TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/15 99/01/0067

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Veröffentlicht am 15.11.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2 idF 1998/I/158;
AVG §67a Abs1 Z2;
AVG §67c Abs2;
AVG §67c Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §68 Abs1;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
StGB §269 Abs4;
StGB §269;
StGB §3;
StGB §303;
StPO 1975 §175 Abs1 Z1;
StPO 1975 §177 Abs1 Z1;
StPO 1975 §177 Abs1 Z2;
StPO 1975 §177 Abs1;
StPO 1975 §177;
VwGG §28;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1. des CB und

2. der CB, beide in B, beide vertreten durch Prader & Plaz OEG, Rechtsanwaltspartnerschaft in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. Jänner 1999, Zl. Senat-B-96-032, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

2. Auf Grund der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird der angefochtene Bescheid in seinem Spruchpunkt II. 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, im Übrigen jedoch gleichfalls als unbegründet abgewiesen.

3. Der Erstbeschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.365,--, der Bund hat der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1.1. Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Mutter des Erstbeschwerdeführers. In ihrer gemeinsamen, am 14. Mai 1991 zur Post gegebenen Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (die belangte Behörde) haben sie - ein dritter Beschwerdeführer hat in der Folge seine Beschwerde zurückgezogen - im Wesentlichen (modifiziert durch Schriftsatz vom 19. November 1991) folgendes Vorbringen erstattet:

Der den Beamten der Badener Stadtpolizei bereits von anderen Vorgängen her bekannte Erstbeschwerdeführer sei am 2. April 1991 mit einem Pkw mit deutschem Kennzeichen im Stadtgebiet von Baden unterwegs gewesen. Dabei sei er einem Polizeiwagen begegnet, der unmittelbar danach gewendet und hinter dem Pkw des Erstbeschwerdeführers die Nachfahrt aufgenommen habe. Um einer befürchteten Führerscheinkontrolle zu entgehen, sei der Erstbeschwerdeführer zurück nach Hause gefahren. Am elterlichen Grundstück angelangt, sei er von den ihn mit Blaulicht verfolgenden Beamten mit vorgehaltener Dienstwaffe aufgefordert worden, sich - obwohl ihnen offensichtlich bekannt - auszuweisen. Er habe keinen Ausweis bei sich gehabt, jedoch erklärt, dass er hier zu Hause sei und dass im Haus Dokumente vorhanden seien, die seine Identität beweisen könnten. Dies sei ihm jedoch nicht gestattet worden, vielmehr habe man ihn gestützt auf § 35 VStG - rechtswidrig - festgenommen. Die Frage nach dem Grund der Festnahme sei nicht beantwortet worden. Hingegen habe man versucht, ihm Handschellen anzulegen. Daraufhin habe der Erstbeschwerdeführer in die Handschellen gegriffen und nochmals nach dem Grund der Festnahme gefragt. Der Beamte habe erklärt, dass er nun wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt festgenommen wäre. In der Folge seien mehrere, zwischenzeitig per Funk herbeigerufene Beamte am Ort des Geschehens eingetroffen und hätten versucht, dem Erstbeschwerdeführer Handschellen anzulegen und ihn abzuführen. Dadurch sei er, bislang (bloß) passiven Widerstand gegen die Festnahme und gegen das Anlegen der Handfesseln leistend, zu Sturz gekommen. Am Boden liegend habe man versucht, ihn durch Fußtritte und Stöße gefügig zu machen und dabei auf das unflätigste beschimpft. Ein in Zivilkleidung einschreitender Beamter habe seinen Arm den Hals des Beschwerdeführers entlang gezogen und dabei diesem mit seiner Lederjacke Verletzungen im Halsbereich zugefügt. Schließlich sei der Erstbeschwerdeführer zu einem Streifenwagen "hingetreten" und in diesen "hineingeprügelt" worden.

Mittlerweile habe die auf den Vorfall aufmerksam gewordene Zweitbeschwerdeführerin ihren Ehegatten verständigt. Sie sei dann zu ihrem Sohn gelaufen, habe gesehen, dass dieser von den Beamten getreten worden sei und habe diese aufgefordert, das Grundstück zu verlassen und ihren Sohn, den Erstbeschwerdeführer, in Ruhe zu lassen. Obwohl sie nicht gewalttätig geworden sei, sei sie von zwei Beamten rechts und links an den Handgelenken gepackt und vom Ort der Auseinandersetzung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und den Beamten weggezerrt worden. Da ihr die Griffe große Schmerzen bereitet hätten, habe sie geschrien und die Beamten aufgefordert, sie loszulassen. Ein Beamter sei dieser Aufforderung nachgekommen, dem sie in der Folge in einer Reflexbewegung eine Ohrfeige gegeben habe. Daraufhin sei sie neuerlich von den beiden Beamten gepackt worden; man habe ihre Hände am Rücken hinauf gebogen, sie zum Fahrzeug ihres Sohnes gebracht und ihren Kopf nach unten gedrückt, sodass sie in den Händen, im Rücken und im Nackenbereich größte Schmerzen gehabt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin erschienen und habe die Beamten aufgefordert, seine Frau loszulassen. Sie seien dieser Aufforderung nachgekommen, woraufhin die Zweitbeschwerdeführerin in das Haus habe flüchten können. Ihr gegenüber sei nie eine Festnahme angedroht oder gar ausgesprochen worden.

