TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/04 D13 425466-1/2012

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Veröffentlicht am 04.07.2013
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Spruch

D13 425466-1/2012/10E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, StA. der Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.02.2012, FZ. 11 05.747-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2013 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird

XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine zuerkannt.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird

XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 04.07.2014 erteilt.

 

IV. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Ukraine, reiste am 13.06.2011 gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern XXXX (Zl. D13 425467-1/2012) und XXXX (Zl. D13 425468-1/2012), illegal in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.06.2011 gab die Beschwerdeführerin an, dass sie ihren Ehemann, der Tschetschene und Moslem sei, in der Ukraine geheiratet habe. Ihre Kinder seien Moslems. Auch sie selbst sei zu diesem Glauben gewechselt. Da sie in einer kleinen Ortschaft gewohnt haben, sei dies schnell bekannt geworden. Die Einwohner, welche alle den orthodoxen Glauben haben, seien gegen Moslems gewesen und haben die Beschwerdeführerin und ihre Familie deshalb gehasst. Die Tochter der Beschwerdeführerin sei in der Schule ständig beleidigt worden. Am Unterkiefer habe sie eine Narbe, weil sie auf der Straße von anderen Kindern angegriffen und verletzt worden sei. Der Ehemann habe die Familie vor ungefähr eineinhalb Jahren verlassen, weil er nicht gewollt habe, dass sei wegen seiner Abstammung ständig Probleme haben. Sie seien aber trotzdem nicht in Ruhe gelassen worden und haben ständig neue Probleme zu spüren bekommen. Mitte März 2011 sei ihr Haus angezündet worden. Deshalb habe sie ihren Herkunftsstaat verlassen.

 

Die Beschwerdeführerin legte ihre ukrainischen Inlandspass sowie ihre Heiratsurkunde vor.

 

Die Beschwerdeführerin wurde am 21.06.2011 vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab zu ihren Fluchtgründen befragt kurz zusammengefasst an, dass ihr Ehemann Moslem sei und sie deshalb Probleme in der Ukraine bekommen habe. Auch ihre Kinder seien beleidigt und erniedrigt worden. Ihre Tochter sei im Alter von sechs Jahren auf der Straße von einer Frau angegriffen worden und habe eine Narbe am Kopf davongetragen. Die Beschwerdeführerin habe den Vorfall angezeigt, die Polizei habe aber nichts unternommen. Im Februar 2011 sei die Tochter so schlimm an der Unterlippe verletzt worden, dass es genäht habe werden müssen. Im März 2011 sei das Haus der Beschwerdeführerin angezündet worden. Die Beschwerdeführerin hätte in keinen anderen Teil der Ukraine ziehen können, weil der Umgang der Bevölkerung überall gleich sei. Die Beschwerdeführerin habe im Jahr 2005 auch versucht nach Tschetschenien zu ziehen. Dort sei sie aber mitgenommen und zwei Tage festgehalten worden. Danach habe sie Tschetschenien sofort verlassen und sei in die Ukraine zurückgekehrt.

 

Zu ihrer gesundheitlichen Situation befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass sie Osteoporose in der Wirbelsäule und eine plötzliche Herzgefäßverengung habe. Ihre Tochter leide an einer Augenkrankheit. Der Sohn sei gesund.

 

Mit Schriftsatz vom 07.07.2011 wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit geboten, alle für ihren Antrag und ihr Vorbringen relevanten Unterlagen, welche sich in ihrem Besitz befinden oder beschafft werden können, binnen festgelegter Frist dem Bundesasylamt vorzulegen. Durch die Volkshilfe wurde via E-Mail vom 26.07.2011 bekannt gegeben, dass die Beschwerdeführerin keine weiteren Bescheinigungsmittel habe, welche sie noch vorlegen könne.

 

Die Beschwerdeführerin wurde am 08.11.2011 vom Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab zu ihrer gesundheitlichen Situation befragt an, dass sie an Osteoporose und einer plötzlichen Verengung von Blutgefäßen leide. In der Ukraine sei sie deshalb in Behandlung gewesen, in Österreich noch nicht. Die Tochter der Beschwerdeführer habe eine Sehstörung. Sie sei mit ihrer Tochter bereits in der Ukraine im Krankenhaus gewesen. Es sei empfohlen worden, die Sehstärke regelmäßig zu überprüfen und eine Brille verschrieben worden.

 

Zu ihren Fluchtgründen befragt wiederholte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen, nämlich dass die Familie aufgrund der tschetschenischen Abstammung ihres Ehemannes und der moslemischen Religionszugehörigkeit Probleme in der Ukraine gehabt habe. Die Tochter der Beschwerdeführerin sei in zwei Vorfälle involviert gewesen. Im Alter von sechs Jahren seien die Beschwerdeführerin und ihre Tochter auf der Straße von einer Frau beschimpft worden. Die Tochter habe dabei eine Platzwunde am Kopf erlitten. Die Beschwerdeführerin sei ins Krankenhaus gefahren und danach zur Polizei, wo sie Anzeige erstattet habe. Es sei ein Verfahren eingeleitet worden. Als sie nach einiger Zeit nachgefragt habe, haben die Beamten so getan, als sei nichts gewesen. Das Krankenhaus habe damals nicht Anzeige erstattet. Die Ärzte haben aufgeschrieben, dass das Kind sich die Verletzungen im Haushalt zugezogen habe. Sie wisse nicht warum die Ärzte das gemacht haben, vielleicht wegen des tschetschenischen Nachnamens des Kindes. Sie habe das damals nicht bemängelt, weil sie unter Schock gestanden sei. Der zweite Vorfall sei im Februar 2011 gewesen. Die Tochter habe im Hof mit anderen Kindern gespielt. Plötzlich haben diese angefangen sie zu verspotten und zu schubsen. Dabei sei sie hingefallen und habe sich an das Unterlippe verletzt. Die Beschwerdeführerin habe ihre Tochter ins Krankenhaus gebracht. Dort sei die Wunde genäht worden. Die Beschwerdeführerin legte eine Bestätigung der XXXX vor. Der Beschwerdeführerin wurde vorgehalten, dass auf dem vorgelegten Zettel nicht stehe, wie die Verletzung zu Stande gekommen sei. Es stehe nur etwas von einem Trauma zu Hause. Befragt, wieso auf dieser Bestätigung nicht angeführt sei, dass ein Fremdverschulden vorliege, antwortete die Beschwerdeführerin, dass sie das nicht wisse. Der letzte Vorfall, der die Beschwerdeführerin veranlasst habe, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, sei der Brand ihres Hauses gewesen. Jemand habe ihr Haus angezündet. Die Nachbarin habe die Beschwerdeführerin geweckt und sie aus dem Haus gebracht. Die Nachbarin habe erzählt, dass sie zwei Männer gesehen habe, die aus dem Haus gelaufen seien. Die Nachbarin habe die Feuerwehr gerufen und diese habe auch einen Brandakt ausgefüllt und der Beschwerdeführerin gegeben. An die Polizei habe sich die Beschwerdeführerin nicht gewandt, sie sei schon müde gewesen. Es habe nur in einem großen Zimmer gebrannt. Aber das ganze Haus sei unbewohnbar, da die Wände schwarz und die Elektroleitungen verschmort seien. Der Beschwerdeführerin wurde vorgehalten, dass im Brandprotokoll vermerkt sei, es habe im Nebenhaus gebrannt und es sei nur ein Stück des Bodens, eine Couch und eine Kommode beschädigt worden. Von einer Zerstörung oder Unbewohnbarkeit des Hauses sei nichts erwähnt. Die Beschwerdeführerin erklärte dazu, dass das Haupthaus und nicht das Nebenhaus gebrannt habe. Sie wisse nicht, warum das so aufgeschrieben worden sei.

