TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/05 D4 256651-4/2013

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Veröffentlicht am 05.07.2013
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Spruch

D4 256651-4/2013/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und die Richterin Mag. STARK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 21.03.2013, FZ. 13 01.238-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005, idF BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang

 

1. (Erstverfahren):

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und reiste am 11.04.2004 gemeinsam mit ihren Eltern, welche der tschetschenischen und russischen Volksgruppe angehören, sowie ihren Geschwistern und Neffen illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag, wobei sie zu ihren Fluchtgründen auf das Vorbringen ihres Vaters verwies, welcher angab, sie würden in Tschetschenien verfolgt. Sein Schwiegersohn sei verschleppt worden und seither verschollen.

 

Bei der Einvernahme am 07.12.2004 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen zu ihren Fluchtgründen an, ihr Vater stehe seit 1996 auf einer Fahndungsliste und sei immer wieder mitgenommen und durch Verwandte freigekauft worden; das erste Mal 1996 und im Jahr 2003 sei er zweimal mitgenommen worden. Gegen sie selbst habe es nie Übergriffe gegeben, lediglich gegen den Vater.

 

Die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.12.2004 wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 07.01.2009, Zl. D4 256651-0/2008/1E, gemäß § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen, da die Zustellung an die Schwester der Beschwerdeführerin verfügt worden war, und damit der angefochtene Bescheid nicht rechtswirksam erlassen wurde.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 24.09.2009, Zl. 04 07.164-BAS, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27.03.2004 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig beschieden und diese gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Darin wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht habe, persönlich Verfolgungshandlungen oder Übergriffen in der Russischen Föderation ausgesetzt gewesen zu sein. Sie habe ihren Herkunftsstaat ausschließlich aus den ihren Vater betreffenden Gründen verlassen. Ein erhöhtes Risiko als Angehörige ihres Vaters habe weder aus ihren noch aus dessen Angaben festgestellt werden können. Refoulementgründe hätten nicht erkannt werden können, die Beschwerdeführerin sei arbeitsfähig und jung. Bezüglich der Ausweisung wurde ausgeführt, dass kein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vorliege und wurde auch hinsichtlich ihres Privatlebens keine Verletzung von Art. 8 EMRK dadurch erkannt.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.07.2010, Zl. D4 256651-2/2009/5E, wurde die dagegen erhobene Berufung gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 und § 10 Abs.1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen und unter Gewährung eines Durchführungsaufschubes gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 bis zum 31.01.2011 ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen werde, da nicht hätte festgestellt werden können, dass der beschwerdeführenden Partei im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung oder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Es wurden Feststellungen zur Russischen Föderation und zur Teilrepublik Tschetschenien getroffen. Beweiswürdigend wurde grob zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin vor ihrer Flucht keiner konkreten individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen ist und ihr auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe drohe. Sie sei gesund und arbeitsfähig und erwarte derzeit ein Kind. Sie sei seit etwa zwei Jahren mit XXXX nach islamischem Ritus verheiratet und lebe mit diesem im gemeinsamen Haushalt. Über dessen Asylantrag (inklusive Ausweisung) sei bereits rechtskräftig negativ entschieden worden (UBAS 251.178/0-XVIII/59/04). Auch die Verfahren der Eltern und zweier Geschwister seien seitens des Asylgerichtshofes negativ entschieden worden. Durch die Ausweisung ergebe sich keine Verletzung von Art. 8 EMRK, wegen der bestehenden Schwangerschaft sei ein Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 auszusprechen.

 

Diese Entscheidung wurde der Beschwerdeführerin am 23.07.2010 persönlich zugestellt.

 

Nach der vorgelegten Geburtsurkunde wurde am XXXX der Sohn der Beschwerdeführerin, XXXX, im Bundesgebiet geboren.

 

Am 26.04.2011 erklärte die Beschwerdeführerin schriftlich, freiwillig zurückkehren zu wollen. Nach der Mitteilung der Caritas vom 08.06.2011 ist die Familie jedoch nicht zum Flugtermin erschienen und war nicht mehr erreichbar.

 

Der an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Antrag auf Verfahrenshilfe wurde von diesem abgelehnt.

 

2. (Folgeverfahren):

 

Am 20.09.2011 stellte die Beschwerdeführerin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, nachdem sie sich zuvor mit ihrer Familie drei Monate in Frankreich aufgehalten hatte, wo sie ebenfalls Asyl beantragt hatte und hierauf nach Österreich rücküberstellt wurde. Als Grund für ihre neuerliche Antragstellung gab sie an, sie habe Angst, in Tschetschenien umgebracht zu werden. Sie seien in Österreich Nachbarn von dem Mann gewesen, welcher Umar Israilov getötet habe. Sie habe mit dessen Frau Eliza Schwierigkeiten gehabt und diese habe gedroht, alles ihrem Mann zu erzählen. Ihr Mann habe dann mit diesem Probleme gehabt. Ihr Mann habe ihr gesagt, dass dieser wieder in Tschetschenien sei und sie daher nicht zurück könnten. Sie stelle auch für ihren Sohn XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, er sei gesund.

 

