TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/04 S6 422286-2/2013

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Veröffentlicht am 04.07.2013
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Spruch

S6 422.286-2/2013/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.05.2013, Zl. 13 05.441-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 4 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Der Beschwerdeführer stellte erstmalig am 15.09.2011 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.10.2011 gemäß § 5 AsylG 2005 zurückgewiesen, da eine Zuständigkeit Ungarns festgestellt wurde. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen.

 

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.01.2012, Zl. S6 422.286-1/2011/8E, gemäß §§ 5 und 10 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

Das Erkenntnis erwuchs am 31.01.2012 in Rechtskraft.

 

Der Beschwerdeführer wurde am 08.03.2012 nach Ungarn überstellt.

 

Spätestens am 26.04.2013 reiste der Beschwerdeführer abermals unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein.

 

Am 26.04.2013 stellte er seinen zweiten, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

In seiner Erstbefragung vom selben Tag vor der Polizeiinspektion Traiskirchen, Erstaufnahmestelle Ost, gab dieser an, nach seiner Überstellung von Österreich nach Ungarn am 08.03.2012 zweieinhalb Monate in Haft gewesen zu sein, danach hätte er bis August 2012 in Ungarn gelebt. Er sei in Ungarn als Flüchtling anerkannt worden und lege hiezu seinen ungarischen Konventionspass Nr. XXXX, ausgestellt am XXXX, vor. Er sei danach nach Deutschland gereist und habe am 06.09.2012 dort einen Asylantrag gestellt. Die Polizei in Deutschland wäre nicht in Kenntnis darüber, dass er einen Konventionspass von Ungarn besitze. Am 25.04.2013 habe er Deutschland nach Österreich verlassen.

 

Danach befragt, ob es Gründe gebe, die gegen eine neuerliche Überstellung nach Ungarn sprechen würden, gab der Beschwerdeführer an, dass er in Ungarn keine Unterkunft hätte.

 

Anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, am 08.05.2013 gab der Beschwerdeführer an, kein Geld in Ungarn bekommen zu haben, einige Tage hätte er zu essen bekommen, dann wieder nichts. Sechs Monate nach seiner Rückkehr habe man ihn aus dem Lager entlassen wollen, er sei dann mit Landsleuten nach Deutschland gefahren. Er wolle nicht nach Ungarn zurück, da er dort nichts habe.

 

Anlässlich seiner weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 15.05.2013 gab der Beschwerdeführer an, die ihm angebotene Rechtsberatung abzulehnen, da er bereits im Jahr 2011 zu seinem Erstverfahren eine Rechtsberatung bekommen habe, diese aber nichts gebracht habe. Er fühle sich gut und könne der Einvernahme folgen. Er habe in Österreich, der EU, Norwegen, der Schweiz oder Island keine Verwandten und lebe auch mit niemandem in einer Familien- oder Lebensgemeinschaft. Er lehne es ab, nach Ungarn zurückzukehren, da es dort keine Unterkunft gebe, außerdem würden Asylwerber nicht mit Achtung behandelt. Er sei zwei Monate im Gefängnis gewesen und hätte er nach Serbien zurückkehren müssen, was er jedoch abgelehnt habe.

 

Zu den ihm in der letzten Einvernahme ausgehändigten Länderfeststellungen zu Ungarn wolle er im Gegenzug Unterlagen über Ungarn vorlegen, welche er von der Diakonie bekommen habe (Internetausdrücke von Pro Asyl und UNHCR). Darin werde angeführt, wie schlecht Somali in Ungarn behandelt würden.

 

Er wolle auch noch angeben, dass er aus dem Jahr 2005 einen Bruch der Nase habe, wodurch er schlecht Luft bekomme. In Ungarn habe er dies angegeben, dort sei aber nichts diesbezüglich geschehen.

 

2. Mit Bescheid vom 16.05.2013, Zl. 13 05.441-EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn aus und sprach überdies aus, dass gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn zulässig sei.

