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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ZustG §9 Abs1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/01/0262 E 15. November 2000 99/01/0263 E 15. November 2000 99/01/0264 E 15. November 2000 99/01/0265 E 15. November 2000 99/01/0266 E 15. November 2000 99/01/0267 E 15. November 2000 2000/01/0266 B 21. Dezember 2000Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der Z M in T, geboren am 1. Juli 1971, vertreten durch Mag. Werner Dax, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt - Technologiezentrum, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. März 1999, Zl. 206.621/1-III/07/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 Asylgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 16. März 1999 wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin, einer jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 4 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, als unzulässig zurückgewiesen, weil die Beschwerdeführerin in Ungarn Schutz vor Verfolgung finden könne.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, dass ihr der erstinstanzliche Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Dieser Bescheid sei nämlich nicht an den ausgewiesenen Rechtsvertreter, der allein zustellbevollmächtigt sei, sondern an dessen Mitarbeiter, Rechtsanwaltsanwärter Mag. S., zugestellt worden. Die belangte Behörde sei in ihrem Bescheid auf Grund eines Verfahrensmangels zum Ergebnis gekommen, dass der Zustellmangel gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz geheilt sei. Eine Heilung nach dieser Gesetzesstelle könne nur dadurch erfolgen, dass das zuzustellende Schriftstück tatsächlich in die Hände des Empfängers gelange. Der bloße Besitz des Schriftstückes, der auch durch Besitzdiener ausgeübt werden könne, oder auch die Kenntnisnahme vom Inhalt reichten für die Heilung nicht aus. Die belangte Behörde habe jedoch kein Ermittlungsverfahren zu der Frage durchgeführt, ob der erstinstanzliche Bescheid tatsächlich in die Hände des Beschwerdevertreters, der die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren vertreten habe, gelangt sei, und dazu keine Feststellungen getroffen.
Laut dem im Akt befindlichen Rückschein wurde der erstinstanzliche Bescheid am 11. Jänner 1999 an die Beschwerdeführerin "z.Hd. d. Rechtsvertreters Mag. S." (Abkürzung des Namens durch den VwGH) an die Adresse der Kanzlei des Beschwerdevertreters zugestellt und von Mag. S. eigenhändig übernommen. Die am 25. Jänner 1999 zur Post gegebene Berufung wurde vom Beschwerdevertreter verfasst und unterfertigt. In der mündlichen Verhandlung vom 16. März 1999 erschien für den Beschwerdevertreter Mag. S., der sich auf die Legitimationsurkunde vom 1. März 1999 berief, und brachte - erstmals - vor, dass in der Zustellverfügung betreffend den erstinstanzlichen Bescheid nicht der Beschwerdevertreter sondern dessen Mitarbeiter aufscheine. Dieser rechtliche Mangel sei nicht gemäß § 7 Zustellgesetz heilbar.
Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, wenn eine im Inland wohnende Person gegenüber der Behörde zum Empfang von Schriftstücken bevollmächtigt ist, diese Person als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.
Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung wäre der bereits im Verwaltungsverfahren bevollmächtigte nunmehrige Beschwerdevertreter als Empfänger des erstinstanzlichen Bescheides zu bezeichnen gewesen. Tatsächlich wurde jedoch die Beschwerdeführerin "z.Hd. d. Rechtsvertreters Mag. S." als Empfänger bezeichnet. In einem derartigen Fall tritt die Heilung nach dem zweiten Satz der zitierten Bestimmung ein, wenn das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zukommt, wobei das Zukommen einer Abschrift oder Fotokopie bzw. die bloße Kenntnisnahme vom Inhalt des Schriftstückes nicht ausreicht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 14. September 1992, Zl. 91/15/0044).
Vorliegend wurde der erstinstanzliche Bescheid jedenfalls an die Adresse der Kanzlei des Beschwerdevertreters zugestellt. Die Berufung wurde vom Beschwerdevertreter persönlich unterfertigt. Diese äußeren Umstände sprechen dafür, dass dem Beschwerdevertreter der Bescheid auch tatsächlich zugekommen ist. Wäre der Bescheid dem Beschwerdevertreter dennoch nicht zugekommen, so hätte die Beschwerdeführerin diesen - ausschließlich in der Sphäre ihres Vertreters gelegenen - Umstand im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht zu behaupten gehabt. Die Beschwerdeführerin hat jedoch im Verwaltungsverfahren - wie im Übrigen auch in der Beschwerde - niemals dezidiert behauptet, dass der erstinstanzliche Bescheid ihrem Vertreter nicht tatsächlich zugekommen sei.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Im Übrigen gleicht der Beschwerdefall in dem für die Entscheidung maßgeblichen Punkt - mögliche Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 4 AsylG wegen der bloß dreitägigen Berufungsfrist im "verkürzten" Verfahren nach dem ungarischen Asylgesetz (§§ 43 ff) - den mit Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zlen. 99/01/0408, 0409, entschiedenen Fällen.
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen. Auch im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde mit der Frage, ob die dreitägige Rechtsmittelfrist im abgekürzten Verfahren nach dem ungarischen Asylgesetz - der Inhalt dieses Gesetzes ist von Amts wegen zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284) - ausreicht, ein Mindestmaß an effektivem Rechtsschutz zu ermöglichen, nicht auseinander gesetzt.
Der angefochtene Bescheid war daher schon aus den im zitierten Erkenntnis angeführten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne auf die Frage einzugehen, ob die Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei über Ungarn in das Bundesgebiet eingereist, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof standhält.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1999010261.X00Im RIS seit
29.06.2001