Anlässlich der Einvernahme am 27.09.2011 durch das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, gab sie zusammengefasst an, seit 04.08.2008 mit XXXX nach moslemischer Tradition verheiratet zu sein. Außer dem gemeinsamen Sohn XXXXhätten sie keine weiteren Kinder. Ihre Eltern und Geschwister befänden sich als Asylwerber in Österreich, ein gemeinsamer Haushalt bestehe seit ihrer Heirat nicht mehr mit diesen, auch kein sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Von ihrer Antragstellung bis etwa Juni 2011 habe sie sich in Österreich, danach bis 20.09.2011 mit ihrem Mann und ihrem Kind in Frankreich und seither wieder in Österreich aufgehalten. Ab ihrer Heirat im Jahr 2008 bis zur Ausreise nach Frankreich hätten sie in XXXX als Nachbarn von XXXX, welcher in Österreich einen Tschetschenen ermordet habe, gelebt. Ihr Mann habe sich mit diesem sehr oft gestritten. Dessen Ehefrau XXXX habe ihr sehr oft im Streit damit gedroht, alles ihrem Mann berichten zu wollen, welcher ihnen das Leben zur Hölle machen werde. Sie befürchte im Fall der Rückkehr wegen der Streitereien in XXXX von XXXX ermordet zu werden. Die Gründe, aus denen ihr Mann Streit mit dem Nachbarn gehabt habe, könne sie nicht nennen. Sie selbst habe mit der Frau des Nachbarn Streitereien gehabt, weil diese zB ihre Sachen in der gemeinsamen Küche weggeworfen habe. Die Streitereien hätten 2008 gleich nach der Ankunft in XXXX begonnen und hätten bis zur Abreise der Frau gedauert, glaublich im letzten Jahr, Anfang 2010. Wegen der Streitigkeiten hätten sie sich nicht an die Polizei gewendet. Die Rückkehrbefürchtung bestehe, seit sie von dem Mord in Wien aus der Zeitung erfahren habe, sie glaube, dies sei ungefähr vor einem Jahr gewesen. Zur Frage, warum sie nicht bereits vor einem Jahr einen (neuen) Asylantrag gestellt habe, gab sie an, diese Frage nicht verstanden zu haben, weil sie ja damals in Österreich aufhältig gewesen seien. Damals hätten sie nicht gewusst, dass die österreichischen Behörden sie nach Tschetschenien hätten schicken wollen. Zur Verhinderung der Abschiebung hätten sie die Rückkehrberatung aufgesucht und wären einen Tag vor der Abreise nach Russland die Reise nach Frankreich angetreten. Im Jahr 2010 habe sie einen Deutschkurs absolviert. Berufstätig sei sie in Österreich nicht gewesen, sie sei auch nicht Mitglied einer Organisation oder in Vereinen. Ihre Eltern und Geschwister befänden sich in Österreich. Außer Onkeln und Tanten habe sie in Tschetschenien keine Verwandten. Sie fürchte um das Leben ihres Sohnes. Er sei damals noch nicht auf der Welt gewesen, als XXXX in Österreich gewesen sei. Sie persönlich sei von diesem nicht bedroht worden, sondern ihr Mann, welcher sich mit diesem gestritten habe.

 

Die Einvernahme vom 19.10.2011 hatte das Parteiengehör zur beabsichtigten Zurückweisung des Antrages und zu den ihr vorgehaltenen Länderfeststellungen zum Gegenstand, wozu sie jedoch keine substantiierten Angaben machte.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle Ost, vom 09.11.2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin vom 20.09.2011 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass das nunmehrige Vorbringen der Beschwerdeführerin keinen glaubhaften Kern beinhalte und damit die Rechtskraft des Erstverfahrens einer neuerlichen inhaltlichen Entscheidung entgegenstehe. Auch die die Beschwerdeführerin treffende allgemeine Lage in der Russischen Föderation habe sich seit Rechtskraft des letzten Asylverfahrens nicht geändert. Die nunmehrige Behauptung, während des bisherigen Aufenthaltes in Österreich vom benachbarten späteren Mörder Israilovs bzw. dessen Ehefrau im Zuge von Streitigkeiten bedroht worden zu sein, wurde als nicht glaubwürdig erachtet, vor allem weil die Beschwerdeführerin am 26.04.2011 schriftlich erklärte, freiwillig nach Hause zurückreisen zu wollen, was ihrem nunmehrigen Vorbringen diametral widerspreche. Es sei vielmehr zu erwarten gewesen, dass sie im Fall von weiteren Befürchtungen anstatt dessen schon (früher) einen weiteren Asylantrag gestellt hätte. Ihr Vorbringen, dass sie diese Frage nicht verstehe, weil sie zu dieser Zeit ohnehin in Österreich aufhältig gewesen sei, gehe ins Leere, weil über ihren ersten Antrag bereits am 23.07.2010 rechtskräftig negativ entschieden worden und ihr (damit) keinerlei Schutzstatus eingeräumt worden sei und sie auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt habe. Auch habe sie vorgebracht, sich wegen der Bedrohungen durch XXXX bzw. dessen Ehefrau nicht an die Polizei gewendet zu haben, weshalb nicht erkannt werden könne, dass sie einer Gefährdung durch XXXX ausgesetzt gewesen seien. Es sei daher auch nicht plausibel, dass ihr vor ca. einem Jahr die Gefährdung durch XXXX bewusst geworden sei.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.11.2011, D4 256651-3/2011/2E wurde die erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass im Erstverfahren rechtskräftig festgestellt worden sei, dass der beschwerdeführenden Partei in der Russischen Föderation keine Verfolgung im Sinne der GFK drohe und dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in die Russische Föderation keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK bedeute und ihre Ausweisung in die Russische Föderation ausgesprochen.

 

Am 26.04.2011 habe die Beschwerdeführerin schriftlich erklärt, freiwillig zurückkehren zu wollen. Nach der Mitteilung der Caritas vom 08.06.2011 sei die Familie jedoch nicht zum Flugtermin erschienen und sei nicht mehr erreichbar gewesen. Am 20.09.2011 sei sie gemeinsam mit ihrer Familie im Rahmen der Dublin II-Verordnung aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt worden.

 

Die Beschwerdeführerin lebe nach illegaler Einreise am 11.04.2004 nunmehr mit ihrem Lebensgefährten und ihrem minderjährigen Sohn im gemeinsamen Haushalt, welche ebenfalls von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien. Mit ihren ebenfalls als Asylwerber in Österreich aufhältigen Eltern, Brüdern, Schwerstern und Neffen lebe sie nicht im gemeinsamen Haushalt und bestünden auch keine gegenseitigen Abhängigkeiten. Sie gehe in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, bestreite den Lebensunterhalt aus der Grundversorgung, habe bisher einen Deutschkurs besucht und sei unbescholten. Sie verfüge in der Russischen Föderation in Tschetschenien über Verwandte (Onkeln, Tanten und Schwiegermutter), beherrsche die Landessprache und Gepflogenheiten. Die Dauer ihres bisherigen Aufenthalts resultiere nicht nur aus den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen, sondern ergebe sich auch aus den von der Beschwerdeführerin ergriffenen Rechtsmitteln und sie sei außerdem vom 01.02.2011 bis zum 20.09.2011 illegal im Bundesgebiet bzw. in Frankreich aufhältig. Diese Feststellungen würden sich aus den Verwaltungsakten ergeben.

 

Im Folgeverfahren und der Beschwerde hätte der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ausgeführt, in Österreich fast zwei Jahre lang benachbart mit XXXX, dem Mörder Israilovs, gewohnt zu haben und mit diesem damals in politische Streitereien verwickelt gewesen zu sein. Dieser sei nach Tschetschenien zurückgekehrt und der Lebensgefährte befürchte politische Verfolgung durch die tschetschenische Regierung, da er nach einem in der Beschwerde genannten Bericht über den Prozess in Wien vom 26.11.2010 XXXX nach Tschetschenien zurückgekehrt und in der örtlichen Miliz befördert worden sei.