 

Die Erstbehörde stellte im Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer vor seinem zweiten in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn aufhältig gewesen wäre und dort ein Asylverfahren betrieben hätte, welches mit der Zuerkennung des Status eines anerkannten Flüchtlings geendet habe. Der Beschwerdeführer habe keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht, dass er tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Ungarn Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung einer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte.

 

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde sowie Beschwerdeergänzung vom 14.06.2013. Darin wird ausgeführt, dass im Bescheid die Rede davon sei, dass die medizinische Versorgung in Ungarn gewährleistet sei und der Beschwerdeführer als anerkannter Flüchtling in Ungarn die gleichen Rechte wie ungarische Staatsbürger hätte. Die Behörde stütze sich dabei auf die Länderberichte, welche jedoch keinerlei Aussagen zur Situation von anerkannten Flüchtlingen in Ungarn und demnach keinerlei Informationen zur Drittstaatsicherheit in Ungarn beinhalten würden. Die Entscheidung sei daher mangels konkreter auf den Fall bezogener Länderberichte als willkürlich zu beurteilen.

 

Auch seien dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen in deutscher Sprache ausgehändigt worden, seien ihm zu keinem Zeitpunkt übersetzt worden und sei ihm auch für die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme keine angemessene Frist eingeräumt worden. Weiters wäre der Beschwerdeführer in arabischer Sprache einvernommen worden, derer er großteils mächtig wäre, seine Muttersprache sei jedoch Somali. Somit könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer der Einvernahme in allen Teilen folgen habe können.

 

Zur Lage in Ungarn für bereits anerkannte Flüchtlinge werde auf Berichte im Internet verwiesen, nämlich zu einer Studie aus dem Jahr 2009 von UNHCR Ungarn, ein Bericht von bordermonitoring.eu von 2012 sowie auf einen Bericht des ungarischen Ombudsmanns zur Obdachlosigkeit von Flüchtlingen aus dem Jahr 2011. Insbesondere halte UNHCR im Bericht fest, dass das Leben für somalische Flüchtlinge mangels Community enorme Schwierigkeiten mit sich bringe. Zusammengefasst würden die Länderberichte zu erkennen geben, dass anerkannte Flüchtlinge nur sechs Monate Zugang zu einer staatlichen Versorgung und Obdach hätten. Für die Zahlung von Sozialleistungen sei jedoch eine ordentliche Wohnadresse Voraussetzung. Außerdem habe der Beschwerdeführer in Ungarn keinerlei medizinische Versorgung bekommen, dies trotz dem Umstand, dass er somalischer Herkunft sei und bekannt sei, dass in Somalia seit Jahrzehnten Krieg herrsche und gerade Flüchtlinge aus diesem Kriegsgebiet traumatisiert seien. Außerdem sei der Nasenbruch auch nicht behandelt worden.

 

In der Beschwerdeergänzung wird auf Verschärfungen in der Asylgesetzgebung in Ungarn hingewiesen und ein Bericht von Hungarian Helsinki Committee vom Juni 2013 beigelegt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch die zuständige Richterin über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

2.1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG sind, soweit sich aus dem AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Fremde in einem Staat, zu dem ein Vertrag über die Bestimmungen der Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz oder die Dublin-Verordnung nicht anwendbar ist, Schutz vor Verfolgung finden kann (Schutz im sicheren Drittstaat).

 

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung besteht Schutz im sicheren Drittstaat, wenn einem Fremden in einem Staat, in dem er nicht gemäß § 8 Abs. 1 bedroht ist, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention offen steht oder im Wege über andere Staaten gesichert ist (Asylverfahren), er während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt ist und er dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - hat, sofern er in diesem gemäß § 8 Abs. 1 bedroht ist. Dasselbe gilt bei gleichem Schutz vor Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für Staaten, die in einem Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention bereits eine Entscheidung getroffen haben.

 

Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung sind die Voraussetzungen des Abs. 2 in einem Staat widerlegbar dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet hat, das die Grundsätze dieser Konvention, der EMRK und des Protokolls Nr. 6, Nr. 11 und Nr. 13 zur Konvention umgesetzt hat.