 

Zu ihrem Ehemann befragt, gab die Beschwerdeführerin an, dass er auf verschiedenen Baustellen gearbeitet habe und immer nur zwischendurch zu Hause gewesen sei. Es sei schwierig für ihn gewesen in XXXX Arbeit zu finden. Die Beschwerdeführerin habe ihren Ehemann ungefähr zwei Jahre vor ihrer Ausreise zuletzt gesehen. Der Grund sei seine Arbeit, aber auch Probleme gewesen. Er habe gesagt, dass er dort, wo er gearbeitet habe, Probleme gehabt habe und deshalb daran gehindert sei, zu ihnen zu kommen. Befragt, ob ihr Ehemann in Haft sei, sagte die Beschwerdeführerin, dass sie es nicht wisse. Sie glaube nicht, es könne aber sein. Sie habe ihn aber nicht danach gefragt. Zu Hause in der Ukraine habe sie ungefähr jede zweite Woche mit ihm telefoniert. Seit sie in Österreich sei, habe sie noch nicht mit ihm telefoniert. Sie habe nur seine Handynummer und Telefongespräche seien teuer. Sie wisse aber von ihrer Mutter, dass er lebe und gesund sei. Nach dem Brand habe die Beschwerdeführerin mit ihrem Mann gesprochen und ihn gebeten, dass er sie abhole. Am 08.06.2011 habe sie zuletzt mit ihm telefoniert. Er habe ihr geraten, in ein Land zu fahren, in dem sie beschützt werden können. Er könne sie nicht abholen. Befragt, warum ihr Ehemann nicht kommen habe können, sagte die Beschwerdeführerin, dass er keine Arbeit und wahrscheinlich keine Bleibe gehabt habe, wo er sie hinbringen habe können. Er habe auch noch irgendwelche Probleme gehabt.

 

Bezüglich des Vorbringens der Beschwerdeführerin, sie und ihre Familie seien aufgrund ihrer moslemischen Religionszugehörigkeit verfolgt bzw. diskriminiert worden, wurde der Beschwerdeführerin vorgehalten, dass auf dem ukrainischen Festland etwa 1,7 Millionen Muslime leben. Die Hauptzentren seien KIEW, CHARKIW, auch DONEZK, CHERSON, ISMAJIL und vor allem die Krim. Die Beschwerdeführerin entgegnete, sie habe deshalb nicht in ihrer Stadt leben können. Moslems werden verfolgt und aus dem ganzen Land getrieben. Sie werden unterdrückt und bekommen kein Land. Diese Informationen habe sie aus Erzählungen. Persönlich kenne sie niemanden, dem das widerfahren sei. Abschließend wurden der Beschwerdeführerin Länderfeststellungen über die Situation der Muslime und Angriffe auf Tschetschenen vorgehalten. Die Beschwerdeführerin entgegnete, dass sie dazu nichts sagen könne.

 

Mit Bescheid vom 28.02.2012, Zahl: 11 05.747-BAS, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine ab (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine aus (Spruchpunkt III.).

 

Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin als Ausreisegrund im Wesentlichen Benachteiligungen wegen ihrer Religionszughörigkeit und der Religionszugehörigkeit ihrer Kinder angeführt habe. Dieses Vorbringen sei aber nicht asylrelevant, zumal aus ihrem Vorbringen nicht zu entnehmen gewesen sei, dass Sie ob ihrer Religionszugehörigkeit einer zielgerichteten staatlichen oder staatlich geduldeten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, sondern allenfalls Privatpersonen ihr gegenüber deren Unmut ob ihres Religionsbekenntnisses ausgedrückt haben. Auf Nachfrage hin habe sie ausdrücklich angeführt, dass sie ihre Religion frei ausüben habe können. Darüber hinaus sei ein Brand ihres Hauses vorgebracht worden, dessen Hintergrund sie nicht näher ausführen habe können, sondern hier nur Mutmaßungen treffen habe können und selbst ein allfälliger krimineller Übergriff Dritter einerseits weder auf Konventionsgründe zurückzuführen sei noch ein solcher

 