 

Es sei nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin bei tatsächlich befürchteter Verfolgung wegen der nunmehr vorgebrachten Umstände nicht schon wesentlich früher, also ab Juli 2010, einen weiteren Asylantrag gestellt hätte, sondern im Gegenteil danach noch im April 2011 bei der Caritas ihre freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat (schriftlich) erklärt hätte, um dann schließlich am 20.09.2011 - nach ihrer Rücküberstellung aus Frankreich - doch noch einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Ihre schriftliche Erklärung vom 26.04.2011, wonach sie freiwillig zurückkehren wolle, stehe in diametralem Gegensatz zu ihrer neuerlichen Antragstellung am 20.09.2011. Es sei entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht glaubhaft, dass der Lebensgefährte eine weitere Einvernahme erwartet hätte, da er einerseits bereits davor an einem Asylverfahren samt Rechtsmittelverfahren teilgenommen habe und somit mit den Abläufen zumindest in groben Zügen vertraut hätte sein müssen, und es andererseits sodann naheliegend gewesen wäre, dass er zumindest bei seiner Einvernahme bei der Fremdenpolizei eine Äußerung in diesem Sinne gemacht hätte. Selbst wenn die Beschwerdeführer in Österreich für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren die (mehr oder weniger unmittelbaren) Nachbarn des genannten XXXX bzw. dessen Ehefrau gewesen sein sollten, sei nicht plausibel, wieso sie im Fall einer deswegen befürchteten Verfolgung in Tschetschenien nicht entsprechend gehandelt und unmittelbar nach Abschluss ihrer Verfahren weitere Asylanträge gestellt hätten, sondern ihre freiwillige Rückkehr erklärt hätten. Auch sei dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - entgegen dem Beschwerdevorbringen - kein politischer Inhalt der Streitigkeiten mit der Ehefrau des XXXX zu entnehmen, vielmehr habe es sich offenbar um Divergenzen im Rahmen des Zusammenlebens in der gemeinsamen Unterkunft gehandelt und habe sie auch vorgebracht, sie hätte sich wegen der Drohungen nicht an die Polizei gewendet. Im Falle einer tatsächlich befürchteten Bedrohung durch XXXX wäre - wie bereits ausgeführt - zu erwarten gewesen, dass die Beschwerdeführer eine derartige Befürchtung umgehend vor den Behörden und der Caritas geltend gemacht hätten. Dies sei auch deshalb nicht plausibel, da sie vorgebracht habe, die Gefährdung durch XXXX sei ihr etwa ein Jahr vor der neuerlichen Antragstellung bewusst geworden.

 

Die beschwerdeführende Partei habe versucht in ihrem neuen Vorbringen einen politischen Grund für ihre Verfolgung zu konstruieren, da nicht von der Glaubhaftmachung einer politischen Verfolgung ausgegangen worden wäre. Es sei absolut nicht plausibel nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin eine derart befürchtete Verfolgung nicht umgehend vor den österreichischen Behörden und der Caritas geltend gemacht hätte, sondern im Gegenteil dort von ihrer freiwilligen Rückkehr gesprochen habe und diese schließlich auch schriftlich erklärt habe.

 

In einer Gesamtbetrachtung komme der Asylgerichtshof zum Schluss, dass von keinem neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt hinsichtlich der Asylgewährung, der einer neuerlichen Beurteilung bedürfe - ausgegangen werde, da der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte neue Fluchtgrund unglaubwürdig sei.

 

Der beschwerdeführenden Partei hätte auch zu diesem Zeitpunkt in der Russischen Föderation keine Verfolgung im Sinne der GFK gedroht und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in die Russische Föderation hätte keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK dargestellt.

 

3. (2. Folgeverfahren):

 

Am 29.01.2013 stellte die Beschwerdeführerin einen dritten Antrag auf internationalen Schutz am Flughafen Wien-Schwechat, nachdem die Beschwerdeführerin im Rahmen der Dublin VO (EG) 343/2003 zurücküberstellt wurde. Sie hielt sich zuvor laut eigenen Angaben einige Monate in der XXXX auf, wo sie ebenfalls Asyl beantragt hätte. Als Grund für ihre neuerliche Antragstellung für sich und ihre Söhne gab sie an, dass sie von den XXXX Behörden nach Österreich deportiert worden wäre und ihre Gründe, die sie in der ersten Einvernahme angegeben habe, noch aufrecht wären. Sie fürchte um ihr Leben und das ihrer Familie.

 

Bei der Einvernahme am 18.03.2013 beim Bundesasylamt gab sie zusammengefasst an, sie sei gesund und habe keine physischen oder psychischen Probleme.

 

Die Beschwerdeführerin wurde auf die Entscheidungen im Erst- und Zweitverfahren aufmerksam gemacht, sowie, dass sie sich im April 2011 für die freiwillige Ausreise angemeldet hätte. Aufgrund des dritten Asylantrags am 29.01.2013 würde sie nochmals einvernommen. Befragt, ob sie dies verstanden hätte, antwortete sie, dass sie nichts hinzufügen wolle.

 

Ihre Angaben im Rahmen der Erstbefragung seien vollständig, sie habe damals die Wahrheit gesagt, mehr habe sie selbst nicht dazu anzuführen. Andere Gründe gebe es nicht.

 

Ihre gesamte Familie lebe in Wien und hätten ihre Familienangehörigen - soweit sie wisse - auch negative Bescheide erhalten. Sie stehe mit ihrer Familie in telefonischem Kontakt und habe erfahren, dass diese um ein Visum ansuchen wolle. Details seien ihr nicht bekannt.

 

Sie habe neun Jahre die Schule besucht und könne Russisch lesen und schreiben. Sie spreche noch ein wenig Deutsch und ihre Muttersprache sei Tschetschenisch. Sie sei 2004 mit ihren Eltern und Geschwistern nach Österreich gekommen. 2007 habe sie ihren Lebensgefährten traditionell geheiratet. Gemeinsam würden sie zwei Söhne haben. Einer sei in Österreich und einer in der XXXX geboren worden. Sie hätten unter normalen wirtschaftlichen Verhältnissen in Tschetschenien gelebt.

 

Befragt nach dem Entschluss zur Ausreise verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass sie damals noch klein gewesen wäre und dies ihr Vater entschieden hätte. Die Ausreise sei mit ihren Pässen erfolgt.

 

Neben Österreich hätte sie auch in der XXXX und in Frankreich Asylanträge gestellt.

 

Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe habe sie bereits alles gesagt und sie halte diese aufrecht. Sie habe Angst und wolle nicht nach Hause zurück. Es habe sich seit der Entscheidung im Jahr 2011 nichts geändert, da sie nicht zu Hause gewesen wären.

