D13 421848-1/2011/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Dajani als Vorsitzenden und den Richter Mag. Auttrit als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.09.2011, FZ. 11 06.451-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.04.2013 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird
XXXX der Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF wird
XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.07.2014 erteilt.
IV. In Erledigung der Beschwerde wird Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, reiste am 28.06.2011gemeinsam mit ihren minderjährigen Kindern, Beschwerdeführer zu D13 421850-1/2011 und D13 421849-1/2011, illegal in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge der niederschriftlichen Befragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.06.2011 gab die Beschwerdeführerin an, sie habe ihren Herkunftsstaat verlassen, da ihr Mann in der Heimat Probleme gehabt habe. Er sei gläubiger Moslem und besuche Moscheen. Seit ungefähr einem Jahr werde er von den Behörden beschuldigt ein Extremist zu sein. Der Ehemann habe am 18.03. dieses Jahres eine Moschee in XXXX besucht. Einige maskierte Männer seien in die Moschee eingedrungen, haben die anwesenden Personen durchsucht und etwa 40 Männer, darunter auch den Ehemann der Beschwerdeführerin, mitgenommen. Ungefähr drei Tage später sei ihr Ehemann in einem Spital aufgetaucht. Er sei schwer misshandelt worden. Man habe ihm unter anderen mehrere Finger abgeschnitten. Der Ehemann habe die Beschwerdeführerin aufgefordert, sich mit den Kindern in einem abgelegenen Bergdorf zu verstecken. Dort solle sie warten, bis die Reise organisiert sei. Dem Ehemann sei während seiner Anhaltung gesagt worden, dass auch seiner Familie etwas Schlimmes angetan werde. Deshalb sei die Beschwerdeführerin aus der Russischen Föderation geflohen.
Die Beschwerdeführerin legte ihre Geburtsurkunde, Heiratsurkunde, die Geburtsurkunden ihrer Kinder, den Inlandspass ihres Ehemannes, ein Universitätsdiplom sowie eine Schenkungsurkunde für eine Immobilie vor.
Die Beschwerdeführerin wurde am 26.09.2011 vom Bundesasylamt, Außenstelle Linz, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache niederschriftlich einvernommen und gab an, dass sie und ihre Kinder gesund seien. Im Herkunftsstaat habe sie ein Universitätsstudium absolviert und als Englischlehrerin, Russischlehrerin und Erzieherin gearbeitet. Im Herkunftsstaat leben die Mutter, zwei Brüder und eine Schwester der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin gehöre der Volksgruppe der KUMYKEN an und stamme aus XXXX in Dagestan.
Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin kurz zusammengefasst an, dass ihr Mann sehr gläubig gewesen sei und es innerhalb eines Jahres zwei bis drei Vorfälle gegeben habe, als er mit Verletzungen nach Hause gekommen sei. Der Beschwerdeführerin habe er aber nie etwas Genaueres erzählt. Im September 2010 seien maskierte Leute in ihr Haus gestürmt, haben den Ehemann gepackt und mitgenommen. Er sei geschlagen worden und spät in der Nacht wieder heimgekommen. Am 18.03.2011 sei ihr Ehemann in eine Moschee gefahren. Maskierte Leute seien rund um die Moschee gestanden und haben 40 Personen aus der Moschee gebracht, darunter ihren Ehemann. Am 23.03.2011 habe die Ehefrau erfahren, dass er im Krankenhaus sei. Sie habe ihn dort besucht und er habe erzählt, dass ihm vier Finger an der rechten Hand abgeschnitten worden seien. Der Ehemann habe zu ihr gesagt, dass sie die Kinder mitnehmen und die Heimat verlassen soll. Diese Leute würden auch ihr etwas antun. Die Eltern ihres Ehemannes haben sie dann in das Sommerhaus nach XXXX gebracht. Dann habe sie mit ihren Kindern die Heimat verlassen.
Die Beschwerdeführerin legte Röntgenbilder ihres Mannes sowie Befunde vor, welche ihr die Mutter ihres Mannes per Post geschickt habe. Ihr Mann sei gefoltert worden und das mit der Hand sei gemacht worden. Die Beschwerdeführerin sei damals so schockiert gewesen, dass sie nach Details nicht gefragt habe. Nach dem Krankenhausaufenthalt habe sich ihr Mann versteckt. Er sei auf der Flucht, da er Angst habe, dass er umgebracht werde. Wo er sich jetzt befinde, wisse sie nicht. Sie habe ihn zuletzt im Krankenhaus gesehen. Ihr Mann habe Probleme mit der Miliz. Sie wollen ihn zwingen, zu gestehen, dass er Terroristen und Wahabiten unterstütze. Der Beschwerdeführerin und ihren Kindern sei nie etwas zugestoßen.
In Österreich habe die Beschwerdeführerin keine besonderen privaten Interessen. Sie sei nicht berufstätig, lebe von staatlicher Unterstützung und sei in keinen Vereinen tätig. Sie sei zu einem Deutschkurs angemeldet.
Abschließend wurden der Beschwerdeführerin aktuelle Länderfeststellungen zur Russischen Föderation/ Dagestan zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu beziehen. Die Beschwerdeführerin sagte, dass sie dazu nicht viel sagen könne. Sie wisse nicht, ob das alles stimme.
Mit Bescheid vom 28.09.2011, Zahl: 11 06.451-BAL, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).
Beweiswürdigend wurde festgehalten, dass die Beschwerdeführerin als Fluchtgrund angegeben habe, ihr Ehemann sei am 18.03.2011 zusammen mit 40 anderen Personen nach dem Freitagsgebet in der Moschee im Dorf XXXX verhaftet worden. Er sei in der Nacht vom 18. zum 19.03.2011 ins Krankenhaus in XXXX gekommen, weil man ihn gefoltert und ihm 4 Finger an der rechten Hand abgeschnitten habe. Im Krankenhaus habe der Mann ihr gesagt, sie solle die Heimat verlassen, weil man seiner Familie auch wehtun würde. Daraufhin sei sie ins Sommerhaus der Eltern ihres Mannes gebracht worden und sei von dort aus ausgereist. Zum Beweis ihres Vorbringens habe sie eine Bestätigung eines Krankenhauses vorgelegt. Aus dieser Bestätigung lasse sich ablesen, dass ihr Ehemann am 19.03.2011 wegen einer "Straßenverletzung" einen Unfallchirurgen dieses medizinischen Zentrums aufgesucht habe. Die Verletzungen werden wie folgt beschrieben: mehrfache Trümmerbrüche der proximalen, intermedialen und distalen Phalangen der zweiten, dritten und fünften Finger der rechten Hand, mit einer Quetschung des weichen Gewebes und ein traumatischer Abriss des vierten Fingers auf der Höhe der intermedialen Phalangen sowie die totale Sehnenruptur (Sehnenriss) des Beugers der zweiten, dritten, vierten und fünften Finger der rechten Hand. Dies stehe in Widerspruch zu ihren Angaben, man habe ihrem Mann vier Finger der rechten Hand abgeschnitten. Über den Ursprung dieser Verletzungen können keine Schlussfolgerungen gezogen werden.