Übergriff in irgendeiner Form vom Staat geduldet oder gar gefördert zu sehen sei. Es sei somit kein in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Fluchtgrund vorgebracht worden. Unglaubhaft sei die Beschwerdeführerin beispielsweise ob ihrer Angaben, dass Personen mit moslemischer Glaubensrichtung im Arbeitsprozess gegenüber anderen Personen benachteiligt werden. Unglaubhaft allein deshalb, da sie auf Nachfrage hin in Widerspruch dazu angegeben habe, dass ihr Gatte trotz des Umstandes, dass dieser nicht nur Moslem sondern darüber hinaus auch nicht ukrainischer Staatsangehöriger sei, immer wieder eine Beschäftigung ausüben habe können. Nicht glaubhaft sei die Beschwerdeführerin auch zu ihren Ausführungen über die Lage in ihrem Herkunftsstaat und den Angaben darüber, dass ihr bzw. ihren Kindern ob der religiösen Gesinnung oder Abstammung väterlicherseits in irgendeiner Form eine Benachteiligung zu Teil worden sei. Ihren Angaben sei nämlich genau das Gegenteil zu entnehmen. Sie habe angegeben, über Jahre hinweg staatliche Unterstützung bekommen zu haben. Im Bedarfsfall habe sie auch immer kostenlose und suffiziente medizinische Behandlung erhalten. Unglaubhaft sei ihr Vorbringen auch deshalb, da aus den Länderfeststellungen eindeutig hervorgehe, dass in der Ukraine eine Vielzahl von Personen mit moslemischer Glaubensrichtung leben und auch eine Vielzahl von entsprechenden Organisationen tätig seien, welche jedoch nicht von Verfolgung oder Benachteiligungen wegen der Glaubensrichtung berichten. Darüber hinaus sei auch festzuhalten, dass sie dieser Umstand überhaupt nicht dazu veranlasst habe, auch nur einen Ausreisegedanken zu fassen, sondern sie gemäß ihren Angaben erstmals einen Ausreisegedanken gefasst habe, nachdem es in ihrem Haus gebrannt habe. Dies sei jedoch im Juni 2011 gewesen. Zuvor habe sie alleine mindestens 5 Jahre in XXXX gelebt, bis sie nach XXXX übersiedelt sei. Allein dieser Umstand zeige auf, dass sie über viele Jahre in der Ukraine gelebt habe ohne auch nur einen Ausreisegedanken gefasst zu haben, was jedoch bei einer tatsächlich bestehenden, zielgerichteten Verfolgung oder auch bei einer ständigen Benachteiligung absolut nicht nachvollziehbar sei, insbesondere ob des Umstandes, dass keinerlei Hinderungsgrund einer früheren Ausreise gegeben gewesen sei. Unglaubhaft sei auch ihr Vorbringen, dass die Beschwerdeführerin von der Polizei benachteiligt worden sei, weil sie Muslime sei. Die Tochter sei - wie aus der Bestätigung des Krankenhauses hervorgehe - im eigenen Haushalt verletzt worden. Einerseits habe die Polizei die Anzeige aufgenommen, andererseits habe die Beschwerdeführerin nicht darzulegen vermocht, gegen wen die Polizei hätte ermitteln sollen, zumal aus der Bestätigung des Krankenhauses kein Fremdverschulden erkennbar sei. Unglaubhaft seien auch die Angaben zum Brand in ihrem Wohnhaus. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass das Haus zerstört worden sei. Auf Nachfrage habe sie ihre Aussage aber dahingehend konkretisiert, dass die Wände nach dem Brand voller Ruß gewesen seien und lediglich Sanierungsarbeiten vorgenommen hätten werden müssen. Außerdem sei dem Feuerwehrbericht zweifelsfrei zu entnehmen, dass nicht das Wohnhaus, sondern das als Nebengebäude angebaute Ferienhaus betroffen gewesen sei. Aus dem Einsatzprotokoll lasse sich auch keine Brandstiftung ableiten, sondern sei ein fahrlässiger Umgang mit einer Flamme angeführt. Alles weitere stelle daher eine reine Mutmaßung dar. Auch aus diesem Grund seien ihre diesbezüglichen, dem Protokoll widersprechenden Ausführungen als rein erfundenes Lügenkonstrukt zu werten und stelle auch dies ein weiteres Indiz für ihre Unglaubwürdigkeit dar. Unglaubhaft sei die Beschwerdeführerin auch zu ihren Angaben, dass ihre Tochter von Mitschülern und Nachbarskindern benachteiligt worden sei. Es sei wohl allgemein bekannt, dass gerade Kinder oftmals aus irgendwelchen Gründen andere Kinder hänseln oder verspotten. Aus einer solchen eine asylrelevante Benachteiligung abzuleiten, sei jedoch mit Sicherheit verfehlt. Aus ihren Angaben sei auch zu entnehmen, dass die Tochter beim Spielen mit den Nachbarskindern verletzt worden sei. Die Verletzung sei daher vermutlich unabsichtlich herbeigeführt worden. Dieser Umstand sei nicht dazu geeignet, eine asylrelevante Benachteiligung der Tochter erkennen zu lassen. Die Beschwerdeführerin habe es außerdem unterlassen, in diesem Fall Anzeige zu erstatten. Der Brand im Haus sei von einer Nachbarin bemerkt worden, welche auch die Beschwerdeführerin und ihre Kinder gerettet habe. Dies zeige, dass die Nachbarn die Beschwerdeführerin nicht ausgrenzen, sondern im Gegenteil um ihr Wohlergehen besorgt seien. In Zusammenschau mit ihrem Vorbringen und dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei aus Sicht des Bundesasylamtes und in Entsprechung ihrer Aussage klar zu erkennen, dass ihr vorgebrachter Ausreisegrund frei erfunden sei, eine Bedrohung oder Benachteiligung gegen sie niemals stattgefunden habe und sie ihren Herkunftsstaat somit nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung, sondern aus anderen, nicht vom Asylgesetz umfassten Gründen verlassen habe, sondern ihr Asylantrag ausschließlich darauf basiere, sich ein wie auch immer geartetes Aufenthaltsrecht in einem ihr günstig erscheinenden europäischen Staat zu verschaffen und hier die unter oftmals vergessenen Mühen der Bevölkerung erarbeiteten, sozialen Vorteile in Anspruch zu nehmen, keinesfalls aber um Verfolgungsschutz zu erlangen und es sich somit bloß um den Versuch einer illegalen Migration handelt. Es sei daher in Ermangelung einer Deckung des Antrages im Asylgesetz spruchgemäß zu entscheiden.

 

Hinsichtlich der gesundheitlichen Situation der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin derzeit an keiner Erkrankung leide, weshalb das Bundesasylamt davon ausgehe, dass sie gesund sei und keine medizinische Hilfe benötige. Es sei daher kein Hinderungsgrund für eine Rückkehr gegeben. Die mit einem einzigen Zweizeiler bestätigte Teilnahme an einer Psychotherapie stelle ebenfalls kein Rückkehrhindernis dar. Darüber hinaus sei aus den Länderfeststellungen klar ersichtlich, dass in der der Ukraine eine flächendeckende, medizinische Grundversorgung gewährleistet sei und die Beschwerdeführerin im Fall einer hinkünftigen Erkrankung daher auch entsprechende medizinische Hilfe in Anspruch nehmen könne. Dies habe sie auch durch eigene Angaben über bereits erfolgte Behandlungen in der Ukraine klar zum Ausdruck gebracht und decke sich dies auch mit den zur Verfügung stehenden Länderfeststellungen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin am 12.03.2012 fristgerecht das Rechtsmittel einer Beschwerde, in welcher sie den Bescheid in seinem vollen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, sowie wegen unrichtiger und fehlender Sachverhaltsfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung anfocht. Die Beschwerdeführerin wiederholte im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und monierte, nach Ansicht der Behörde sei ihr Vorbringen, dass sie von der Polizei benachteiligt werde, weil sie Muslime sei und dass der Arzt eine falsche Bestätigung ausgestellt habe, unglaubhaft. Wie die Behörde zu diesen Feststellungen gekommen sei, sei nicht nachvollziehbar. Die getroffenen Länderfeststellungen enthalten nämlich Informationen, dass die Angaben der Beschwerdeführerin richtig seien. In der Ukraine geschehe es auch oft, dass Ärzte oder die Feuerwehr aus Angst vor Problemen, nicht richtig Protokoll führen. Wenn die Behörde weiters vermeine, dass die Beschwerdeführerin die Fluchtgeschichte frei erfunden habe, so möchte sie dazu sagen, dass es sich bei den Vorfällen in ihrer Heimat um traumatische Ereignisse handle. Deswegen seien die Beschwerdeführerin und ihre Tochter derzeit in psychotherapeutischer Betreuung. Die Beschwerdeführerin sei kürzlich von einem Freund kontaktiert worden, dass ihr Ehemann wegen seiner Abstammung vielleicht ermordet worden sei. Die erlebten Vorfälle in der Ukraine, die höchstwahrscheinliche Ermordung ihres Mannes und die psychischen Probleme ihrer Tochter seien für sie sehr belastend. Die Mutter der Beschwerdeführerin könne sie bei einer Rückkehr nicht unterstützen, da diese eine geringe Rente bekommen. Das Haus der Beschwerdeführerin sei nach dem Brand nicht mehr bewohnbar. Sie könnte es auch nicht sanieren lassen, da sie mittellos sei. Ihr Ehemann lebe vielleicht nicht mehr und könne ihr daher weder Unterstützung noch Unterkunft geben. Im Falle ihrer Rückkehr wäre sie der Gefahr ausgesetzt - als alleinstehende, mittellose Frau und Mutter ohne familiären oder sozialen Rückhalt - in eine unmenschliche Lage zu geraten.

 

Die Beschwerdeführerin legte folgende Unterlagen vor:

 

Psychotherapeutische Stellungnahme einer Psychotherapeutin vom 05.02.2012, wonach die Tochter der Beschwerdeführerin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und einer psychosomatischen Störung (Trauer) leide;

 

Befund eines Dermatologen vom 19.09.2011, wonach die Tochter der Beschwerdeführerin an "Alopezia areata" leide;

 

Datenblatt der XXXX vom 08.08.2011 betreffend die Beschwerdeführerin.

 

Mit Schreiben vom 16.06.2012 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Kopie der Sterbeurkunde ihres Ehemannes und führte aus, dass sie die Kopie per Post aus der Ukraine erhalten habe. Ihr Ehemann sei umgebracht worden.