 

Befragt, weshalb sie nunmehr erneut einen Asylantrag stelle, schilderte die Beschwerdeführerin, sie wären zuerst nach Frankreich und danach in die XXXX gelangt. Aufgrund des Dublinverfahrens hätten sie zurückkehren müssen und keine andere Wahl gehabt, als in Österreich neuerlich einen Asylantrag zu stellen. Sie hätten keine Möglichkeit nach Hause zurückzukehren.

 

Nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht und nochmals befragt, ob sie noch etwas Asylrelevantes angeben oder etwas vorbringen möchte, was wichtig erscheine, sie jedoch nicht gesagt habe, wiederholte sie, alles erzählt zu haben. Sie habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

 

Befragt, ob sie in ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt worden sei, erwiderte sie, dass sie wegen der Probleme ihres Vaters verhört worden wäre, ansonsten hätte sie keine Probleme gehabt.

 

Sie verneinte die Frage, ob bis zu den besagten Vorfällen auf sie irgendwelche Übergriffe stattgefunden hätten oder ob an sie persönlich jemals irgendwer herangetreten sei.

 

Im Fall einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat hätte sie Angst, weil man dort Leute umbringe und Leute verschwinden würden. Sie wolle mit ihren Kindern dort auf keinen Fall zurück.

 

Die Frage, ob sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle ihrer Rückkehr hätte, verneinte sie und gab anschließend an, es nicht zu wissen.

 

Sie verzichtete auf die Übersetzung der Länderfeststellungen, da sie die allgemeine Situation in ihrer Heimat kenne. Sie wolle auch keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben.

 

Sie sei seit April 2004 in Österreich und besitze in ihrem Pass ein tschechisches Visum für Österreich. In Österreich lebe sie von der Grundversorgung.

 

In Österreich besuche sie keinen Deutschkurs und sei kein Mitglied eines Vereins. Sie kümmere sich um ihre Kinder, ansonsten mache sie nichts.

 

Seit ihrer Einreise nach Österreich sei sie keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Ihr Mann, ihre Kinder, ihre Eltern und Geschwister sowie zwei Neffen seien in Österreich. In Österreich seien keine Angehörigen noch sonstige Verwandte oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht.

 

Auch wären keine Freunde oder Bekannte in Österreich, die sie bereits aus ihrem Heimatland kenne.

 

Für ihre Kinder habe sie keine eigenen Asylgründe vorzubringen. Für ihre Kinder würden die gleichen Gründe wie für sie gelten. Ihre beiden Kinder seien gesund. Die Angaben der Beschwerdeführerin würden auch für ihre Kinder gelten.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck vom 21.03.2013, Zl. 13 01.238-BAI, wurde der Antrag vom 29.01.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges, darunter auch die Einvernahmeprotokolle des Zweitverfahrens und des gegenständlichen Verfahrens wurde die Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Sprachkenntnisse (tschetschenisch, russisch, ein wenig deutsch) und der illegalen Einreise, wurde ausgeführt, dass sie am 29.01.2013 bereits zum dritten Mal in Österreich einen Asylantrag gestellt hätte.

 

Weiters wurde festgestellt:

 

"Fest steht, dass Ihr Erstverfahren 04 07.164-BAS mittels Erkenntnis vom Asylgerichtshof vom 19.07.2010, GZ. D4 256.651-2/2009-5E, ganzheitlich rechtskräftig negativ entschieden wurde.

 

Weiters steht fest, dass Ihr Zweitverfahren 11 10.861-EAST Ost wegen entschiedener Sache negativ entschieden wurde und Ihre diesbezügliche Beschwerde mittels Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 30.11.2011, Zl. D4 256.651-3/2011/2E, als unbegründet abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis erwuchs mit 02.12.2011 in Rechtskraft."

 

Sie leide an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes, stehe momentan nicht in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung und eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit hätte nicht festgestellt werden können.

 

Sie sei in der Heimat nicht vorbestraft und werde von keiner Behörde gesucht werden.

 

Sie sei weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, der politischen Gesinnung oder Volksgruppenzugehörigkeit in ihrer Heimat von staatlicher Seite verfolgt worden.

 

Den neuerlichen Asylantrag begründe sie mit Vorfällen, die auf ihre Fluchtgründe im Rahmen der bereits unglaubwürdig qualifizierten und rechtskräftig negativ entschiedenen Erst- und Zweitverfahren aufbauen.

 

Sie hätte keinen qualifizierten Sachverhalt vorgebracht, der einer neuerlichen Prüfung zugrunde gelegt werden konnte.

 

Der neuerliche Asylantrag sei lediglich im Rahmen des Familienverfahrens aufgrund ihres nachgeborenen Kindes zum inhaltlichen Verfahren zugelassen worden, es hätte sich jedoch bezüglich der Fluchtgründe kein neuerlicher Prüfungsauftrag ergeben.

 

Auch die neuerlichen, aufbauenden Fluchtgründe wären nicht glaubwürdig. Das wiederholte Vorbringen im gegenständlichen Verfahren, dass im Falle ihrer Rückkehr in die Russische Föderation ihr Leben in Gefahr sei, weise keinen glaubhaften Kern auf.

 

Asylrelevante Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates hätten nicht festgestellt werden können, ebensowenig, dass sie im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

 

Es hätte nicht festgestellt werden können, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Russische Föderation für sie eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeute oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringe.

 

Es wäre ihr die Lebensgrundlage keinesfalls gänzlich entzogen gewesen noch würde sie bei einer Rückkehr in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werden.

 

Ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten seien vorhanden und ihr auch zugänglich. Sie verfüge über eine Schulausbildung.

 

Am 11.04.2004 hätte sie nach illegaler Einreise ihren ersten Asylantrag gestellt. 2007 habe sie ihren Lebensgefährten in Österreich kennengelernt. Gemeinsam hätten sie zwei Söhne. Die Familie lebe in einer Flüchtlingsunterkunft und sei von staatlicher Unterstützung abhängig. Weitere Verwandte habe sie in Österreich keine.

 

Es liege ein Familienverfahren (Kernfamilie: XXXX) vor.

 

Die Asylanträge der Familienmitglieder seien mit Bescheiden des Bundesasylamtes ebenfalls negativ beschieden worden.

 

Sonstige soziale Anbindungen bzw. soziale Integrationen bzw. schützenswertes Privatleben hätten nicht festgestellt werden können.

