RS Vfgh 2013/6/27 G68/2012 ua

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Veröffentlicht am 27.06.2013
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
StbG 1985 §27, §29 Abs1, Abs2

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 über die Erstreckung des Verlusts der Staatsbürgerschaft auf eheliche Kinder (und Wahlkinder) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz; keine sachliche Rechtfertigung für eine Benachteiligung ehelicher Kinder gegenüber unehelichen Kindern

Rechtssatz

Aufhebung des §29 Abs1 StbG 1985.

§29 Abs1 StbG 1985 regelt die Voraussetzungen für die Erstreckung des Verlusts der Staatsbürgerschaft für eheliche Kinder (und Wahlkinder) in bestimmter Hinsicht abweichend von den Voraussetzungen, die §29 Abs2 StbG1985 für die Erstreckung des Verlusts auf uneheliche Kinder vorsieht. Insbesondere bestimmt §29 Abs1 StbG 1985 für eheliche Kinder, dass die Erstreckung des Verlusts bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ex lege eintritt. §29 Abs2 StbG 1985 lässt diese Rechtsfolge demgegenüber für uneheliche Kinder nur dann eintreten, "wenn deren gesetzlicher Vertreter dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit vorher ausdrücklich zugestimmt hat".

Im Vergleich zur Regelung der Erstreckung des Verlusts der Staatsbürgerschaft auf eheliche Kinder nach §29 Abs1 StbG 1985 räumt §29 Abs2 StbG 1985 damit aber dem (gesetzlichen Vertreter des) unehelichen Kind(es) ein Gestaltungsrecht ein, das der Gesetzgeber ehelichen Kindern und ihren gesetzlichen Vertretern verwehrt.

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht hervorgekommen. Ebenso wie für uneheliche Kinder kann es auch im Interesse minderjähriger ehelicher Kinder liegen, dass sie ungeachtet des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft behalten.

Allein die möglicherweise komplexere Situation im Hinblick auf gesetzliche Vertretung und Elternteil, von dem die Staatsbürgerschaft abgeleitet wird, wie sie bei unehelichen Kindern häufiger als bei ehelichen vorliegen mag, rechtfertigt es nicht, eheliche Kinder auf ein Antragsverfahren (nach §28 Abs1 StbG 1985) zu verweisen, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu behalten, während bei unehelichen Kindern nur eine ausdrückliche Erklärung des gesetzlichen Vertreters den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bewirkt, Untätigkeit des gesetzlichen Vertreters also zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch das uneheliche Kind führt. Denn auch bei ehelichen Kindern sind nicht nur in atypischen Härtefällen Konstellationen denkbar, in denen dem Kindeswohl durch die weitergehenden Schutzwirkungen, wie sie §29 Abs2 StbG 1985 vorsieht, besser entsprochen wird.

Entscheidungstexte

  • G68/2012 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.06.2013 G68/2012 ua

Schlagworte

Staatsbürgerschaftsrecht, Kinder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G68.2012

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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