TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/08 A10 409387-1/2009

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Veröffentlicht am 08.07.2013
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Spruch

A10 409.387-1/2009/12E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.09.2009, GZ 09 03.172-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird zu Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 und § 8 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. gemäß § 10 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 stattgegeben und dieser Spruchpunkt wird ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.03.2009 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Bei seiner Erstbefragung am 14.03.2009 gab der Beschwerdeführer unter Mitwirkung eines Dolmetschers im Wesentlichen an, er sei am 22.02.1991 geboren und gehöre der Volksgruppe der Ibo und einer christlichen Kirche an und stamme aus einem namentlich genannten Dorf im Rivers State in Nigeria, wo er von 1995 bis 2001 die Grundschule und von 2001 bis 2007 die Hauptschule besucht habe. In Nigeria lebe noch seine Mutter. Auf die Frage nach seinem Fluchtgrund antwortete der Beschwerdeführer, dass er im Alter von 15 Jahren gezwungen worden sei, der Gruppierung XXXX beizutreten. Er habe jedoch dann nicht mehr länger bei dieser Gruppe bleiben wollen und sei weggelaufen. Die Gruppenmitglieder haben nach ihm gesucht und seinen Vater getötet. Daher habe er beschlossen, sein Land zu verlassen.

 

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt am 18.06.2009 machte der Beschwerdeführer unter Mitwirkung eines Dolmetschers auf entsprechende Fragen unter anderem folgende Angaben: In seiner Heimat gebe es die XXXX. Diesen habe er seit dem Jahr 2006 angehört. Er habe Botendienste für die XXXX-Aktivisten geleistet. Im Mai 2008 habe er sich entschlossen, die XXXX zu verlassen. In weiterer Folge seien die XXXX-Aktivisten am 03.05.2008 zu ihm nach Hause gekommen, um ihn zu suchen. Sie haben seinen Vater erschossen.

 

Zu den übermittelten Länderfeststellungen gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, II. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen und III. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

In der Begründung führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass die geltend gemachten Fluchtgründe wegen der vagen und unplausiblen Aussagen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu beurteilen seien. Es bestünden auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Nigeria Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Schließlich seien auch weder familiäre noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, sodass die Ausweisung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle. Das Bundesasylamt traf im angefochtenen Bescheid auch detaillierte Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt wurde.

 

I.2. Der Asylgerichtshof gelangte aufgrund des folgenden ergänzten Ermittlungsverfahrens zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts:

 

Der Beschwerdeführer legte in der Folge eine nigerianische Geburtsurkunde mit dem Geburtsdatum XXXX vor.

 

Laut Heiratsurkunde eines österreichischen Standesamtes vom XXXX schloss der Beschwerdeführer an diesem Tag die Ehe mit einer polnischen Staatsangehörigen.

 

Laut Auszug aus dem Fremdeninformationssystem wurde dem Beschwerdeführer von der Wiener Magistratsabteilung 35 eine Aufenthaltskarte "Angehöriger eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers", gültig vom XXXX bis XXXX, ausgestellt.

 

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 05.03.2013 wurde dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betreffend die aktuelle Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht und diesem die Möglichkeit geboten, ein weiteres Vorbringen zu erstatten, insbesondere auch zu privaten und familiären Bindungen zu Österreich sowie zu seinem Gesundheitszustand.

 

Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellt der Asylgerichtshof folgenden Sachverhalt fest:

 

Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Nigeria und gehört der Volksgruppe der Ibo und einer christlichen Kirche an. Er stammt aus einem Dorf im Rivers State in Nigeria, wo er die Grund- und die Hauptschule besuchte. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer behauptete eine Bedrohung seiner Person durch die Militanten-Gruppe XXXX wegen seines Austritts, doch ist das diesbezügliche Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren und stünde gegen eine derartige Privatverfolgung jedenfalls eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

 

Das Bundesasylamt ging insgesamt zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Beweismittel für sein Vorbringen vorlegen konnte. Vor allem aber ist der Beschwerdeführer als persönlich unglaubwürdig zu betrachten, weil er unwahre Angaben zu seiner Person machte. Behauptete er während des Verwaltungsverfahrens mehrfach, dass er am XXXX geboren sei, so legte er im Zusammenhang mit seiner Eheschließung eine nigerianische Geburtsurkunde mit dem Geburtsdatum XXXX vor. Damit stellen sich aber auch alle übrigen biografischen Angaben des Beschwerdeführers, etwa zu seinem Schulbesuch, als unwahr dar.