 

Folgende relevante Feststellungen zur Russischen Föderation bzw. zur Republik Tschetschenien wurden konkret getroffen:

 

ALLGEMEINE LAGE

 

Politik

 

Die Russische Föderation hat dem Russischen Föderalen Statistikdienst Rosstat zufolge Ende 2010 142,9 Millionen Einwohner, davon leben 74% im städtischen Raum.

 

(Rosstat: ?????????, ???????? ??? ????????????? ???????? ????????? 2010 ????, ohne Datum,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/perepis2010/croc/Documents/Vol1/pub-01-01_02.pdf, Zugriff 6.2.2013)

 

Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad und Bezeichnungen (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte) besteht. Die Föderationssubjekte verfügen über eine eigene Legislative und Exekutive. Die Gouverneure der Föderationssubjekte wurden bis Mitte 2012 auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente (derzeit durchweg "Einiges Russland") vom Staatspräsidenten ernannt. Nach Gesetzesänderungen vom Frühsommer 2012 werden die Gouverneure seit Herbst 2012 grundsätzlich wieder direkt gewählt - in mehreren russischen Regionen fanden am 14.10.2012 erstmals seit 2005 wieder Gouverneurswahlen statt. In der Praxis kam es dabei zu Einschränkungen der Wahlmöglichkeiten für die Bürger. Bei den Gouverneurs- ebenso wie den parallel durchgeführten Kommunalwahlen in vielen Regionen Russlands erzielte "Einiges Russland" nahezu überall große Mehrheiten, allerdings bei z. T. extrem niedriger Wahlbeteiligung.

 

Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 166 Mitgliedern. Jedes Föderationssubjekt entsendet zwei Vertreter in den Föderationsrat, je einen aus der Exekutive und der Legislative. Durch Präsidialdekret vom Juli 2000 wurden die zunächst sieben, seit Februar 2010 acht Föderalbezirke geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der ebenfalls durch Präsidialdekret (September 2000) geschaffene Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten.

 

Mit 238 von 450 Sitzen verfügt die regierungsnahe Fraktion "Einiges Russland" über eine absolute Mehrheit in der Staatsduma. Bei der Wahl am 4. Dezember 2011 wurde die Staatsduma erstmals für eine verlängerte Amtszeit von nun fünf Jahren gewählt. Alle Abgeordneten werden ausnahmslos über Parteilisten nach Verhältniswahlrecht mit Sieben-Prozent-Hürde gewählt. Ab der nächsten Wahl gilt wieder die Fünf-Prozent-Hürde. Derzeit ist eine Wahlrechtsreform in Arbeit, die u. a. die Abschaffung des föderalen Listenteils auf den Wahlzetteln vorsieht. Alle Abgeordneten sollen dann ausschließlich über 225 Regionallisten gewählt werden. Neben "Einiges Russland" haben die Kommunisten mit 92 Sitzen, die linksorientierte Partei "Gerechtes Russland" mit 64 Sitzen und die "Liberaldemokraten" des Rechtspopulisten Schirinowski mit 56 Sitzen wie schon 2007 den Einzug in die Duma geschafft.

 

Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7. Mai 2012 erneut Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er war am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt worden. Putin löste Präsident Dmitri Anatoljewitsch Medwedew ab, der seit 2008 im Amt war. Putin war bereits von 2000 bis 2008 Staatspräsident und seitdem russischer Ministerpräsident. Im Gegenzug übernahm Medwedew am 8. Mai 2012 das Amt des Ministerpräsidenten.

 

Als Reaktion auf die Protestbewegung im Winter 2011 und Frühjahr 2012 wurden noch vor der Amtsübernahme durch Präsident Putin einige politische Reformen beschlossen. So wurden Hürden für die Gründung von Parteien und deren Teilnahme an Wahlen abgesenkt und direkte Gouverneurswahlen wieder eingeführt, allerdings mit Vorbehaltsklauseln. Mittlerweile haben sich zahlreiche neue Parteien registrieren können, darunter auch Oppositionsparteien mit demokratischem Anspruch, wie die "Republikanische Partei - Partei der Volksfreiheit (RPR-PARNAS). Seit Mai wird jedoch von vielen eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. Im Sommer 2012 wurden z.B. das russische Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft. Vom früheren Präsidenten Medwedew durchgesetzte Reformen wurden zum Teil zurückgenommen, z.B. durch die Wiederaufnahme von "Verleumdung" als Straftatbestand in das russische Strafgesetzbuch. Andererseits sollen die Agenda der wirtschaftlich-technischen Modernisierung Russlands weiter verfolgt und der Sozialstaat ausgebaut werden.

 

Bei den Dumawahlen im Dezember 2011 hat die von Putin angeführte Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit erreichen. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, Gerechtes Russland und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihren Stimmenanteil ausbauen und ihr politisches Gewicht in der Staatsduma erhöhen. Wahlfälschungsvorwürfe bei den Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste, insbesondere im Dezember 2011 und Anfang 2012.

 

(Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/ RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.2.2013)

 

Russland ist keine Wahldemokratie. Die Präsidentschaftswahlen 2012 wurden zugunsten des Premierministers und ehemaligen Präsidenten Wladimir Putin verzerrt, dieser profitierte unter anderem von bevorzugter Behandlung durch die Medien, zahlreichen Missbräuchen seines Amtsbonus und Unregelmäßigkeiten während der Stimmenauszählungen. Die Parlamentswahlen 2011 waren gemäß OSZE gekennzeichnet von einer "Konvergenz des Staates und der Regierungspartei, eingeschränktem politischem Wettbewerb und einem Mangel an Fairness", aber viele Wähler nutzten sie, um Protest gegen den Status Quo auszudrücken.

 

Gemäß der Verfassung von 1993 ist das Amt des Präsidenten sehr stark, dieser entlässt und ernennt, vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments, den Premierminister. Putins Entscheidung, die Präsidentschaft für vier Jahre an Dimitri Medwedew zu übergeben sodass er danach für eine weitere - nunmehr sechs Jahre dauernde - Amtszeit zurückkehren kann, verletzte den Geist der verfassungsmäßigen Beschränkung auf zwei Amtsperioden.

 

Seit 2007 werden die Dumaabgeordneten aufgrund von Parteilisten gewählt. Parteien müssen mindestens 7% der Wählerstimmen erreichen, um in der Duma vertreten zu sein. Zudem können sich Parteien nicht zu Wahlbündnissen zusammenschließen. Medwedew unterzeichnete im April 2012 ein Gesetz, das die Registrierung von Parteien liberalisierte, bis Jahresende ließen sich 42 Parteien registrieren. Jedoch stellte keine dieser Parteien eine ernsthafte Bedrohung für die Behörden dar, viele schienen dazu bestimmt zu sein, die Spaltung und Unübersichtlichkeit der Opposition zu erhöhen.