Am Gendarmerieposten Baden sei der Erstbeschwerdeführer mit einem harten Kopfschlag in eine Zelle befördert und bei dieser Gelegenheit abermals mit Schimpfwörtern bedacht worden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe sich ihrerseits freiwillig zum Polizeiposten begeben und erklärt, dass sie verletzt wäre. Sie sei ins Krankenhaus gebracht und dabei von zwei Polizeibeamten eskortiert worden. Nach der ambulanten Behandlung habe man sie zum Polizeifahrzeug eskortiert und wieder auf den Polizeiposten gebracht, wobei ihr in aller Öffentlichkeit demonstrativ Handfesseln angelegt worden seien.

1.2. Ausgehend von diesem Vorbringen begehrten die beiden Beschwerdeführer die Feststellung, sie wären durch ihre Festnahme und Anhaltung am 2. April 1991 durch Organe der Stadtpolizei Baden bzw. der Bezirkshauptmannschaft Baden in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden, darüber hinaus wären der Erstbeschwerdeführer dadurch, dass er von diesen Beamten getreten, geschlagen und in ähnlicher Form misshandelt worden sei, und die Zweitbeschwerdeführerin dadurch, dass sie von den Beamten brutal und in schmerzverursachender Weise an den Handgelenken gepackt worden sei, ihr die Hände auf den Rücken hinaufgedreht, ihr Oberkörper und Kopf nach unten gerissen und ihr in aller Öffentlichkeit Handfesseln angelegt worden seien, in ihrem gemäß Art. 3 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt worden.

2. Mit Bescheid vom 20. Februar 1992 sprach die belangte Behörde aus, dass der Erstbeschwerdeführer durch die von einem Organ der Stadtpolizei Baden am 2. April 1991 auf § 35 Z. 1 VStG iVm § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 gestützte Festnahme im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Spruchpunkt I. 1.) und er weiters dadurch, dass er nach Überstellung auf den Gendarmerieposten Baden, mit Handschellen am Rücken geschlossen, auf dem Weg in die Arrestzelle von hinten gestoßen und ordinär beschimpft worden sei, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden sei (Spruchpunkt I. 3.). Hingegen sei der Erstbeschwerdeführer dadurch, dass er von einem Organ der Stadtpolizei Baden gemäß § 175 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 177 StPO wegen §§ 15, 269 StGB festgenommen worden sei, in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden; die Beschwerde werde insoweit abgewiesen (Spruchpunkt I. 2.). Im Übrigen werde die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers zurückgewiesen (Spruchpunkt I. 4.).

Die Zweitbeschwerdeführerin sei dadurch, dass sie von Organen der Stadtpolizei Baden und der Bezirkshauptmannschaft Baden am 2. April 1991 gemäß § 175 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 177 StPO gemäß §§ 15, 269 StGB festgenommen worden sei, in keinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden; insoweit werde die Beschwerde abgewiesen (Spruchpunkt II. 1.). Unbegründet sei auch die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin, sie sei im Zuge dieser Festnahme unter Anwendung von Körperkraft in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden, verletzt worden (Spruchpunkt II. 2.). Im Übrigen wurde die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin - betreffend das erst mit Schriftsatz vom 19. November 1991 in Beschwerde gezogene Anlegen von Handfesseln nach Untersuchung im Krankenhaus - als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt II. 3.). (Ihren Ausspruch zu Punkt I. 1., betreffend die Festnahme des Erstbeschwerdeführers nach § 35 VStG, hatte die belangte Behörde damit begründet, dass die Beamten der Stadtpolizei Baden u.a. mangels einer auf Grund des § 94c Abs. 3 StVO 1960 erlassenen Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung zur Handhabung von Angelegenheiten der Verkehrspolizei nicht berechtigt gewesen seien und dass überdies die Voraussetzungen des § 35 Z. 1 VStG infolge sofortiger Feststellbarkeit der Identität des Erstbeschwerdeführers nicht vorgelegen hätten.)

3. Mit hg. Erkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 96/01/0286, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid der belangten Behörde vom 20. Februar 1992 im Umfang seiner Anfechtung (Spruchpunkte I. 2., I. 4., II. 1. und II. 2.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Diese Entscheidung gründete im Wesentlichen darauf, dass die belangte Behörde entgegen ihrer Verpflichtung zur umfassenden rechtlichen Prüfung sich in Erledigung der an sie gerichteten Beschwerde darauf beschränkt habe, über die Verletzung der von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechte zu erkennen. Im Einzelnen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das genannte Erkenntnis verwiesen.

