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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der R in L, vertreten durch Dr. Karin Hermann, Rechtsanwältin in Graz, Mondscheingasse 6/I, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle
des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 17. November 1994, Zl. IVc 7022 B - Dr. Puy/Fe, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 12. September 1994 Arbeitslosengeld. Sie gab an, zuletzt vom 7. Jänner 1994 bis zum 11. September 1994 als Lehrerin arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein und seit dem Wintersemester 1992/93 einem Studium nachzugehen.
Mit Bescheid vom 3. Oktober 1994 wies das Arbeitsamt Graz den Antrag der Beschwerdeführerin ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gelte nicht als arbeitslos, wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang ausgebildet werde. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung seien nicht erfüllt.
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung wiederholte die Beschwerdeführerin u.a., sie studiere seit dem Wintersemester 1992/93 und sei zuletzt vom 7. Jänner 1994 bis zum 11. September 1994 in einer Hauptschule als Lehrerin angestellt gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde stellte fest, die Beschwerdeführerin sei im letzten Jahr vor dem Eintritt der Beschäftigungslosigkeit 248 Tage lang (neben ihrem Studium) beschäftigt gewesen. Die Zulassung einer Ausnahme von den Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG, wonach die Beschwerdeführerin wegen ihres Studiums nicht als arbeitslos gelte, setze voraus, dass sie vor dem Eintritt der Beschäftigungslosigkeit neben ihrem Studium "längere Zeit" hindurch beschäftigt gewesen sei. Als "längere Zeit" sei nach Ansicht der belangten Behörde ein Jahr anzusehen. Die Beschwerdeführerin weise im letzten Jahr aber "lediglich 248 Beschäftigungstage" auf, weshalb die Zulassung einer Ausnahme nicht möglich sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Argument, die Beschwerdeführerin erfülle die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat u.a. in diesem Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 16. Mai 1995, Zl. A 39/95, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, näher angeführte Satzteile der hier anzuwendenden Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. f und Abs. 4 AlVG in jeweils näher bezeichneten Fassungen als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 7. März 1996, G 72/95 u.a., den verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht angeschlossen und demgemäß u.a. den gegenständlichen Antrag abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, hat sich der Verwaltungsgerichtshof - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, auf Grund derer dieser die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 (die der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 im maßgebenden Zusammenhang vollkommen gleicht) befasst und ist dabei - soweit es im Beschwerdefall von Bedeutung ist - zum Ergebnis gelangt, dass bezogen auf einen dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen für die Dauer seines Studiums die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme (von der im § 12 Abs. 3 lit. f AlVG vorgesehenen Verneinung der Anspruchvoraussetzung der Arbeitslosigkeit) gemäß § 12 Abs. 4 AlVG die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als achtzehn Wochen grundsätzlich im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit voraussetzt. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.
Mit dieser Interpretation der hier anzuwendenden Rechtslage nach der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 steht die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsauffassung der belangten Behörde, für die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG bedürfe es einer dem Eintritt der Arbeitslosigkeit vorausgegangenen Parallelität von Studium und Beschäftigung im Ausmaß eines vollen Jahres, nicht im Einklang. Nach den in dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes näher erläuterten Kriterien hatte die Beschwerdeführerin im letzten Jahr vor dem Eintritt der Arbeitslosigkeit - auch bei Abzug der auf die Hauptferien entfallenden Zeit - eine für die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG ausreichende Parallelität von Studium und Beschäftigung aufzuweisen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996080143.X00Im RIS seit
18.10.2001