Zu den allfälligen stattgefundenen Misshandlungen ihres Gatten sei vorab zu bemerken, dass es sich bei einem Verfolgungstatbestand im Sinne der GFK um Nachteile des Asylwerbers selbst handeln muss und nicht etwa um Nachteile betreffend seiner Angehörigen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kann aus Maßnahmen, die sich gegen einen Angehörigen richten, für sich allein nicht auf die Verfolgung eines dieser Familie angehörenden Asylwerbers geschlossen werden (VwGH vom 27.03.1996, Zahl: 95/01/0479 mit weiteren Judikaturhinweisen). Verfolgungshandlungen gegen Verwandte können nur dann eine Ursache für begründete Furcht vor Verfolgung bilden, wenn aufgrund der im Verwaltungsverfahren glaubhaft dargelegten konkreten Situation davon ausgegangen werden muss, dass gegen ein Familienmitglied gesetzte oder von diesem zu befürchtende Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität asylrechtlich relevanter Verfolgungshandlungen erreichenden- Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werde (VwGH vom 07.09.2000, Zl 2000/01/0153). Dies sei in ihrem Verfahren jedoch nicht der Fall.
Es sei nicht nachvollziehbar, dass ihr Gatte verhaftet und freigelassen worden sei, sich über mehr als eine Woche offiziell im Krankenhaus aufgehalten habe und offenbar keine Befürchtungen gehabt habe, wieder verhaftet zu werden, der Beschwerdeführerin jedoch auftrage, sofort die Stadt und anschließend das Land zu verlassen. Dies lasse jedenfalls nicht auf eine Verfolgung ihres Gatten durch staatliche Behörden schließen.
Es sei bekannt, dass die Aktivitäten krimineller Organisationen eines der Hauptprobleme in Dagestan darstellen. Kriminelle Gruppen führen ebenfalls Entführungen durch. Sie selbst habe nicht angeben können, von wem ihr Mann festgehalten und verletzt worden sei, er habe sie jedoch vor der "Miliz" gewarnt. Von wem ihr Mann jedoch tatsächlich mitgenommen worden sein soll und insbesondere aus welchem Grund habe sie nicht angeben können.
Zu ihren Angaben im Zusammenhang mit ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation sei anzumerken, dass die Beschwerdeführerin vor den österreichischen Behörden nie Übergriffe irgendwelcher Art auf ihre Person angeführt habe. Sie habe lediglich angegeben, ihr Ehemann habe sie aufgefordert, das Land zu verlassen. Sie habe jedoch keinerlei Vorfälle angeben können, die als konkrete Bedrohung oder Verfolgung ihrer Person gewertet werden könnten.
Es sei weiters anzuführen, dass sich sowohl die Familie der Beschwerdeführerin als auch die Familie ihres Gatten weiterhin in Dagestan aufhalten, ohne dass eine besondere Bedrohung erkennbar wäre. Die Mitglieder ihrer Familie sowie der ihres Gatten leben weiterhin an der bekannten Adresse und gehen weiter ihren Berufen nach. Sollte jedoch tatsächlich die Familie ihres Gatten bedroht sein, würde dies auch bzw. insbesondere für seine Eltern (Vater) und Geschwister (Brüder) gelten.
Ihrem ganzen Vorbringen seien keine Umstände zu entnehmen, die eine konkrete Gefährdung ihrer Person erkennen lassen, alle Umstände beziehen sich auf Vermutungen, die sie aus Erzählungen Dritter ableite. Persönliche Gefährdungsmomente habe sie nicht ansatzweise darlegen können.
Zu dem Vorfall im Jahr September 2010 sei anzuführen: Da sich der von der Beschwerdeführerin geschilderte Vorfall fast ein Jahr vor ihrer Ausreise abgespielt habe, fehle es ihm nunmehr am notwendigen zeitlichen Konnex zu ihrer Ausreise und es komme diesem deshalb keine Relevanz mehr zu. Es sei ihr offensichtlich in diesem Jahr möglich gewesen, ein normales, bedrohungsfreies Leben zu führen. Dafür spreche auch, dass sie offensichtlich keine Bedenken bezüglich Kontaktes zu den Behörden gehabt habe, was sich aus der vorgelegten Geburtsurkunde für ihre jüngere Tochter ergebe, da diese Geburtsurkunde am 01.03.2011 ausgestellt worden sei.
Die Beschwerdeführerin habe in der Erstbefragung vom 29.06.2011 auch angegeben, sie sei legal mit ihrem russischen Inlandspass aus der Heimat ausgereist. Der Umstand, dass sie problemlos legal ausreisen habe können und offenbar keine Bedenken gehabt habe, sich der Passkontrolle auszusetzen, deute ebenso darauf hin, dass sie Verfolgungshandlungen seitens der Behörden ihres Heimatlandes weder selbst befürchtete, noch zu befürchten hatte (vgl. Erk. d. VwGH v. 20.6.1990, Zi. 90/01/0024).
Bei einer Gesamtbetrachtung ihres Vorbringens könne nicht abgeleitet werden, dass ihr in ihrem Herkunftsland asylrelevante Verfolgung drohe. Dass sie in ihrem Heimatstaat nicht politisch aktiv gewesen sei, kein Mitglied einer Partei gewesen sei und keine Probleme wegen ihrer Religion oder Volksgruppe gehabt habe, ergebe sich aus dem Umstand, dass sie dezidiert danach gefragt worden sei und sie dies verneint habe, auch aus ihren übrigen Ausführungen seien derartige Probleme nicht ansatzweise erkennbar.
Dagegen wurde mit formularartigem Schriftsatz vom 07.10.2011 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang erhoben und die Beigabe eines Rechtsberaters beantragt.
Mit Verfahrensanordnung des Asylgerichtshofes vom 04.11.2011, GZ. D13 421848-1/2011/2Z, wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 75 Abs. 16 iVm § 66 AsylG 2005 ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
Am 23.11.2011 langte eine Beschwerdeergänzung beim Asylgerichtshof ein. Die Beschwerdeführerin moniert, sie habe ihr Vorbringen durch die Vorlage von Beweismitteln glaubhaft gemacht. Vor allem aus den ärztlichen Unterlagen aus Russland bezüglich der Verletzungen ihres Mannes gehe hervor, dass ihr in ihrer Heimat ernsthafte Probleme drohen. Aus diesen Unterlagen ergebe sich, dass die Verletzungen durch massive Gewalteinwirkung entstanden sein müsse, weswegen eine Herbeiführung durch eine "Straßenverletzung" praktisch auszuschließen sei. Die Bezeichnung dieser Verletzung als "Straßenverletzung" solle auch deswegen nicht allzu viel Gewicht beigemessen werden, weil der Arzt selbst Probleme mit der Miliz befürchten müsse, wenn er die tatsächliche Verletzungsursache in dem Bericht angeführt hätte.