 

Gemäß Abs. 4 leg.cit. ist der Antrag auf internationalen Schutz trotz Schutz in einem sicheren Drittstaat nicht als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine mit der Zurückweisung verbundene Ausweisung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

 

Gemäß Abs. 5 leg.cit. tritt die Entscheidung außer Kraft, wenn ein Fremder, dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß Abs. 1 als unzulässig zurückgewiesen wurde und aus faktischen Gründen, die nicht in seinem Verhalten begründet sind, nicht binnen drei Monaten nach Durchsetzbarkeit der Entscheidung zurückgeschoben oder abgeschoben werden konnte.

 

Der vorliegende Antrag auf internationalen Schutz wurde von der Erstbehörde zu Recht gemäß § 4 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen, weil der Beschwerdeführer als Asylberechtigter in Ungarn bereits Schutz im sicheren Drittstaat genießt.

 

Asylberechtigte fallen auch nicht unter den Anwendungsbereich der Dublin-Verordnung, weshalb eine Entscheidung nach § 5 AsylG 2005 nicht in Betracht kommt (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, Art. 2, K19).

 

Im Beschwerdefall hat das Bundesasylamt das Vorliegen der Drittstaatsicherheit Ungarns im Sinne des § 4 AsylG geprüft, zudem hat es sich mit der konkreten individuellen Situation des Beschwerdeführes befasst. Dem Bundesasylamt ist auch dahingehend zuzustimmen, dass in Ungarn eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte nicht stattfindet. Es ist zudem nicht erkennbar, dass Ungarn etwa eine mit der GFK unvertretbare rechtliche Sonderposition verträte. Des Weiteren ist Ungarn im AsylG unter den als "sichere Herkunftsstaaten" aufgezählten Staaten angeführt (§ 39 Abs. 1 Z 24 AsylG). Konkrete Einwände, die das Vorliegen der in Abs. 2 des § 4 AsylG normierten Voraussetzungen substanziiert in Zweifel ziehen könnten, wurden nicht erhoben.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen der Auffassung an, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Schutz in Ungarn iSd § 4 AsylG finden kann.

 

Es ist notorisch bekannt, dass anerkannten Flüchtlingen in Ungarn dieselben Rechte zustehen wie ungarischen Staatsbürgern. In diesem Sinne ist auch den im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zu entnehmen, dass legal aufhältige Ausländer, worunter zweifellos anerkannte Flüchtlinge zu zählen sind, arbeiten dürfen. Schon aus diesem Grund kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer die Lebensgrundlage entzogen wäre.

 

Ebenso lässt sich den Länderfeststellungen entnehmen, dass verschiedene NGOs existieren, die AW, subsidiär Schutzberechtigten und Flüchtlingen unterschiedliche Leistungen anbieten. Die größten und aktivsten sind:

 

Menedék - Association for Migrants: Unterstützt alle Fremden bei der Integration in Ungarn; unterhält verschiedene Hilfsprogramme und vertritt die Interessen und Rechte von Migranten gegenüber Politik, Verwaltung und Medien.

 

The Artemisszió Foundation: Unterstützt soziale Integration; interkulturelle Trainingskurse; Verteilung von Unterrichtsmaterial usw.

 

The Hungarian Helsinki Committee (HHC): Überwacht die Beachtung der Menschenrechte in der Behandlung von AW; stellt Rechtsbeistände für Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch Staatsorgane; Infokampagnen für die Öffentlichkeit; besondere Konzentration auf Haftbedingungen und das Recht auf Verteidigung und Gleichheit vor dem Gesetz. HHC ist Umsetzungspartner des UNHCR und hat seit 1997 ein Abkommen mit den ungarischen Behörden, das es ihm erlaubt die Hafteinrichtungen des Landes zu überprüfen. Seit 1998 bietet HHC Asylwerbern Rechtshilfe. Vertragsanwälte des HHC besuchen regelmäßig Einrichtungen, in denen Fremde festgehalten werden.

 

The Hungarian Interchurch Aid: Unterstützung für Bedürftige; unterhält als eine der größten ungar. NGOs soziale Einrichtungen und Entwicklungsprogramme; bietet humanitäre Hilfe und unterstützt Flüchtlinge; unterhält ein Heim für UAM.

