RS Vfgh 2013/6/28 G10/2013 ua, V4/2013 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 28.06.2013
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Index

37/02 Kreditwesen
21/06 Wertpapierrecht

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
EMRK Art7
WertpapieraufsichtsG 2007 §35 Abs1, Abs2, Abs3, Abs4
Interessenkonflikte- und Informationen für Kunden-V der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) §2
Richtlinie 2004/39/EG über die Märkte und Finanzinstrumente Art13, Art18
Richtlinie 2006/73/EG zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen Art22

Leitsatz

Kein Verstoß von Bestimmungen des WertpapieraufsichtsG 2007 betreffend Leitlinien für den Umgang mit Interessenkonflikten gegen das Bestimmtheitsgebot des B-VG und der EMRK; Einstellung der amtswegigen Normenprüfungsverfahren hinsichtlich der von der FMA zu erlassenden bzw erlassenen Verordnung; Abweisung der Anträge eines Unabhängigen Verwaltungssenates

Rechtssatz

Keine Aufhebung des §35 Abs1, Abs2 und Abs3 WertpapieraufsichtsG - WAG 2007, BGBl I 60/2007.

Untrennbarer Zusammenhang des §35 Abs2 und Abs3 mit dem im Anlassverfahren präjudiziellen §35 Abs1 WAG 2007.

Einstellung der von Amts wegen eingeleiteten Verfahren hins §35 Abs4 WAG 2007 sowie hins §2 Z1, Z2, Z4 und Z5 der Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über Standards für Verfahren und Maßnahmen zur Bewältigung von Interessenkonflikten und über Informationen für Kunden bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen (Interessenkonflikte- und Informationen für Kunden-Verordnung - IIKV), BGBl II 216/2007.

§35 Abs4 WAG 2007 enthält lediglich die Ermächtigung an die FMA, durch Verordnung Standards festzulegen, denen die Verfahren und Maßnahmen nach §35 Abs2 Z2 WAG 2007 entsprechen müssen. Dazu kommt §35 Abs4 WAG 2007, wonach "die Verordnung [...] Art22 Abs3 zweiter Unterabsatz der Richtlinie 2006/73/EG zu entsprechen" hat, dass diese Bestimmung der Richtlinie (auch) Grundlage für die von der FMA zu erlassende Verordnung ist.

Keine Präjudizialität des §35 Abs4 WAG 2007 in den Anlassbeschwerdefällen; kein untrennbaren Zusammenhang mit §35 Abs1, Abs2 und Abs3 leg cit.

Abweisung der - zulässigen - Anträge des UVS Wien, §35 Abs1, Abs2, Abs3 und Abs4 WAG 2007 als verfassungswidrig und §2 Z1, Z2, Z 4 und Z5 IIKV als gesetzwidrig aufzuheben.

Es ist nicht denkunmöglich, dass der UVS §35 Abs1 WAG 2007 sowie §2 IIKV und damit auch §35 Abs4 WAG 2007 anzuwenden hat. Da §35 Abs1 WAG 2007 in untrennbarem Zusammenhang mit §35 Abs2 und Abs3 WAG 2007 steht, sind die Anträge des UVS daher zulässig.

Die Bestimmungen des §35 Abs1, Abs2 und Abs3 WAG 2007 widersprechen nicht dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG und des Art7 EMRK.

Die Bestimmungen richten sich an eine Personengruppe, von der angenommen werden kann, dass sie nicht nur weiß, was unter dem Begriff des Interessenkonflikts zu verstehen ist und unter welchen Umständen Interessenkonflikte einerseits zwischen dem Rechtsträger und den Kunden des Rechtsträgers sowie andererseits zwischen den Kunden untereinander auftreten können; die betroffenen Personen wissen auch, welche Verfahren und Maßnahmen zu ergreifen sind, die typischerweise geeignet sind, Interessenkonflikte erfolgversprechend zu vermeiden.

Davon ausgehend kann der betroffenen Personengruppe auch unterstellt werden, dass sie bei der Festlegung und laufenden Anwendung der von §35 Abs1 WAG 2007 geforderten Leitlinien beurteilen kann, welche (geeigneten) Verfahren und Maßnahmen der "Größe und Organisation" des Rechtsträgers sowie "der Art, des Umfangs und der Komplexität seiner Geschäfte" angemessen sind. Der Gesetzgeber hat in den Bestimmungen des §35 Abs1 WAG 2007 (in Übereinstimmung mit Art13 und Art18 der Richtlinie 2004/39/EG und Art22 der Richtlinie 2006/73/EG) diese Beurteilung der Angemessenheit bewusst den betroffenen Rechtsträgern überlassen. Im Übrigen ergibt sich - wie der VfGH sinngemäß auch in VfSlg 16993/2003 ausgesprochen hat - schon aus den allgemeinen Bedingungen der Strafbarkeit, dass solche Verfahren und Maßnahmen nur im Rahmen des Zumutbaren gefordert werden können.

Abweisung der Gesetzesprüfungsanträge des UVS im Hinblick auf die sinngemäß auch auf §35 Abs4 WAG 2007 zu übertragenden Ausführungen sowie der Verordnungsprüfungsanträge; Anfechtung des §2 Z1, Z2, Z4 und Z5 IIKV nur unter dem Gesichtspunkt, dass die Gesetzesbestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben wären und damit der gesetzlichen Grundlage entbehrten.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wertpapierrecht, Determinierungsgebot, Klarheitsgebot, Verwaltungsstrafrecht, Rechtsbegriffe unbestimmte, EU-Recht Richtlinie, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G10.2013

Zuletzt aktualisiert am

12.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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