TE Vwgh Erkenntnis 2013/5/29 2011/22/0082

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Veröffentlicht am 29.05.2013
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ZustG §17 Abs1;
ZustG §17 Abs3;
ZustG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 25. Jänner 2011, Zl. 317.946/13-III/4/11, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der in Österreich geborene Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, brachte am 11. November 2005 einen Verlängerungsantrag betreffend eine ihm erteilte Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck gemäß § 13 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 ein.

Mit Erledigung vom 26. Februar 2007 wies der Bürgermeister der Stadt Salzburg für die Landeshauptfrau diesen Antrag gemäß § 19 Abs. 2 und 3 sowie § 29 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) iVm § 6 bis § 9 NAG-Durchführungsverordnung (NAG-DV) zurück. Der Beschwerdeführer habe nicht am Verfahren mitgewirkt und es insbesondere trotz Aufforderung verabsäumt, die nach den genannten Bestimmungen erforderlichen Urkunden und Beweismittel vorzulegen.

Die genannte Erledigung wurde nach zwei Zustellversuchen vom 28. Februar und 1. März 2007 an der Meldeadresse des Beschwerdeführers (einem Gasthof) beim zuständigen Postamt hinterlegt, eine Behebung durch den Beschwerdeführer ist nicht erfolgt. In einem Bericht vom 6. Februar 2008 hielt das Landespolizeikommando Salzburg fest, laut Auskunft des Inhabers (des erwähnten Gasthofes) sei der Beschwerdeführer "seit geraumer Zeit nach 'unbekannt' verzogen, eine neue Meldeadresse scheine jedoch nicht auf".

Nach Vollmachtsbekanntgabe durch den nunmehrigen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erließ der Bürgermeister der Stadt Salzburg am 7. November 2007 einen der Erledigung vom 26. Februar 2007 entsprechenden, mit 5. November 2007 datierten Bescheid, durch den - mit identer Begründung - der genannte Antrag des Beschwerdeführers vom 11. November 2005 zurückgewiesen wurde.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2008 behob die belangte Behörde über Berufung des Beschwerdeführers den genannten Bescheid vom 5. November 2007 gemäß § 66 Abs. 4 AVG (offenbar im Sinne einer ersatzlosen Behebung). Begründend verwies sie darauf, dass bereits mit Bescheid vom 26. Februar 2007 über den erwähnten Antrag abgesprochen worden sei, sodass sich eine neuerliche Entscheidung hierüber als unzulässig erweise. Da das gegenständliche, gemäß § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu Ende zu führende Verfahren antragsbedürftig sei, jedoch kein unerledigter Antrag (mehr) vorliege, sei der Bescheid vom 5. November 2007 "kassatorisch" zu beheben gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde, welche zu Zl. 2008/21/0589 protokolliert wurde, bestritt der Beschwerdeführer die Wirksamkeit der Zustellung des Schriftstückes vom 26. Februar 2007 und brachte dazu vor, er habe sich, wie im Polizeibericht vom 6. Februar 2008 dargelegt, im Zeitpunkt der versuchten Zustellung nicht an der Abgabestelle befunden, sondern sei "unsteten Aufenthaltes" gewesen. Darüber hinaus habe ihm seit 2007 infolge seiner Drogenabhängigkeit die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit gefehlt.

Mit Erkenntnis vom 29. April 2010, Zl. 2008/21/0589, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid vom 2. Juli 2008 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Das Vorbringen das Beschwerdeführers, er sei unsteten Aufenthaltes sowie nicht geschäfts- und handlungsfähig gewesen, habe nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstoßen, weil die belangte Behörde angesichts der Umstände des Falles dem Beschwerdeführer zu der von ihr angenommenen (rechtswirksamen Zustellung und somit) Erlassung des Bescheides vom 26. Februar 2007 Gehör hätte einräumen müssen.

Im zweiten Rechtsgang gab die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zur Frage seiner Abgabestelle im gegenständlichen Zeitraum sowie zur Frage der Geschäfts- und Handlungsfähigkeit Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beschwerdeführervertreter äußerte sich ausführlich zur Frage des unsteten Lebenswandels sowie der Drogensucht des Beschwerdeführers und stellte mehrere Beweisanträge.

Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den Bescheid vom 5. November 2007 ersatzlos gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Begründend verwies sie darauf, dass aufgrund der angegebenen Stellungnahme des Beschwerdeführervertreters nicht habe geklärt werden können, ob der Beschwerdeführer infolge seiner Drogenabhängigkeit die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit (im fraglichen Zeitraum) verloren habe. In der Folge machte die belangte Behörde Ausführungen zur Abgabestelle und kam zu dem Schluss, dass der Bescheid vom 26. Februar 2007 dem Beschwerdeführer am 2. März 2007 rechtswirksam zugestellt worden sei, weil der Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum an der Adresse Gstraße (Gasthaus) gemeldet gewesen sei und entgegen den Bestimmungen des § 19 Abs. 1 NAG und § 8 Abs. 1 Zustellgesetz keine andere Abgabestelle im Verfahren angegeben habe und auch keine Mitteilung über die Änderung seiner Abgabestelle gemacht habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

In seinem im Beschwerdefall ergangenen Vorerkenntnis vom 29. April 2010 wies der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hin, dass im vorliegenden Fall die entscheidungswesentliche Frage der Wirksamkeit der Zustellung des Bescheides vom 26. Februar 2007 einerseits davon abhängt, ob sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der versuchten Zustellung überhaupt an der Abgabestelle aufgehalten habe, und andererseits, ob er im Besitz seiner Geschäfts- und Handlungsfähigkeit gewesen ist.

Zur ersten Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Sinne des § 17 Abs. 1 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hat, ging die belangte Behörde irrig davon aus, dass schon die bloße behördliche Meldung an einer Adresse ausreiche, um seine regelmäßige Ortsanwesenheit zum maßgeblichen Zeitpunkt an der Abgabestelle zu begründen.

Die belangte Behörde hat jedoch unter bloßem Verweis auf die behördliche Meldung es unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe sich zur fraglichen Zeit gar nicht an der bezeichneten Meldeadresse aufgehalten, sondern sei vielmehr unsteten Aufenthalts gewesen, nicht weiter auseinandergesetzt und keine Ermittlungen dazu getätigt, ob der Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitpunkt an der Adresse im Sinne des § 17 Abs. 1 ZustG tatsächlich regelmäßig aufhältig war. Dies wäre aber für die Klärung der Frage, ob eine wirksame Hinterlegung im Sinne der genannten Bestimmung erfolgt ist, erforderlich gewesen.

Auch hinsichtlich der zweiten wesentlichen Frage hat es die belangte Behörde verabsäumt, geeignete Feststellungen nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zu treffen. Mit ihrem Verweis darauf, dass aus der Stellungnahme des Beschwerdeführervertreters nicht geklärt sei, ob der Beschwerdeführer geschäfts- und handlungsfähig gewesen sei oder nicht, übersieht sie nämlich, dass diese Frage - die Geschäfts- und Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers im fraglichen Zustellzeitraum - nicht dahingestellt bleiben kann, zumal für den Fall, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der versuchten Zustellung nicht geschäfts- und handlungsfähig war, eine rechtswirksame Zustellung an den Beschwerdeführer selbst ohnehin nicht möglich war.

Der angefochtene Bescheid leidet insoweit an einem Feststellungs- und Begründungsmangel, der auch wesentlich ist, weil die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Bescheidergebnis hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des konkreten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 29. Mai 2013

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2013:2011220082.X00

Im RIS seit

11.07.2013

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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