Die Beschwerdeführerin bemängelte weiters, dass die Erstbehörde die Frage, ob ihr Mann tatsächlich verfolgt werde, eher offen gelassen habe. Die Frage sei nicht abschließend behandelt worden, weil behauptet worden sei, dass sich aus einer etwaigen Verfolgung ihres Mannes alleine kein asylrelevanter Fluchtgrund für die Beschwerdeführerin und ihre Kinder ergeben würde. Es seien auch höchstgerichtliche Entscheidungen zitiert worden und als wesentlicher Punkt angeführt worden, dass sich ein Fluchtgrund nicht für sich allein aus einer Verfolgung eines Familienmitgliedes ergebe. Zusätzlich müsse davon auszugehen sein, dass die gegen ein Familienmitglied gesetzten Verfolgungshandlungen auch zu Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden. Dies habe die Erstbehörde für den Fall der Beschwerdeführerin verneint. Durch die Drohung der Folterknechte, auch seiner Familie "etwas Schlimmes" anzutun, während ihr Mann gefoltert worden sei, sei dieses zusätzliche Element, das über die "bloße" Verfolgung eines Familienmitgliedes hinausgehe, aber aus Sicht der Beschwerdeführerin gegeben.
Zu berücksichtigen sei auch, dass sie nicht beim ersten Übergriff auf ihren Mann im September 2010 die Flucht ergriffen haben, sondern versucht haben, das Leben in Dagestan so lange wie möglich fortzusetzen. Nach dem Vorfall im Jahr 2011 habe ihr Mann aber angeordnet, dass sie das Land verlassen müssen. Hätte er nicht weiter im Krankenhaus bleiben müssen, hätte er sie begleitet. Seit dem Treffen im Krankenhaus habe sie nichts mehr von ihrem Mann gehört. Vor ungefähr einer Woche habe sie den letzten Kontakt zu ihren Schwiegereltern gehabt. Sie haben gesagt, dass die Polizei bei ihnen zu Hause gewesen sei. Sie haben eine Vorladung für die Beschwerdeführerin bei den Schwiegereltern hinterlassen. Da sich die Verfolgungshandlungen mit der Zeit immer mehr gesteigert haben sei es auch verfehlt, wenn die Erstbehörde behaupte, dass zu dem Vorfall im September 2010 der zeitliche Konnex fehle. Dieser erste Vorfall sei Teil ihres gesamten Fluchtvorbringens.
Wenn ihr vorgeworfen werde, dass sie nicht genau angeben habe können, von wem ihr Mann entführt worden sei, so möchte sie entgegnen, dass sie sehr wohl gesagt habe, dass er von staatlichen Behörden verfolgt worden sei.
Dass sich die restliche Familie ihres Mannes derzeit unbehelligt in der Heimat aufhalten könne liege daran, dass sie auch nicht konkret bedroht worden seien.
Aus der Ausstellung der Geburtsurkunde für ihre Tochter Anfang März 2011 ergebe sich entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch nicht, dass die Beschwerdeführerin keine Probleme im Herkunftsstaat gehabt habe, da das Standesamt nicht unbedingt etwas mit der Verfolgung ihres Mannes zu tun habe und von dieser Verfolgung sicher nichts gewusst habe. Außerdem sei die Ausstellung vor dem Flucht auslösenden Ereignis vom 18.03.2011 erfolgt.
Zu den Umständen der Entführung und der Verfolgungshandlungen gegen ihren Mann habe sie Großteils nur das sagen können, was ihr ihr Mann gesagt habe und das bisschen, was sie selbst gesehen habe. Wenn behauptet werde, dass ihre Aussagen zu den Verletzungen der Hand ihres Mannes nicht mit den ärztlichen Unterlagen übereinstimmen, so rühre das daher, dass sie nur das wiederzugeben versucht habe, was ihr ihr Mann im Krankenhaus gesagt habe.
Auch durch die im angefochtenen Bescheid angeführten Länderfeststellungen vor allem zur Lage in Dagestan fühle sie sich in ihren Aussagen bestärkt. Man sehe, dass es verstärkt Spezialoperationen gegen Islamisten auch in Dagestan gebe, bei der die Sicherheitsbehörden auch Menschenrechtsverletzungen begehen. Es gehe daraus auch hervor, dass der Staat "die Islamisten" als größte Gefahr sehe und diese deshalb auch gezielt verfolge, obwohl die Gefahr eigentlich von ganz anderen kriminellen Gruppen ausgehe. Es handle sich also um gezielte Verfolgung aufgrund einer bestimmten religiösen bzw. ideologischen Einstellung.
Falls ihrem Vorbringen dennoch keine Asylrelevanz zugebilligt werde, stelle sie in eventu den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Sie habe zwar eine gute Ausbildung und Berufserfahrung. Sie habe aber derzeit alleine zwei kleine Kinder zu versorgen. Ohne die Unterstützung ihrer Familie wisse sie aber nicht, wie sie im Fall einer Rückkehr auf sich allein gestellt für ihre Grundversorgung aufkomme.
Zum Nachweis ihres Fluchtvorbringens lege sie im Anhang noch einen Bericht zu dem Vorfall vom 18.03.2011 vor, wo über die Polizeiaktion in der Moschee von XXXX berichtet werde, sowie einen Bericht vom 28.10.2011 und einen Auszug aus der Internetseite "kaukasian.knot" über die allgemeinen Probleme in Dagestan.
Mit Schreiben vom 28.02.2012 übermittelte die Beschwerdeführerin zwei Vorladungen zu Verhören. Sie habe diese Schreiben per Post aus Russland erhalten.
Mit einem Schreiben in russischer und englischer Sprache von 04.04.2012 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie ein Verhältnis mit einem verheirateten russischen Asylwerber gehabt habe. Die Ehefrau dieses Mannes habe davon erfahren, die Beschwerdeführer bedroht und Nacktfotos von der Beschwerdeführerin an die Schwiegereltern im Herkunftsstaat geschickt. Ihr Schwiegervater habe ihr daraufhin mit der Wegnahme der Kinder gedroht und die Fotos auch den Brüdern der Beschwerdeführerin gezeigt. Diese haben ihr gedroht sie umzubringen. Die Beschwerdeführerin habe Angst um ihr Leben und das Leben ihrer Kinder. Sie habe sich zwar an die österreichische Polizei gewandt. Die haben aber gesagt, dass sie ihr nicht helfen können.
Am 27.06.2012 langte ein weiteres Schreiben der Beschwerdeführerin vom 26.06.2012 beim Asylgerichtshof ein. Die Beschwerdeführerin übermittelte einen Arztbrief vom 18.06.2012 bezüglich einer bevorstehenden Operation aufgrund des Verdachtes auf ein Schilddrüsenkarzinom.
Mit Schreiben vom 06.09.2012 übermittelte die Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Befunden hinsichtlich der Schilddrüsenkrebserkrankung und einer durchgeführten Operation.