 

Die Hälfte der Mitglieder des Oberhauses wird von den Gouverneuren ernannt, die andere Hälfte wird von den Regionalparlamenten ernannt, üblicherweise mit gewichtigen föderalen Vorgaben. Seit Jänner 2011 sind nur mehr lokal gewählte Politiker berechtigt, im Föderationsrat zu sitzen. Diese Änderung wird vor allem Einheitliches Russland zum Vorteil gereichen, da die meisten lokalen Amtsinhaber Parteimitglieder sind. Ein von Medwedew im Mai 2012 unterzeichnetes Gesetz setzte wieder die Wahl von Gouverneuren ein, die zuvor seit 2004 vom Präsidenten ernannt worden waren. Im Oktober wurden in den ersten fünf Regionen Wahlen abgehalten. Das neue Gesetz ermöglicht es regionalen Beamten, Gouverneurskandidaten auszusieben, wodurch starke Oppositionelle ausgeklammert werden können bei allen fünf Wahlen pro-Kreml Amtsinhaber gewannen.

 

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

 

Neue Massenproteste in Russland: Zehntausende Menschen haben unbeeindruckt von einem Großaufgebot der Polizei und Eiseskälte gegen Kremlchef Wladimir Putin protestiert. Zu dem ersten "Marsch gegen die Schurken" kamen am 13.1.2013 allein im Stadtzentrum von Moskau mehr als 20.000 Menschen, wie unabhängige Beobachter schätzten. Diese erste Anti-Regierungs-Aktion des Jahres richtete sich gegen das von Putin zuletzt unterzeichnete Adoptionsverbot russischer Kinder durch US-Bürger. Allein in der russischen Hauptstadt waren 4.000 Polizisten im Einsatz, wie Medien berichteten. Zur Zahl der Demonstrationsteilnehmer gab es stark voneinander abweichende Zahlen. Die Polizei sprach von maximal 9.500 Teilnehmern, mehrere Oppositionspolitiker nannten dagegen rund 50.000.

 

(Die Presse: Zehntausende Russen beim "Marsch gegen die Schurken", 13.1.2013,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1332155/Zehntausende-Russen-beim-Marsch-gegen-die-Schurken?_vl_backlink=/home/index.do, Zugriff 6.2.2013)

 

Wahlen

 

Am 4. März 2012 wurden Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Fünf Kandidaten, darunter der damals amtierende Premierminister [Putin], stellten sich der Wahl. Obwohl alle Kandidaten ungehindert Wahlkampf führen konnten, wurden die Bedingungen für den Wahlkampf zugunsten Putins verzerrt. Wenngleich alle Kandidaten Zugang zu den Medien hatten, wurde ihm ein klarer Vorteil bei der Berichterstattung gegeben. Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen war die Berichterstattung der Rundfunkmedien nicht ausgewogen. Herr Putin dominierte den Wahlkampf in den Medien durch oftmalige Auftritte, seine bisherigen Erfolge wurden gelobt.

 

Staatliche Ressourcen wurden zugunsten des damaligen Premierministers eingesetzt. Es kam zu einer offensichtlichen Mobilisierung von Individuen und staatlichen Ressourcen zur Unterstützung des Wahlkampfes von Putin. In einigen Regionen berichteten Personen, die am Wahlkampf teilnahmen, dass sie von ihren Vorgesetzten dazu angehalten worden waren. In vielen öffentlichen Institutionen wurden Untergebene angewiesen, für Putin Wahlkampfveranstaltungen zu organisieren. Lokale Behörden nutzen zudem behördliche Kommunikationskanäle, wie Websites oder Zeitungen ihrer Einrichtungen, zur Unterstützung seines Wahlkampfes.

 

Am Wahltag wurde die Stimmabgabe im Allgemeinen positiv bewertet; jedoch verschlechterte sich der Vorgang während der Auszählung aufgrund von verfahrenstechnischen Unregelmäßigkeiten. Die Auszählung wurde deshalb von fast einem Drittel der Wahllokale negativ bewertet. Das Hinzufügen von Wählern zu den Wählerlisten kurz vor und am Wahltag selbst führte zu einigen Bedenken. Es wurde auch die Einrichtung von speziellen Wahllokalen in letzter Minute berichtet, die Verfahren hierzu waren nicht transparent.

 

Die Unabhängigkeit der Wahlbehörden wurde auf allen Ebenen angezweifelt, meistens aufgrund ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zur lokalen Verwaltung und der Regierungspartei.

 

Der Wahlkampf war geprägt von im Allgemeinen unbehinderten, großen Protesten gegen die Wahlfälschungsvorwürfe während der Dumawahlen 2011. Auch im Nachfeld der Wahlen kam es zu einigen großen genehmigten und nicht genehmigten Demonstrationen, insbesondere in Moskau und St. Petersburg, mit massiver Polizeipräsenz.

 

(OSZE: Russian Federation, Presidential Election, 4 March 2012: Final Report, 11.5.2012)

 

Wladimir Putin gewann die Präsidentenwahl mit 63,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 Prozent, teilte die Wahlkommission in Moskau mit. Kurz vor Putins Amtseinführung am Montag, 7.5.2012 sperrte ein Großaufgebot an Sicherheitskräften weite Teile des Zentrums in Moskau ab. Bei anschließenden Demonstrationen nahm die Polizei etwa 120 Menschen fest. Die Demonstranten wurden laut Sicherheitsbehörden wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung vorübergehend festgenommen. Ihre Demonstration war nicht genehmigt. Bereits am Sonntagabend waren bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten rund 80 Menschen verletzt worden. Es gab mehr als 400 Festnahmen. Im Zentrum der russischen Hauptstadt hatten Zehntausende gegen "Putins Dauerherrschaft" protestiert.

 

(Die Presse: Wladimir Putin stilisiert sich als überparteilich, 8.3.2012,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/738709/Wladimir-Putin-stilisiert-sich-als-ueberparteilich?from=simarchiv, Zugriff 6.2.2013 / Die Presse: Wladimir Putin als neuer russischer Präsident vereidigt, 7.5.2012

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/ 755461/Wladimir-Putin-als-neuer-russischer-Praesident-vereidigt-?from=simarchiv, Zugriff 6.2.2013)

 

An den Wahlen zur Staatsduma am 4.12.2012 nahmen alle sieben beim Justizministerium registrierten politischen Parteien teil, von denen vier auch im bisherigen Parlament vertreten waren: die Regierungspartei "Einiges Russland", die "Kommunistische Partei der Russischen Föderation", die "Liberaldemokratische Partei Russlands" und "Gerechtes Russland". Die anderen drei Parteien waren die Parteien "Jabloko", "Patrioten Russlands" und "(Ge-)Rechte Sache". Nur eine zusätzliche Partei seit den Wahlen 2007 - "(Ge-)Rechte Sache" - konnte für die Wahlen 2011 registriert werden, allen weiteren wurde die Registrierung verweigert. Die Registrierungsvoraussetzungen wurden von allen Parteien vor dem Europarat kritisiert.

