E12 420.672-1/2011-14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Vorsitzende und den Richter Dr. STEININGER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Islamische Republik Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.08.2011, Zl. 11 07.998-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 Z. 1 und 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF, als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:
I.1. Bisheriger Verfahrenshergang
I.1.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Islamischen Republik Pakistan (in weiterer Folge: Pakistan), brachte am 28.7.2011 beim Bundesasylamt (BAA) nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Dazu wurde er erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen. Der Verlauf dieser Einvernahmen ist im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen wieder gegeben, weshalb an dieser Stelle hierauf verwiesen wird.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der BF im Verfahren vor der belangten Behörde im Wesentlichen vor, dass er mit Leuten aus dem Dorf einen Grundstücksstreit gehabt habe. Im Zuge dieses Streites seien er und sein Bruder von den Gegnern geschlagen worden. Der Bruder des BF habe einen der Gegner angeschossen. Aus Angst vor Vergeltungsschlägen habe der BF Pakistan verlassen. Außerdem habe er religiöse Streitigkeiten mit den Schiiten gehabt.
I.1.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid des BAA gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).
I.1.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig und führte hierzu im Wesentlichen aus:
Der BF habe seine Ausreise zunächst damit begründet, dass er aufgrund von Grundstücksstreitigkeiten mit dem Umbringen bedroht worden sei. Diese Angaben habe er aber nur in den Raum gestellt, ohne dazu konkrete Angaben zu machen. Auch auf wiederholte Befragung habe der BF nicht einmal ansatzweise angeben können, von wem er bedroht worden sein soll. Dies sei aber nicht glaubwürdig, da der BF umgekehrt angegeben habe, dass es sich um Leute aus dem Dorf handle. Der BF habe stereotyp wiederholt, dass er die Ernte eingebracht habe und dass ihm diese Leute das Grundstück wegnehmen habe wollen. Nicht erklären habe er können, aus welchem Grund diese Personen das machen sollten. Dass es sich nur um eine auswendig gelernte Geschichte handle, ergäbe sich auch daraus, dass der BF zunächst davon gesprochen habe, mit seinem Bruder auf dem Feld gewesen zu sein. Auch hätten die Gegner vom Bruder des BF eine Kugel abbekommen. Wenig später habe der BF allerdings vom Cousin gesprochen. Später in der Einvernahme habe er wiederum den Bruder als Täter angegeben. Auch habe der BF dann angegeben, es sei nur eine Person verletzt worden. Auf Aufforderung, das Geschehen konkret zu schildern, habe der BF angegeben, es wäre zu dem Schuss gekommen. Er sei weg gelaufen und die Polizei sei hinter ihm her gelaufen. Die Frage, woher die Polizei denn so schnell gekommen sei, habe der BF dahingehend beantwortet, dass die Gegner diese angerufen hätten. Dies impliziere jedoch, dass der BF und sein Bruder auf das Eintreffen gewartet haben müssten, um danach vor der Polizei wegzulaufen. Weiter habe der BF vorgebracht, sein Cousin sei von der Polizei angeschossen worden. Er selbst habe jedoch entkommen können. Später habe er wiederum vorgebracht, der Bruder habe geschossen und die Polizei habe sie verfolgt. Der BF habe im Zuge der Einvernahme plötzlich angegeben, auch von der Polizei verfolgt worden zu sein. Abgesehen davon, dass er das ebenfalls lediglich in den Raum gestellt habe, könne auch aufgrund des Vorbringens kein Grund dafür erkannt werden. Probleme mit den Behörden seien vom BF jedoch verneint worden. Ebenso seien derartige Probleme später in der Einvernahme plötzlich nicht mehr angegeben worden. Zudem habe der BF angegeben, dass es seinem Bruder, dem eigentlichen Täter, gut gehe. Der BF habe auch das Interesse der nicht näher konkretisierten Leute an seiner Person nicht erklären können. Dazu habe er wenig logisch angegeben, dass er ja der Älteste sei. Auch sei eine Verfolgung des BF deshalb nicht logisch, da es sich nach seinen Angaben um ein Familiengrundstück handelt und der Vater noch am Leben ist. Aufgrund der vagen und unkonkreten Angaben, die sich zudem in wesentlichen Punkten widersprechen und zudem jeglicher Logik entbehren, sei dem BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen. Da ihm dies offenbar selbst bewusst wurde, habe er später in der Einvernahme plötzlich vorgebracht, er sei auch aus religiösen Gründen verfolgt worden, was er aber ebenfalls nicht glaubhaft machen konnte. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der BF eine religiöse Tätigkeit zu Beginn der Einvernahme dezidiert verneint habe. Auch bei der Erstbefragung habe er derartiges nicht erwähnt und die Frage nach weiteren Fluchtgründen verneint. Er habe dazu aber auch keine konkreten Angaben machen können. Ebenso habe er nicht begründen können, weshalb sich diese Bedrohung gerade auf seine Person beziehen sollte. Er habe dies vielmehr lapidar damit begründet, dass die Schiiten gegen die Sunniten seien. Dem Vorhalt, dass in diesem Fall auch die anderen Sunniten inklusive der Familie des BF gefährdet seien, habe der BF nicht entsprechend entgegen treten können.
I.1.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf das Bundesasylamt ausführliche Feststellungen.
I.1.2.3. Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.
I.1.2.4. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.3. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Neben Wiederholungen sowie allgemeinen rechtlichen und sonstigen Ausführungen brachte der BF im Wesentlichen vor:
Die belangte Behörde habe es unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Im Zuge einer von den Sunniten veranstalteten Prozession sei es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, bei denen 2 oder 3 Personen starben. Dazu habe die belangte Behörde keine Ermittlungen veranlasst. Ebenso sei die Bedrohung im Zuge der religiösen Auseinandersetzungen zwischen Schiiten und Sunniten nicht entsprechend gewürdigt worden. Der BF beantrage die Beigabe eines Rechtsberaters und die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.
I.1.4. Mit Beschluss des Asylgerichtshofes vom 11.8.2011 wurde dem BF gem. § 66 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. Art. 15 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1.12.2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft ein Rechtsberater beigegeben.