4. Mit Bescheid vom 8. Jänner 1999 erkannte die belangte Behörde nunmehr, dass der Erstbeschwerdeführer (auch) dadurch, dass er am 2. April 1991 in Baden von einem Organ der Stadtpolizei gemäß § 175 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 177 StPO wegen §§ 15, 269 StGB festgenommen sowie dadurch, dass er im Anschluss daran auf den Gendarmerieposten Baden überstellt und dort weiter angehalten worden sei, in seinem einfach-gesetzlich gewährleisteten Recht, nicht entgegen den Bestimmungen der StPO festgenommen zu werden, sowie in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden sei (Spruchpunkt I. 1.); im Übrigen werde die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers abgewiesen. (Spruchpunkt I. 2.). Die Zweitbeschwerdeführerin sei hingegen dadurch, dass sie von Organen der Stadtpolizei und der Bezirkshauptmannschaft Baden am 2. April 1991 in Baden gemäß § 175 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 177 StPO wegen §§ 15, 269 StGB festgenommen worden sei, dass diese Festnahme unter Anwendung von Körperkraft erfolgte und dass sie nach ihrer Selbststellung am Gendarmerieposten Baden dort - vorübergehend - angehalten worden sei, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten noch in einem einfach-gesetzlich verbürgten Recht verletzt worden; ihre Beschwerde (gemeint: soweit noch nicht erledigt) werde als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkte II. 1. bis 3.).

Dieser Entscheidung legte die belangte Behörde nachstehenden Sachverhalt zugrunde:

Über Verlangen des gemäß § 35 Z. 1 VStG festgenommenen Erstbeschwerdeführers - diese Festnahme hatte die belangte Behörde bereits in ihrem Bescheid vom 20. Februar 1992 für rechtswidrig erklärt - habe seine Begleiterin aus dem Haus einen Ausweis holen wollen. Währenddessen habe der Erstbeschwerdeführer dadurch seiner Festnahme zu entgehen versucht, dass er den ihm gegenüberstehenden BzI. S. mit einer Hand an der Schulter ergriffen und mit der zweiten in die Handschellen hineingegriffen habe, um deren Anlegen zu vereiteln. BzI. S. habe nach der ca. eine Minute dauernden Abwehrhandlung gemäß § 175 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 177 Abs. 1 StPO wegen §§ 15, 269 StGB die Festnahme ausgesprochen und über Funk Verstärkung angefordert. Als erster sei ein in Zivilkleidung Dienst versehender, namentlich genannter Gendarmerieinspektor eingetroffen. Er habe BzI. S. beim Versuch, dem Erstbeschwerdeführer die Handfesseln zu entwinden und sie ihm anzulegen, unterstützt. Durch die dabei angewendete Körperkraft sei man zu Sturz und in einem Gebüsch zu liegen gekommen. In der Folge sei es mehreren Beamten unter fortgesetzter Anwendung von Körperkraft gelungen, den sich heftig der Festnahme widersetzenden Erstbeschwerdeführer zu einem Dienstfahrzeug und, weil sich dieser am Fahrzeug festgehalten habe, unter neuerlicher Gewaltanwendung ins Innere desselben zu bringen. In der Folge sei er von den Beamten dem Gendarmerieposten Baden überstellt und in den Arrest abgegeben worden.

