RS Vfgh 2013/6/27 G26/2013 ua

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Veröffentlicht am 27.06.2013
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Index

34/01 Monopole

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
GlücksspielG §1 Abs2, §21, §22, §60 Abs24

Leitsatz

Keine Unsachlichkeit der Einordnung von Poker als Glücksspiel; jedoch Unsachlichkeit der Neuregelung über die Konzessionspflicht für Pokersalons im Hinblick auf die Beschränkung der zu vergebenden Konzessionen auf eine einzige wegen der besonderen Nachteile für Veranstalter von Pokerspielen angesichts des nunmehr unzulässigen Betriebs auf Grund einer gewerberechtlichen Bewilligung; untrennbarer Zusammenhang der angefochtenen Bestimmungen; Zulässigkeit der Individualanträge von Betreiberinnen von Poker-Casinos

Rechtssatz

Aufhebung des Wortes "Poker," in §1 Abs2 GlücksspielG - GSpG idF BGBl I 54/2010, des §22 samt Überschrift GSpG idF BGBl I 73/2010 und des §60 Abs24 GSpG idF BGBl I 69/2012.

Zulässigkeit der Individualanträge.

Die antragstellenden Gesellschaften sind Betreiberinnen von Poker-Casinos und als solche von den angefochtenen Bestimmungen unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen: Gemäß §60 Abs24 GSpG idF BGBl I 69/2012 iVm §1, §3 und §22 GSpG ist seit 01.01.2013 zum Betrieb eines Pokersalons für Pokerspiele ohne Bankhalter im Lebendspiel ausschließlich derjenige berechtigt, der die entsprechende Konzession gemäß §22 GSpG vom Bundesminister für Finanzen erhalten hat. Der Betrieb der Poker-Casinos der antragstellenden Gesellschaften auf Grund der jeweiligen gewerberechtlichen Bewilligung ist nach der geltenden Rechtslage sohin nicht mehr zulässig.

Dass mit den vorliegenden Anträgen nicht auch die Aufhebung von §3 GSpG beantragt wird, schadet ungeachtet des entsprechenden Hinweises im Erk VfSlg 19663/2012 nicht, da einerseits dessen Aufhebung dem verbleibenden Teil des GSpG einen völlig veränderten Inhalt verleihen würde und andererseits die Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen zur Beseitigung der behaupteten Verfassungswidrigkeit ausreichend wäre.

Untrennbarer Zusammenhang der Übergangsbestimmung des §60 Abs24 GSpG mit den übrigen angefochtenen Bestimmungen.

Durch die GSpG-Novelle 2008 wurde eine demonstrative Aufzählung von Glücksspielen in §1 Abs2 GSpG aufgenommen. Mit der Aufnahme dieses Kataloges von "klassischen" Glücksspielen, zu denen der Gesetzgeber ua das Pokerspiel zählt, beabsichtigte der Gesetzgeber ausweislich der Materialien insbesondere eine Erhöhung der Rechtssicherheit und damit letztlich eine Erleichterung für den Rechtsanwender.

Der Gesetzgeber legt seiner Entscheidung der Einordnung des Pokerspiels als Glücksspiel das Erkenntnis des VwGH vom 08.09.2005, 2000/17/0201, zugrunde. Bei der Beurteilung der Sachlichkeit dieser Einordnung ist von der Prämisse auszugehen, dass Glücksspiele Spiele sind, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis iSd §1 Abs1 GSpG "ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt" (§1 Abs2 GSpG).

Es liegt grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, wenn der Gesetzgeber das Pokerspiel vor dem Hintergrund eines kontroversen Meinungsstandes zu dessen Glücksspieleigenschaft in der überwiegend ausländischen Literatur dem Glücksspiel zuordnet und damit dem Regime des GSpG unterwirft.

Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, angesichts des Suchtpotentials nicht nur von Glücksspielen im engeren Sinn, sondern auch von Spielen mit Glücksspiel- und Geschicklichkeitskomponenten das Pokerspiel generell dem Regime des GSpG zu unterwerfen. Der VfGH kann dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes daher nicht entgegentreten, wenn dieser das Pokerspiel allgemein in den Katalog der Glücksspiele in §1 Abs2 GSpG aufnimmt.