 

(EMN - European Migration Network; ANNUAL POLICY REPORT 2010. Developments in Hungarian Migration and Asylum Policy 1 January 2010 - 31 December 2010 / EMN - European Migration Network: The Organisation of Asylum and Migration Policies in Hungary, 2009)

 

Festzuhalten ist auch, dass der Beschwerdeführer mehrmals verschiedentlich seine Lage in Ungarn beschrieben hat, gab er in seiner Erstbefragung an, Ungarn verlassen zu haben, da er keine Unterkunft gehabt habe, so gab er in der nächstfolgenden Einvernahme bereits an, auch zeitweise nichts zu essen gehabt zu haben, in der letzten Einvernahme steigerte er sein diesbezügliches Vorbringen dahingehend noch, dass er nicht mit Achtung behandelt worden wäre und auch keine medizinische Behandlung bekommen hätte. Auch der VwGH hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).

 

Der Beschwerdeführer gab weiters an, dass ihm am XXXX der Konventionsreisepass ausgestellt worden wäre und er ebenfalls im August 2012 Ungarn nach Deutschland verlassen habe, was mit der im EURODAC-System ersichtlichen Asylantragstellung am 06.09.2012 in Deutschland in Einklang gebracht werden kann.

 

Er ist daher nicht ersichtlich, dass er dem ungarischen Staat überhaupt die Möglichkeit geboten habe, ihm als anerkannten Flüchtling Schutz und Recht zukommen zu lassen.

 

Sofern in der Beschwerdeergänzung auf angebliche Verschärfungen in der Asylgesetzgebung verwiesen wird, ist festzuhalten, dass ein konkreter Bezug zum Beschwerdeführer, welcher bereits den Status eines anerkannten Flüchtlings in Ungarn innehat, nicht hergestellt wurde und keine erkennbaren grundsätzlichen schwerwiegenden Defizite im ungarischen Asylverfahren erkannt werden können, womit im Ergebnis die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 greift, wonach ein Asylwerber in einem "Dublin-Staat" Schutz vor Verfolgung findet.

 

2.2. Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Zum gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass dieser angegeben hat, im Jahr 2005 einen Bruch der Nase erlitten zu haben, wodurch er schlecht Luft bekomme. Weiters wurde in der Beschwerde geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer in Ungarn keinerlei medizinische Versorgung bekommen habe, dies trotz des Umstandes, dass er somalischer Herkunft und bekannt sei, dass in Somalia seit Jahrzehnten Krieg herrsche und gerade Flüchtlinge aus diesem Kriegsgebiet traumatisiert seien.

 

Vor dem Hintergrund des sich aus den drei Einvernahmen ergebenden guten Allgemeinzustandes sowie des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 15.05.2013 in Anwesenheit eines Rechtsberaters einvernommen wurde, Letzterer aber keine Anträge gestellt hat, kann kein Fehler in der Ermittlungstätigkeit des Bundesasylamtes festgestellt werden. Sofern keine konkreten Hinweise auf eine existenzbedrohende psychische Beeinträchtigung vorliegen, trifft das Bundesasylamt keine Verpflichtung zur Einholung eines Gutachtens. Selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich an Nasenbeschwerden sowie psychischen Beeinträchtigungen zu leiden hätte, würde sich lediglich die Frage stellen, ob seine Überstellung nach Ungarn mit unzumutbaren, Art. 3 verletzenden Folgen verbunden wäre. Dafür haben sich im Verfahren jedoch keine Hinweise ergeben. Nach Angaben des Beschwerdeführers war dieser weder bei einem Arzt in Österreich vorstellig noch hat er vorgebracht, sich hier in stationärer Behandlung befunden zu haben, womit letztlich keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Ungarn aufgekommen sind. Auch bis dato wurden keine medizinischen Unterlagen vorgelegt und erachtet der Asylgerichtshof es somit nicht für notwendig, weitere Erhebungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers respektive die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zu veranlassen.