Während sich der Erstbeschwerdeführer gegen die Festnahme gewehrt habe, sei seine Mutter, die Zweitbeschwerdeführerin, aus dem Haus gekommen und habe ihrem Sohn helfen wollen. Daran sei sie jedoch von drei namentlich genannten Beamten gehindert worden. Unmittelbar nachdem sie einem Beamten zumindest einen kräftigen Schlag mit der Hand gegen den Kopf versetzt habe, sei sie an den Oberarmen ergriffen worden, um sie festzunehmen und am weiteren Zuschlagen zu hindern; man habe ihr in Anwendung der so genannten Armwinkelsperre die Arme gewaltsam nach hinten und ihren gesamten Oberkörper nach unten gedrückt. Infolge des Dazwischentretens ihres Ehegatten sei sie losgelassen worden, sodass sie in das Haus habe flüchten können. Später habe sie sich in Begleitung ihres Ehegatten am Gendarmerieposten Baden eingefunden und sei während ihrer Anhaltung einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus Baden zugeführt worden.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass die Widerstandshandlungen des Erstbeschwerdeführers gegen die erste - rechtswidrige - Festnahme nach § 35 Z. 1 VStG gemäß § 269 Abs. 4 zweiter Fall StGB gerechtfertigt gewesen seien. (Bei dieser Beurteilung folgte die belangte Behörde erkennbar einer im angefochtenen Bescheid auszugsweise wiedergegebenen Stellungnahme des Bundesministers für Justiz vom 21. Mai 1993, derzufolge die auf § 35 VStG gestützte Festnahme gegen strafgesetzliche Vorschriften - § 303 StGB, fahrlässige Verletzung der Freiheit der Person oder des Hausrechts - verstoßen habe.) Die auf Grund dieser Widerstandshandlungen ausgesprochene neuerliche Festnahme nach der StPO sei zwar von einem der Art nach nicht unzuständigen Beamten ausgesprochen worden und habe ihrerseits nicht mehr den Tatbestand des § 303 StGB erfüllt, sei jedoch mangels Strafbarkeit der Widerstandshandlungen ebenfalls materiell rechtswidrig gewesen. Infolgedessen sei der Beschwerdeführer (auch) durch die "zweite" Festnahme in seinem einfach-gesetzlich gewährleisteten Recht, nicht entgegen der Bestimmungen der StPO festgenommen zu werden, zugleich aber weiterhin - sowie durch die weitere Anhaltung - in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden. Der fortgesetzte Widerstand des Erstbeschwerdeführers gegen die neuerliche Festnahme sei aber nicht mehr nach § 269 Abs. 4 StGB gerechtfertigt gewesen, er habe bei "umfassender rechtlicher Würdigung sämtlicher Zeugenaussagen" einen Angriff auf die Beamten der Stadtpolizei und Gendarmerie Baden dargestellt; die Anwendung von Körperkraft sei in diesem Zusammenhang Maß haltende Gegenwehr gewesen. Darüber hinaus habe sich kein Anhaltspunkt dafür ergeben, dass der Erstbeschwerdeführer am Festnahmeort beschimpft worden wäre. Die belangte Behörde komme daher zu dem Ergebnis, dass der Erstbeschwerdeführer "in keinem (weiteren) verfassungsgesetzlich gewährleisteten und in keinem (weiteren) einfach-gesetzlich verbürgten Recht verletzt worden" sei.

Was die Zweitbeschwerdeführerin anlange, so sei ihr Angriff gegen die mit der (neuerlichen) Festnahme des Erstbeschwerdeführers beschäftigten Beamten nicht mehr nach § 269 Abs. 4 StGB gerechtfertigt gewesen. Sie habe einem Beamten mit der Hand mindestens einen Schlag gegen den Kopf versetzt, ihn dadurch verletzt, und ihre Hand erhoben, sodass der Beamte mit gutem Grund habe annehmen können, dass weitere Schläge folgen würden. (Infolgedessen) hätten die Voraussetzungen für eine Festnahme der Zweitbeschwerdeführerin ohne richterlichen Befehl nach § 177 Abs. 1 Z. 1 StPO vorgelegen, ihre Festnahme sei somit rechtmäßig gewesen. Bezüglich der zur Abwehr bzw. zur Beendigung des Angriffes der Zweitbeschwerdeführerin angewendeten Körperkraft würden die Aussagen der intervenierenden Beamten und jener der Zweitbeschwerdeführerin bzw. ihres Ehegatten in maßgeblicher Hinsicht übereinstimmen, wenngleich die Schärfe des Einsatzes von der Exekutive als Maß haltend dargestellt werde. "Nach umfassender Prüfung der Zeugenaussagen" sei davon auszugehen gewesen, dass die Anwendung von Körperkraft gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin gerechtfertigt und Maß haltend gewesen sei. Auch die spätere, nach ihrer Selbststellung vorgenommene - vorübergehende - Anhaltung am Gendarmerieposten erscheine "nach umfassender rechtlicher Prüfung des gesamten festgestellten Sachverhaltes als nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen der StPO".

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn in den Spruchpunkten I. 2.,

II. 1., II. 2. und II. 3. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

6. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beiden Beschwerdeführer stellen gemeinsam den Antrag, den angefochtenen Bescheid in den eben bezeichneten Spruchpunkten zu beheben. Ungeachtet dessen kann ihr Begehren auch unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Beschwerde nur so verstanden werden, dass sie jeweils nur den sie betreffenden Teil des angefochtenen Bescheides bekämpfen.

2. Zum Erstbeschwerdeführer:

2.1. Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG (idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998) entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Die seit ihrem Inkrafttreten (1. Jänner 1991) unveränderte Bestimmung des § 67c Abs. 2 AVG normiert die Inhaltserfordernisse derartiger Beschwerden. Demnach haben diese zu enthalten:

1.

die Bezeichnung des angefochtenen Verwaltungsaktes,

2.

soweit dies zumutbar ist, eine Angabe darüber, welches Organ den angefochtenen Verwaltungsakt gesetzt hat und welcher Behörde er zuzurechnen ist (belangte Behörde),

3.

den Sachverhalt,

4.

