RS Vfgh 2013/6/27 G34/2013

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Veröffentlicht am 27.06.2013
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Index

16/02 Rundfunk

Norm

ORF-G §4f Abs2 Z25
EMRK Art10

Leitsatz

Aufhebung der Regelung des ORF-Gesetzes über das Verbot von Verlinkungen zu und sonstigen Kooperationen mit sozialen Netzwerken (sog. "Facebook-Verbot") wegen Verstoßes gegen das Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit; Verbot der Bereitstellung eines (eigenen) sozialen Netzwerks durch den ORF jedoch sachlich gerechtfertigt im Hinblick auf das Ziel des Schutzes privater Mitbewerber am Rundfunkmarkt

Rechtssatz

Aufhebung der Wortfolge "sowie Verlinkungen zu und sonstige Kooperationen mit diesen, ausgenommen im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung" in §4f Abs2 Z25 ORF-G idF BGBl I 15/2012.

Das in §4f Abs2 Z25 ORF-G festgelegte Verbot der Bereitstellung von sozialen Netzwerken sowie von Verlinkungen und sonstigen Kooperationen mit sozialen Netzwerken greift in das Recht auf Meinungsäußerungs- und Rundfunkfreiheit gemäß Art10 EMRK insoweit ein, als es dem ORF verwehrt ist (ausgenommen im Zusammenhang mit der tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung), soziale Netzwerke zur Kommunikation mit den auf diesen Plattformen registrierten Personen zu nutzen.

Die Regelung verfolgt ein in Art10 Abs2 EMRK genanntes legitimes Ziel, nämlich den Schutz der Rechte anderer. Auch ist dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn dieser die in Prüfung gezogene Regelung für geeignet erachtet, dieses Ziel zu erreichen, zumal die beschwerdeführende Partei in Österreich eine besondere Stellung im Wettbewerb mit privaten Rundfunkveranstaltern innehat (vgl VfSlg 16911/2003).

Die in Prüfung gezogene Regelung erweist sich jedoch nur zum Teil als notwendig zur Erreichung des Ziels iSd Art10 Abs2 EMRK, private Mitbewerber am Rundfunkmarkt zu schützen.

Zwar liegt - wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 22.10.2012, 2012/03/0070, zutreffend festgestellt hat - das Verbot des Bereitstellens eines sozialen Netzwerks in jenem Gestaltungsspielraum, der dem Gesetzgeber bei der Regelung eines wettbewerbsintensiven Bereichs wie jenes der Online-Aktivitäten von Rundfunkveranstaltern zukommt. Es ist sachlich gerechtfertigt und entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass der ORF kein soziales Netzwerk in dem Sinn bereitstellen darf, dass er selbst als Veranstalter dieses Netzwerks auftritt.

Es ist jedoch nicht mehr verhältnismäßig, wenn dem ORF in §4f Abs2 Z25 ORF-G Verlinkungen zu sozialen Netzwerken und "sonstige Kooperationen mit diesen" (ausgenommen im Zusammenhang mit der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung) schlechthin untersagt werden, woraus jedoch nicht folgt, dass der Gesetzgeber daran gehindert wäre, Kooperationen insoweit zu untersagen, als diese der Bereitstellung eines eigenen sozialen Netzwerkes gleichkämen.

Keine Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass §4f Abs2 Z25 ORF-G lediglich die Bereitstellung eines eigenen sozialen Netzwerks, nicht aber die Teilnahme an einem bestehenden sozialen Netzwerk verbietet.

Aus dem EU-Beihilfenrecht ergibt sich keine (unionsrechtliche) Verpflichtung zur Erlassung einer Regelung wie der in Prüfung gezogenen Bestimmung.

Im Übrigen keine Aufhebung der in Prüfung gezogene Bestimmung.

Die Bestimmung des §4f Abs2 Z25 ORF-G wird dadurch insofern nicht in ihrem Sinngehalt verändert, als davon auszugehen ist, dass sich die Ausnahme des Falls der eigenen tagesaktuellen Online-Überblicksberichterstattung - anders als noch im Prüfungsbeschluss vorläufig angenommen - lediglich auf die Verlinkungen und sonstigen Kooperationen, nicht aber auf den Betrieb eines sozialen Netzwerks an sich bezieht.

(Anlassfall B484/2012, E v 27.06.2013, Aufhebung des angefochtenen Bescheides).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Rundfunk, Meinungsäußerungsfreiheit, Rundfunkfreiheit, Auslegung eines Gesetzes, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G34.2013

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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