 

Was nun die Gruppe XXXX betrifft, so ist davon auszugehen, dass mehrere militante Gruppen des Niger-Deltas ihre Aktionen unter dem Namen der XXXX durchgeführt haben. Analysten gehen davon aus, dass die XXXX ein Schirm mit dezentralisierter Struktur sei. Mehrere hochrangige Kommandanten, darunter XXXX, XXXX und Government XXXX (alias XXXX), von denen gesagt wird, dass sie zur Führungsgruppe der XXXX gehören, akzeptierten im Jahr 2009 das Amnestieangebot und stellten damit den Zusammenhalt der Gruppe in Frage (z. B. deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.05.2012; U. S. Congressional Research Service, Nigeria - Elections and Issues for Congress, 19.01.2012).

 

Der Asylgerichtshof geht vor allem aber hinsichtlich der Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Nigeria davon aus, dass es selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung in einem Teil Nigerias, etwa durch gewalttätige Personen oder Gruppen, nach den Länderberichten für eine Einzelperson möglich ist, sich auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil, etwa in einer der großen Städte, niederzulassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr zu entziehen, insbesondere angesichts der Bevölkerungsdichte sowie des fehlenden Meldewesens (z. B. U. S. Department of State, 2011 Country Reports on Human Rights Practices - Nigeria, 24.05.2012; Österreichische Botschaft Abuja, Asylländerbericht Nigeria, November 2011). Der Beschwerdeführer vermochte die diesbezüglichen Länderberichte nicht auf substanziierte Weise in Zweifel zu ziehen. Es ist letztlich nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in einem derart großen Staat wie Nigeria mit einer Einwohnerzahl von über 160 Millionen Menschen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von allfälligen Verfolgern aufgefunden werden könnte. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen jungen Mann. Dieser konnte also im Verfahren nicht näher ausführen, warum es ihm nicht möglich sein sollte, erforderlichenfalls in einem anderen Teil Nigerias eine Beschäftigung aufzunehmen und sich eine Existenzgrundlage aufzubauen.

 

Insgesamt gesehen konnte somit vom Beschwerdeführer eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Insbesondere ist laut den Länderfeststellungen in Nigeria die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln grundsätzlich gewährleistet und herrscht keine Hungersnot. Der Beschwerdeführer selbst ist volljährig und arbeitsfähig, sodass er in Nigeria zumindest durch einfache Arbeit sein nötiges Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

 

Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

 

Die Situation in Nigeria ist trotz momentaner Staatskrise grundsätzlich ruhig und von gegenseitiger Dialogbereitschaft geprägt, die Staatsgewalt, insbesondere Polizei und Justiz, ist funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias, z. B. im Plateau State, kommt es wiederholt zu religiös motivierten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Außerdem gibt es in einigen nördlichen Bundesstaaten, z. B. Kano State und Kaduna State, Angriffe auf kirchliche Einrichtungen und auf moderate Muslime durch radikalislamische Gruppierungen und Einzeltäter. Teilweise wird die Zivilbevölkerung in die gewalttätigen Konflikte hineingezogen und öffentliches Gut zerstört. Zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung setzt die Regierung das Militär und hier insbesondere die Spezialtruppe JTF ein. Abgesehen von diesen lokal und zeitlich begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig.

 

Die Präsidentschaftswahlen im April 2011 zeichneten sich als die freisten und fairsten Wahlen in der Geschichte Nigerias aus. Während des Wahlkampfes und nach Bekanntgabe der Ergebnisse kam es jedoch in vielen Städten des Nordens zu schweren Ausschreitungen, bei welchen mindestens 800 Personen ums Leben kamen. Das gewählte Staatsoberhaupt Goodluck Jonathan, ein Christ aus dem Niger Delta, führte sein bisheriges Programm des Ausgleichs zwischen Norden und Süden und der Reintegration ehemaliger Kämpfer in der Niger-Delta-Region fort. Während das Niger-Delta-Programm gut läuft, kam es aufgrund der ungleichen Lage des Südens und des Nordens immer wieder zu gewalttätigen Angriffen von extremistischen Kräften.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Diese Migrationsbewegungen finden auch statt. Die nigerianische Gesellschaft ist hochflexibel und obendrein mehrsprachig. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Personen derselben Berufsgruppe sowie Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung in einem Teil Nigerias möglich ist, sich auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederzulassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr zu entziehen, insbesondere angesichts der Bevölkerungsdichte in Nigeria sowie des fehlenden Meldewesens. In einem derart großen Staat wie Nigeria mit einer Einwohnerzahl von über 160 Millionen Menschen kann eine Einzelperson im Allgemeinen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von allfälligen Verfolgern aufgefunden werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. Auch Frauen können sich in Nigeria - wenn auch auf niedrigem wirtschaftlichem Niveau - eine Existenzgrundlage schaffen. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgung gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Auch psychische Erkrankungen können grundsätzlich behandelt werden. Die Kosten für die Medikamente und oft auch die Kosten für die Behandlung müssen grundsätzlich von den Patienten bzw. deren Angehörigen getragen werden.