die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

              5.       das Begehren, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären,

              6.       die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Mit diesen Inhaltserfordernissen orientiert sich § 67c Abs. 2 AVG an § 28 VwGG und übernimmt die für Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof getroffene Regelung mit einer wesentlichen Ausnahme: Anders als bei Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof muss nicht ausdrücklich angegeben werden, in welchem Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet (Beschwerdepunkt). Daraus ist zu folgern, dass sich der unabhängige Verwaltungssenat bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahme nicht auf die vom Beschwerdeführer allenfalls als verletzt bezeichneten einfach-gesetzlich oder verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte oder auf die vorgebrachten Gründe beschränken darf. Vielmehr obliegt ihm eine umfassende Prüfungsverpflichtung, sodass er den angefochtenen Verwaltungsakt ohne Bindung an die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe nach jeder Richtung hin zu untersuchen hat (vgl. das in der gegenständlichen Angelegenheit ergangene Vorerkenntnis vom 25. September 1996, Zl. 96/01/0286, oder das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 9. September 1997, Zl. 96/06/0096 = Slg. 14729/A). An die Inhaltserfordernisse des § 67c Abs. 2 AVG knüpft Abs. 3 dieser Bestimmung (zwischen dem 1. Juli 1995 und dem 1. Jänner 1999 als § 67c Abs. 4 AVG in Geltung) an. Demnach ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Auch insoweit ist also nicht auf ein konkret verletztes Recht abzustellen; die Frage, aus welcher Rechtsverletzung sich der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig darstellt, ist vielmehr eine Frage der auf Grund vollständiger Sachverhaltsfeststellung beruhenden rechtlichen Beurteilung. Stellt die angerufene Behörde die Rechtswidrigkeit - gleichgültig aus welchem Grund auch immer - fest, so braucht sie sich mithin nicht mehr damit auseinander zu setzen, ob der Beschwerdeführer allenfalls in weiteren Rechten verletzt und der angefochtene Verwaltungsakt auch aus diesen Rechtsverletzungen rechtswidrig wäre. Umgekehrt ist daher auch ein Abspruch darüber, welche Rechte nicht verletzt wurden, entbehrlich. Einer Person, die behauptet, durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verletzt zu sein, ist kein subjektiv-öffentliches Recht dergestalt eingeräumt, dass sie Anspruch auf Feststellung erhalte, in welchen einzelnen Rechten sie verletzt wurde. Das subjektiv-öffentliche Recht besteht nur dahingehend, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1998, Zl. 97/01/0754; siehe auch den hg. Beschluss vom 27. September 1988, Zl. 87/07/0121, zur korrespondierenden "Vorgängerbestimmung" des § 42 Abs. 4 VwGG idF vor der Novelle BGBl. Nr. 330/1990 vor Errichtung der unabhängigen Verwaltungssenate).

2.2. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde bezüglich des Erstbeschwerdeführers (zu Spruchpunkt I. 1.) ausgesprochen, dass er (auch) dadurch, dass er gemäß § 175 Abs. 1 Z. 1 und 2 iVm § 177 StPO wegen §§ 15, 269 StGB festgenommen und dass er im Anschluss daran auf den Gendarmerieposten Baden überstellt und dort weiter angehalten worden sei, in näher bezeichneten Rechten verletzt worden sei. Dieser Ausspruch kann vor dem Hintergrund der Bestimmung des § 67c Abs. 3 AVG und dem Vorgesagten nur so verstanden werden, dass damit der (die) angefochtene(n) Verwaltungsakt(e) "Festnahme, Überstellung und Anhaltung" für rechtswidrig erklärt wurde(n), und zwar - anders als noch im ersten Rechtsgang - auch insoweit, als die Festnahme seitens des einschreitenden Organs der Stadtpolizei Baden im Gefolge der Abwehrhandlungen des Erstbeschwerdeführers gegen die zunächst nach § 35 VStG ausgesprochene Verhaftung auf die Bestimmungen der StPO gestützt wurde. Im Ergebnis hat die belangte Behörde damit die Festnahme des Erstbeschwerdeführers zur Gänze für rechtswidrig erklärt, womit auch die im Zuge der Effektuierung dieser Festnahme gesetzten Maßnahmen körperlichen Zwanges erfasst sind. Eine isolierte Beurteilung jener zur Durchsetzung der Festnahme des Erstbeschwerdeführers gesetzten tatsächlichen Handlungen käme im Übrigen von vornherein nicht in Betracht, weil sie der Erwirkung einer im Grunde unrechtmäßigen Freiheitsentziehung dienten; sie erfolgten zur Umsetzung der ausgesprochenen Verhaftung und bildeten mithin mit dieser - ebenso wie die nachfolgende Anhaltung - eine Einheit, weshalb sie im gegebenen Zusammenhang keinem rechtlichen Sonderschicksal unterliegen könnten. Insbesondere wäre es nicht zulässig, quasi abstrahierend von einer im Grunde rechtswidrigen Freiheitsentziehung, die Anwendung der Körperkraft für sich allein zu beurteilen; ist die Festnahme an sich rechtswidrig, so müssen es auch die nachfolgenden Akte zur Durchsetzung derselben sein. Daran könnte - dies sei der Vollständigkeit halber angemerkt - auch die Beurteilung der belangten Behörde, wonach der fortgesetzte Widerstand des Erstbeschwerdeführers gegen die neuerliche Festnahme auf Grund der Bestimmungen der StPO nicht mehr nach § 269 Abs. 4 StGB "gerechtfertigt" gewesen sei, nichts ändern. Selbst unter der Annahme, dass der Erstbeschwerdeführer die weitere Widerstandshandlung strafrechtlich zu verantworten habe und sich nicht mehr auf § 269 Abs. 4 StGB berufen könne, bliebe unabhängig davon die Festnahme als solche rechtswidrig und könnten daher die zu ihrer Durchsetzung ganz konkret gesetzten Akte nicht als sich gleichsam verselbstständigend für rechtmäßig erkannt werden.