 

Die Dumawahlen 2012 waren gut verwaltet, aber von einer Konvergenz der Regierungspartei mit dem Staat, eingeschränktem politischem Wettbewerb (durch die Verweigerung von Registrierungen politischer Parteien durch das Justizministerium) und mangelnder Fairness gekennzeichnet. Die Wahlverwaltungsbehörden, lokale Behörden und Dienstanbieter behandelten die wahlwerbenden Parteien ungleich, das Spielfeld war zugunsten der Regierungspartei geneigt. Die Unterscheidung zwischen Staat und Regierungspartei wurde oft dadurch verzerrt, dass einige Personen ihr Amt zu ihrem Vorteil nutzten.

 

Seit den letzten Wahlen wurde der gesetzliche Rahmen in mehrerlei Hinsicht verbessert, beispielsweise war der Zugang zu Printmedien offener, die Möglichkeiten, Treffen und Kundgebungen zu veranstalten waren größer. Dennoch ist das Gesetz zu komplex und lässt zu viel Raum für Interpretation, was zu uneinheitlicher Anwendung führte.

 

Der Umgang der Zentralen Wahlkommission mit Beschwerden unterminierte das Recht der Wahlteilnehmer auf effektive und zeitgerechte Abhilfe. Die Unabhängigkeit der Kommission von der staatlichen Administration wurde von den meisten politischen Parteien in Frage gestellt. Die Möglichkeiten für internationale Wahlbeobachter waren eingeschränkt.

 

Am Wahltag war die Stimmabgabe gut organisiert, aber die Qualität des Prozesses verschlechterte sich während der Auszählung, bei der es zu Verletzungen der vorgegebenen Prozedere und Manipulationen kam. Die Massenproteste in vielen russischen Städten weisen auf Bedenken in der Öffentlichkeit hin. Eine Untersuchung von mehr als 2.000 diesbezüglichen Anschuldigungen wurde eingeleitet.

 

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: Observation of the parliamentary elections in the Russian Federation (4 December 2011), 23.1.2012)

 

Allgemeine Sicherheitslage

 

Teile des Landes, vor allem im Nordkaukasus, sind von hohem Gewaltniveau betroffen. Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde.

 

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

 

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter. Die Gewalt in Tschetschenien ging jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

 

Der islamistische Widerstand ist nach wie vor aktiv, insbesondere in Dagestan. Offiziellen Angaben zufolge wurden in den ersten sechs Monaten 1012 116 "terroristische Verbrechen" in Dagestan begangen, bei denen 67 Personen, darunter 7 Zivilisten, ums Leben kamen.

 

(Human Rights Watch: World Report 2013 - Russia, 31.1.2013)

 

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus war noch immer instabil. Bewaffnete Gruppen gingen weiter gezielt gegen Polizeibeamte und andere Staatsbedienstete vor. Dabei gerieten oft Zivilisten ins Kreuzfeuer oder wurden gezielt angegriffen. Sowohl bewaffnete Gruppen als auch die Sicherheitskräfte begingen gravierende Menschenrechtsverstöße. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte im gesamten Nordkaukasus ging oft mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher. Es gingen Berichte über die Drangsalierung und Tötung von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern und Rechtsanwälten sowie über die Einschüchterung von Zeugen ein. Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.

 

(Amnesty International: Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights, 24.5.2012)

 

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus ist insgesamt weiterhin schlecht, auch wenn zwischen den einzelnen Entitäten z. T. zu differenzieren ist. Fast täglich gibt es Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Kabardino-Balkarien, Tschetschenien und Inguschetien kommt es zu Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Nur vereinzelt ist bisher von Attentaten und anderen extremistischen Straftaten aus den übrigen Republiken des Förderalbezirks Nordkaukasus zu hören.

 

Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin vor allem mit harter Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 6.7.2012)

 

Der Leiter der Hauptverwaltung des Innenministeriums Russlands im Nordkaukasus, Sergej Tschentschik, erläuterte, dass im Jahr 2012 insgesamt 211 Angehörige der Sicherheitskräfte ermordet worden sind und 405 weitere diverse Verletzungen erlitten haben. Außerdem haben die Extremisten 78 Zivilisten getötet und 179 weitere verletzt. Nach Angaben der Hauptverwaltung des russischen Innenministeriums im Nordkaukasus wurden im vergangenen Jahr 352 terroristische Verbrechen in der Region gemeldet. Im Jahr 2011 habe es dort 406 Verbrechen gegeben, teilte Tschentschik mit. Ferner gab es über 222 Beschießungen im vorigen Jahr bzw. 252 Beschießungen im Jahr 2011, 116 Explosionen im Jahr 2012 bzw. 144 Explosionen im Jahr zuvor, drei Überfälle auf Angehörige der Rechtsschutzorgane mit blanken Waffen in 2012. "Die Zahl der Verbrechen in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Dagestan ist zurückgegangen".

 

(Russland.ru: Jahresbilanz des russischen Innenministeriums im Nordkaukasus, 26.1.2013,

http://www.russland.ru/rupol0010/morenews.php?iditem=24000, Zugriff 6.2.2013)

 

Bis zu 40 Banden mit insgesamt rund 600 Mitgliedern sind der örtlichen Innenbehörde zufolge derzeit im Nordkaukasus aktiv. Der größte Gefahrenherd ist dabei die Teilrepublik Dagestan. "Nach unseren Angaben zählen bis zu 40 Banden insgesamt rund 600 aktive Mitglieder. Rund zehn dieser Banden operieren in Tschetschenien, etwa 16 in Dagestan, zirka drei in Inguschetien, bis zu fünf in Kabardino-Balkarien sowie eine in Karatschajewo-Tscherkessien", heißt es in der Mitteilung.

 

(Ria Novosti: Russlands Innenministerium: 600 militante Extremisten im Nordkaukasus aktiv, 25.1.2013, http://de.rian.ru/politics/20130125/265394634-print.html, Zugriff 6.2.2013)

 

Gemäß dem Sondervertreter des Russischen Antiterrorismuskomitees (NAK) wurden 2012 bis Mitte Dezember rund 360 "Kämpfer" getötet, 99% davon im Nordkaukasus. Die Zahl der Terrorismusopfer ging ihm zufolge von 128 im Jahr 2011 auf 58 im Jahr 2012 zurück.