I.1.5. Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 22.4.2013 wurden den Verfahrensparteien die aktuellen, von der Beurteilung durch das BAA im Kern nicht abweichenden Länderfeststellungen zur asyl- und abschieberelevanten Lage in Pakistan mit der Einladung übermittelt, dazu binnen 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Der BF wurde gleichzeitig aufgefordert, integrationsbegründende Umstände bekannt zu geben und zu belegen. Stellungnahmen dazu sind bis dato nicht eingegangen.
I.1.6. Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes vom 21.5.2013 wurde dem BF gem. § 75 Abs. 16 AsylG 2005 idF BGBl. I. Nr. 67/2012 iVm. § 66 AsylG 2005 idF. FrÄG 2011 neuerlich ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.1.7. Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail und des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird ebenfalls auf den Akteninhalt verwiesen.
I.2. Basierend auf das Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende
Feststellungen zu treffen:
I.2.1. Der Beschwerdeführer:
Beim BF handelt es sich um einen verheirateten pakistanischen Staatsangehörigen, welcher sich zum Mehrheitsglauben des sunnitischen Islam bekennt. Der BF ist ein 40 - jähriger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten in dessen Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Der BF hat 10 Jahre die Grundschule besucht und spricht die Sprachen Urdu und Punjabi. Seinen Lebensunterhalt hat der BF in Pakistan vor seiner Ausreise durch die familieneigene Landwirtschaft bestritten.
Eltern, 3 Geschwister, Ehefrau und Sohn des BF leben nach wie vor in Pakistan.
Der BF hat keine relevanten familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich.
Die Identität des BF steht nicht fest.
I.2.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan:
Allgemeine Lage
Staatsaufbau, Politik, Wahlen
Die pakistanische Bevölkerung wird mit Stand Juli 2012 auf über 190.290.000 geschätzt. Pakistan ist damit der sechstbevölkerungsreichste Staat der Welt.
(CIA - Central intelligence Agency: World Factbook, 5.2.2013, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 7.2.2013)
Pakistan ist abwechselnd von demokratisch gewählten Regierungen und von Militärdiktaturen regiert worden. Im Herbst 2008 kehrte Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurück, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen.
Als sein Nachfolger wurde am 06.09.2008 Asif Ali Zardari, Witwer der am 27.12.2007 bei einem Attentat getöteten Benazir Bhutto und Ko-Vorsitzender der Pakistan People's Party PPP, zum neuen Präsidenten Pakistans gewählt. Pakistan wird seitdem von einer Koalitionsregierung unter Führung der PPP regiert.
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012)
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province / NWFP) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegende Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell von der Zentralregierung in Islamabad abhängig.
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 direkt vom Volke gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend ihrem Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.
Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel der Kommission war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Premierministers bei gleichzeitiger Schwächung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung.
Am 19. Juni 2012 wurde Premierminister Gilani vom Obersten Gerichtshof für abgesetzt erklärt. Grund dafür war, dass Gilani sich geweigert hatte, einen Beschluss des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit Korruptionsverfahren gegen Präsident Zardari umzusetzen. Am 22. Juni 2012 wurde der PPP-Politiker Ashraf mit den Stimmen der Regierungskoalition zum Nachfolger Gilanis gewählt.
(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2013)
Gilani hatte die Vorwürfe bestritten und argumentiert, dass der Präsident als Staatsoberhaupt Immunität besäße. Bei dem Verfahren gegen den Premierminister handelt es sich um eine Facette des Konfliktes zwischen Regierung und Justiz, hinter der das Militär vermutet wird.
(BBC News: Pakistani PM Gilani guilty of contempt but spared jail, 26.4.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-17848796, Zugriff 14.2.2013)
Das pakistanische Parlament hat Raja Pervez Ashraf mit großer Mehrheit zum Nachfolger des entmachteten Regierungschefs Yousuf Raza Gilani gewählt. 211 der 342 Abgeordneten stimmten laut Parlamentspräsidentin Fehmida Mirza für den Kandidaten der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP). Ashraf gehört wie Präsident Asif Ali Zardari und sein Vorgänger Gilani der PPP an und gilt als enger Vertrauter des Präsidenten.
(Zeit Online: Ashraf ist neuer Regierungschef in Pakistan, 22.6.2012,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-06/pakistan-regierungschef-ashraf, Zugriff 29.12.2012)
Pakistans Premierminister Ashraf bat die Schweizer Behörden einen alten Korruptionsfall gegen Präsident Asif Ali Zardari zu eröffnen und gibt damit dem Druck des zunehmend mächtiger werdenden Obersten Gerichtshofs nach.
(NDTV: Pakistan Prime Minister asks Swiss to reopen graft case against president, 7.11.2012,
http://www.ndtv.com/article/world/pakistan-prime-minister-asks-swiss-to-reopen-graft-case-against-president-289789, Zugriff 4.2.2013.)
Der Oberste Gerichtshof hatte [Anm. am 15.1.2013] die Verhaftung von Regierungschef Ashraf wegen Korruptionsvorwürfen angeordnet. Während seiner Amtszeit als Energieminister zwischen März 2008 und Februar 2011 soll er mehrere Millionen Dollar Schmiergeld für die Vergabe von Energieprojekten kassiert haben. Doch die zuständige Behörde weigert sich - weil die Ermittlungen schlampig gewesen sind, wie der Chefermittler selbst einräumt. Raja Pervez Ashraf bleibt auf freiem Fuß - vorerst.
(Spiegel-Online: Korruptionsvorwürfe in Pakistan: Fahnder verweigern Festnahme von Premier Ashraf, 17.1.2013, http://www.spiegel.de/politik/ausland/pakistan-ermittler-verweigern-festnahme-von-premierminister-ashraf-a-878081.html, Zugriff 5.2.2013)
Bei aller Unbeliebtheit der Regierung - die Wirtschaft liegt danieder, wichtige Reformen wurden nicht angepackt, die Korruption grassiert weiter - gibt es auch Lichtblicke. Die Zahl terroristischer Anschläge durch Radikalislamisten, Pakistans größtes Sicherheitsproblem, ist zuletzt zurückgegangen, abgesehen von der Stadt Karachi, die von politisch-religiös motivierten Unruhen erfasst ist. Und Erzfeind Indien wurden Handelsliberalisierungen angeboten, ein möglicher Weg, den Dauerkonflikt zu entschärfen.
