TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/15 96/08/0223

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Veröffentlicht am 15.11.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1994/314;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/08/0224

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Novak und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl u.a., Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen die aufgrund von Beschlüssen des Leistungsausschusses ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 16. März 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld ab dem 25. August 1994 und ab dem 2. Jänner 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 25.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer - damals Student - beantragte am 25. August 1994 Arbeitslosengeld. Er gab an, vom 5. Juli 1993 bis zum 29. April 1994 als Chemiearbeiter bei der österreichischen U. GmbH und vom 20. Juni 1994 bis zum 24. August 1994 als Metallhilfsarbeiter bei der H. Armaturen AG beschäftigt gewesen zu sein, seit 1989 an der Universität Wien zu studieren und sein letztes Dienstverhältnis nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig gelöst zu haben. Nach der Arbeitsbescheinigung der österreichischen U. GmbH war dem Beschwerdeführer bei der Auflösung des Dienstverhältnisses mit 29. April 1994 eine Urlaubsentschädigung für 25 Werktage ausbezahlt worden.

Mit Bescheid vom 27. Oktober 1994 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien dem Antrag des Beschwerdeführers keine Folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe sein Studium nicht längere Zeit, das seien sechs Monate, parallel zu einem Dienstverhältnis betrieben und sei kein Werkstudent.

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, auch das erste der beiden von ihm angegebenen Dienstverhältnisse sei in die Prüfung der Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG einzubeziehen.

Am 2. Jänner 1995 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich Arbeitslosengeld, wobei er im Antrag nun auch ein Dienstverhältnis als Lagerarbeiter bei der E.B. GmbH vom 16. Dezember 1994 bis zum 31. Dezember 1994 angab.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1995 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien auch diesem Antrag - mit gleich lautender Begründung wie im Bescheid vom 27. Oktober 1994 - keine Folge.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid wiederholte der Beschwerdeführer die schon in seiner ersten Berufung vorgetragenen Argumente, wobei er in Bezug auf den etwa sieben Wochen betragenden Zeitraum zwischen den beiden im ersten Antrag angegebenen Beschäftigungen vorbrachte, davon seien "fünf Wochen Resturlaub" gewesen. Außerdem gab er an, seit dem 13. Februar 1995 wieder bei der österreichischen U. GmbH beschäftigt zu sein (dieses Dienstverhältnis endete am 17. März 1995, woraufhin der Beschwerdeführer am 20. März 1995 neuerlich Arbeitslosengeld beantragte).

Mit den beiden dem Beschwerdeführer am 21. März 1995 zugestellten angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde den Berufungen des Beschwerdeführers keine Folge. Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Studiums gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos gelte, und verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG mit der Begründung, hiefür müsse die letzte der Arbeitslosigkeit vorausgegangene, neben dem Studium ausgeübte Beschäftigung mindestens ein halbes Jahr (183 Tage) gedauert haben. In beiden Berufungsbescheiden wurde dazu ausgeführt, das letzte Dienstverhältnis vor Eintritt der Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers am 25. August 1994 habe vom 20. Juni 1994 bis zum 24. August 1994 und somit nur 66 Tage lang gedauert, weshalb eine Ausnahme nicht zuzulassen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend macht, die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG seien erfüllt, weil auch das erste der von ihm angegebenen Dienstverhältnisse zum Nachweis des Werkstudiums beitrage.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt und an ihrer Rechtsauffassung, es komme nur auf das letzte Dienstverhältnis an, festhält. Auf die Frage, ob dies auch in Bezug auf den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. Jänner 1995 - ausgehend von der Rechtsansicht der belangten Behörde - das am 24. August 1994 beendete Beschäftigungsverhältnis sein konnte, wird in der Gegenschrift nicht eingegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Erkenntnis vom 7. März 1996, G 72/95 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof den vom Verwaltungsgerichtshof in mehreren Beschwerdefällen gestellten Antrag, die auch im vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. f und Abs. 4 AlVG als verfassungswidrig aufzuheben, abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, aufgrund derer dieser die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 (die der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 im maßgebenden Zusammenhang vollkommen gleicht) befasst und ist dabei - soweit es im Beschwerdefall von Bedeutung ist - zum Ergebnis gelangt, dass bezogen auf einen dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen für die Dauer seines Studiums die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme (von der im § 12 Abs. 3 lit. f AlVG vorgesehenen Verneinung der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit) gemäß § 12 Abs. 4 AlVG die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als 18 Wochen grundsätzlich im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit voraussetzt. Nach diesem Erkenntnis, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, genügt unter dem hier maßgebenden Gesichtspunkt des in der Vergangenheit erbrachten Erweises einer objektiven Vereinbarkeit zwischen Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung auch ein Werkstudium während mehrerer, im Wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, deren letztes grundsätzlich unmittelbar der Arbeitslosigkeit vorangegangen sein muss und vom Arbeitslosen nicht zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig gelöst worden sein darf.

Unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist nach dem Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, im Regelfall der Tag zu verstehen, der dem Tag der Beendigung des letzten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses folgt, das für die Erfüllung der Anwartschaft für die betroffenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung von Bedeutung ist.

Mit dieser Interpretation der hier anzuwendenden Rechtslage vor dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, steht die den angefochtenen Bescheiden zugrunde liegende Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach nur auf das letzte Dienstverhältnis abzustellen sei und die Parallelität zwischen Beschäftigung und Studium während dieses Dienstverhältnisses zumindest sechs Monate hindurch gedauert haben müsse, nicht im Einklang.

Nach der in den erwähnten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vertretenen Rechtsansicht war das im August 1994 beendete Dienstverhältnis des Beschwerdeführers insoweit, als es sich mit den Hauptferien überschnitt, zur Begründung der Parallelität gar nicht geeignet (vgl. zu den Hauptferien das hg. Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 96/08/0217, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Entscheidend ist nach den Maßstäben dieser Rechtsprechung im vorliegenden Fall die Frage, ob die noch während des Sommersemesters 1994 eingetretene Unterbrechung zwischen den beiden Dienstverhältnissen so lang war, dass keine im Wesentlichen ununterbrochene Beschäftigung mehr angenommen werden kann. In der Beschwerde wird dazu der Standpunkt vertreten, dass die der Urlaubsentschädigung für 25 Werktage entsprechende Zeit unter dem Gesichtspunkt einer der Zusammenrechnung allenfalls entgegenstehenden Unterbrechung außer Betracht zu lassen sei und die verbleibenden 17 Tage zwischen den beiden Beschäftigungsverhältnissen keine ins Gewicht fallende Unterbrechung seien. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht. Urlaubszeiten während des Dienstverhältnisses sind - jedenfalls dann, wenn sie nicht die übliche Größenordnung bezahlter Erholungsurlaube überschreiten, womit sich der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht zu befassen hatte - als Zeiten arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung parallelitätsbegründend. Eine an das Dienstverhältnis anschließende Unterbrechung der Berufstätigkeit im dem der Urlaubsentschädigung zugrunde liegenden (und im vorliegenden Fall die schon erwähnte Größenordnung ebenfalls nicht übersteigenden Ausmaß) während des Dienstverhältnisses nicht konsumierten Urlaubes trägt zum Nachweis des Werkstudiums zwar nicht bei. Sie erlaubt - ähnlich wie ein Krankenstand nach dem Ende der Beschäftigung (vgl. dazu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 96/08/0153) - bei der gebotenen abstrahierenden Betrachtung aber auch nicht den Schluss, dass Beschäftigung und Studium nicht miteinander vereinbar seien, wobei es - insofern wie bei einem Urlaub während des Beschäftigungsverhältnisses - keinen Unterschied macht, ob während dieser Zeit auch mit dem "aktiven" Studium ausgesetzt oder nur in der Doppelbelastung von Arbeit und Studium eine Pause eingelegt wird. Da die daran noch anschließende Zeit bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers - noch vor dem Ende des Semesters - nach der vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Ansicht des Beschwerdeführers vernachlässigt werden kann und die Gesamtdauer der Unterbrechung ohnehin auch nicht mehrere Monate beträgt (vgl. insoweit das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134), hätte der Beschwerdeführer bei Einbeziehung seines ersten Beschäftigungsverhältnisses die erforderliche Parallelität von Studium und Beschäftigung für eine Dauer von mehr als 18 Wochen innerhalb des Zeitraums von 52 Wochen vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit am 25. August 1994 aufzuweisen gehabt.

Wäre dem ersten Antrag des Beschwerdeführers aus diesen Gründen stattzugeben gewesen, so wäre der zweite Antrag ein Fortbezugsantrag und dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld auch aufgrund dieses Antrages wieder zuzuerkennen gewesen.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996080223.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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