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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Pelant, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1.) des MY, geboren am 10. Februar 1972, 2.) der FY, geboren am 10. Oktober 1973, 3.) des BY, geboren am 14. März 1992, und
4.) des EY, geboren am 17. April 1996, alle in Feldkirch, der Dritt- und Viertbeschwerdeführer vertreten durch den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin, diese vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 23. Juni 2000, Zl. Ia 370- 14/1995, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Juni 2000 wies die Vorarlberger Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft "gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 124/1998 - StbG, und die mit dem Verleihungsantrag verbundenen Anträge auf Erstreckung der Verleihung auf die Ehegattin und die beiden minderjährigen Kinder des Erstbeschwerdeführers "gemäß §§ 16, 17 und 18" StbG ab. Der am 10. Februar 1972 in der Türkei geborene Erstbeschwerdeführer sei eigenberechtigt und besitze die türkische Staatsangehörigkeit. Er habe seit 16. Jänner 1979 ununterbrochen den Hauptwohnsitz in Österreich und sei seit 20. Mai 1991 mit der Zweitbeschwerdeführerin, einer türkischen Staatsbürgerin, die sich der Aktenlage nach seit 28. Juni 1991 in Österreich aufhält, verheiratet. Aus dieser Ehe stammten zwei minderjährige Kinder, die beide in Feldkirch (am 14. März 1992 bzw. am 27. April 1996) geboren worden seien. Der Antragsteller habe vier Jahre die Volksschule und vier Jahre die Hauptschule in Österreich besucht. Er habe keinen Beruf erlernt und sei von 1987 bis November 1994 bei der Fa. K. beschäftigt gewesen. Er betreibe seit 1. Juli 1994 eine "Ausbrennerei", seit Anfang 1995 sei er dort "hauptberuflich" beschäftigt.
Von der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch sei der Erstbeschwerdeführer wie folgt bestraft worden:
"mit Bescheid vom 16.10.1992, Zl. X-21130-1992, wegen Übertretungen nach den §§ 102 Abs. 1 und 7 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 KDV mit einer Geldstrafe von S 500,--;
mit Bescheid vom 01.04.1993, Zl. X-5746-1993, wegen einer Übertretung nach § 36 lit. e KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 700,--;
mit Bescheid vom 01.04.1993, Zl. X-5746-1993, wegen Übertretungen nach den §§ 102 Abs. 1 und 4 Abs. 2 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 400,--;
mit Bescheid vom 01.04.1993, Zl. X-5746-1993, wegen Übertretungen nach den §§ 102 Abs. 1 und 7 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 KDV mit einer Geldstrafe von S 800,--;
mit Bescheid vom 20. 07.1993, Zl. X-14689-1993, wegen Übertretungen nach den §§ 102 Abs. 1 und 7 Abs. 1 KFG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;
mit Bescheid vom 20.07.1993, Zl. X-14689-1993, wegen einer Übertretung nach § 106 Abs. 1a KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 500,--;
mit Bescheid vom 20.07.1993, Zl. X-14689-1993, wegen Übertretungen nach den §§ 38 Abs. 5 und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 700,--;
mit Bescheid vom 21.11.1994, Zl. X-13919-1994, wegen Übertretungen nach den §§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe von S 3.000,--;
mit Bescheid vom 21.11.1994, Zl. X-13919-1994, wegen Übertretungen nach den §§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe von S 3.000,--;
mit Bescheid vom 21.11.1994, Zl. X-13919-1994, wegen Übertretungen nach den §§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe von S 3.000,--;
mit Bescheid vom 21.11.1994, Zl. X-13919-1994, wegen Übertretungen nach den §§ 28 Abs. 1 Z 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz mit einer Geldstrafe von S 3.000,--;
mit Bescheid vom 06.12.1995, Zl. X-28861-1995, wegen Übertretungen nach den §§ 52 lit. a Z 10a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 1.800,--;
mit Bescheid vom 13.05.1996, Zl. X-14653-1996, wegen einer Übertretung nach § 101 Abs. 1 lit. a KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 500,--;