(Zeit-online: Pakistan - Der Putschgeneral wartet schon, 19.1.2012, http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-01/pakistan-regierungskrise/seite-2, Zugriff 4.2.2013)
Seit Monaten bestimmen die im Frühjahr 2013 planmäßig anstehenden Neuwahlen zum Nationalparlament den innenpolitischen Diskurs Pakistans. Obwohl die regierende Pakistan Peoples Party (PPP) unter der Führung von Staatspräsident Ali Asif Zardari nicht müde wird, die historische Bedeutung seiner Amtszeit zu betonen, versäumt es seine Regierung doch, die notwendigen Vorbereitungen und Abstimmungen für fristgerechte Parlamentswahlen zu treffen, und einen nahtlosen Übergang zur nächsten Regierung zu ermöglichen. Am 16. März 2013 endet die fünfjährige Legislaturperiode der 13. Nationalversammlung Pakistans. Damit wird zum ersten Mal in der Geschichte des Landes eine demokratisch gewählte Zivilregierung bis zum Ende ihrer regulären Amtsperiode bestehen. Bis zum Ende des Berichtszeitraums steht allerdings kein Wahltermin fest. Die Regierung verspricht wiederholt, man werde rechtzeitig einen Wahltermin anberaumen, spätestens für Mai 2013. Am 17. März soll eine Übergangsregierung die Amtsgeschäfte übernehmen, die gemäß der Verfassung von der bis dahin amtierenden Regierung in Absprache mit der Führung der Opposition im Parlament, der Pakistan Muslim League unter der Führung von Nawaz Sharif (PML-N), zu ernennen ist.
Die Opposition zeigt sich besorgt, die Wahlen könnten unter dem Vorwand der instabilen Sicherheitslage - insb. in der Millionenmetropole Karatschi und der südwestlichen Provinz Belutschistan (s.u.) - verschoben werden. Mehrere Parteien drängen die Wahlkommission, einen Wahltermin vor Einsetzung einer Übergangsregierung bekannt zu geben. Genährt wird die Sorge um eine Wahlverzögerung auch durch die Entscheidung des Supreme Court of Pakistan, die Wahlkommission möge in Karatschi eine Neufassung der Wahlbezirke entlang ethnischer Grenzen durchführen. Beobachter befürchten, dass nun auch in anderen Landesteilen die Forderung nach neuen Wahlbezirksgrenzen laut werden könnte. Der Zuschnitt der Bezirke ist im Vielvölkerstaat Pakistan oft wahlentscheidend und war in der Vergangenheit bei Wahlgängen regelmäßig erbitterter Streitgegenstand ethno-politischer Partei- und Interessenvertreter.
(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan IV/2012, 17.1.2013,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_IV.pdf, Zugriff 11.2.2013)
Parlamentswahlen 2008
Aus den Parlamentswahlen am 18. Februar 2008 war die bis dahin oppositionelle Pakistan Peoples Party (PPP) unter der Führung von Asif Ali Zardari, dem Witwer der 2007 ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, als Sieger hervorgegangen. Ihre Parlamentsmehrheit reichte aber für eine Alleinregierung nicht aus. Sie schloss sich deshalb mit der zweitgrößten Partei, der PML-N des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, und zwei kleineren Parteien zu einer Koalition zusammen. Yousaf Rana Gilani (PPP) wurde am 24. März 2008 zum Premierminister gewählt.
Am 6. September 2008 wurde Zardari von der Nationalversammlung und den vier Provinzversammlungen zum neuen Präsidenten gewählt und am 9. September vereidigt. Politische Differenzen zwischen der PPP und der PML-N hatten wenige Tage zuvor am 25. August 2008 zum Austritt der PML-N aus der Regierungskoalition geführt. Die PPP führte seitdem eine Koalitionsregierung mit der MQM, der viertstärksten Partei im Parlament, sowie den kleineren Parteien ANP und JUI-F. Die JUI-F trat im Dezember 2010 aus der Regierung aus, danach verließ auch die MQM die Regierung. Anfang Mai 2011 gelang es der PPP, die PML-Q, die in der Regierungszeit Musharrafs gegründet worden war, als Koalitionspartner zu gewinnen. Im Sommer 2001 [Anmerkung: Fehler in Quelle, richtig 2011] kehrte auch die MQM in die Regierung zurück, so dass die PPP-Regierung über eine solide Mehrheit im Parlament verfügt. Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stehen turnusmäßig im Frühjahr 2013 an.
(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2013)
Allgemeine Sicherheitslage
Das Hauptaugenmerk der Armee liegt mehr und mehr auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben. 2009 ging die Armee mit zwei größeren Militäroperationen (im Sommer 2009 im Swat-Tal und im Oktober 2009 in Süd-Wasiristan) gegen die Taliban vor, die ihrerseits Anschläge auf militärische Einrichtungen auch außerhalb der umkämpften Gebiete ausübten (z.B. Selbstmordanschlag auf eine Kaserne in Mardan, Khyber-Pakhtunkhwa, am 10. Februar 2011 mit 32 Toten).
Pakistan ist mit einer erheblichen terroristischen Bedrohung durch die Taliban und andere jihadistische Gruppen konfrontiert. In den vergangenen Jahren hatten Talibangruppen in Teilen der sog. "Stammesgebiete" an der Grenze zu Afghanistan eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchgesetzt. Wesentliche Menschenrechte und Grundfreiheiten werden in diesen Gebieten verletzt; die Willkür der Taliban richtet sich nicht nur gegen politische Gegner, sondern auch gegen Schiiten und andere Minderheiten. Dabei kommt es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen mit so genannten "Lashkars" (Bürgerwehren, mit denen sich einzelne Stämme oder Dörfer gegen die Bedrohung der Taliban zur Wehr setzen).
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: September 2012)
Seit Ende April 2009 haben sich die militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den Taliban verschärft. Zuvor hatten die Taliban eine Vereinbarung mit der Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa im Februar 2009 genutzt, um die Herrschaft im Swat-Tal zu übernehmen und anschließend in zwei Nachbardistrikte vorzurücken. Die Armee antwortete daraufhin am 26. April 2009 mit einer Gegenoffensive und beendete die Taliban-Herrschaft im Swat-Tal. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. Daneben finden auch in anderen Teilen der FATA immer wieder Gefechte statt. Die Taliban reagieren auf diese Militäroperationen mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber Pakhtunkhwa und FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, Lahore und Faisalabad richten. Die Terroranschläge halten auch im Jahr 2012 an. Sie zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis.
Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, müssen in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden. Schließlich gilt es, die große Zahl interner Flüchtlinge zu bewältigen, die im Sommer 2009 auf die Zahl von 2,7 Mio. angestiegen war. Mittlerweile sind die Bewohner des Swat-Tals wieder zurückgekehrt. Dennoch wird die Zahl der Binnenflüchtlinge, vor allem aufgrund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, immer noch auf knapp eine Mio. geschätzt.
(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 14.2.2013)
Militante und terroristische Gruppen, darunter die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), eine militante Dachorganisation, zielten auf Zivilisten, Journalisten, Schulen, lokale Führungspersönlichkeiten, Sicherheitskräfte und Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden ab. Außerdem waren auch Angehörige von religiösen Minderheiten ein Ziel.
Die Regierung versuchte durch verschiedene Maßnahmen die Bevölkerung zu schützen. So wurden Aktionen gesetzt, um die terroristischen Gruppen zu schwächen und die Rekrutierung durch militante Gruppen einzuschränken. Es wurde gegen Mitglieder krimineller Banden und Kommandanten der TTP vorgegangen. Die Regierung betreibt auch weiterhin ein Zentrum zur Rehabilitation und Erziehung ehemaliger Kindersoldaten in Swat.
(USDOS - United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.5.2012)
Die Sicherheitslage im Punjab, in Kaschmir und Islamabad hat sich im Jahr 2011 wesentlich verbessert. In den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und den FATA ist die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle im Jahr 2011 jedoch gestiegen. Insgesamt gab es im Jahr 2011 in Pakistan 1.966 terroristische Anschläge. Dabei wurden 2.391 Menschen getötet. Zählt man die Opfer der terroristischen Anschläge, der militärischen Operationen, der Drohnen, der ethno-politischen Gewalt, der Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und der grenzüberschreitenden Gewalt zusammen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985 Zwischenfällen 7.107 Menschen getötet und 6.736 verletzt.
Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12 Prozent im Vergleich zu 2010 zurück (22 Prozent im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29 Prozent. Der Trend eines insgesamten Rückgangs von Gewaltvorfällen und Opferzahlen, der bereits im Jahr 2010 beobachtet werden konnte, hielt somit auch 2011 an. Die Sicherheitslage verbesserte sich langsam, die Gewalt hat in den Jahren 2010 und 2011 um 24 Prozent abgenommen. Dennoch gehört Pakistan zu den brisantesten Regionen der Welt.
Sicherheitsanalysten führen verschiedenen Gründe an, welche die Militanten davon abhielten, ihre Angriffe auszudehnen, wie die militärischen Operationen in Teilen der FATA, die gestiegene Überwachung durch die Rechtsdurchsetzungsbehörden und die Verhaftung von 4.219 Terror-Verdächtigen, aber auch die US-Drohnen, die Gespräche zwischen den Militanten und dem Staat und die Dezentralisierung der TTP.
Von den 1.966 terroristischen Anschlägen in ganz Pakistan 2011 fielen allein auf die beiden Unruheprovinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sowie die FATA zusammengenommen 1.827. Aus Karachi wurden 58 berichtet, aus den anderen Teilen der Provinz Sindh 21, aus dem Punjab 30, aus Gilgit-Baltistan 26, vier aus Islamabad und keine aus Azad Jammu und Kaschmir.
(Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012, http://san-pips.com/download.php?f=108.pdf, Zugriff 4.2.2013)
Militante, nationalistische und gewalttätige konfessionell motivierte Gruppen führten 2012 in Pakistan 1577 Terrorattacken aus, welche 2.050 Menschen töteten und 3.822 verletzten. Über 61 Prozent - 971 - wurden durch religiös motivierte militante Gruppen, hauptsächlich Tehrik-e-Taliban Pakistan, ausgeführt, die dabei 1.076 Menschen töteten und 2.227 verletzten. Die belutschischen und Sindhi nationalistischen Rebellengruppen führten 404 Anschläge durch, bei denen 437 Menschen getötet und 823 verletzt wurden. In 202 in Bezug auf die Glaubensausrichtung stehenden Terrorakten, die von verbotenen Gruppen, wie der TTP und mit ihr in Beziehung stehenden Gruppen ausgeführt wurden, wurden 537 Menschen getötet und 772 verletzt.
Mit 474 wurde die höchste Anzahl an Terroranschlägen 2012 aus Belutschistan berichtet, welches seit Jahren ein Unruheherd nationalistischer Rebellen und interkonfessioneller Gewalt ist. Die durch die Taliban und Militante heimgesuchten Khyber Pakhtunkhwa und die FATA sind die zweit- und drittbrisanteste Region des Landes mit 456 respektive 388 Terroranschlägen. 187 Terroranschläge wurden aus Karatschi gemeldet und 28 aus anderen Teilen Sindhs, 26 aus Gilgit Baltistan, 17 aus dem Punjab und eine aus der Bundeshauptstadt Islamabad. Das zweite Jahr in Folge gab es keinen berichteten Terroranschlag aus Azad Jammu und Kaschmir.
Es gab diverse Taktiken durch die Terroristen: eine erhebliche Zahl dieser Anschläge, 587 bzw. 37 Prozent, waren gezielte Tötungen (in diesem Wert sind 177 Fälle politisch motivierter gezielter Tötungen nicht inkludiert). Andere signifikante Taktiken waren u.a. Selbstmordanschläge (33), improvisierte Sprengkörper (375 Anschläge), ferngesteuerte Bombenexplosionen (139), Handgranaten
(75) oder Köpfungen (9).
Die höchste Anzahl an berichteten Todesopfern bei Anschlägen gab es in der FATA und in Belutschistan, 631 Personen wurden in jeder der beiden Regionen getötet, 1.095 wurden in der FATA bei den Attentaten verletzt, 1.032 in Belutschistan. In Khyber Pakhtunkhwa wurden bei Anschlägen 401 Menschen getötet und 1.081 verletzt. Eine signifikante Anzahl von Toten bei Terrorakten wird auch von Karatschi berichtet, 272 Tote und 352 Verletzte. Terroranschläge töteten 17 Menschen im inneren Sindh und 22 in Gilgit Baltistan.