 

(RFE/RL: Russia's Counterterrorism Committee Lists Achievements, 14.12.2012,

http://www.rferl.org/content/russia-counterterrorism-committee-lists-achievements/ 24798867.html, Zugriff 6.2.2013)

 

INNERSTAATLICHE FLUCHTALTERNATIVE

 

Allgemeines

 

Das Gesetz sieht die Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor. Jedoch schränkte die Regierung die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes und Migration ein. Obwohl das Gesetz dem Bürger das Recht auf freie Wahl des Wohnorts einräumt, müssen alle Erwachsenen müssen behördlich ausgestellte Inlandpässe bei sich tragen, wenn sie im Land reisen, und müssen sich innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nach ihrer Ankunft an einem neuen Ort bei den lokalen Behörden melden. Behörden verweigerten Personen ohne Inlandpass oder ordnungsgemäße Registrierung oft öffentliche Dienstleistungen. Viele regionale Regierungen schränkten das Recht durch Registrierungsbestimmungen, die stark an jene aus Sowjetzeiten erinnerten, ein. Dunkelhäutige Personen aus dem Kaukasus oder afrikanischen oder asiatischen Ursprungs wurden oft für Dokumentenkontrollen herausgegriffen. Es gab glaubhafte Berichte, dass die Polizei unregistrierten Personen willkürlich Geldstrafen auferlegten, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgingen, oder Bestechungsgelder verlangten.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

 

Die Regierung erlegt der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit einige Einschränkungen auf. Erwachsene müssen ihren Inlandsreisepass bei Reisen mitführen, und benötigen ihn, um viele staatliche Leistungen zu erhalten. Einige regionale Behörden haben Registrierungsvorschriften, die das Recht der Bürger ihren Wohnort frei zu wählen einschränken. In der Mehrheit der Fälle wird hier auf ethnische Minderheiten und Migranten aus dem Kaukasus und Zentralasien abgezielt.

 

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

 

Ein Aufenthaltsort ist ein Ort, wo sich ein Bürger eine begrenzte Zeit aufhält - z.B. Hotel, ein Sanatorium, Campingplatz, Krankenhaus, oder andere ähnliche Einrichtungen und auch eine Wohnräumlichkeit, die keinen Wohnort des Bürgers darstellt. Ein Wohnort ist die Stelle, wo der Bürger ständig oder vorwiegend wohnhaft ist und zwar als Eigentümer oder aufgrund eines Miet- oder Untermietvertrages, oder in einer sozial zugewiesenen Wohnung oder aufgrund anderer Grundlagen, die durch die Gesetzgebung der Russischen Föderation vorgesehen sind: ein Wohnhaus, spezielle Objekte wie Heim, Wohnung, Dienst-Wohnraum, Hotel-Zufluchtsstätte, Ersatzwohnung des Ersatzwohnungsfonds [wortwörtlich Manövrierungsfond - Anmerkung der Übersetzerin], spezielle Einrichtung für alleinstehende und alte Personen, Internatshaus für Behinderte, Veteranen oder andere und eine andere Wohnräumlichkeit.

 

Die Bürger sind verpflichtet, sich am Aufenthaltsort und Wohnort bei den Meldebehörden zu melden und bestimmte Bestimmungen zu beachten. Die Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen durch die Bürger und Amtspersonen übernimmt der Föderale Migrationsdienst, seine territorialen Behörden und die Behörden für innere Angelegenheiten. Die für die Durchführung der Registrierung notwendigen Dokumente, die die Identität der Bürger der Russischen Föderation bestätigen (in Folge Identitätsdokumente) sind: Pass des Bürgers der Russischen Föderation, der die Identität des Bürgers der Russischen Föderation auf dem Territorium der Russischen Föderation bestätigt; Pass eines Bürgers der UdSSR, der die Identität des Bürgers der Russischen Föderation bis zu seinem Umtausch in den Pass des Bürgers der Russischen Föderation in der festgelegten Frist bestätigt; Geburtsurkunde für Personen, die jünger als 14 Jahre alt sind; Pass, der die Identität eines Bürgers der Russischen Föderation bestätigt für Personen, die ständig außerhalb der Russischen Föderation wohnen.

 

Registrierung am Aufenthaltsort

 

Bürger die einen vorübergehenden Aufenthalt in einem Wohngebiet außerhalb ihres Wohnortes für einen Zeitraum von über 90 Tagen beziehen, haben sich nach Ablauf der genannten Frist an die für die Registrierung zuständigen Amtspersonen zu wenden und folgende Dokumente vorzuweisen:

 

-

Ausweis;

 

-

einen Antrag auf die Registrierung für den Aufenthaltsort in der festgelegten Form [auch im Sinne von Vordruck - Anmerkung der Übersetzerin];

 

-

ein Dokument, das die Grundlage für die befristete Aufenthaltserlaubnis eines Bürgers in diesem Wohngebiet ist (Mietvertrag (Untermietvertrag), Mietvertrag bezüglich einer auf sozialem Wege zur Verfügung gestellten Wohnung oder eine Erklärung der Person, die dem jeweiligen Bürger eine Wohnung vermietet).

 

Die für die Registrierung zuständigen Amtspersonen, sowie Bürger und juristischen Personen, die eine, ihnen aufgrund des Eigentumsrechts gehörende, Räumlichkeit zu Wohnzwecken übergeben, haben binnen 3 Tagen, nachdem sich die Bürger an sie gewandt haben, diese Dokumente an die Meldebehörden zu übergeben.

 

Die Registrierungsbehörden haben binnen 3 Tagen ab dem Zeitpunkt des Erhaltes der Dokumente, die Bürger gemäß der festgelegten Ordnung am Aufenthaltsort in Wohnräumlichkeit, anzumelden, die kein ständiger Wohnort ist und eine Bescheinigung der Registrierung für den Aufenthaltsort auszustellen.

 

Die Registrierung der Bürger am Aufenthaltsort erfolgt ohne, dass die Bürger am Wohnort abgemeldet werden.

 

Registrierung am Wohnort

 

Ein Bürger, der seinen Wohnort wechselt, ist verpflichtet, sich spätestens binnen 7 Tagen nach seiner Ankunft an dem neuen Wohnort an Amtspersonen zu wenden, die für die Registrierung zuständig sind.

Dabei sind folgende Dokumente vorzulegen:

 

-

Ident

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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