Auch der Abspruch der belangten Behörde, soweit er auf Abweisung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers lautet (Spruchpunkt I. 2.), kann nicht so gedeutet werden, dass er die zur Durchsetzung der ausgesprochenen Festnahme gesetzten tatsächlichen Akte - unter rechtsirriger Lösung ihres Zusammenhanges mit der ausgesprochenen Verhaftung - schlechthin für rechtmäßig erkläre; indem zu diesem Gesichtspunkt begründend resümiert wird, dass der Erstbeschwerdeführer insoweit in keinem (weiteren) verfassungsgesetzlich gewährleisteten und in keinem (weiteren) einfach-gesetzlich verbürgten Recht verletzt worden sei, wird klargestellt, dass sich die Abweisung (nur) auf die behauptete Rechtsverletzung und nicht auf die Qualität der Akte als solche bezieht. Durch diesen - nach dem Vorgesagten entbehrlichen - weiteren Abspruch wurde der Erstbeschwerdeführer nicht in Rechten verletzt, weil er auf die - von der Rechtswidrigerklärung des angefochtenen Verwaltungsaktes getrennte und über diese hinausgehende - Feststellung, dass er (auch) in anderen Rechten verletzt worden sei, keinen Anspruch hat (vgl. abermals das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1998, Zl. 97/01/0754). Von daher kommt den Beschwerdebehauptungen, die fortgesetzte Anwendung von Körperkraft seitens der Organe der Stadtpolizei bzw. der Bezirkshauptmannschaft Baden habe eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung des Erstbeschwerdeführers dargestellt, keine Relevanz zu. Aber auch der in diesem Zusammenhang geltend gemachte Verfahrensfehler, wonach die belangte Behörde hätte entscheiden müssen, ob der Erstbeschwerdeführer konventionswidrigen Misshandlungen iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt gewesen sei, liegt nicht vor, zumal in der Beschwerde an die belangte Behörde der Festnahme nicht zuordenbare Handlungen der einschreitenden Beamten nicht konkret geltend gemacht worden sind. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Zur Zweitbeschwerdeführerin:

3.1. Gemäß § 177 Abs. 1 Z. 1 StPO kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zwecke der Vorführung vor den Untersuchungsrichter in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 1 - insbesondere wenn der Verdächtige auf frischer Tat betreten wird - ausnahmsweise auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftlichen Anordnung vorgenommen werden.

Im vorliegenden Fall ging die belangte Behörde davon aus, dass die Zweitbeschwerdeführerin bei Begehung des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15, 269 StGB auf frischer Tat betreten worden sei. Die Zweitbeschwerdeführerin bekämpft diese, der Entscheidung zu Spruchpunkt II. 1. betreffend ihre Festnahme zugrundeliegende Beurteilung damit, dass auch ihre Widerstandshandlungen gegen die strafgesetzwidrige "zweite" Festnahme ihres Sohnes durch § 269 Abs. 4 StGB gedeckt gewesen seien. Sie knüpft dabei an jene den Erstbeschwerdeführer betreffenden Ausführungen in der Beschwerde an, mit denen der Auffassung der belangten Behörde, der fortgesetzte Widerstand des Erstbeschwerdeführers (nach der "zweiten" Festnahme) sei nicht mehr nach § 269 Abs. 4 StGB "gerechtfertigt" gewesen, entgegen getreten wird. (Für die Erledigung der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers war diese Frage aus den oben zu Punkt 2. dargelegten Erwägungen irrelevant; sie ist es, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, auch im gegebenen Zusammenhang.) Danach habe nicht nur die erste, auf § 35 VStG gestützte Festnahme des Erstbeschwerdeführers gegen strafgesetzliche Vorschriften (§ 303 StGB) verstoßen, sondern auch die in der Folge wegen §§ 15, 269 StGB ausgesprochene Festnahme nach der StPO, bezüglich derer die belangte Behörde zu Unrecht "bloß" materielle Rechtswidrigkeit (und nicht auch eine Verwirklichung nach § 303 StGB) angenommen habe. Dem Erstbeschwerdeführer wäre daher auch insoweit § 269 Abs. 4 StGB zugute gekommen, was auch auf die Widerstandshandlungen der Zweitbeschwerdeführerin durchschlagen müsse.