 

Quellen: Bundesasylamt - Staatendokumentation, Feststellungen zu Nigeria in 10 Teilen, Oktober 2012; BAMF-IOM, Rückkehr nach Nigeria

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Länderinformationsblatt, August 2012; österreichisches Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Außen- und Europapolitischer Bericht 2011, 08.07.2012; United States Department of State, Nigeria - Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.05.2012; Amnesty International Deutschland, Amnesty Report 2012 - Nigeria, 24.05.2012; deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.05.2012; Konrad-Adenauer-Stiftung, Nigeria ein Jahr nach der Wahl

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Die Konflikte nehmen zu, April 2012; Österreichische Botschaft Abuja, Asylländerbericht Nigeria, November 2011.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK droht.

 

§ 11 AsylG 2005 lautet:

 

"(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).

 

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung im Sinn der wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen nicht glaubhaft machen konnte. Sein Fluchtvorbringen war als unglaubwürdig zu beurteilen und außerdem stünde ihm gegen eine lokal begrenzte Privatverfolgung jedenfalls eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

 

II.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann.

 

Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Im vorliegenden Fall liegen nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen, zumal in Nigeria weder eine objektiv extreme Gefahrenlage in dem geschilderten Sinn noch eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers aus in seiner Person gelegenen Gründen zu befürchten ist.

 

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den Länderberichten zu Nigeria lässt sich insbesondere keineswegs eine reale Gefahr ableiten, dass etwa ein arbeitsfähiger Mann in Nigeria keinerlei Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls wie jeder Rückkehrer auch die Möglichkeit, Unterstützung bei seinen Verwandten und Freunden bzw. bei Angehörigen seiner Volksgruppe oder seiner Kirche zu suchen.

 

Letztlich stellen sich also die vom Beschwerdeführer angesprochenen Gefahren für Rückkehrer nach Nigeria in hohem Maße als spekulativ dar. Es trifft zwar nach den Länderberichten zu, dass die Lage in Nigeria regional instabil ist, doch kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin, etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot, ausgegangen werden, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen.

 

II.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

§ 10 Abs. 7 AsylG 2005 ordnet Folgendes an: Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 8 AsylG 2005 ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.

 

Gemäß Art. 7 Abs. 1 Unionsbürgerrichtlinie hat jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

 

a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

 

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

 

c) - bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

 

- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

 

d) ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

 

Gemäß Art. 7 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie gilt das Aufenthaltsrecht nach Abs. 1 auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Abs. 1 Buchstabe a, b oder c erfüllt.

 

§ 54 Abs. 1 NAG normiert - zwecks Umsetzung der Art. 7ff Unionsbürgerrichtlinie -, dass Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt sind. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

 

Nach § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist unter anderem der Ehegatte ein Familienangehöriger im Sinn dieses Bundesgesetzes.

 

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger eines Unionsbürgers auf die Richtlinie berufen kann, sprach der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 25.07.2008, C-127/08, Metock, Slg. 2008, I-06241, Folgendes aus: Ein Drittstaatsangehöriger, der mit einem Unionsbürger, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, verheiratet ist, muss sich vor seiner Einreise in den Aufnahmemitgliedstaat nicht regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten haben, um sich auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen zu können. Vielmehr kann sich der Drittstaatsangehörige, der mit einem Unionsbürger, der sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, verheiratet ist und der diesen Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, auf die Bestimmungen der Richtlinie berufen, unabhängig davon, wo und wann die Ehe geschlossen wurde oder wie der betreffende Drittstaatsangehörige in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist ist. Darüber hinaus präzisierte der Europäische Gerichtshof im Beschluss vom 19.12.2008, C-551/07, Sahin, die Voraussetzungen, unter denen sich ein Drittstaatsangehöriger auf die Richtlinie berufen kann, dahingehend, dass die Richtlinie auch die Familienangehörigen erfasst, die unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt sind und erst dort die Angehörigeneigenschaft erworben oder das Familienleben mit diesem Unionsbürger begründet haben, wobei es keine Rolle spielt, dass sich der Familienangehörige zum Zeitpunkt des Erwerbs dieser Eigenschaft oder der Begründung des Familienlebens nach den asylrechtlichen Bestimmungen des Aufnahmemitgliedstaates vorläufig in diesem Staat aufhält.