 

Mit Schreiben vom 14.09.2012 übermittelte die Beschwerdeführerin einen Psychotherapeutischen Befundbericht einer Psychotherapeutin vom 11.05.2012, wonach die Beschwerdeführerin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie "Angst und depressive Reaktion gemischt" leide und seit 08.08.2011 in psychotherapeutischer Betreuung stehe.

 

Am 04.04.2013 führte der erkennende Senat des Asylgerichtshofes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin sowie eine Dolmetscherin für die russische und ukrainische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 9Z). Das Bundesasylamt teilte mit Schreiben vom 30.03.2013 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, beantragte jedoch aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung gegenständlicher Beschwerde.

 

Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung waren:

 

(...)

 

Möchten Sie zu den im erstinstanzlichen Verfahren bzw. der Berufungsschrift vorgebrachten Fluchtgründen bzw. Umständen Ihrer Flucht von sich aus eine Erklärung abgeben bzw. Richtigstellungen oder Ergänzungen vornehmen?

 

BF: Ihm Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hatte ich Angst, ich habe mich bemüht die Wahrheit zu sagen, es kann sein, dass etwas nicht richtig aufgeschrieben wurde. Es gibt Passagen in der Einvernahme, die nicht so ganz genau und richtig sind. Ich möchte Einiges ergänzen und ausbessern. Ich habe Angst, dass in meinem Heimatland mir und meinen Kindern der Tod droht. Mein Mann ist zwischenzeitig verstorben, das war nach dem Interview. Im Oktober 2011 ist mein Mann verstorben. Ich habe eine Sterbeurkunde erhalten. Diese habe ich von meiner Mutter im Mai erhalten.

 

Der VR erteilt eine ausführliche rechtliche Belehrung besonders hinsichtlich der Glaubhaftmachung. Die Verhandlung wird für kurze Zeit unterbrochen, weil die Beschwerdeführern sichtlich sehr erregt ist und weint, nach dieser Pause gibt die Beschwerdeführerin an, dass sie große Furcht hätte, auch aus Gründe, welche sie bisher nicht genannt hat. Es könne sein, dass sie aufgrund dieser Furcht Dinge im erstinstanzlichen Verfahren nicht wahr angegeben hätte.

 

VR: Bitte schildern Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf.

 

BF: Mein Name ist XXXX, ich wurde am XXXX geboren. Mein Vater war Hilfsarbeiter und arbeitete als Elektroschweißer in einem Betrieb. Meine Mutter arbeitete als Buchhalterin. Ich habe noch 3 leibliche Brüder. Ich besuchte 11 Jahre die Grundschule. Ich besuchte Kurse für Buchhalterin und 5 Jahre die Universität für Finanz und Kreditwesen. Ich habe die Universität in XXXX abgeschlossen und ich hatte da schon mein Kind. Ich habe die Universität 2005 abgeschlossen. XXXX habe ich geheiratet, es war am XXXX in der Ukraine. Wir haben standesamtlich in XXXX geheiratet, nach moslemischem Ritus in einer Moschee.

 

VR: Wo haben Sie Ihren Mann kennenglernt?

 

BF: Ich habe in XXXX kennengelernt. Er ist ein Tschetschene aus Tschetschenien. Er dürfte in XXXX einige Zeit dort gewohnt haben. Er war ein selbstständiger Unternehmer, es gab einen Autoplatz und diesen hat er geführt. Meine Eltern und Brüder haben unsere Beziehung nicht gut befunden, da er Tschetschene war. Er war auch nicht christlich und auch nicht aus der Ukraine. Ich gehöre dem moslemischen Glauben an, habe wegen meinem Mann konvertiert. Ich praktiziere und lebe nach der moslemischen Religion.

 

VR: Wann haben Ihre Probleme begonnen?

 

BF: Die Schwierigkeiten gab es am Anfang als wir standesamtlich geheiratet haben.

 

VR: Bitte erzählen Sie mir Ihr Leben ab diesem Zeitpunkt detailliert und chronologisch.

 

BF: Am XXXX wollten wir standesamtlich heiraten, wir haben Anträge abgegeben und diese wurden auch entgegengenommen. Schließlich heirateten wir, ich konnte jedoch den Familiennamen meines Mannes nicht tragen. Er sagte zu mir, ich dürfe seinen Namen nicht annehmen, damit ich weniger Probleme hätte. Sein Familienname ist Tschetschenisch. Er meinte ich solle lieber meinen Namen tragen. Wir hatten einen gemeinsamen Haushalt. Anfangs haben wir eine Wohnung in XXXX gemeinsam gemietet. Ich lebte 2 Wochen in XXXX und dann wieder in XXXX. In XXXX war ich bei meinen Eltern. Mein Mann lebte in XXXX. Sein Unternehmen war in XXXX. Zuerst arbeitet er in XXXX und dann haben sie ihm das aber geschlossen, weil sie es ihm nicht erlaubt haben. Sie haben ihm Schwierigkeiten in der Arbeit gemacht, er war gezwungen das Ganze zu schließen, warum das weiß ich nicht. Das war ca. ein halbes Jahr nach der Hochzeit. 4 Monate nach der Hochzeit hat er noch in XXXX gearbeitet. Dann ist er nach XXXX gefahren, dort wollte er Arbeit suchen, er hat eine Wohnung gemietet. In dieser Wohnung hat er nicht alleine gelebt, sondern da waren andere Burschen auch aus Tschetschenien. Deswegen konnte ich mich dort nicht aufhalten. Ich kam dann für 2 Wochen oder für 1 Woche zu ihm auf Besuch dann kam ich wieder nach XXXX wieder zurück. Meine Eltern waren gegen unsere Beziehung. Sie hatten zu mir als Tochter Kontakt, aber mit dem Mann nicht. Im Jahr 2000 war mein Mann im Stande Geld zu verdienen und hat eine Wohnung gekauft. Ich ging dann auf die Universität um zu studieren, vorher habe ich aber noch Buchhalterkurse ein halbes Jahr abgeschlossen. Ich machte dann ein Fernstudium an der Universität. Dann wurde ich schwanger, das dürfte im Jahr 2001 gewesen sein. Im Jahr 2002 bekam ich mein erstes Kind. Als das Kind 2 Jahre alt wurde, wollte ich, dass meine Tochter den Kindergarten besucht. Nachgefragt gebe ich an, dass in diesen 5 Jahren sprich von 1999-2004 alles in Ordnung war. Ich war die meiste Zeit zu Hause.

 

VR: Bitte Fahren Sie fort im Jahr 2004.

 

BF: Ich wollte meine Tochter in den Kindergarten schicken. Im Kindergarten hat man es abgelehnt mein Kind zu nehmen. Sie sagten, sie würden dieses Kind nicht nehmen, wegen dem Familiennamen. Meine Tochter hieß XXXX und wegen dem tschetschenischen Familiennamen würden sie sie nicht aufnehmen.

 

VR: Wurden Sie in den Jahren von 1999-2004 in irgendeiner Form diskriminiert, weil Sie mit einem Tschetschenen verheiratet sind?

 

BF: Wenn die Leute schlecht geredet haben, wollte ich das nicht hören. Ich habe das nicht als Problem angesehen für mich. Aber ich gespürt dass es Vorbehalte gibt.

 

VR: Bitte fahren Sie fort und schildern Sie die Versuchte Einschreibung Ihrer Tochter im Kindergarten.