Werden die Todesopfer von Terroranschlägen, Operationen durch die Sicherheitskräfte und deren Zusammenstöße mit Militanten, ethnopolitische Gewalt, Drohnenangriffe, Gewalt zwischen den Stämmen und zwischen den Militanten, interreligiöse Zusammenstöße, religiös-kommunale Gewalt, grenzübergreifende Zusammenstöße und Attacken sowie Zusammenstöße zwischen kriminellen Banden bzw. zwischen diesen und der Polizei zusammengerechnet wurde 2012 5.047 Menschen getötet und 5.688 in 2.217 Anschlägen und Zusammenstößen unterschiedlicher Art verletzt.
2012 war ein Jahr der gemischten Reaktionen durch den Staat und die Gesellschaft auf kritische Sicherheitsbedrohungen in Pakistan. Der Trend eines Rückgangs der Anzahl der Vorfälle von Gewalt und Todesopfern, der 2010 begann, hielt auch 2011 und 2012 an. Es entwickelte sich etwas Klarheit über die institutionelle Herangehensweise für den Umgang mit der Terrorismusbedrohung, aber die Ermordung des Khyber Pakhtunkhwa Ministers Bilour und der Anschlag auf die junge Friedensaktivistin vom Swat-Tal Malala Yousafzai, dämpfte den Optimismus. Auf den Umstand, dass die Sicherheitsbehörden, die lange nicht den wachsenden Einfluss von Extremisten auf das Land erkennen wollte, diesen nun formal als Bedrohung anerkannte, muss aufgebaut werden. Koordination und Vertrauen mangeln zwischen den verschiedenen Geheimdienst- und Rechtsdurchsetzungsabteilungen. Die öffentliche Meinung ist noch geteilt, wie mit den Terroristen in den Stammesgebieten umgegangen werden soll, aber die militärischen Offensiven im Swat und in Südwasiristan reduzierten die Bedrohung des Terrorismus auf das Land. Ein Rückgang von Terroranschlägen im Land um 24 Prozent wurde nach diesen Operationen erfasst.
Vor den allgemeinen Wahlen sind die politischen Parteien nicht gewillt, eine klare Haltung einzunehmen. Viele Herausforderungen haben das Potential die interne Sicherheit in der nächsten Zeit zu schwächen. Der Anstieg der Gewalt zwischen den Glaubensrichtungen, die höheren ethnopolitischen Spannungen in Karatschi, die Tehrik-e-Taliban Pakistan und ihre Verbündeten, die Situation in Belutschistan bleiben ernste Sicherheitsherausforderungen für das Jahr 2013, besonders vor dem Hintergrund der anstehenden allgemeinen Wahlen 2013.
(Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2012, 4.1.2013, herunterzuladen unter http://san-pips.com/index.php?action=reports&id=psr_list_1, Zugriff 5.2.2013)
Zielgerichtete Anschläge auf Personen oder Gruppen, die sich gegen die Tehreek-i Taliban Pakistan (TTP) aussprechen, halten im Berichtszeitraum an. Neben Trauerumzügen werden vermehrt auch Moscheen zu Anschlagszielen, die von Mitgliedern von Pro-Regierungsmilizen aufgesucht werden. Die Anschläge konzentrieren sich auf die Provinz Khyber-Paschtunistan (KPK) und die Stammesgebiete im Grenzgebiet zu Afghanistan (Federally Administered Tribal Areas, FATA). Auch Angehörige der schiitischen Minderheit werden weiterhin zielgerichtet angegriffen.
(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan I/2012, 5.4.2012,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_I.pdf, Zugriff 13.2.2013)
Im Berichtszeitraum weitet die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ihre Angriffe auf pakistanische Sicherheitskräfte und ihre Einrichtungen aus. Nicht nur in der vorwiegend betroffenen Provinz Khyber-Paschtunistan (PKP), sondern auch in anderen Landesteilen kommt es zu Anschlägen. Am 16. August wird der Luftwaffenstützpunkt Minhas von schwerbewaffneten TTP-Kämpfern angegriffen. Der Angriff auf einen der größten und bestgesicherten Luftwaffenstützpunkte des Landes kann erst nach einem mehrstündigen Feuergefecht und dem Einsatz von Kommandosoldaten der Special Service Group (SSG) beendet werden. Alle neun Angreifer sowie zwei Soldaten werden getötet.
Schiiten sind im Berichtszeitraum weiterhin Ziel von Angriffen. Im Norden des Landes stoppen neuerlich TTP-Kämpfer in Armeeuniformen drei Busse auf ihrem Weg von Rawalpindi nach Gilgit. Nach der Kontrolle der Ausweispapiere erschießen sie alle 20 schiitischen Businsassen. Dies ist bereits der dritte Vorfall dieser Art im laufenden Jahr.
(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan III/2012, 10.10.2012,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_III.pdf, Zugriff 5.2.2012)
Immer wieder kommt es im Berichtszeitraum zu teils schweren Anschlägen und Attentaten, die in einer Gewaltwelle zum Jahresende kulminieren. Auch im 4. Quartal stehen viele Attentate im Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Die meisten Angriffe ereignen sich in Karatschi, doch auch in der Provinz Belutschistan sterben zahlreiche Menschen. Ende November werden landesweit die Sicherheitsmaßnahmen anlässlich des Aschura-Festes in bislang ungekanntem Ausmaß erhöht. Dennoch kommt es während dem zehntägigen Trauerritual der Schiiten zu zahlreichen Anschlägen in ganz Pakistan, bei denen Dutzende Menschen ums Leben kommen. In einer landesweiten Welle der Gewalt sterben in der vorletzten Woche des Jahres 2012 mindestens 75 Menschen durch Anschläge. Beobachter verbinden die drastische Zunahme der Gewalt mit den bevorstehenden Parlamentswahlen. Militante Kräfte würden versuchen, die politische Lage zu destabilisieren und den Wahltermin zu torpedieren.
(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan IV/2012, 17.1.2013,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_IV.pdf, Zugriff 11.2.2013).
Allein mindestens 82 Tote [spätere Quellen um die 90] forderte der Doppelanschlag in einer Billardhalle in einem Schiiten-Viertel der Provinzhauptstadt Quetta [Belutschistan, am 10.1]. Zu der Tat bekannte sich nun die sunnitische Extremistengruppe Lashkar-i-Jhangvi. Sie unterhält Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida und den radikalislamischen Taliban. Der Anschlag auf den Billardclub in Quetta war der schwerste seit fast zwei Jahren. Zudem war es der blutigste Anschlag auf die schiitische Minderheit in Pakistan überhaupt. Ein weiterer Bombenangriff wurde aber offenbar von Separatisten verübt. Insgesamt starben am Donnerstag [10.1] mindestens 114 Menschen.