Mit Schreiben vom 10.10.2012 gab die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt habe und erstattete ein "Neues Tatsachenvorbringen aufgrund einer neuen Gefährdungssituation zufolge von Ereignissen, welche sich erst nach Erlassung der erstinstanzlichen Bescheide zugetragen habe". Der rechtsfreundliche Vertreter schilderte den bereits von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 04.04.2012 bekannt gegebenen Sachverhalt, wonach die Beschwerdeführerin von Dezember 2011 bis Februar 2012 ein Verhältnis mit einem verheirateten russischen Asylwerber gehabt habe. Die Ehefrau dieses Mannes habe davon erfahren, die Beschwerdeführer bedroht und freizügige Fotos von der Beschwerdeführerin an die Schwiegereltern und die Verwandten der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat geschickt. Die betrogene Ehefrau habe darüber hinaus die Beschwerdeführerin mit dem Tode bedroht, sollte sie die Beziehung zu deren Mann fortsetzen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin, dessen Familie, sowie die Verwandten der Beschwerdeführerin seien streng gläubige Moslems. Der Schwiegervater der Beschwerdeführerin habe ihr telefonisch mitgeteilt, dass er von den Fotos wisse. Er habe ihr schreckliche Dinge, wie die Wegnahme der Kinder und die Tötung der Beschwerdeführerin, angedroht. Auch von ihren eigenen Brüdern habe sie derartige Drohanrufe erhalten. Die Beschwerdeführerin sei damals sehr verzweifelt gewesen. Sie habe bei Flüchtlingshilfsorganisationen Hilfe gesucht. Aufgrund der unmittelbar ihr gegenüber ausgesprochenen Nötigung durch die betrogenen Ehefrau habe die Beschwerdeführerin auch auf der Polizeiinspektion Anzeige erstattet. Die Beschwerdeführerin beantrage daher die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Einvernahme der Beschwerdeführerin zu dieser neuen Gefährdungssituation, welche nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz gewesen sei.
Was die Krebserkrankung der Beschwerdeführerin betreffe so habe diese zu einer schweren psychischen Traumatisierung geführt. Es lasse sich zurzeit nicht beurteilen ob der Krebs tatsächlich ausgeheilt sei. Der Beschwerdeführerin sei die Schilddrüse und die Metastasen- Geschwüre operativ entfernt worden und sei benötige Zeit ihres Lebens Hormonpräparate. Die Beschwerdeführerin fühle sich immer müde und könne die Verantwortung für die beiden Kinder nur schwer tragen.
Bei der Beschwerdeführerin treffen somit drei Gefährdungs- und Risikofaktoren zusammen: Die Gefährdung aufgrund der "stellvertretenden" Verfolgung durch die Verfolger ihres Ehemannes, die Gefährdung und besondere Risiken aufgrund ihrer Erkrankung und die Gefährdung wegen der Verfolgung durch die Schwiegereltern und die eigenen Brüder als Strafe für das unmoralische, dem Koran widersprechende Verhalten der Beschwerdeführerin.
Mit Schreiben vom 17.01.2013 machte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin geltend, dass sie an derart schwerwiegenden Erkrankungen leide, dass allein schon dieser "Erkrankungssituation" eine Rückführung in ihr Herkunftsland aus Gründen des Art. 3 EMRK nicht zulasse. Diesbezüglich wurden zwei Arztbriefe vorgelegt. Die Beschwerdeführerin leide an einem "papillären Schilddrüsenkarzinom mit mehreren Lymphknotenmetastasen" sowie Epilepsie. Sie benötige deshalb dauernde internistisch- nuklearmedizinische und neurologische Behandlung auf hohem medizinischem Niveau. All dies könne sie in ihrem Herkunftsstaat nicht erhalten. Darüber hinaus würde sie durch ihre Abschiebung in eine derartige psychische Krisensituation gestürzt werden, dass sich die auf den Gesamtgesundheitszustand dramatisch auswirken würde. Eine Abschiebung sei daher unzulässig.
Am 11.04.2013 führte der erkennende Senat des Asylgerichtshofes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin, ihr rechtsfreundlicher Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben (siehe Verhandlungsprotokoll OZ 16Z). Das Bundesasylamt teilte mit Schreiben vom 19.03.2013 mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei, beantragte jedoch aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung gegenständlicher Beschwerde.
In dieser Verhandlung legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen vor (vgl. Beilage zum o.a. Verhandlungsprotokoll):
Zwei medizinische Befunde/ Arztbriefe;
Schreiben der Volkshilfe vom 11.03.2013;
"Referenzschreiben" vom 09.03.2013.
Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung waren:
(...)
Möchten Sie zu den im erstinstanzlichen Verfahren bzw. der Berufungsschrift vorgebrachten Fluchtgründen bzw. Umständen Ihrer Flucht von sich aus eine Erklärung abgeben bzw. Richtigstellungen oder Ergänzungen vornehmen?
BF: Es war alles in Ordnung. Ich habe die Wahrheit angegeben. Ich wurde auch von den Beamten gut behandelt. Die Einvernahmen liefen sehr gut ab.
BFV legt zwei Referenzschreiben vor (wird als Anlage zum Protokoll genommen)
VR beginnt mit der Befragung:
VR: Bitte schildern Sie Ihren Lebenslauf in kurzen Worten, bis zum Zeitpunkt an dem Ihre Probleme begonnen haben.
BF: Ich bin geboren in XXXX am XXXX. Ich habe 10 Jahre die Schule besucht von 1988 bis 1998, das war auch in XXXX. Das letzte Jahr bin ich in die Schule XXXX gegangen. Dann wurde ich an der pädagogischen Universität immatrikuliert. Im Jahr XXXX habe ich die Universität absolviert, das war die Fakultät für Fremdsprachen, die englische Sprache habe ich ein Jahr in der Schule unterrichtet. Vom Jahr XXXX bis zum Jahr XXXX habe ich im Internat für schwerhörige Kinder gearbeitet. Ich habe zwei Brüder, ich habe keinen Vater mehr, er ist XXXX verstorben. Mein Vater hat als Angestellter in einem Bauunternehmen gearbeitet, er war Bauarbeiter. Meine Mutter war die Vorsitzende des XXXX. Ich habe auch eine Schwester. Mein Vater gehört der kumykischen Volksgruppe an, die Mutter war lakisch. Wir sprachen zuhause kumykisch. Ich spreche aber auch Russisch. Ich habe am XXXX geheiratet. Mein Mann hat keinen Beruf, er hat in einer privaten Firma gearbeitet, die hat seinen Vater gehört. Die Firma hieß XXXX, es war eine Firma die XXXX produziert hat. Die finanzielle Situation war durchschnittlich gut. Ich wollte diesen Mann nicht heiraten, mir wurde die Ehe aufgezwungen, des war die Entscheidung meines ältesten Bruder. Mein Bruder ist XXXX geboren. Zwischen mir und meinen Bruder sind XXXX Jahre Altersunterschied. Mein älterer Bruder wollte, dass ich den Sohn seines Freundes heirate. Mein Mann war ca. 3 Jahre älter als ich. Ich konnte leider zuhause nicht darüber erzählen, was passiert ist. Er hat mich stark geschlagen. Ich konnte mich aber an niemand wenden. Ich habe versucht, mit meinen Bruder darüber zu reden, er meinte, ich solle den Mund halten. Jeder Anlass war im Recht um mich zu schlagen, zB wenn ich etwas nicht richtig gekocht habe oder später nachhause gekommen bin, als ausgemacht, dann wurde er gewalttätig.