mit Bescheid vom 13.05.1996, Zl. X-14653-1996, wegen einer Übertretung nach § 102 Abs. 1 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 1.500,--;
mit Bescheid vom 27.03.1997, Zl. X-6139-1996, wegen Übertretungen nach den §§ 52 lit. a Z 10a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;
mit Bescheid vom 02.05.1997, Zl. X-8542-1997, wegen einer Übertretung nach § 42 Abs. 1 KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 300,--;
mit Bescheid vom 07.10.1999, Zl. X-15466-1999, wegen Übertretungen nach den §§ 52 lit. a Z 10a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 1.000,--;
mit Bescheid vom 06.12.1999, Zl. X-17624-1999, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe von S 450,--;
mit Bescheid vom 06.12.1999, Zl. X-17624-1999, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe von S 450,--;
mit Bescheid vom 06.12.1999, Zl. X-17624-1999, wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 19 Abs. 1 KFG mit einer Geldstrafe von S 450,--;
mit Bescheid vom 06.03.1999, Zl. X-06.03.1999, wegen Übertretung nach den §§ 24 Abs. 1 lit. a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 700,--;"
Auf Grund der Dauer des Hauptwohnsitzes in Österreich von mehr als 20 Jahren komme für eine Verleihung der Staatsbürgerschaft der Tatbestand des § 10 Abs. 1 StbG in Frage. Die Tatbestände "des § 10 Abs. 6 und des § 10 Abs. 4 Z. 1 StbG mit ihren erhöhten Erfordernissen können außer Betracht bleiben". Der Tatbestand des § 10 Abs. 4 Z. 2 StbG scheide aus, weil der Erstbeschwerdeführer nach dem 9. Mai 1945 geboren worden sei.
Gemäß § 11 StbG habe sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 leg. cit. eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. Es lägen "einige Sachverhalte" vor, die für den Erstbeschwerdeführer "positiv zu werten" seien. Er habe die Schulausbildung in Österreich absolviert und sei seit mehreren Jahren selbstständig als "Ausbrenner" tätig. Durch den langjährigen Aufenthalt und die Schulausbildung habe er sich weitgehend an die "hierortigen Verhältnisse" angepasst. Andererseits habe er seit 1992 "immer wieder (insgesamt 20 Mal)" wegen Verwaltungsübertretungen bestraft werden müssen. Dieses Verhalten lasse erkennen, dass der Erstbeschwerdeführer "mit der Rechtsordnung noch nicht im wünschenswerten Maß verbunden" sei. Dieser Umstand relativiere auch das durch den langjährigen Aufenthalt gegebene Ausmaß der Integration. Nach Abwägung der aufgezeigten Gesichtspunkte gelange die belangte Behörde zu der Auffassung, dass der Erstbeschwerdeführer durch die wiederholte Missachtung von Verwaltungsvorschriften ein Verhalten gesetzt habe, welches das allgemeine Wohl und die öffentlichen Interessen beeinträchtige und schwerer wiege als das Ausmaß seiner Integration. Eine Ermessensübung im Sinn des § 11 StbG zu seinen Gunsten scheide aus.
Ein Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft komme dem Erstbeschwerdeführer ungeachtet seines mehr als 15- jährigen Hauptwohnsitzes im Inland nicht zu. § 12 Z. 1 lit. b StbG fordere nämlich sowohl den Nachweis nachhaltiger beruflicher als auch persönlicher Integration des Fremden. Zu einer nachhaltigen persönlichen Integration gehöre aber auch die Beachtung der gesetzlichen Vorschriften, die zum Schutze des Lebens und der Gesundheit anderer erlassen worden seien. Dieses Erfordernis erfülle der Erstbeschwerdeführer im Hinblick auf die oftmalige Bestrafung seitens der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch wegen begangener Verwaltungsübertretungen nicht.
Wegen der Abweisung des Antrages des Erstbeschwerdeführers seien die Voraussetzungen für die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der gegenständliche Fall gleicht in allen wesentlichen Umständen jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0227, zu Grunde lag. Der Verwaltungsgerichtshof verweist demzufolge gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das genannte Erkenntnis.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000010344.X00Im RIS seit
10.04.2001