung des Vertrauensschutzes wegen vorzeitiger Frustration von Aufwendungen infolge der Gesetzesänderung liegt daher auch deshalb nicht vor.
Die Übergangsbestimmung des §647 Abs4 ASVG sieht zwar die Altersgrenze von 70 Lebensjahren grundsätzlich auch für Einzelverträge vor, die vor dem 1. Jänner 2010 geschlossen werden. Die Rechtsfolge der Auflösung des Einzelvertrages wegen Erreichung des 70. Lebensjahres tritt aber frühestens mit dem 31.12.2010 (also ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes) ein.
Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang bestimmt, dass in den Gesamtverträgen "stufenweise Übergangsregelungen unter Berücksichtigung von Lebensalter und Vertrauensschutz vorzusehen" sind. Angesichts der gesetzlichen Aufgabenstellung der Vertragspartner des Gesamtvertrages im Zusammenhang mit der gesetzlichen Sozialversicherung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber den Vertragspartnern des Gesamtvertrages die Beurteilung der Bedürfnisse der Vertragsärzte einerseits und der Versorgungslage andererseits im Zusammenwirken überlassen hat.
Der VfGH erachtet die einjährige Vorbereitungszeit für jene Vertragsärzte, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes das 70. Lebensjahr bereits überschritten hatten oder dieses bis spätestens 31.12.2010 vollendeten, unter Vertrauensschutzgesichtspunkten als ausreichend. Auch eine unzulässige Diskriminierung auf Grund des Alters liegt nicht vor (vgl EuGH 12.01.2010, Rs C-341/08, Petersen Slg 2010, I-00047).
Keine Willkür; keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter.
Selbst wenn Spruch und Begründung des jeweils angefochtenen Bescheides so zu verstehen wären, dass die belangte Behörde das Antragsbegehren des Beschwerdeführers noch nicht zur Gänze erledigt hätte, dann wäre die belangte Behörde insoweit zwar säumig geworden, die bloße Säumigkeit ist aber von der (ausdrücklichen) Ablehnung einer Sachentscheidung wegen vermeintlicher, tatsächlich aber nicht bestehender Unzuständigkeit der Behörde zu unterscheiden.
(Ebenso unter Hinweis auf die vorliegende Entscheidung B1039/2011 ua und B142/2013, beide E v 26.06.2013).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Sozialversicherung, Ärzte, Berufsrecht, Übergangsbestimmung, VertrauensschutzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2013:B957.2011Zuletzt aktualisiert am
08.08.2014