 

BF: Ich war gezwungen mit meiner Tochter zu Hause zu bleiben. Im Jahr 2005 habe ich das Studium an der Uni abgeschlossen. Wir waren gezwungen in die Ortschaft XXXX zu gehen. Die Leute waren unzufrieden und wiederum ging es um die Arbeit von meinem Mann. Nachgefragt muss ich dazu angeben, dass mein Mann in XXXX entlassen wurde. Es handelte sich um eine Firma, welche sich mit Kunststoff beschäftigt hat. Er hat die Ware entgegen genommen, er war so eine Art Manager. Er wurde entlassen, weil er Tschetschene war.

 

VR: Warum wurde er dann überhaupt aufgenommen?

 

BF: Vermutlich gab es Konflikte in der Arbeit. Er hat es mir nicht genau gesagt, vermutlich hatte er Probleme mit der Arbeit.

 

VR: Das heißt er wurde nicht wegen seiner Ethnie entlassen, sondern wegen Konflikte bei der Arbeit?

 

BF: Genau kann ich das nicht sagen, er hat es mir nicht gesagt. Wir waren sogar gezwungen die Wohnung zu verkaufen. Er hatte irgendwelche Schulden. Woher er diese Schulden hatte, weiß ich nicht. Ich war gezwungen zu meiner Mutter zu ziehen, das war im Jahr 2005. Er konnte bei meiner Mutter nicht bleiben, weil meine Eltern etwas dagegen hatten. Er kam manchmal zu uns zu Besuch. Ich zog dann in das Familienhaus, es wurde auf mich überschrieben. Dort lebte ich mit meinem Kind alleine. Auf Nachfrage gebe ich an, dass er alle paar Wochen einmal kam. Er war ständig in Bewegung und in vielen verschiedenen Städten. Er blieb dann eine Woche oder ein Monat oder sogar 2 Monate und dann fuhr er wieder weg. Auf Nachfrage gebe ich an, dass mein Mann versucht hat irgendwo Geld zu verdienen und meine Mutter hat mir auch geholfen. Auf Nachfrage gebe ich an, dass das ca. 1 Jahr so gegangen ist und herumgefahren ist. Dann hat er bei uns 1 oder 2 Jahre gelebt. Es gab auch Probleme, weil er bei uns in unserem Dorf war. Den Dorfeinwohnern hat das nicht gefallen, dass er bei uns gelebt hat. Auf Nachfrage gebe ich an, dass mein Mann versucht hat in den 1 bis 2 Jahren durch Gelegenheitsarbeiten auf Baustellen Geld für uns zu verdienen. Das ging bis ungefähr 2007 so.

 

VR: Wie hat es sich geäußert, dass es den Dorfeinwohnern nicht gefallen hat, dass Ihr Mann bei Ihnen lebte?

 

BF: Die Leute haben mir ins Gesicht ungute Sachen gesagt. Sie sagten, sie seien nicht zufrieden. Mein Mann hat mit den Dorfeinwohnern gestritten und umgekehrt. Wegen diesen Gerüchten und Gespräche gab es Streit. Die Leute haben gesagt, er solle in sein Land fahren. Auf Nachfrage gebe ich an, dass es des Öfteren zu Übergriffen gekommen ist. Es gab Raufereien zwischen den Männern.

 

VR: Wie würden Sie den Charakter Ihres Mannes beschreiben?

 

BF: Er hat sich sehr leicht aufgeregt und ging leicht in die Luft. Er hat auch gleich zum Messer gegriffen. Es gab aber keine Waffen. Er hat versucht nicht zu provozieren, aber wenn die Menschen etwas sagten und es war ihm zu viel, dann ging er in die Luft, egal ob mit Schere oder Messer, das was er gerade in die Hand bekommen hat. Er hat auch ein Messer bei sich getragen.

 

VR: Gab es Verletzte oder ein behördliches Verfahren?

 

BF: Es gab schon Kontakte mit der Polizei. Sie haben ihn abgeholt, aber auch wieder freigelassen. Es gab aber kein gerichtliches Verfahren. Verletzte gab es glaublich schon, aber ich war nicht dabei. Ich war zu Hause.

 

VR: Habe ich Sie richtig verstanden, dass bis zum Jahr 2007 mit Ausnahme der Ablehnung Ihrer Tochter im Kindergarten und einigen verbalen Angriffen Ihres Umfeldes keine weiteren Fluchtgründe gegeben hat?

 

BF: Er musste die Wohnung verkaufen, da er jemanden Geld schuldete.

 

VR: Ich habe jetzt von Fluchtgründen im Sinne der GFK gesprochen. Wie ging es mit Ihrem Leben weiter, bitte fahren Sie fort.

 

BF: Als meine Tochter 6 Jahre alt war, wurde sie von einer Frau überfallen. Die Frau hat mich beschimpft mit sehr schlimmen Wörtern zB. dass ich eine Missgeburt zur Welt gebracht habe, dass ich die Religion verraten habe und solche Kinder zur Welt gebracht habe usw. Meine Tochter wurde dadurch traumatisiert. Das war nicht das erste Mal dass ich beschimpft wurde, das war vorher auch schon so. Ich reagierte nicht und ging weiter an ihr vorbei. Als wir dann vorbeigingen hörte ich Schreie meines Kindes. Als ich mich umgedreht habe zu meiner Tochter, ich habe zuvor einen Schlag gehört, meine Tochter hielt den Kopf mit einer Hand. Meine Tochter blutete, die Haare waren blutig und mein Kind weinte. Ich sah, dass die Wunde groß sei. Ich habe das Kind geschnappt und lief zur Straße. Es fuhr ein Auto oder Taxi, ich stoppte das Fahrzeug und fuhr ins Krankenhaus, damit das Kind behandelt wird. Es war eine große Wunde. Im Krankenhaus wurde die Wunde genäht und behandelt. Der Arzt hat etwas in die Krankenkartei eingetragen. Ich erzählte ihm zuvor was passierte, aber der Arzt hat das falsch eingetragen.

 

VR zeigt der BF den Inhalt einer Klarsichthülle zwischen AS 161 und

163.

 

BF gibt an, dass es keines dieser Schriftstücke wäre und gibt an, dass sie nichts vorgelegt habe.

 

VR: Was hat der Arzt als Verletzungsursache eingetragen?

 

BF: Es wurde nicht so eingetragen wie ich es gesagt habe. Es war in der Nähe des Hauses und nicht im Haus. Es war auf der Straße. Ich erstattete eine Anzeige bei der Miliz. Sie haben das Verfahren angefangen. Ich dachte ich bekomme eine Antwort und ich würde noch einmal geladen, aber so etwas gab es nicht. Nach 1 Monat ging ich wieder dorthin. Ich wollte mich erkunden wie die Ermittlungen weiterkommen. Sie sagten, es sei abgeschlossen und es gäbe nichts.

 

VR: Haben Sie bei der Anzeigenerstattung näherer Angaben zu der vermeintlichen Täterin gemacht?

 

BF: Ja.

 

VR: Wie sahen diese aus?

 

BF: Ich schilderte die Situation was passierte. So weit ich sie sehen konnte, habe ich sie beschrieben. Was den Bezirk betrifft, wo sie wohnte konnte ich nennen, aber nicht konkret. Sie hatte braune Haare. Sie war mittelgroß. An die Augen kann ich mich nicht mehr erinnern. Sie trug eine dunkle Jacke und Hose. Sie war schlank und noch nicht alt, es war eine ziemlich junge Frau, ca. 30 Jahre alt.

 

VR: Kannten Sie die Frau vom Sehen?

 

BF: Nein.

 

VR: Woher wussten Sie dann in welchem Rayon sie wohnt?