Festgehalten wird, dass die Konversation in weiten Teilen in der deutschen Sprache erfolgt. Die anwesende Dolmetscherin übersetzt aber aus Gründen der Rechtssicherheit.
VR: Bitte schildern Sie mir die politische und weltanschauliche Ausbildung Ihres Ehemannes.
BF: Die letzten zwei, drei Jahre wurde er ziemlich auffällig. Er begann sich einen Bart stehen zu lassen, er ist sehr religiös geworden und hat sehr oft die Moschee besucht. Ich habe vermutet, dass er Kontakt mit Widerstandsgruppen gehabt hat. Ich habe auf seinem Handy Fotos gefunden, wo er mit komischen Leuten im Wald abgelichtet ist. Ich habe ihn gefragt, was es damit auf sich hat, er hat mir allerdings geantwortet, dass ich meinen Mund halten solle und dass das nicht meine Sache ist. Nachgefragt gebe ich an, dass ich diese Fotos im Jahre 2010 das erste Mal gesehen habe.
VR: Bitte schildern Sie mir detailliert und chronologisch richtig, weshalb Sie Ihre Heimat verlassen haben.
BF: Es sind alle Probleme nach einem Vorfall am 18.03.2011 aufgetreten, das war im Dorf XXXX. Mein Mann ging mit einem Freund in eine Moschee, während des Freitagsgebetes war die Moschee von mehreren maskierten Leuten umzingelt. Wir haben nicht gewusst, wo er sich befindet. In drei, vier Tagen haben wir von einem Freund einen Anruf bekommen, dieser erzählte uns, dass sich mein Mann im Krankenhaus in XXXX befindet, in der traumatologischen Abteilung. Ich bin dann am 23.03. zu ihm ins Spital gefahren. Ich habe dann einen Verband auf der rechten Hand gesehen. Mir wurde dann berichtet, dass sie ihm vier oder fünf Finger abgeschnitten haben. Er hat mir befohlen meine Kinder mitzunehmen und Dagestan zu verlassen. Seine Eltern haben mich ins Gebirge nach XXXX gebracht, sie haben dort ein eigenes Haus gehabt. Bis zu meiner Ausreise konnte ich dort mit meinen Kindern bleiben.
VR: Wurden Sie jemals von staatlicher Seite bedroht?
BF: Nein, ich persönlich nicht, nur mein Mann. Als das damals passierte, wurde er auch mit dem Umbringen bedroht. Er hat gesagt, dass er das nicht sein lassen wird und dass er sich an andere Organe wenden wird um Schutz zu finden, nachdem er das zu den Leuten gesagt habe, hat man ihm die Finger abgeschnitten.
VR: Waren Sie nach der Flucht noch mit Familienangehörigen in Kontakt?
BF: Ja, wir hatten telefonischen Kontakt, mit meiner Familie und seiner Familie. Ende Februar, Anfang März 2012 hatte ich das letzte Mal Kontakt mit den Verwandten in Dagestan, bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich regelmäßigen Kontakt.
VR: Hat man Ihnen im Zuge dieser Telefonate mitgeteilt, ob staatliche Organe andere Familienmitglieder bedroht oder verfolgt haben.
BF: Sie haben auch meinen Schwager bedroht. Der Schwager lebte in XXXX, wo er jetzt lebt, das weiß ich nicht, jedenfalls lebte er bis Feber 2012. Meine Schwiegermutter hat mir erzählt, dass er auch bedroht wurde, aber ob ihm dann etwas passiert ist, das weiß ich leider nicht.
VR: Schildern Sie mir den Ablauf der Ereignisse vom Spitalsbesuch Ihres Manens bis zur Fahrt in die Berge.
BF: Das war ganz einfach, er sagte mir dann, dass ich Dagestan verlassen musste und seine Eltern alles organisieren werden, dort blieb ich auch bis Juni.
VR: Bitte schildern Sie mir die Ereignisse vom Spitalsbesuch Ihres Manens bis zur Fahrt in die Berge etwas detaillierter.
BF: Ich habe zsuammen mit meinen Mann im Haus der Schwiegereltern gewohnt, ich muste nach dem Besuch im Spital nochmal heimfahren, am gleichen Tag am Abend sind wir ins Gebirge gefahren.
VR: Haben Sie damals Ihre persönlichen Sachen gepackt, weil Sie davon ausgingen, dass Sie so schnell nicht mehr nachhause kommen?
BF: Ich habe nur wenige notwenige persönlichen Sachen mitgenommen, auch für die Kinder.
VR: Haben Sie damit gerechnet für längere Zeit nicht mehr nachhause zu kommen?
BF: Es war sehr spontan, ich habe das nicht gewusst.
VR: Wann hat man Ihnen zum ersten Mal mitgeteilt, dass Sie die russische Föderation verlassen werden?
BF: Zum ersten Mal habe ich das von meinem Mann gehört, da war er noch im Spital.
VR: Offensichtlich haben Sie nicht damit gerechnet, XXXX für immer verlassen zu müssen, da Sie selbst angegeben nur wenige notwenige persönliche Sachen mitgenommen haben.
BF: Ich habe nicht gewusst, dass es ein Abschied für immer sein wird.
VR: Wann wurde Ihnen klar, dass Sie für längere Zeit und weit verreisen müssen?
BF: Als ich im Haus von den Schwiegereltern gewohnt habe, habe ich gewusst, dass meine Ausreise schon vorbereitet wurde.
VR: Hat man Ihnen von XXXX noch irgendwelche Gegenstände nachgebracht?
BF: Meine Schwiegereltern haben uns einige Male besucht, sie haben uns Lebensmittel gebracht und einige persönliche Sachen, wie zB Gewand.
VR: Sie haben im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens im Zuge der Erstbefragung einige Unterlagen vorgelegt, konkret meine ich die Kopie der Geburtsurkunde, die Heiratsurkunde und die Geburtsurkunden von den Kindern und den Inlandspass des Mannes. Waren das originale Dokumente.
BF: Der Inlandspass war in Kopie, die anderen Dokumente waren Original. Ich habe die Dokumente zuhause gehabt.
VR: Sie haben ja nicht damit gerechnet, dass Sie für länger ausreisen.
BF: Mein Mann hat mir im Spital gesagt, dass ich die Dokumente mitnehmen soll.
VR: Sie gaben vorher an, nur notwendigste Sachen mitgenommen zu haben. Insbesondere erscheint es merkwürdig, dass Sie Nachweise über Immobilien in Dagestan mitnehmen, wenn Ihre Ausreise Ihnen nicht bereits in XXXX klar gewesen ist.
