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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §16 Abs1 litg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien X, Favoritenstraße 108/3, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 10. März 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Abweisung eines Antrags auf Notstandshilfe gemäß § 37 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, die zuletzt bis zum 29. April 1990 Arbeitslosengeld bezogen hatte, beantragte am 27. April 1990 Notstandshilfe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 13. Juni 1990 wegen des anrechenbaren Einkommens des Ehegatten der Beschwerdeführerin mangels Notlage abgewiesen. In gleicher Weise wurde mit Bescheid vom 26. Juli 1991 für den Zeitraum bis zum 30. Juni 1991 über einen am 4. Juni 1991 von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Notstandshilfe entschieden. Ab dem 1. Juli 1991 bezog die Beschwerdeführerin - soweit ersichtlich, aufgrund desselben Antrages - Notstandshilfe bis zum 30. September 1991. Mit Bescheid vom 3. Oktober 1991 wurde entschieden, dem Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe werde "ab 1.10.91" mangels Notlage "keine Folge gegeben".
Am 4. März 1993 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich Notstandshilfe. Mit Bescheid vom 17. März 1993 wurde diesem Antrag wegen des anrechenbaren Einkommens des Ehegatten der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben.
Einen am 1. Juni 1994 gestellten Antrag auf Notstandshilfe zog die Beschwerdeführerin nach Belehrung zurück.
Am 10. November 1994 stellte die Beschwerdeführerin den beschwerdegegenständlichen Antrag auf Notstandshilfe. Mit Bescheid vom 24. Jänner 1995 gab das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien diesem Antrag "gemäß § 33 Abs. 5" AlVG wegen Verstreichens der Dreijahresfrist für den Fortbezug seit dem letzten Bezug bis zum 30. September 1991 keine Folge. Einen Hinweis auf das Nichtvorliegen von Fristerstreckungsgründen oder auch nur eine Wiedergabe der diesbezüglichen Vorschriften enthielt die Begründung des Bescheides nicht.
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass sie auch nach dem 30. September 1991 Anträge auf Gewährung der Notstandshilfe gestellt habe und laufend als arbeitssuchend vorgemerkt gewesen sei. Sie sehe eine Ungleichbehandlung darin, dass ihr die Notstandshilfe nicht zustehen solle, obwohl sie dem Arbeitsmarkt die ganze Zeit hindurch zur Verfügung gestanden sei, während durch die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit eine Fristerstreckung für den Fortbezug eingetreten wäre.
Mit dem angefochtenen, ohne weitere Ermittlungen erlassenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 37 AlVG keine Folge. Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der letzte Tag des Bezuges von Notstandshilfe - ungeachtet der erfolglosen Anträge vom 4. März 1993 und vom 1. Juni 1994 - der 30. September 1991 gewesen und die Fortbezugsfrist seither verstrichen sei. Zur Frage allfälliger Erstreckungszeiten führte die belangte Behörde nur aus, solche lägen nicht vor. Worauf sich dies gründet, ist dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmbar.
Dagegen richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin als Verfahrensmangel rügt, die Frage des Vorliegens von Erstreckungsgründen sei mit ihr im Verwaltungsverfahren nicht erörtert worden. Sie habe sich tatsächlich vom 7. Juni 1992 bis zum 29. Juni 1992 (23 Tage) und vom 11. Juni 1993 bis zum 5. Juli 1993 (25 Tage) jeweils im Ausland aufgehalten, was gemäß § 37 AlVG wegen der jeweils eingetretenen Verwirklichung eines Ruhenstatbestandes nach § 16 AlVG zur Folge gehabt habe, dass die Fortbezugsfrist - die die Beschwerdeführerin nach Ansicht der belangten Behörde um 41 Tage überschritten habe - sich um 48 Tage verlängert habe und daher gewahrt gewesen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 37 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung
der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 lautete:
Fortbezug der Notstandshilfe
§ 37. Wenn der Arbeitslose den Bezug der Notstandshilfe unterbricht, kann ihm innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des letzten Bezuges der Notstandshilfe, der Fortbezug der Notstandshilfe gewährt werden, sofern er die sonstigen Bedingungen für die Gewährung der Notstandshilfe erfüllt. Diese Frist verlängert sich um Ruhenszeiträume gemäß § 16 Abs. 1 und um Zeiträume einer selbständigen Erwerbstätigkeit, eines arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnisses oder einer Ausbildung, durch die der Arbeitslose überwiegend in Anspruch genommen wurde."
Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld - mit hier nicht maßgeblichen Einschränkungen - während des Aufenthaltes im Ausland.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist zunächst davon auszugehen, dass der Arbeitslose im Sinne des § 37 AlVG u.a. dann "den Bezug der Notstandshilfe unterbricht", wenn ihm diese aufgrund eines zu hohen Einkommens (hier: des Ehegatten) und des dadurch bewirkten Fehlens der Anspruchsvoraussetzung der Notlage nicht mehr gewährt wird. Der zutreffenden Ansicht der belangten Behörde, aus diesem Grund erfolglos gebliebene weitere Anträge seien nicht geeignet, die Fortbezugsfrist neu beginnen zu lassen, tritt die Beschwerdeführerin in der Beschwerde nicht mehr entgegen.
Zu prüfen ist daher unter dem Gesichtspunkt der Relevanz des von ihr geltend gemachten Verfahrensmangels, ob die behaupteten Auslandsaufenthalte der Beschwerdeführerin ungeachtet des - mangels gegenteiliger Behauptungen offenkundig - auch während dieser Zeit einem Leistungsanspruch entgegenstehenden Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung (hier: der Notlage) zu einer Verlängerung der Fortbezugsfrist führen konnten. Diese Frage hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 95/08/0340, für die in den maßgeblichen Voraussetzungen gleich lautende Vorschrift des § 19 Abs. 1 AlVG (Fortbezug des Arbeitslosengeldes) in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 bejaht, indem er seine Entscheidung auf die Erstreckungswirkung eines mehrjährigen Auslandsaufenthaltes stützte, wobei der damalige Anspruchswerber während des Auslandsaufenthaltes nicht arbeitslos gewesen war. Damit wurde für die Fristerstreckung - der Sache nach - nicht an das Ruhen eines nur wegen des Ruhensgrundes nicht aktualisierbaren Anspruches, sondern nur an die Tatbestandsvoraussetzungen des Ruhensgrundes selbst angeknüpft. Für § 37 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung und die Anspruchsvoraussetzung der Notlage kann nichts anderes gelten.
Der Verwaltungsgerichtshof ist weiters der Ansicht, dass eine auf § 37 AlVG gestützte Abweisung eines Antrages auf Notstandshilfe - die bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft den vorerst endgültigen Ausschluss von der zeitlich an sich unbegrenzten (wenn auch jeweils für bestimmte Zeiträume zu gewährenden) Notstandshilfe bedeutet - voraussetzt, dass die Frage möglicher Erstreckungsgründe mit der Partei erörtert und der für die Bejahung oder Verneinung dieser Frage - soweit die Wahrung der Fortbezugsfrist davon abhängen kann - maßgebliche Sachverhalt geklärt wird. Dies hat gerade dann, wenn die gesetzliche Dreijahresfrist, wie im vorliegenden Fall, nur geringfügig überschritten ist, Gegenstand eines sorgfältigen Ermittlungsverfahrens zu sein.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Statt des von der Beschwerdeführerin offenbar angesprochenen Schriftsatzaufwandes für die an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde und eines weiteren - wenngleich geringfügigen - Schriftsatzaufwandes für die Ergänzung der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin nach den erwähnten Vorschriften Anspruch auf den pauschalen Schriftsatzaufwand für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und die von ihr in diesem Verfahren aufgewendeten Beträge für Stempelmarken.
Wien, am 15. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996080013.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
27.02.2009