Keine Verletzung im Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

Vor dem Hintergrund der im öffentlichen Interesse liegenden Ziele der gesetzlichen Regelung, nämlich Rechtssicherheit zu schaffen und negative Begleiterscheinungen des Glücksspiels, wie die Spielsucht, hintanzuhalten, ist dem Gesetzgeber auch mit Blick auf die Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht entgegenzutreten, wenn er das Pokerspiel generell dem Regime des GSpG unterwirft.

Verstoß des §22 GSpG gegen den Gleichheitsgrundsatz.

§22 iVm §1 GSpG begrenzt die Zahl der nach dieser Bestimmung zu vergebenden Konzessionen auf eine einzige. Das bedeutet, dass die Bestimmung im Ergebnis eine Monopolisierung des Marktes spezialisierter Anbieter des Pokerspiels und damit erhebliche nachteilige Folgen für jene Personen herbeiführt, die bis 31.12.2012 auf Grund einer Gewerbeberechtigung rechtmäßig Pokersalons betrieben haben, schlösse sie doch über den ersten erfolgreichen Konzessionswerber hinaus jeden anderen von der Veranstaltung des Pokerspiels aus. Doch auch der erfolgreiche Konzessionswerber wäre künftig insofern (stärker als bisher) beschränkt, als er über die eine Spielbank hinaus nicht an weiteren Standorten Pokersalons betreiben dürfte. Die Konzessionsbindung (nach Ablauf der Übergangsfrist gem §60 Abs24 GSpG am 31.12.2012) für Glücksspielveranstalter wie die antragstellenden Gesellschaften zeitigt deswegen besonders nachteilige Folgen, weil die bisher auf Grund der Gewerbeordnung ausgeübten Tätigkeiten nunmehr im Regime des GSpG nicht mehr zulässig und daher einzustellen sind.

Da §22 GSpG, anders als §21 GSpG, die Erteilung nur einer (einzigen) Konzession zulässt, sind die Nachteile jedenfalls für Veranstalter wie die antragstellenden Gesellschaften vor dem Hintergrund der tatsächlichen Verhältnisse und Unterschiede zum Glücksspiel der Lotterien gravierend.

Der Umstand, dass nunmehr auch in den fünfzehn Spielbanken nach §21 GSpG das Pokerspiel angeboten werden darf, vermag unter Sachlichkeitsgesichtspunkten deshalb nichts zu ändern, weil diese Berechtigung Veranstaltern, die wie die antragstellenden Gesellschaften nur das Pokerspiel angeboten haben und von vornherein die Anforderungen des §21 GSpG nicht erfüllen können, keinen Zugang zur Erwerbsbetätigung verschafft.

Die Nachteile aus dieser Neuregelung werden durch die Tatsache verschärft, dass die Bundesministerin für Finanzen die Konzession nach §22 GSpG bis heute, dh rund sechs Monate nach Ablauf der Übergangsfrist des §60 Abs24 GSpG, noch nicht ausgeschrieben hat, ohne dass Personen, die diese Konzession erlangen wollen, die Ausschreibung mit rechtlichen Mitteln erzwingen könnten, weshalb die Einführung einer Konzessionspflicht für Poker faktisch zu einem Verbot für jene Veranstalter geführt hat, die bis zum Ende des Jahres 2012 Pokerspielsalons auf gewerberechtlicher Grundlage gesetzmäßig betrieben haben.

Nach der Aufhebung des §22 GSpG findet sich keine Grundlage für die Erteilung einer Konzession im GSpG, weshalb die Veranstaltung von Pokerspielen damit künftig generell verboten wäre. Im Hinblick darauf sowie im Hinblick auf den untrennbaren Zusammenhang des Wortes "Poker" in der Legaldefinition des §1 Abs2 GSpG und der Übergangsbestimmung des §60 Abs24 GSpG mit §22 GSpG Aufhebung aller angefochtenen Bestimmungen.

Entscheidungstexte

  • G26/2013 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 27.06.2013 G26/2013 ua

Schlagworte

Glücksspiel, Glücksspielmonopol, Konzessionserteilung, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Individualantrag, VfGH / Verwerfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G90.2012

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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