 

BF: Persönlich habe ich sie nicht gekannt, ich wusste, dass ich sie vom Sehen her kenne.

 

VR: Bitte fahren Sie fort.

 

BF: Die Sache wurde eingestellt. Ich war noch einmal bei der Miliz, da hat man es mir mitgeteilt. Als ich frage, warum die Sache eingestellt wurde und warum die Frau nicht gefunden wurde sagten sie zu mir, als sie mich angeschaut haben und den Familienname gelesen haben, sagten sie zu mir, dass sein Familienname XXXX ist. Sie sagten ich solle gehen und die Sache wurde eingestellt.

 

Einsicht genommen wird in die beigebrachte Kopie des Inlandspasses Seite 10 an dieser Stelle befindet sich der Eheschließungsvermerk.

 

VR: Bitte fahren Sie fort.

 

BF: Die Polizei hat nichts gemacht, ich ging mit dem Kind im Arm wieder. Als das Kind die Schule besuchte, es war 6 Jahre alt. Es gab da auch Probleme. Meine Tochter war Muslimin und sie war nicht erwünscht. Sie wurde erniedrigt. Sie wurde auch ständig geschlagen. Sie hatte Angst nach Hause zu gehen, aber nein, ich habe sie ja abgeholt, sie stand ständig unter Stress und es gab ständig Konflikte mit den Kindern. Ich fragte die Lehrerin danach und sie meinte es sei alles normal und es gäbe keine Probleme. Als ich versucht habe mit den Kindern und den Eltern der Kinder zu sprechen, verleugneten diese Vorkommnisse und es war mir nicht möglich die Wahrheit zu beweisen. Meine Tochter stand unter Stress und weinte.

 

VR: Wo war Ihr Mann zu dieser Zeit aufhältig?

 

BF: Er fuhr weg, er war damals nicht bei mir. Er kam auch nur wieder eine Zeit lang auf Besuch.

 

VR: Wie würden Sie Ihre Ehe zum damaligen Zeitpunkt beschreiben?

 

BF: Die Situation zwischen mir und meinem Mann war angespannt. Der Druck von außen war groß und mein Mann hat mich nicht beschützt. Wir hatten ein schlechtes Verhältnis. Ich dachte an Trennung, aber ich wollte die Familie doch erhalten. Ich wollte, dass es einen Vater für meine Kinder gibt. Als er zu Besuch kam, hat er mich natürlich misshandelt. Er war lange nicht da. Er kam und wollte die gesamte Aufmerksamkeit für sich. Ich erklärte ihm die Situation, es gab verschiedene Auseinandersetzungen, manchmal kam es auch dazu, dass er die Hand gehoben hat. Wenn ich ein Wort gesagt habe, dann hat er sich oft aufgeregt und manchmal mich geschlagen und ich lief auf die Straße. Dann wartete ich ab bis er sich beruhigte und dann beruhigte er mich und so war alles wieder in Ordnung.

 

VR: Wie ging es weiter?

 

BF: Es gab noch einen großen Vorfall mit meiner Tochter. Im Februar 2011 gab es einen Vorfall, meine Tochter ging raus um zu spielen. Auf der Straße waren Kinder, sie haben sie beschimpft und bildeten einen Kreis um sie. Von hinten spürte sie einen starken Stoß in den Rücken. Sie fiel auf einen Stein. Ihre Unterlippe wurde stark verletzt. Sie wurde innen und außen genäht und ein Zahn fiel aus. Als sie nach Hause kam und blutete und weinte, fuhr ich ins Krankenhaus. Ihre Lippe wurde genäht und ein Zahn hat sich verschoben und steht schief. Als ich dann im Krankenhaus war, schrieb man das auch auf, es gab Probleme. Als ich versucht habe mit diesen Kindern zu sprechen, bekam ich zur Antwort, dass sie gespielt hätten und nichts getan haben. Ich versuchte mit den Eltern dieser Kinder Kontakt aufzunehmen, es gab aber keine Reaktion und meinten, dass meine Tochter selber schuld sei wegen der Verletzung. Ich brachte dies auch zur Anzeige. Die Polizei wollte das aber nicht bearbeiten, sie hätten keine Gründe dafür. Im März 2011 versuchte man mein Haus in Brand zu setzten. Das Haus wurde in Brand gesetzt. Damals habe ich in dem Haus mit meinem kleinen Kind geschlafen. Geholfen hat mir die Nachbarin, sie hat den Rauch gesehen. Sie hatte Angst, dass das Feuer auf ihr Haus übergeht. Sie weckte mich auch, ich und mein Kind konnten aus dem Haus fliehen. Es dürfte so gegen 17.00 Uhr gewesen sein.

 

Im Akt einliegend befindet sich ein Bericht der Brandlöschung. Aus diesem geht hervor, dass unvorsichtiger Umgang mit Feuer von nicht festgestellten Personen die Brandursache wäre.

 

BF: Die Nachbarin hat zwei Personen gesehen, es waren 2 Männer, welche ganz schnell vom Haus weggingen. An diesem Tag erlitt ich einen Schock.

 

VR: Wann haben Sie Ihren Mann das letzte Mal gesehen?

 

BF: Als er bei mir war, war es 2008. Er kam im Laufe eines Jahres für eine kurze Zeit zu mir und dann habe ich ihn nicht mehr gesehen, es gab Konflikte.

 

VR: Welche Konflikte?

 

BF: Weil er weggefahren ist und ich habe ihn vorgehalten, dass er uns verlassen hat. Ich sagte ihm, dass ich Probleme hätte. Entweder solle er bei uns bleiben, oder uns alle mitnehmen. Ich wollte mich beschützt fühlen. Er meinte nur, er könne uns jetzt nicht mitnehmen, er hätte Probleme und auch keine Arbeit. Wenn ihm etwas gelingen würde, dann würde er uns abholen.

 

VR: Wie waren Sie seit dem Jahr 2008 in Kontakt mit Ihrem Mann?

 

BF: Er kam einmal in einem halben Jahr. 2010 war unser letzter Kontakt. Wir hatten telefonischen Kontakt. Er hat mich damals angerufen. Alle zwei bis drei Tage hat er mich angerufen.

 

VR: Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens gaben Sie an, dass Sie mit ihrem Mann einmal in 2 Wochen telefoniert hätten, was sagen Sie dazu?

 

BF weint: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich so etwas gesagt habe.

 

VR: Sie haben im erstinstanzlichen Verfahren die Telefonnummer Ihres Gatten angeben und gemeint, dass Sie mit Ihrem Gatten in Österreich nicht mehr im telefonischem Kontakt stehen, da dies so teuer sei. Warum lehnten Sie dann das Angebot des BAA ab, als diese Ihnen das Telefon gegeben haben?

 

BF: In meinem Zustand damals habe ich Angst gehabt seine Stimme zu hören. Er sagte zu mir damals, ich solle ins Ausland gehen und die Kinder retten. Ich wollte mit ihm gemeinsam gehen, er sagte, er könne nicht, die Gründe hat er mir nicht genannt. Er sagte er könne nicht und er war böse. Deshalb wollte ich seine Stimme nicht hören. Ich war böse, habe die Kinder genommen und bin gegangen.

 

VR: Wie war das Verhältnis zwischen Ihren Eltern und Ihrem Ehemann?

 

BF: Angespannt. Als ich alleine in dem Haus gelebt habe, kam er nicht zu meinen Eltern. Meine Eltern kamen auch nicht zu uns. Ich hatte aber mit meinen Eltern schon Kontakt. Der Kontakt war allerdings gespannt. Meine Mutter war böse, als ich die Ukraine verlassen habe. Ich habe keinen Kontakt zu meinen Eltern.