(Spiegel-online: Sunniten bekennen sich zu Anschlägen in Pakistan, 11.1.2013,
http://www.spiegel.de/politik/ausland/sunnitische-terrorgruppe-bekennt-sich-zu-anschlaegen-in-pakistan-a-876945.html, Zugriff 5.2.2013)
Von den 92 Toten des Doppelanschlages gehörten 86 der schiitischen Hazara Minderheit an.
(Dawn: Desperate Hazaras want army rule in Quetta, 12.1.2013, http://dawn.com/2013/01/12/relatives-refuse-to-bury-blast-victims-hold-sit-in-with-coffins-desperate-hazaras-want-army-rule-in-quetta/, Zugriff 12.2.2013.)
Bei einem erneuten Anschlag in einer überwiegend von schiitischen Hazara bewohnten Enklave in Quetta starben [am 16.2.2012] mindestens 84 Personen. Schiiten protestieren und verurteilen die Unfähigkeit der Regierung die Anschläge zu verringern. Angehörige weigern sich die Toten zu begraben und halten einen Sitzstreik ab. Auch in anderen Städten kam es zu Protesten.
(New York Times: Shiite Protesters Demand Arrests After Deadly Bombing in Pakistan, 17.2.2013, http://www.nytimes.com/2013/02/18/world/asia/explosion-in-crowded-market-kills-dozens-in-pakistan.html?partner=rss&emc=rss&_r=0, Zugriff 18.2.2013)
Überschwemmungen
Im Juli 2010 stand ein Fünftel Pakistans aufgrund von unerwartet starken Monsunregenfällen im Nordwesten des Landes unter Wasser. Etwa 20 Millionen Menschen in den Provinzen Khyber-Pakthunkhwa, Punjab und Sindh waren davon betroffen.
Auch [2011] verursachten starke Regenfälle Anfang August große Zerstörungen im Süden des Landes. In der Provinz Sindh [waren] mehr als 8,5 Millionen Menschen von der Flut betroffen und mehr als 1,5 Millionen Häuser wurden beschädigt. Etwa 450 Menschen - darunter 115 Kinder - kamen binnen weniger Tage ums Leben.
(HSS - Hanns Seidel Stiftung: Projektland Pakistan, III/2011, http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2011_III.pdf, Zugriff 29.8.2012)
Pakistan wurde in der zweiten Jahreshälfte 2010 von der größten humanitären Krise seiner Geschichte getroffen, als starke Monsunregenfälle Anfang August eine Reihe sintflutartiger Überschwemmungen in allen Provinzen des Landes auslösten. Fast 2.000 Tote waren zu beklagen, ein großer Teil der Infrastruktur (Straßen, Brücken, Schulen) wurde in den betroffenen, v.a. flussnahen, Gebieten beschädigt oder komplett zerstört. Mitte April 2011 wurden offiziell die letzten flutbedingten humanitären Hilfsmaßnahmen im Land beendet, der Wiederaufbau ist eingeleitet worden.
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)
Der Süden Pakistans wurde im September 2011 erneut von einer Flutkatastrophe betroffen, als starke Monsunregenfälle zu schweren Überschwemmungen, vor allem in der Provinz Sindh führten. Von der Flutkatastrophe waren dort und in Belutschistan rund 5,4 Mio. Menschen betroffen.
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan vom 2.11.2012, Stand: September 2012)
Die Pakistanische Regierung reagierte langsam auf die erneute Flut [vom August 2011] in der südlichen Provinz Sindh. Bei den Überschwemmungen starben über 300 Menschen und es wurden 1,4 Millionen Häuser beschädigt oder zerstört.
(Reuters: Factbox: Key political risks to watch in Pakistan, 12.12.2011,
http://www.reuters.com/article/2011/12/12/us-pakistan-risks-idUSTRE7BB08S20111212, Zugriff 5.2.2013)
Bei Überschwemmungen durch Monsunregen sind in Pakistan in den vergangenen fünf Wochen [August, September 2012] mehr als 450 Menschen gestorben. Insgesamt seien mehr als fünf Millionen Menschen von den Fluten betroffen, teilte die nationale Katastrophenschutzbehörde am Mittwoch mit. Wie schon bei Überschwemmungen in den vergangenen zwei Jahren leben die meisten Betroffenen der Katastrophe in der Provinz Sindh im Süden des Landes.
(DerStandard.at: Mehr als 450 Tote bei Überflutungen in Pakistan, 17.10.2012,
http://derstandard.at/1350258581257/Mehr-als-450-Tote-bei-Ueberschwemmungen-in-Pakistan, Zugriff 5.2.2013)
Humanitäre Hilfsorganisationen sind vor Ort, um von den Fluten Betroffen Unterstützung zu leisten.
(UN OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs: Pakistan, Monsoon Monsoon Situation Report No. 7, 8.11.2012,
http://reliefweb.int/report/pakistan/pakistan-monsoon-situation-report-no-7-2012, Zugriff 4.2.2013)
Mit Stand 10.1.2013 sind laut FAO 97,6% des Flutwassers abgeebbt, 374 km² Land sind weiterhin unter Wasser in den Bezirken Jacobabad, Qambar Shadhad Kot und Dadu. 4,8 Millionen Menschen wurden von den Fluten betroffen.
(UNICEF Pakistan Update 2012 Floods: Needs and Response 19 December 2012 - 18 January 2013, 18.1.2013, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNICEF%202012%20Floods%20Update%2018%20January%202013.pdf, Zugriff 5.2.2013)
Menschenrechte
Allgemein
Pakistan ist den folgenden internationalen Abkommen zum Schutz der Menschenrechte beigetreten:
¿ Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung
¿ Übereinkommen über die Rechte des Kindes;
¿ Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau;
¿ Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe;
¿ Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte.
(U.K. Home Office: Country of Origin Information Report, Pakistan, 7.6.2012)
Pakistan hat im Juni 2010 den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Konvention gegen Folter ratifiziert. Nach der Ratifikation des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im April 2008 hat Pakistan damit eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Kodifikationen ratifiziert. Die bei den Ratifikationen der Konventionen eingereichten, sehr weitreichenden Vorbehalte, die den Schutzbereich der Konventionen teilweise erheblich eingeschränkt haben, wurden am 14. September 2011 größtenteils zurückgezogen.
