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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der ET, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 2. Februar 2011, Zl. 156.918/2-III/4/10, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück.
Zur Begründung führte sie aus, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin, ein philippinischer Staatsangehöriger, persönlich am 2. Mai 2008 einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger beantragt habe. Im Zuge des Verfahrens über diesen Antrag sei die von ihm unterfertigte schriftliche Vollmachtserklärung vorgelegt worden, womit er der Beschwerdeführerin Vollmacht zu seiner Vertretung "im Verfahren über seinen Antrag vom 2.5.2008" erteilt habe. Das Verwaltungsverfahren über diesen Antrag sei mit Zustellung des Bescheides vom 15. Juli 2009 an die Beschwerdeführerin abgeschlossen worden.
Am 27. November 2009 habe der Ehemann der Beschwerdeführerin neuerlich einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger beantragt. Im Verwaltungsverfahren über diesen Antrag habe sich die Beschwerdeführerin erneut auf dieselbe von ihrem Ehemann unterfertigte schriftliche Vollmachtserklärung berufen und eine Fotokopie derselben vorgelegt. Der Landeshauptmann von Wien habe als erstinstanzliche Behörde ein als Bescheid bezeichnetes Schriftstück der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung zugestellt. Gegen dieses "im Spruch zitierte Schriftstück" habe die Beschwerdeführerin am 8. Juli 2010 die verfahrensgegenständliche Berufung erhoben.
Eine Vollmacht entfalte - so die belangte Behörde - nur in dem Verfahren, in welchem sie "erklärt" worden sei, Wirksamkeit und könne für das gesamte Verfahren oder nur für Teile desselben "erklärt" werden. Unzulässig sei es hingegen, eine "Generalvollmacht" für alle künftig anfallenden Verfahren zu erteilen. Der für ein Verfahren Bevollmächtigte könne nur mit Willen der Partei auch in einem anderen Verfahren als Bevollmächtigter angesehen werden.
Außer Zweifel stehe die Bevollmächtigung der Beschwerdeführerin im ersten Verfahren über den Antrag ihres Ehemannes, das bereits rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Hingegen sei der Wille des Ehemannes, auch im Verfahren über seinen Antrag vom 27. November 2009 von der Beschwerdeführerin vertreten zu werden, aus der von ihr vorgelegten Fotokopie der schriftlichen Vollmachtserklärung nicht zu entnehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG hätte sich die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren erneut durch eine neue schriftliche Vollmacht als Bevollmächtigte auszuweisen gehabt.
Da in Ermangelung einer Vertretungsvollmacht der Beschwerdeführerin auch keine Zustellvollmacht zugekommen sei, habe die Zustellung des im Spruch zitierten Schriftstückes keine rechtliche Wirksamkeit entfalten können. Eine Berufung dürfe jedoch nur gegen einen rechtswirksam erlassenen Bescheid gerichtet werden. Die Berufung sei der Beschwerdeführerin selbst zuzurechnen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde bestreitet die rechtswirksame Zustellung des in der Verwaltungssache des Ehemannes der Beschwerdeführerin erlassenen Bescheides mit der Begründung, dass die Beschwerdeführerin im neuen Verfahren nicht wirksam bevollmächtigt worden sei.
Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.
Eingangs ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdeführerin in beiden Verwaltungsverfahren vorgelegte Vollmacht, ihren Ehemann zu vertreten, keine Einschränkung auf ein bestimmtes Verfahren enthält.
Grundsätzlich hat eine Bevollmächtigung in dem Verfahren, in dem der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen ist, verfahrensrechtliche Wirkungen. Dies meint die belangte Behörde offensichtlich mit ihren Ausführungen, es sei unzulässig, eine Generalvollmacht "für alle künftig anfallenden Verfahren" zu erteilen. Ihre Meinung, dass in einem weiteren Verfahren eine neue Vollmacht erteilt werden müsse und die bereits erteilte uneingeschränkte Vollmacht keine weiteren Wirkungen haben könne, entbehrt jedoch einer Rechtsgrundlage. Selbstverständlich kann in einem weiteren Verfahren auf eine bereits der Behörde ausgewiesene Vollmacht verwiesen werden, sofern diese keine Einschränkung enthält. Die Entscheidung, ob von einer schon beigebrachten Vollmacht auch in anderen Verfahren Gebrauch gemacht wird, bleibt der Partei und ihrem Vertreter überlassen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. August 2008, Zl. 2008/22/0607).
Durch die neuerliche Vorlage der unbeschränkt erteilten Vollmacht hat die Beschwerdeführerin ausreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auch in diesem Verfahren auf diese Vollmacht beruft. Hätte die Behörde Bedenken gehabt, dass dies auch dem Willen des Vertretenen entspricht, hätte sie diesbezügliche Erhebungen anstellen können. Nicht rechtskonform ist jedoch ihre Vorgangsweise, die neuerlich vorgelegte Vollmacht ohne Weiteres als unbeachtlich anzusehen.
Wurde aber der Bescheid rechtswirksam zugestellt, war die Zurückweisung der Berufung verfehlt.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 29. Mai 2013
Schlagworte
Beginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungVertretungsbefugnis Inhalt UmfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2013:2011220130.X00Im RIS seit
08.07.2013Zuletzt aktualisiert am
27.08.2013