 

Im Übrigen ist auf die getroffenen Länderfeststellungen zu verweisen, wonach ersichtlich ist, dass bei der Versorgung psychisch kranker Asylwerber die ungarische Nichtregierungsorganisation Cordelia Foundation eine wichtige Rolle spielt. Diese stellte im Jahr 2009 850 gefolterten und/oder traumatisierten Asylwerbern psychiatrische und psychosoziale Hilfe zur Verfügung.

 

Die Cordelia Foundation verfügt über mehrere Psychiater (inkl. einen Kinderpsychiater), Psychologen, Sozialarbeiter, Übersetzer usw., die in einem "rehabilitation team" von 11 Personen mit den Traumatisierten in den Flüchtlingszentren Békéscsaba, Bicske und Debrecen des Amtes für Immigration und Nationalität arbeitet.

 

Der Asylgerichtshof hegt keine Zweifel, dass dem Beschwerdeführer während seines ungarischen Asylverfahrens medizinische Hilfe zuteil geworden wäre bzw. werden wird, wenn eine diesbezügliche Notwendigkeit festgestellt wird.

 

Sofern in der Beschwerde vorgebracht wurde, der Beschwerdeführer habe möglicherweise den Einvernahmen sprachlich nicht zur Gänze folgen können, ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer nach jeder der drei Einvernahmen gefragt wurde, ob er den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe und der Einvernahme folgen habe können. Diese Frage beantwortete er jedes Mal mit "Ja" (AS 33, 45, 65). Die Protokolle aller drei Einvernahmen wurden dem Beschwerdeführer rückübersetzt und bestätigte er, dass es sich um seine eigenen, vollständigen Angaben handle, dass diese der Richtigkeit entsprechen und er alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen habe. Die Ausführungen in der Beschwerde gehen daher ins Leere.

 

Ebenso wenig ist darin ein Verfahrensfehler zu erblicken, dass dem Beschwerdeführer die Länderfeststellungen in der Einvernahme vom 08.05.2013 in deutscher Sprache übergeben wurden, wurde ihm doch gleichzeitig mitgeteilt, dass er sich diesbezüglich an seinen Rechtsberater wenden könne und die Möglichkeit habe, bis zur nächsten Einvernahme am 15.05.2013 eine Stellungnahme einzubringen bzw. wurde ihm auch in der Einvernahme vom 15.05.2013 die Möglichkeit gegeben, hiezu Stellung zu beziehen. Der Beschwerdeführer brachte hierauf vor, dass er Unterlagen über Ungarn vorlege und dies als seine Stellungnahme zu werden sei. Es kann somit nicht der geringste Verfahrensfehler erblickt werden; wenn der Beschwerdeführer überdies vermeint, dass er die ihm angebotene Rechtsberatung ablehne, da ihm eine solche bereits im Jahre 2011 nichts gebracht habe, so liegt dies in seinem eigenen Ermessen, kann jedoch keinen wie immer gearteten Fehler im Ermittlungsverfahren begründen.

 

3. Zur Ausweisung des Beschwerdeführers nach Ungarn (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Hinsichtlich der vom Beschwerdeführer bekämpften Ausweisung ist festzuhalten, dass das Bundesasylamt eine korrekte Überprüfung im Sinne der Rechtsprechung vorgenommen hat. Den Ausführungen zu Spruchpunkt II des Bescheides des Bundesasylamtes ist seitens des Asylgerichtshofes für den konkreten Fall und unter Heranziehung sämtlicher Erwägungen zu Spruchpunkt I oben zuzustimmen. Hier ist auf den kurzen Zeitraum des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich zu verweisen; er brachte vor, in Österreich keine Verwandten oder Bekannten zu haben; besondere Aspekte, die iSd § 10 Abs. 2 AsylG 2005 geeignet wären, die Ausweisung aus Österreich dennoch als unzulässig erscheinen zu lassen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Drittstaatsicherheit, gesteigertes Vorbringen, medizinische Versorgung, Rechtsschutzstandard, unverzügliche Ausreiseverpflichtung
Zuletzt aktualisiert am
10.07.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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