Die pakistanische Verfassung enthält in einem eigenen Abschnitt über Grundrechte auch eine Reihe wichtiger menschenrechtlicher Garantien. Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab. Polizei und Justiz unterlaufen häufig Fehler bei der Untersuchung von Straftaten. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichtshöfe sind zudem überlastet: Gerichtsverfahren ziehen sich nicht selten über Jahrzehnte hin. Auch die seit dem Ende der Militärherrschaft wieder erstarkte Judikative ist bisher noch nicht in der Lage gewesen, einen besseren gerichtlichen Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten.
(Auswärtiges Amt: Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik, Stand: März 2012,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 2.8.2012)
Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert. Kapitel 1, Teil II der Verfassung ist den Grundrechten gewidmet. Art. 4 §§ 1 und 2 der Verfassung garantieren den Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, die nur auf der Basis der geltenden Gesetzgebung eingeschränkt werden dürfen, den Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum. Art. 9 der Verfassung verbietet willkürliche Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist nach wie vor in Pakistan nicht abgeschafft, s. III.3.). Art. 24 Abs. 2 garantiert den Schutz vor willkürlicher Enteignung persönlichen Eigentums und Art. 25 § 1 die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Art. 25 § 2 der Verfassung verbietet Diskriminierung auf Grund des Geschlechts. Art. 37 sichert eine kostengünstige und zügige Rechtsprechung zu.
Zwischen Verfassungsanspruch und Realität besteht eine erhebliche Diskrepanz. Teil VII der Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Judikative, die zwar eine politische Stärkung erfahren hat, die aber insgesamt gesehen nach wie vor ineffizient und v.a. in den unteren Gerichtsinstanzen auch weitgehend wirkungslos ist.
Seit 2008 gibt es ein Ministerium für Menschenrechte; im Dezember 2008 wurde von der Regierung ein Gesetzentwurf zur Wiedereinrichtung einer staatlichen Menschenrechtskommission eingebracht; bislang ist das Gesetz aber vom Parlament noch nicht verabschiedet worden.
Fälle von Verschwindenlassen (Journalisten, Aktivisten, Terrorverdächtige oder Stammesführer) durch die Sicherheitskräfte stammen überwiegend aus der Zeit der Militärdiktatur, kommen aber immer noch vor. 2010 hat die Human Rights Commission of Pakistan 34 neue Fälle registriert, davon 28 in Belutschistan.
Nach der Rückkehr zur Demokratie setzte die Regierung im Mai 2008 zwei Untersuchungsausschüsse zur Suche nach verschwundenen Personen ein. Gemäß Angaben der "Bewegung zu Aufklärung von Fällen erzwungenen Verschwindenlassens" wurden bis Oktober 2009 650 Personen identifiziert; 416 Fälle sind beim Obersten Gerichtshof anhängig.
Der Oberste Gerichtshof hat sich seit Anfang Januar 2010 der Thematik der "verschwundenen Personen" angenommen und damit Regierung und Sicherheitskräfte unter Druck gesetzt, die Aufklärung der ungeklärten Fälle zu beschleunigen.
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)
Die größten Probleme im Bereich Menschenrechte stellen die außergerichtlichen Tötungen, Verschwinden von Personen und Folter durch Sicherheitskräfte, aber auch Militante, Terroristen und extremistische Gruppen dar.
(USDOS - United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.5.2012)
Religion
Religionsfreiheit
Pakistan hat gegenwärtig etwa 185 Millionen Einwohner. Ca. 96% sind Muslime (hiervon wiederum ca. 75% Sunniten und 25% Schiiten), die übrigen 4% der Bevölkerung sind Christen (1,5%), Hindus (1,6%) und Ahmadis (0,25%) sowie Sikhs, Parsis, Zikris, Bahais, Buddhisten und Kalasha.
(BAMF- Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011)
Die Verfassung und andere Gesetze schränken die Religionsfreiheit ein. In der Praxis setzte die Regierung diese Einschränkungen auch durch. Die Regierung unternahm einige Schritte um die Religionsfreiheit und die Toleranz zu erhöhen, wie zum Beispiel die Gründung des Ministeriums der Nationalen Harmonie als Nachfolge des Ministeriums für Minderheiten und die Ernennung eines Sonderberaters für nationale Minderheiten nach der Ermordung des Ministers für Minderheiten. Es gab Berichte über gesellschaftlichen Missbrauch und Diskriminierungen aufgrund der Religion. Gesellschaftliche Intoleranz und Gewalt gegen Minderheiten und Muslime, die sich für mehr Toleranz einsetzen nahmen zu. Es kam zu einem Anstieg von Gewalt und Bedrohungen gegen religiöse Minderheiten und Muslimen, die sich für Toleranz und Pluralismus einsetzen (z. B. Anhänger des Sufismus) durch Extremisten, die die religiösen Spannungen weiter verschärften. In einigen Teilen des Landes verlangten Extremisten von der Bevölkerung die Befolgung ihrer autoritären Interpretation des Islam und drohten mit brutalen Konsequenzen, falls diese nicht befolgt würde. Es gab einige Angriffe auf Versammlungen und religiöse Plätze von Ahmadis, Hindus, Sufis und Schiiten, bei denen es zahlreiche Tote und große Zerstörungen gab.
Von den 342 Parlamentariern sind 13 Mitglieder einer religiösen Minderheit. Zehn davon haben Sitze inne, die religiösen Minderheiten vorbehalten sind und drei für Frauen reservierte. Im Senat sind vier Sitze für religiöse Minderheiten reserviert - je einer für jede Provinz.
(USDOS - US Department of State: 2011 International Religious Freedom Report - Pakistan, 30.7.2012)
Seit 1990 verbietet § 295 a PPC das absichtliche Verletzen religiöser Objekte oder Gebetshäuser, § 295 b PPC die Entweihung des Koran, § 295 c PPC die Beleidigung des Propheten Mohammed. Die letztgenannte Norm sieht auch bei unabsichtlicher Erfüllung des Tatbestandes der Prophetenbeleidigung zwingend die Todesstrafe vor. In den meisten Fällen wird auf Druck von Extremisten im erstinstanzlichen Urteil die Todesstrafe verhängt; Berufungsgerichte heben solche Urteile aber wieder auf. So wurde bislang kein Todesurteil in einem Blasphemiefall vollstreckt. Im März 2005 wurde die Angabe der Religionszugehörigkeit in Reisepässen erneut eingeführt.