BF: Ich habe die Mappe mitgenommen und dort waren auch diese Kopien der Immobilie, ich habe nicht genau gewusst, was alles in der Mappe ist.
VR: Der Bruder Ihres Mannes lebte in XXXX noch mindestens ein halbes Jahr nach dem Vorfall. Ging er im Laufe diesen halben Jahres arbeiten?
BF: Er übte keine staatliche Beschäftigung aus, er fuhr zum Vater meines Mannes und half in der Firma mit.
VR: Glauben Sie, dass Sie aufgrund Ihres Mannes in der Russischen Föderation von staatlicher Seite verfolgt werden würden?
BF: Ja.
VR: Warum? Immerhin lebten ja der Bruder des Mannes bzw. andere Verwandte des Mannes zumindest ein halbes Jahr nach dem Vorfall noch immer in Dagestan.
BF: Ich denke so, als mein Mann festgenommen wurde und er gequält wurde, sagten sie, dass das auch seiner Frau (also mir) und seinen Kindern passieren würde.
VR: Sie sagten vorher, dass Ihren Mann vier oder fünf Finger abgetrennt wurden. Laut der ärztlichen Bestätigung geht hervor, dass nur ein Finger gefehlt hat.
BF: Die Hand war verbunden. Er hat gesagt, dass ihm die Finger abgeschnitten wurden, wie viel weiß ich nicht.
VR: Haben Sie das im Akteinliegende Röntgenbild im Original vorgelegt?
BF: Ja, das hat mir meine Schwiegermutter mit der Post nachgeschickt.
VR: Wann war das?
BF: Vor dem zweiten Interview im August 2011.
VR: Wissen Sie, ob Ihr Mann nach dem Vorfall im März 2011 nochmal bedroht wurde?
BF: Nein, darüber weiß ich nichts.
VR: Im Zuge von Telefonaten mit den Verwandten haben Sie nicht darüber geredet.
BF: Meine Schwiegermutter wusste nicht, wo sich mein Mann befindet.
VR: Ist Ihr Mann nach dem Spitalsaufenthalt nachhause gegangen?
BF: Er hat das Spital verlassen und ist geflüchtet.
VR: Wie ist die Schwiegermutter in den Besitz des Röntgenbildes gekommen?
BF: Das weiß ich nicht.
VR: Haben Sie den Briefumschlag noch, mit dem das Röntgenbild geschickt wurde?
BF: Ich habe den Umschlag bei der Einvernahme gezeigt, diesen dann aber weggeschmissen, da ich nicht gewusst habe, dass ich diesen noch einmal benötige.
VR: Wer hat Ihnen die Kopie des Inlandspasses Ihres Mannes gegeben?
BF: Diese Kopie war auch in der Mappe, zusammen mit anderen Kopien.
VR: Könnten Sie sich in einem anderen Teil der Russischen Föderation niederlassen?
BF: Nein, ich kann mir das nicht vorstellen. In Russland werden alle Kaukasier unter Druck gesetzt.
VR: Sie haben einen Studienabschluss, haben ein Auftreten das sich von der Bevölkerung des russischen Kernlandes kaum unterscheidet und sprechen mehrere Sprachen. Inwiefern glauben Sie, dass Sie unter Druck gesetzt werden würden?
BF: Ich muss mich registrieren lassen oder anmelden, wenn ich mich in Russland niederlassen wollte. In Moskau oder in St. Petersburg ist es unmöglich eine Arbeit zu bekommen, wenn im Pass steht, dass ich aus Dagestan komme.
VR: Trifft das auch auf die südlichen Teile des russischen Kernlandes zu?
BF: In XXXX hat der Bürgermeister angekündigt, dass Dagestaner aus der Region nicht eingestellt werden. Das steht auch im Internet.
VR: Haben Sie eine Erklärung warum Ihr Ehemann nicht auch nach Österreich geflüchtet ist?
BF: Vielleicht ist er irgendwo in Europa.
VR: Österreich wäre aufgrund der Dublin-Verordnung für ein Asylverfahren Ihres Mannes zuständig, daher wäre es sehr nahe liegend, dass er sich in Österreich befinden würde, sofern er nach Europa geflüchtet sein würde.
BF: Okay.
VR: Haben Sie legal die Russische Föderation verlassen?
BF: Nein, legal mit dem Inlandspass. Ich wurde nicht kontrolliert. Es war ein regulärer Grenzübergang, ich kenne mich damit aber nicht genau aus.
VR: Sie müssen doch wissen, ob Sie die Grenze legal passiert haben bzw. in welcher Form?
BF: Wir haben eine Grenze überschritten, ich glaube, dass es eine illegaler Grenze war. Wir sind in XXXX in einen Bus gestiegen und dann sind wir direkt nach XXXX gefahren.
VR: Wie haben Sie die Grenze von Russland in die Ukraine überschritten. Als Akademikerin muss es Ihnen klar sein wie Ihr Grenzübertritt von statten gegangen ist.
BF: Ich bin mit einem ganz normalen Linienbus von XXXX nach XXXX gefahren, wir wurden nicht kontrolliert. Wir haben den Bus auch nicht verlassen. Der Chauffeur sammelte die Pässe ein.
VR: Kann man mit einem Inlandpass die Russische Föderation verlassen?
BF: Ich glaube schon. Wenn wir über die Grenze gekommen sind, dann wird das wohl möglich gewesen sein.
VR: Hat der Chauffeur, als er die Pässe absammelte eine Bemerkung gemacht, weil es nur ein Inlandspass ist?
BF: Ich habe ihm Schmiergeld reingegeben. Er hat nichts gesagt.
VR: Wo ist der Inlandspass heute?
BF: Er befindet sich beim Schlepper. Er hat mir den Pass nicht mehr gegeben.
VR: Sie haben im Asylverfahren keinen Lichtbildausweis vorlegen können.
BF: Ich glaube, es sollte eine Kopie von meinem Pass im Akt sein.
BR: Wer hat die Kopie des Passes gemacht?
BF: Ich selbst.
BR: Warum haben Sie überhaupt eine Kopie gemacht?
BF: Der ist schon ewig in der Mappe gelegen, ich habe diese Kopie immer wieder gebraucht. Ich glaube, die Kopie des Inlandspasses habe ich zuhause.
VR: Wie lange war Ihr Mann im Krankenhaus?
BF: Ca. 10 Tage.
VR: Können Sie erklären, wie Ihr Mann ins Krankenhaus gekommen ist?
BF: In der Nacht vom 18. Auf 19. wurde er irgendwo auf die Straße geworfen und er hat dann die Ambulanz gerufen.
VR: Hat Ihr Mann gesagt, was man von ihm wollte?
BF: Ihm wurde vorgeworfen, dass er zu den Wahabiten oder Terroristen gehört. Konkreteres sagte er mir nicht.
VR: Glauben Sie persönlich, dass Sie persönlich im Falle einer Rückkehr staatlich verfolgt werden würden?
BF: Ja, das glaube ich, wegen meines Mannes.