 

VR: Wie kamen Sie zur Todesurkunde Ihres Mannes?

 

BF: Meine Mutter hat es mir geschickt.

 

VR: Wie ist Ihre Mutter zu der Todesurkunde gekommen?

 

BF: Ein Mann kam zu meiner Mutter und sagte, er sei der Bruder meines Ehemannes und gab diese Bestätigung ab.

 

VR: Wo haben diese Brüder Ihres Mannes gelebt?

 

BF: In Tschetschenien.

 

VR: Ihr Mann stirbt in der Ukraine. Die Familie Ihres Mannes bzw. sein Bruder lebt in Tschetschenien. Das Verhältnis zwischen Ihrem Mann und Ihren Eltern war denkbar schlecht. Warum sollte dann der Bruder Ihres Mannes unaufgefordert bei Ihren Eltern erscheinen und eine Todesurkunde übergeben? Wenn Sie keinen Kontakt zu Ihren Eltern haben, warum haben diese Ihnen die Todesurkunde geschickt?

 

BF: Ich glaube sie wollten mich verständigen. Meine Mutter hat mir Dokumente geschickt.

 

VR: Woher hat diese Ihre Adresse?

 

BF: Ich habe vorher mit ihr telefoniert. Im August habe ich sie angerufen. Im Juli 2012 war sie im Krankenhaus. Als ich mit ihr gesprochen habe sagte sie mir, dass welche kamen und nach mir und meinen Kindern fragen. Nach Nachfrage gebe ich an, dass es irgendwelche Männer waren und diese fragen würden, wo ich mich aufhalte und wo meine Kinder seien. Daraufhin bekam sie eine Herzattacke. Diese Männer brachten aber nicht die Sterbeurkunde, sie haben nur nach mir gefragt. Sie fragten drohend. Sie sagten ich solle nicht auftauchen dann würde ich nicht am Leben bleiben und man würde nach mir suchen. Ich weiß nicht was diese wollten. Ich habe mit meiner Mutter gesprochen. Sie fragten nach mir und meinem Mann und den Kindern.

 

VR: Wann starb Ihr Mann?

 

BF: Im Jahr 2011 im Jahr 2012 bekam ich die Urkunde. Meine Mutter hat mir das per Post geschickt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich keinen Briefumschlag habe.

 

VR: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit Ihren Eltern?

 

BF: Anfang August 2012 haben wir das letzte Mal gesprochen.

 

VR: Warum haben Sie seitdem keinen Kontakt mehr?

 

BF: Die Mutter hat geschimpft und ihre Meinung gesagt. Sie kam ins Krankenhaus und bekam große Angst. Sie wollte mit mir einfach keinen Kontakt mehr haben. Mein Vater ist schon lange Zeit verstorben.

 

VR: Haben Sie etwas dagegen wenn die hier anwesende Dolmetscherin die von Ihnen angegebene Telefonnummer anruft?

 

BF: Sie können das tun.

 

In der laufenden Verhandlung wird nach Zustimmung der BF die Nr. XXXX angerufen. Auf Anfrage, wo Herr XXXX wäre, wird mitgeteilt, dass dieser verstorben wäre, er und seine Familie große Probleme gehabt hätte und es eine polizeiliche Untersuchung gegeben hätte. Die Frau, welche am Telefon ihren Namen nicht nennen wollte, gab an, keine näheren Details bekannt zu geben. Die Frau gab an, dass die Telefonnummer eine Diensttelefonnummer gewesen wäre unter der früher auch der verstorbene Ehemann erreicht gewesen wäre. Sie hatten früher ein Arbeitsverhältnis in einer Baustoffhandelsfirma. Nach Rückfrage mit der BF wurde der Frau nur mitgeteilt, dass man "eine österreichische Behörde wäre" wie von der BF gewünscht wurden keine weiteren Details der Frau mitgeteilt, insbesondere nicht, dass die Witwe sich in Österreich befinden würde. Das Gespräch wurde durch die anwesende Dolmetscherin geführt.

 

VR: Gesetz den Fall, sie müssten in die Ukraine zurückkehren, könnten Sie sich an Ihre Familie wenden bzw. würde diese Sie unterstützten?

 

BF: Nein.

 

VR: Warum nicht?

 

BF: Nach dem letzten Gespräch mit meiner Mutter habe ich verstanden, dass sie mich mit meinen Kindern nicht mehr sehen möchte.

 

VR: War Ihr Ehemann in kriminelle Machenschaften verwickelt?

 

BF: Das weiß ich nicht.

 

VR: Wissen Sie, dass in der Ukraine sehr wohl Moslems leben?

 

BF: Ja, aber ich weiß nicht warum gerade Tschetschenen, so wie mein Mann, keine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Es gab auch Probleme, weil er aus dem Kaukasus stammte. Mein Mann ist zwar tot, der Bruder meines Mannes kam aber zu meiner Familie und erklärte, dass es sich um Blutrache handelt und ich nicht nach Hause kommen soll.

 

VR: Aufgrund der vorliegenden Länderberichte ist nicht anzunehmen, dass man nur wegen der tschetschenischen Abkunft oder des muslimischen Glaubens eine derart akkordierten Verfolgung ausgesetzt ist.

 

Die BF bittet um eine kurze Bedenkzeit und gibt anschließend an: Es ist richtig, dass Tschetschenen und Moslime vielleicht in manchen Teilen der Ukraine nicht beliebt sind, es ist aber auch richtig, dass Menschen dieser Herkunft nicht in asylrelevanten Ausmaß verfolgt werden. Ich heiratete mit 17 Jahren einen 12 Jahre älteren Mann, der wie ich damals nicht im vollen Ausmaß abschätzen konnte in dubiose Machenschaften verstrickt war. Meine Eltern waren aus diesen Gründen gegen eine Verbindung, damit meine ich nicht nur, dass sie gegen diese Beziehung waren wegen seiner tschetschenischen Herkunft, sondern insbesondere deswegen, weil er in dubiose geschäftliche Beziehungen verstrickt war. Die Probleme, welche ich vorher geschildert habe, waren insbesondere deswegen so drückend, weil mein Mann durch seine kriminellen Handlungen sich Feinde machte und sich daher die vorhandenen Vorurteile gegen Tschetschenen wesentlich verstärkten. Aufgrund dieser Umstände wurde mir auch klar, dass die Ehe kaum aufrecht zu erhalten ist, gleichzeitig hatte ich auch massive Probleme mit meiner Mutter, die sich schließlich von mir abwandte. Ein Bruder von mir wohnt in der Nähe von meiner Mutter und die anderen beiden sind in einer anderen Stadt. Auch diese waren gegen die Beziehung und wandten sich von mir ab. Nachgefragt gebe ich an, dass die Verletzungen meiner Tochter aufgrund von Handlungen mit ethnischem Hintergrund erfolgt sein könnten, sie sind aber eindeutig nicht der ausschlaggebende Grund weswegen ich die Ukraine verlassen musste. Ich verließ die Ukraine weil mir die gesamte Situation völlig über den Kopf wuchs, ich in panischer Angst lebte und mit keiner Hilfe rechnen konnte.

 

VR: Bitte schildern Sie mir Ihre gesundheitliche Situation.