Mit dieser Argumentation verkennt die Zweitbeschwerdeführerin, dass nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde ihre zur Festnahme führenden Widerstandshandlungen nicht unmittelbar gegen die Behandlung ihres Sohnes, des Erstbeschwerdeführers, gerichtet waren. Zwar trifft es zu, dass sie gemäß den Sachverhaltsannahmen im bekämpften Bescheid ihrem am Boden liegenden Sohn zu Hilfe kommen wollte. Daran wurde sie jedoch - so die Feststellungen weiter - von drei namentlich genannten Beamten der Stadtpolizei und des Gendarmeriepostens Baden gehindert. Erst gegen dieses "Hindern" richtete sich die in der Folge ihre Festnahme auslösende Tätlichkeit der Zweitbeschwerdeführerin (Ohrfeige bzw. kräftiger Schlag mit der Hand gegen den Kopf eines Beamten), weshalb die strafrechtliche Beurteilung an der Amtshandlung "Hindern" anzusetzen hat. Dieses "Hindern" mag rechtswidrig gewesen sein; selbst wenn es - wie in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde behauptet (im bekämpften Bescheid wurden dazu keine näheren Feststellungen getroffen) - in Form eines "Gepacktwerdens" an den Handgelenken und eines Wegzerrens vom Ort der Auseinandersetzung zwischen dem Erstbeschwerdeführer und den mit diesem beschäftigten Beamten erfolgt sein sollte, so könnte darin jedoch noch keine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit im Sinn des § 303 StGB erblickt werden. Derartige Beeinträchtigungen liegen nämlich nicht vor, wenn der Freiheitsentzug entweder zu kurz ist, um fühlbar zu sein, oder nicht vollständig ist, etwa weil einem Angehaltenen zwar die Entfernung verwehrt, aber Kontakte mit anderen gestattet werden (Foregger/Kodek, StGB 6, Anm. II. zu § 303; vgl. auch Seiler, § 303 StGB, eine Bestimmung ohne praktische Bedeutung?, ÖJZ 1995, 88, oder VfSlg. 10.378). Ein Verstoß gegen strafgesetzliche Vorschriften kann in der Amtshandlung "Hindern" somit nicht erblickt werden, die einschreitenden Beamten waren dazu zumindest auch der Art nach berechtigt. Im Ergebnis kann ein gegen das besagte "Hindern" gesetzter Widerstand damit nicht nach § 269 Abs. 4 StGB straflos sein. Wenn die Zweitbeschwerdeführerin weiter ausführt, ihre Tätlichkeit sei nur eine Reflexbewegung und nicht tatbildmäßig im Sinn des § 269 StGB gewesen, so ist ihr zu entgegnen, dass es im gegebenen Zusammenhang lediglich darauf ankommt, ob seitens der einschreitenden Beamten die Begehung der in Rede stehenden strafbaren Handlung vertretbarer Weise angenommen werden konnte (vgl. etwa VfSlg. 10.112). Daran kann indes nach den Umständen des Falles kein Zweifel bestehen.

Auch der Hinweis auf § 3 StGB (Notwehr) vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Notwehr gegen rechtswidrige Amtshandlungen kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn die Rechtswidrigkeit im Sinn des § 269 Abs. 4 StGB in besonderer Weise qualifiziert ist (vgl. näher Nowakowski in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch 1, Rz 4 f. zu § 3). Ein Fall des § 269 Abs. 4 StGB lag jedoch bezüglich des "Hinderns" bzw. der dagegen gesetzten präsumtiven Widerstandshandlungen der Zweitbeschwerdeführerin, wie oben gezeigt, nicht vor.

3.2. Die im Zuge des gegenständlichen Vorfalls erfolgte Anwendung von Körperkraft gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin hat die belangte Behörde als gerechtfertigt und Maß haltend erachtet. Dem liegt sachverhaltsmäßig zugrunde, dass sie an den Oberarmen ergriffen und dass ihr in Anwendung der sog. Armwinkelsperre die Arme gewaltsam nach hinten und ihr gesamter Oberkörper nach unten verdreht worden sei. Bei Einschreiten ihres Ehegatten sei sie losgelassen worden.

Die Zweitbeschwerdeführerin bringt in diesem Zusammenhang vor, dass die belangte Behörde näher hätte darlegen müssen, wie sie trotz widersprüchlicher Aussagen der beteiligten Personen zu den getroffenen Feststellungen gelangt sei. Da sie dies unterlassen habe, habe sie die ihr obliegende Begründungspflicht verletzt. Dies stelle im Hinblick darauf einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, dass die belangte Behörde zur Feststellung hätte gelangen müssen, dass zwei Beamte die Zweitbeschwerdeführerin an den Händen gepackt, ihr die Hände auf den Rücken hinaufgedreht und ihren Oberkörper und Kopf auf die Kühlerhaube eines Pkw's gedrückt hätten und dass sie diese Misshandlungen erst bei Einschreiten des Ehegatten der Zweitbeschwerdeführerin beendet hätten.