VR: Können Sie irgendwelche Beweise für Ihre Fluchtgeschichte vorweisen?
BF: Es gibt auch Informationen im Internet darüber, was in XXXX passiert ist. Es steht aber dort kein Name von meinem Mann. Es gibt Berichte, dass damals 40 Personen festgenommen wurden.
VR: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie in die Russische Föderation zurückkehren müssten?
BF: Als wir nach Österreich gekommen sind, waren wir zuerst in XXXX, dort lernte ich eine Familie aus Dagestan kennen, XXXX. Diese zwei wurden nach XXXX transferiert. Wir haben telefoniert. Seit Dezember 2011 bis Ende Februar, Anfang März 2012 haben wir uns getroffen, damit meine ich, XXXX und ich. Wir hatten Sex gehabt. In Abwesenheit seiner Frau haben wir auch geskypt. Ich habe nicht gewusst, dass er während unserer Telefonate fotografiert hat. Dann hatte er verschiedene Aufnahmen gehabt, dabei waren auch Nacktfotos von mir. Im Jänner hat er mich einmal besucht, er verbrachte bei mir zwei Tage. Es gibt auch eine Videoaufnahme als wir intim zusammen waren, er hat mir versprochen, dass er dieses Video löschen wird. Er hat es aber nicht gelöscht. Im Feber oder Anfang März hat seine Frau die Videoaufnahmen und Fotos gefunden. Sie hat mich dann angerufen und hat mich mit dem Tod bedroht und dass sie auch meine Kinder umbringen wird. Sie hat mich mit furchtbaren Worten beschimpft. Sie hat mir auch versprochen, dass sie auch meine Familie anrufen wird. Ihr Mann und sie waren zusammen und haben meine Familie angerufen. Sie haben meine Schwiegereltern kontaktiert, sie haben ihnen auch die Fotos und das Video geschickt. Meine Schwiegereltern haben mich selbst angerufen und sagten mir, dass sie alles wissen und dass sie alles gesehen haben. Sie haben mir gesagt, dass ich eine große Schande für die Familie bin und dass sie mich überall finden, egal wo ich bin. Meine Schwiegereltern haben auch meine Brüder besucht, sie haben die Videos und Bilder hergezeigt. Meine Eltern haben mich angerufen. Mein Bruder hat mir gesagt, dass er mich umbringen wird. Es gibt auch eine bekannte russische Homepage namens XXXX, er hat mir den Link bekannt gemacht mit meinen Namen, mit den Fotos und dem Video. Zwei, drei Monate ist das alles ständig gelaufen, das war alles im Internet. Ich habe auch an den Betreiber der Homepage ein Email geschrieben und versucht, dieses Material zu löschen.
BF legt den Briefwechsel vor.
Die Dolmetscherin übersetzt das erste Mail: "Guten Tag, ich bin XXXX, jemand von meinen Bekannten hat sich unter meinen Namen registrieren lassen und die Fotos in das Internet gestellt. Ich bin eine verheiratet Frau, ich ersuche sehr um diesen Internetnutzer zu blockieren und dass ist die Homepageadresse, wo ich registriert wurde:XXXX."
BF: Dieses Video gibt es, ich habe es zuhause. Die Fotos habe ich XXXX von der XXXX geschickt.
VR: Haben Sie eine Anzeige gemacht?
BF: Ja, in der Polizeiinspektion XXXX. Ich habe auch die Polizei angerufen und die sind auch gekommen. Sie sagten, sie könnten mir nicht helfen, sie sagten, ich sollte mich ans Gericht wenden. Ich habe auch XXXX von XXXX kontaktiert, er hat mir auch gesagt, dass ich selbst eine Anzeige machen muss.
BFV: Ich werde die Anzeige beischaffen.
VR: Was befürchten Sie sofern Sie in Ihrer Heimat zurückkehren müssten?
BF: Sie werden mich umbringen, sie werden mich einfach niederstechen, egal wer. Nachgefragt gebe ich an, dass ich mit keinerlei Unterstützung rechnen kann. Ich habe gleichzeitig zwei Familien verloren.
VR: Bitte schildern Sie mir Ihre aktuelle Gesundheit.
BF: Ich habe immer das Gefühl, als ob ich nicht runterschlucken könnte. Wenn ich nervös bin, bekomme ich Atemnot. Ich hatte eine Schilddrüsenkrebsoperation, mir wurden auch Lymphknoten entfernt. Ich bin deswegen noch immer in permanenter Kontrolle, alle drei Monate muss ich zur Kontrolle in Spital. Ich leide auch unter epileptische Anfälle.
Diesbezüglich lege ich ärztliche Schreiben vor (wird in Kopie zum Protokoll genommen)
VR: Wie wäre Ihre wirtschaftliche Situation sofern Sie nach Russland zurück fahren würden.
BF: Ich möchte auch noch erwähnen, dass ich ganz allein für meine beiden Kinder zu sorgen habe. Meine Mutter hat mir eine Wohnung geschenkt, meine Brüder haben mir die Wohnung weggenommen und dass sie mich umbringen würden.
VR: Wie haben die Brüder Ihnen die Wohnung weggenommen.
BF: In Dagestan ist das normal, man bräuchte nur Schmiergeld bezahlen.
Ich könnte in Dagestan auch kaum arbeiten, ich habe meine Arbeit verloren. Meine Schwiegermutter hat früher zusammen mit mir in dem Internat gearbeitet. Es wäre sehr schwierig etwas zu finden.
VR: Bitte schildern Sie mir Ihr Privatleben in Österreich.
BF: Ich habe hier einen Freund. Er ist aus Afghanistan, er hat nur die weiße Karte, sein Verfahren ist noch im Laufen. Wir wohnen nicht zusammen, wir sind ca. 5 Monate zusammen. Auch ich helfe als Dolmetscherin bei der XXXX aus. Ich wohne in einem Flüchtlingsheim. Bei uns gibt es dort viele tschetschenische Leute und es ist ja verboten einen Freund zu haben. Ich lebe im Moment von der Grundversorgung. Ich bekomme auch noch 5 Euro als Dolmetscherin bei der XXXX. Ich habe eine österr. Freundin, sie wohnt auch in XXXX.
VR: Sind Sie vorbestraft?
BF: Nein.
BFV: Hat Ihnen Ihr Mann im Spital gesagt, warum Sie Dagestan verlassen sollen?
BF: Er hat mir gesagt, dass sie ihn bedroht haben, dass sie auch mich und die Kinder umbringen wollten.
BFV: Ich weise daraufhin, dass die BF das bereits in der polizeilichen Erstbefragung angegeben hat.
BFV: Haben Sie, solange Sie noch dort waren, mitbekommen, welche Art von Moslem Ihr Mann war?
BF: Ich glaube, dass er zu den Wahabiten gehörte. Er hat sich einen langen Bart wachsen lassen, er wurde sehr religiös und ging oft in die Moschee.
BFV: Was meinen Sie mit religiös? War er davor nicht religiös?
BF: Ja, aber nicht so gläubig.