 

Im vorliegenden Fall ist die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 unzulässig, weil diesem im Einzelfall ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt, und zwar ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 2 Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG (vgl. VfGH 28.01.2010, U 2839/09).

 

Mit der Frage, ob nun gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ein begründeter Ausspruch der dauernden Unzulässigkeit der Ausweisung auch dann vorzunehmen ist, wenn sich - wie hier - die Unzulässigkeit der Ausweisung nicht aus § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, sondern aus § 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 ergibt, hat sich der Asylgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 29.10.2010, Zl. C5 266.294-0/2008/12E, befasst:

 

Demnach liegt der Zweck eines Ausspruchs, dass die Ausweisung auf Dauer unzulässig ist, darin, dass gemäß § 44 a NAG von Amts wegen ein Aufenthaltstitel nach § 43 Abs. 2 oder § 44 Abs. 3 NAG zu erteilen ist, wenn eine Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt worden ist (vgl. die ErläutRV des BG BGBl. I Nr. 29/2009, mit dem die Bestimmung des § 10 Abs. 5 AsylG 2005 eingeführt wurde, 88 BlgNR 24. GP, 3). Fremde, denen bereits ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt, bedürfen aber keines solchen Aufenthaltstitels nach § 43 Abs. 2 oder § 44 Abs. 3 NAG.

 

Nun erlaubt die Rechtsordnung freilich, auch Fremde, die über ein Aufenthaltsrecht verfügen, unter näher bestimmten Voraussetzungen auszuweisen oder gegen sie ein Aufenthaltsverbot zu verhängen. So können gemäß § 54 FPG Fremde ausgewiesen werden, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, bzw. gemäß § 86 Abs. 1 und 2 FPG kann gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger ein Aufenthaltsverbot erlassen werden bzw. können diese ausgewiesen werden. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich aber auch, dass die Zuständigkeit für solche Entscheidungen nur den Fremdenpolizeibehörden zukommt. Während also bei Fremden, die keinen Aufenthaltstitel und kein anderweitiges Aufenthaltsrecht haben, sowohl der Asylbehörde also auch der Fremdenpolizeibehörde eine Zuständigkeit zur Ausweisung bzw. zum Ausspruch darüber, dass die Ausweisung unzulässig ist (vgl. § 66 Abs. 3 FPG), zukommt, ist dies bei Fremden, die über ein Aufenthaltsrecht verfügen, nicht der Fall.

 

Der Asylgerichtshof kommt daher zum Ergebnis, dass die Asylbehörden keine Zuständigkeit haben, in den Fällen des § 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 eine Ausweisung zu verfügen, selbst wenn die Voraussetzungen nach dem FPG vorlägen; eine solche Zuständigkeit haben nur die Fremdenpolizeibehörden. Aus demselben Grund kommt der Asylbehörde in diesen Fällen aber auch keine Zuständigkeit zu, die Unzulässigkeit der Ausweisung nach § 10 Abs. 5 AsylG 2005 auszusprechen. Diese ergibt sich vielmehr aus dem Aufenthaltsrecht selbst. Der Anwendungsbereich der Regelung des § 10 Abs. 5 erster Satz AsylG 2005, wonach über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen ist, ist somit aus teleologischen und systematischen Erwägungen auf die Fälle des § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 zu reduzieren. Das Bundesasylamt hat daher bei Vorliegen eines nicht auf das AsylG 2005 gestützten Aufenthaltsrechtes einen Ausspruch über die Ausweisung zu unterlassen, der Asylgerichtshof hat eine allenfalls vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung lediglich ersatzlos zu beheben.

 

Da es somit im Bereich des § 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 keine Zuständigkeitskonkurrenz zwischen der Asylbehörde und der Fremdenpolizeibehörde gibt, könnte aber auch ein allfälliger Ausspruch der Asylbehörde nach § 10 Abs. 5 AsylG 2005 einer späteren Ausweisung derselben Person durch die Fremdenpolizeibehörde bei Vorliegen der betreffenden Voraussetzungen, etwa gemäß § 86 Abs. 2 FPG, nicht entgegenstehen.

 

Aus diesen Gründen war Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben, ohne dass ein Ausspruch gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 zu fassen war.

 

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint bzw. sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Daran kann auch der Antrag auf Durchführung einer Verhandlung nichts ändern (VwGH 22.08.2007, 2005/01/0015, 0017).

Schlagworte
Aufenthaltsrecht, Ehe, EU-Bürger, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, Spruchpunktbehebung-Ausweisung
Zuletzt aktualisiert am
16.07.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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