Der Staat unternimmt große Anstrengungen, die inter-konfessionelle Gewalt einzugrenzen. Dennoch kommt es zwischen radikalen und gemäßigten Sunniten sowie zwischen radikalen Sunniten und der der schiitischen Minderheit (bis zu 20% der Muslime Pakistans) immer wieder zu Gewaltakten. 2010 starben bei 152 religiös motivierten Anschlägen 663 Menschen, zumeist bei Anschlägen auf religiöse Stätten (insbes. Sufi-Schreine) und Prozessionen. Zu besonderen Feiertagen der Glaubensgemeinschaften setzt die Polizei große Kontingente ein, um Übergriffe zu verhindern. Besonderes Angriffsziel sektiererischer Gewalt waren in den vergangenen sechs Jahren auch die schiitischen Hazara-Gemeinden in Belutschistan mit 98 Todesopfern und 250 Verletzten (2010).
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)
Artikel 20 der pakistanischen Verfassung von 1973 garantiert die freie Religionsausübung, was auch den Wechsel zu einer anderen Religion beinhaltet.
Es gibt in Pakistan keine strafrechtliche Bestimmung, die Apostasie bzw. Konversion für strafbar erklärt. Es gibt auch kein Missionierungsverbot, außer für Ahmadis (Artikel 298 C pakistanisches Strafgesetzbuch: Strafandrohung bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe und / oder Geldstrafe).
Im Jahr 2010 hat sich - trotz der Bemühungen der pakistanischen Regierung zum Schutze der religiösen Minderheiten - die Anzahl der kritischen Vorfälle erhöht, in denen deren Rechte durch organisierte Gewalttäter verletzt wurden. Ferner wurden Vorfälle bekannt, in denen Sicherheitskräfte Angehörige religiöser Minderheiten in Haft misshandelt haben. Außerdem wird ihnen und anderen Offiziellen vorgeworfen, dass sie nicht adäquat gegen die gesellschaftliche Diskriminierung, religiöse Intoleranz und Akte von Gewalt und Bedrohung von Seiten anderer gesellschaftlicher Akteure gegen Angehörige dieser Minderheiten vorgegangen sind. Hinzu kommt das Vorhandensein von Gesetzen, die religiöse Minderheiten diskriminieren und Anlass zur Strafverfolgung bieten, wobei hier insbesondere die Strafandrohungen gegen die Ahmadiyya-Gemeinschaften zu nennen sind, die zudem auch bei der Ausübung ihres religiösen Glaubens behindert werden.
Im Jahr 2010 wurden 418 Muslime verschiedener Glaubensrichtungen in Pakistan durch andere Muslime wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit getötet und 963 wurden verletzt. Opfer waren Angehörige der sunnitischen hanafitischen Barelvi Muslime, die traditionelle Glaubenspraktiken, darunter auch der Verehrung von Heiligen (Sufis) und deren Gräber anhängen. Die Hanafi sind mit 50% Anteil an der islamischen Bevölkerung die zahlenstärkste muslimische Gruppe in Pakistan. Die Barelvi werden von den Deobandi und den Ahle Hadith, zwei weiteren sunnitischen Glaubensrichtungen, wegen der Verehrung von Sufi-Heiligen und deren Gräbern sowie sonstiger Praktiken abgelehnt und von Extremisten unter diesen bekämpft.
Auch die Barelvi lehnen die Anschauungen der anderen sunnitischen Sekten ab. Rd. 64% aller religiösen Schulen und Seminare werden von Deobandis, 25% von Barelvis, 6% von Ahle Hadith und 3% von schiitischen Organisationen betrieben. Vielfach wurden auch Schiiten Opfer sunnitischer Extremisten, wobei sich diese Vorfälle meist in Städten abspielten. Häufig wurden Selbstmordattentäter auf schiitische Prozessionen angesetzt. Es kam auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen sunnitischen und schiitischen Stämmen in den Stammesgebieten auf dem Land in der Nähe der Grenze zu Afghanistan.
(BAMF- Informationszentrum Asyl und Migration: Lage der Religionsgemeinschaften in ausgewählten islamischen Ländern, August 2011)
Radikale religiöse Gruppen bedrohten auch 2011 Angehörige religiöser Minderheiten wie Ahmadiyya, Christen, Hindu und Schiiten sowie gemäßigte Sunniten und stachelten zu Gewalt gegen alle Befürworter einer Reformierung der Blasphemie-Gesetze auf. Die Behörden waren nicht in der Lage, solche Angriffe gegen religiöse Minderheiten zu verhindern oder die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen.
(AI - Amnesty International: Jahresbericht 2012, 24.5.2012)
Die Lage der Religionsfreiheit blieb im Berichtszeitraum äußerst schlecht. Eine Reihe pakistanischer Gesetze beschränken die Religions- und Meinungsfreiheit. Regierungsfeindliche Elemente, die eine intolerante Interpretation des Islam unterstützen, begingen weiterhin Gewalttaten gegen andere Muslime und religiöse Minderheiten. Die Antwort der Regierung auf religiös motivierten Extremismus bleibt, trotz zunehmender Militäroperationen unzureichend.
(USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom: Annual Report 2012, (1.4.2011 -29.2.2011), März 2012)
Die Lage der religiösen Minderheiten (v.a. Christen und Hindus) sowie der Ahmadis, die vom pakistanischen Staat als Nicht-Muslime klassifiziert werden, ist weiterhin schwierig. Eine Bedrohung geht von militanten Organisationen v.a. gegen Christen, Ahmadis, Schiiten und gemäßigte Sunniten aus. Gewalttäter gehen aufgrund von Korruption, lokalen Feudalstrukturen und der Ineffizienz der Justiz jedoch häufig straffrei aus.
(Auswärtiges Amt: Pakistan, Staatsaufbau/Innenpolitik, Stand: März, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 2.8.2012)
Im Jahr 2011 wurden mindestens 389 Personen bei Gewalttaten gegen verschiedene muslimische Konfessionen getötet und 601 verletzt. Die Konfliktherde waren die Distrikte Karachi, Lahore, Hangu und Nowshera in Khyber Pakhtunkhwa, Quetta und Mastung in Belutschistan und Khyber und Kurram in der FATA.