BFV: Woraus entnehmen Sie, dass er den Wahabiten gefolgt ist?
BF: Er hat sich in den zwei, drei Jahren ziemlich verändert. Ich vermute das.
BFV: Sie wissen schon, welchen Unterschied es zwischen Wahabiten oder konservativer Moslem macht?
BF: Er gehörte zu den Wahabiten.
BFV: Sie haben jetzt keine konkreten Hinweise, wo er sich zurzeit aufhält. Was vermuten Sie, wo er sich aufhält?
BF: Im Wald.
BFV: Auf welche Umstände stützen Sie diese Vermutung?
BF: Das ist meine Vermutung. Ich habe früher schon die Fotos gesehen, wo er mit irgendwelchen Leuten im Wald war.
BFV: In der ersten Instanz wurde Ihnen das auch entgegengehalten, wie können Sie gefährdet sein, wenn Ihre Brüder nicht gefährdet sind und die Verwandten nicht gefährdet sind? Was sagen Sie dazu?
BF: Im Spital hat mir mein Mann gesagt, dass er bedroht wurde, dass auch ich und meine Kinder umgebracht werden.
VR: Wenn Sie von russischer Seite bedroht werden, warum Sie XXXX dann mit einen Linienbus verlassen haben? Wäre es nicht näher liegender gewesen, Dagestan auf geheimen Wegen oder im Privatauto zu verlassen?
BF: Meine Schwiegereltern haben mir gesagt, dass ich ausreisen muss. Sie haben mich zum Bus gebracht. Wenn man Schmiergeld zahlt ist alles möglich.
Der VR bringt den BF und dem BFV nachfolgende - vorläufige - Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat der BF unter Berücksichtigung des Vorbringens der BF auf Grund der dem Asylgerichtshof vorliegenden Informationsunterlagen (siehe oben) zur Kenntnis: Vergleiche Beilagen betreffend Dagestan (Seiten 28-30) sowie Ländervorhalt Russland allgemein.
Je ein Exemplar wird dem Beschwerdeführervertreter übergeben.
VR: Hat sich aus Ihrer Sicht die Lage in Ihrem Heimatstaat mit Blick auf die Länderfeststellungen des Bescheids vom 28.09.2011 maßgeblich verändert? Besonders hingewiesen wird auf die Feststellungen zu Dagestan.
BF: Die Situation hat sich verschlechtert, ich lese auch viel im Internet.
BF legt diverse russisch sprachige Artikel betreffend Ehrenmorde betreffend Kaukasus vor.
VR: Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Asylgewährung aufgrund privater Verfolgung nur dann in Frage kommt, wenn der betreffende Staat weder schutzfähig noch schutzwillig ist.
BFV: Aus dem Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker aus November 2012 völlig eindeutig ergibt, dass die staatlichen Behörden in Dagestan nicht nur keinen Schutz gewähren, sondern auch die Verfolger sind und das es betreffend der Thematik "Ehrenmorde an Frauen" themenspezifischen landeskundlichen Ermittlung bedarf, zumal sich auch zu diesem Thema aus dem zitierten Bericht ergibt, dass zB in der Nachbarrepublik Tschetschenien Ehrenmorde an Frauen oder schwere Übergriffe an Frauen völlig straflos bleiben und das Bild das sich hinsichtlich des Funktionieren der staatlichen Behörden in Dagestan aus sämtlichen Quellen ergibt, ein solche ist, dass eine Frau in Dagestan keine Möglichkeit hat sich wegen einer Verfolgung von privater Seite wegen "Ehrenverletzungen" aus sexuellen Gründen an staatliche Behörden zu wenden - schon gar nicht vorbeugen bevor ein tödlicher Eingriff stattgefunden hat.
Es wird daher beantragt zum Beweis dafür, dass die BF im Fall einer Rückkehr todbringende Verfolgung wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der von Ehrenmord bedrohten Frauen folgende Beweisaufnahmen durchgeführt werden.
Beischaffung der Strafanzeige, die die BF bei der XXXX im Feber oder März 2012 wegen gefährlicher Drohung erstattet hat oder Einräumung einer Frist damit der Rechtsvertreter die Anzeige beischaffen kann.
Einvernahme von Frau XXXX zum Beweis für die Veröffentlichung von Fotos im Internet und zur Richtigkeit der diesbezüglichen behaupteten Darstellung der BF und
Die oben angeführte landeskundliche Ermittlung insbesondere zu Frage, ob die staatlichen Behörden von Ehrenmord bedrohten Frauen in Dagestan Schutz gewähren können respektive wollen.
Der Rechtsvertreter beantragt eine Frist von zwei Wochen um zu den vorläufigen Länderfeststellungen Stellung zu nehmen.
VR und BR: Die Frist wird gewährt.
VR fragt den BFV, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.
VR fragt die BF, ob sie die Dolmetscherin gut verstanden haben; dies wird bejaht.
Mit Schreiben vom 24.04.2013 führte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin aus, dass sie in glaubwürdiger Weise ihr Fluchtvorbringen dargestellt und auch schriftliche Beweismittel vorgelegt habe. Das Vorbringen decke sich auch mit den allgemeinen Informationen über die Lage in Dagestan. Schon die Erstbehörde habe festgestellt, dass es in Dagestan aufgrund des sogenannten Wahabismus- Gesetzes eine exzessive Verfolgung von Personen gebe, die für verdächtig gehalten werden, dieser Bewegung anzugehören. Es bestehe durchaus auch die Gefahr, dass Familienangehörige in den Fokus der staatlichen Behörden gelangen können. Es werde der jüngste Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker über die Menschenrechtslage in den nordkaukasischen Republiken übermittelt (Report Nr. 68 aus November 2012), wo unter anderem auf Seite 11 bezüglich Dagestan ausgeführt werde, dass die BBC Dagestan im November 2011 als den gefährlichsten Ort in Russland und in Europa bezeichnet habe. Im Rahmen des Kalküls, ob der Beschwerdeführerin eine wohlbegründete Furcht vor asylerheblicher Verfolgung zuzugestehen sei, müssen alle relevanten Hintergrundinformationen über die allgemeine Lage in Dagestan ebenso miteinbezogen werden, wie das glaubwürdige Vorbringen der Beschwerdeführerin über die Ereignisse, die zu ihrer Flucht aus Dagestan geführt haben. Nichtsdestotrotz wäre für die Beschwerdeführerin eine Zurückziehung des Antrages auf Gewährung von internationalen Schutz denkbar, sofern in die Prüfung nach Art. 3 EMRK auch die allgemeine Sicherheitslage in Dagestan und die vorstehend dargelegten individuellen Sicherheitsrisiken miteinbezogen und der Entscheidung zugrunde gelegt werden, welche der Beschwerdeführerin als nunmehr alleinstehender Frau mit zwei Kindern schon aus diesen Gründen eine Rückkehr unmöglich machen.
Der vorsitzende Richter kontaktierte die Flüchtlingsbetreuerin der Beschwerdeführerin (XXXX) mit der Bitte, Erinnerun