 

BF: Ich lebe ständig in Angst, ich besuche auch Psychologen. Ich habe Angst vor dem Tod meiner Kinder, ich habe Angst in die Heimat zurückzukehren. Nachgefragt gebe ich an, dass ich vor dem kaukasischem Umfeld meines Mannes Angst habe und vor Leuten aus diesem Umfeld, die kriminell sind. Ich möchte auch angeben, dass der Brandanschlag kaum rassistischen Hintergrund gehabt hat, sondern dass ich die geschäftlichen Machenschaften als Grund für diesen Anschlag sehe. Ich besuche einmal alle 2 Wochen den Psychologen, auch meine Tochter. Wir besuchen die Psychologin XXXX, ich lege dazu neue Stellungnahmen der Psychotherapeutin vor, beide sind mit 20.02.2013 datiert, die eine Stellungnahme betrifft mich, die andere die Tochter. Nachgefragt gebe ich an, dass ich auch an einer Wirbelsäulenerkrankung leide, wenn ich gefragt werde weswegen im Akt (AS 120) Osteoporose angegeben ist, kann ich nur sagen, dass es sich vermutlich um einen Übersetzungsfehler handelt, diese Erkrankung habe ich nicht. Meine Krankheit heißt phonetisch: Osterochondrose. Nachgefragt gebe ich an, dass ich Tabletten einnehme, ich habe Schmerzen in der Wirbelsäule und bekomme Medikamente.

 

VR: Haben Sie sonst noch gesundheitliche Beeinträchtigungen?

 

BF: Ich habe auch eine Gefäßverengung, in der Ukraine hatte ich das oft, hier habe ich das noch nicht gespürt. Mein Gesicht wird kalt, ich bekomme keine Luft und trinke viel kaltes Wasser. Es kann aber sein, dass es auch Nervensache ist. In der Ukraine war ich oft krank, aber hier in Österreich nicht.

 

VR: Wie geht es Ihrer Tochter gesundheitlich?

 

BF: Die Kleine hat die Haare verloren. Derzeit besucht sie einen Psychotherapeuten. Der Haarausfall ist jetzt aber gestoppt. Meine Tochter geht auch zur Schule, sie besucht die 4. Klasse Volksschule. Meine Tochter hat 3. Klassen in der Ukraine besucht. Meiner Tochter geht es in der Schule in Österreich gut, sie wird gelobt. In Mathematik ist sie sehr gut.

 

VR: Wie geht es Ihrem Sohn gesundheitlich?

 

BF: Derzeit geht es ihm gut. In letzter Zeit hat er Angst vor der Dunkelheit. Er besucht den Kindergarten. Das freut mich sehr, denn er kann so zu anderen Kontakt haben. Er hat sehr gute Kontakte zu den Kindern. Er will nicht aus dem Kindergarten nach Hause gehen.

 

VR: Schildern Sie mir Ihre Lebensumstände in Österreich.

 

BF: Ich wohne in einer Flüchtlingspension. Ich erhalte Unterstützung. Ich lebe in keiner Lebensgemeinschaft.

 

VR: Haben Sie Freunde oder Bekannte in Österreich?

 

BF: Nein.

 

VR: Sind Sie mit einer medizinischen (insbesondere psychiatrische) Untersuchung einverstanden?

 

BF: Ja.

 

VR: Sind Sie damit einverstanden, dass Ihre Psychotherapeutin kontaktiert wird?

 

BF: Ja.

 

VR: Würden Sie von irgendjemanden in der Ukraine unterstütz werden?

 

BF: Nein.

 

BR: Können Sie Deutschzeugnisse vorweisen?

 

BF legt ein Deutschkurszeugnis vor, welches zum Akt genommen wird.

 

VR: Sprechen Sie Deutsch? Können Sie mir einige Sätze in deutscher Sprache nennen?

 

BF: Ich wohne in XXXX. Ich habe zwei Kinder.

 

VR: Was haben Sie gestern zu Mittag gegessen?

 

BF: Mittag, ich habe Nudel mit Leber gegessen. Ich liebe Torte machen.

 

Folgende Erkenntnisquellen werden der beschwerdeführenden Partei genannt und deren Inhalt erörtert:

 

Länderberichte laut Beilage

 

Bericht über die aktuelle Menschenrechtssituation in der Ukraine laut Beilage

 

VR gewährt eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme und übergibt der BF je ein Exemplar der angeführten Berichte.

 

VR fragt die BF, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen will.

 

BF: Nein.

 

VR fragt die BF, ob sie die Dolmetscherin gut verstanden haben; dies wird bejaht.

 

Folgende Bestätigungen legte die Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vor:

 

Deutschkursbestätigung vom 20.12.2012, wonach die Beschwerdeführerin den Grundkurs "Deutsch als Fremdsprache" absolviert habe;

 

Befund eines Dermatologen vom 19.09.2011, wonach die Tochter der Beschwerdeführerin an "Alopezia areata" leide;

 

Psychotherapeutische Stellungnahme einer Psychotherapeutin vom 20.02.2013, wonach die Tochter der Beschwerdeführerin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung und "Tod eines Familienangehörigen" leide und seit 08.08.2011 psychotherapeutisch betreut werde;

 

Psychotherapeutische Stellungnahme einer Psychotherapeutin vom 20.02.2013, wonach die Beschwerdeführerin an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt sowie "Tod eines Familienangehörigen" leide und seit 08.08.2011 psychotherapeutisch betreut werde.

 

Der Asylgerichtshof erhob Beweis durch folgende Handlungen:

 

Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des Bundesasylamtes der Beschwerdeführerin.

 

Einsichtnahme in den Länderbericht, der der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde (vgl. Beilage zum Verhandlungsprotokoll vom 04.04.2013 OZ 9Z), zu welchem die Beschwerdeführerin aber nicht Stellung nahm.

 

Die hinsichtlich der Länderfeststellungen verwendeten Quellen waren insbesondere:

 

Länderfeststellungen des Asylgerichtshofes zur Lage in der Ukraine (Stand Februar 2013);

 

Bericht Staatendokumentation über die aktuelle Menschenrechtssituation in der Ukraine (Stand September 2012);

 

Abhaltung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2013 vor dem erkennenden Senat des Asylgerichtshofes (Zum exakten Inhalt wird auf die Niederschrift verwiesen, vgl. OZ 9Z).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:

 

1.1 Zum Herkunftsland der Beschwerdeführerin (Ukraine) wird Folgendes festgestellt:

 

Hinsichtlich der relevanten Situation in der Ukraine wird zunächst prinzipiell auf die im Akt einliegenden und der Beschwerdeführerin in der mündlichen Beschwerdeverhandlung überreichten Länderfeststellungen (vgl. die Beilage zum Verhandlungsprotokoll vom 04.04.2013 OZ 9Z) verwiesen, zu denen die Beschwerdeführerin nicht substantiiert Stellung nahm. Aus diesen Länderfeststellungen ergibt sich für die im vorliegenden Fall relevante Situation, dass die Lage in der Ukraine, insbesondere im Hinblick auf die familiären und gesundheitlichen Probleme der Beschwerdeführerin, einem Refoulement der Beschwerdeführerin in die Ukraine gegenwärtig entgegenstehen würde.

 

Zwar muss grundsätzlich festgehalten werden, dass sowohl das ukrainische Gesundheitssystem prinzipiell intakt ist, als auch alleinerziehende bzw. alleinstehende Frauen prinzipiell relativ problemlos in der Ukraine leben können, gegenständlich jedoch aufgrund der Rahmenbedingungen des Falles (krimineller, mittlerweile getöteter, moslemischer, tschetschenischer Ehemann, somit alleinerziehende und alleinstehende Mutter

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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