Diese von der Zweitbeschwerdeführerin für richtig erachteten Feststellungen weichen indes nur geringfügig von den Sachverhaltsannahmen im bekämpften Bescheid ab; es tritt lediglich der Umstand hinzu, dass die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Oberkörper (und damit zwangsläufig auch mit dem Kopf) nicht bloß nach unten, sondern auf die Kühlerhaube eines Pkw's gedrückt worden sei. Nachdem dies auch nach den Behauptungen der Beschwerde nicht etwa mit einem Aufschlagen des Kopfes oder ähnlichem verbunden gewesen sein soll, kann diesem Umstand freilich keine maßgebliche Bedeutung zukommen. Es kann der belangten Behörde angesichts der zutage getretenen Gewaltbereitschaft der Zweitbeschwerdeführerin und angesichts der Eskalation der Gesamtsituation aber auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie die festgestellten Maßnahmen zur Abwehr weiterer Tätlichkeiten als gerechtfertigt und als nicht exzessiv erachtete. Dass bis zum Dazwischentreten des Ehegatten der Zweitbeschwerdeführerin und ihrem damit verbundenen Loslassen eine übermäßig lange Zeitspanne verstrichen wäre, sodass das Festhalten und Niederdrücken nicht mehr als Abwehrhandlung verstanden werden könnte, lässt sich den Behauptungen der Zweitbeschwerdeführerin nicht entnehmen.

3.3. Wie zu Punkt 3.1. gezeigt, war die auf § 177 StPO gestützte Festnahme der Zweitbeschwerdeführerin rechtmäßig. Das bedeutet freilich nicht, dass damit automatisch auch ihre spätere Anhaltung auf dem Gendarmerieposten Baden mit dem Gesetz in Einklang gestanden wäre.

Auszugehen ist davon, dass die Zweitbeschwerdeführerin über Intervention ihres Ehegatten gemäß den Feststellungen der belangten Behörde von den sie festhaltenden Beamten losgelassen wurde, sodass sie ins Haus flüchten konnte. Wenngleich dieser Vorgang nicht als formelle Enthaftung angesehen werden kann, so beendete er doch die faktische Verfügungsgewalt über die Zweitbeschwerdeführerin. Diese wurde auch nicht etwa dergestalt sofort wieder hergestellt, dass man ihr nachgeeilt wäre und sie abermals in Verwahrung genommen hätte. Vielmehr ließen die einschreitenden Beamten die Zweitbeschwerdeführerin unbehelligt im Haus zurück und begaben sich mit dem Erstbeschwerdeführer - und mit seinem gleichfalls verhafteten Bruder - zu ihrer Dienststelle. Die so tatsächlich beendete ursprüngliche vorläufige Verwahrung der Zweitbeschwerdeführerin vermochte nicht auf ihre spätere Anhaltung fortzuwirken. Insbesondere kann sie - als verwaltungsbehördliche Sofortmaßnahme im Dienste der Strafjustiz - nicht als Titel verstanden werden, der eine nachfolgende, vom ursprünglichen Zusammenhang gelöste Freiheitsentziehung rechtfertigte. Diese Freiheitsentziehung muss daher selbstständig und nicht als bloßer Annex zu der ursprünglich ausgesprochenen vorläufigen Verwahrung beurteilt werden.

Nähere Feststellungen zu der - nach dem Gesagten neuerlichen -

Festnahme der Zweitbeschwerdeführerin hat die belangte Behörde nicht getroffen. Im Hinblick darauf, dass der Haftgrund des § 175 Abs. 1 Z. 1 StPO einen direkten Zusammenhang zwischen Tatbegehung und Verhaftung voraussetzt bzw. ein unverzügliches reaktives Tätigwerden vor Augen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2000, Zl. 98/01/0451), konnte das behördliche Vorgehen rechtens aber jedenfalls nicht darauf gestützt werden. Es ist aber auch nicht zu sehen, dass ein anderer Haftgrund vorgelegen hätte, zumal bei der dann gemäß § 177 Abs. 1 Z. 2 StPO vorzunehmenden Beurteilung, ob Gefahr in Verzug bestand, ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2000, m.w.N.).

Der angefochtene Bescheid war daher im Ergebnis in seinem Spruchpunkt II. 3. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben; im Übrigen war jedoch auch die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. September 1993, Zl. 91/12/0208). Die belangte Behörde hat bloß S 2.800,-- an Schriftsatzaufwand angesprochen.

Wien, am 15. November 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010067.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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