TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/15 95/08/0059

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.11.2000
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
AlVG 1977 §14 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
ASVG §409;
ASVG §410;
AVG §38;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der S in  W, vertreten durch Dr. Susanne Steiner, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Stelzhamerstraße 5a, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 20. Oktober 1994, Zl. IVa-AlV-7022-0-B/4459 260357/Wels, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin beantragte am 6. Juni 1989 beim Arbeitsamt Wels die Gewährung von Arbeitslosengeld. Dabei gab sie unter anderem an, in der Zeit vom 18. Jänner 1988 bis 31. Mai 1989 als kaufmännische Büroangestellte bei den Bergbahnen Sellrain GmbH & CoKG (im Folgenden: KG) beschäftigt gewesen zu sein. Sie legte auch eine entsprechende Arbeitsbescheinigung vor.

Der Beschwerdeführerin wurde daraufhin vom 1. Juni bis 30. September 1989 und vom 6. November 1989 bis 31. Jänner 1990 Arbeitslosengeld gewährt.

Mit Schreiben vom 2. Oktober 1990 teilte das Landesarbeitsamt Oberösterreich dem Arbeitsamt mit, dass sich auf Grund eines Bescheides der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 22. Mai 1989 "Zweifel an der Versicherungspflicht" der Beschwerdeführerin in der Zeit des behaupteten Dienstverhältnisses zur Bergbahnen GmbH ergeben hätten. Bei Wegfall dieser Zeiten hätte die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Nach dem Spruch des genannten Bescheides vom 22. Mai 1989 unterliege die Beschwerdeführerin hinsichtlich der gemeldeten Tätigkeit bei der KG ab 18. Jänner 1988 nicht der Pflichtversicherung gemäß § 4 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 ASVG. Ebenso würde keine Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG begründet werden. Die Voraussetzungen für das Bestehen einer Formalversicherung im Sinne des § 21 ASVG lägen nicht vor.

Dem gegen diesen Bescheid erhobenen Einspruch der Beschwerdeführerin gab der Landeshauptmann von Oberösterreich keine Folge. Auch der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 13. April 1993 keine Folge gegeben. Nach der Begründung sei die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 18. Jänner 1988 bis 31. Mai 1989 in keinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur KG gestanden, weil diese ab 19. Jänner 1988 gar nicht mehr bestanden habe. Die Gesellschaft sei an diesem Tag von Amts wegen gelöscht worden. Es erscheine realistisch, dass die Beschwerdeführerin die von ihr angeführten Bürotätigkeiten für ihren Lebensgefährten (der Geschäftsführer der KG war) gemacht habe. Eine nähere Prüfung dieser Umstände sei jedoch nicht Sache des gegenständlichen Verfahrens.

Mit Bescheid des Arbeitsamtes vom 12. August 1994 wurde das der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Juni bis 30. September 1989 und vom 6. November 1989 bis 31. Jänner 1990 gewährte Arbeitslosengeld gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und der Betrag von S 24.894,-- gemäß § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung vorgeschrieben. Nach der Begründung habe die Beschwerdeführerin das Arbeitslosengeld zu Unrecht bezogen, da sie in keinem arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Bergbahnen GmbH gestanden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie im Wesentlichen Folgendes ausführte:

"1) Es entspricht nicht der Wahrheit, dass ich kein Arbeitsverhältnis zur Firma S. Gesmbh hatte.

2) In der Anlage überreiche ich Ihnen eine Abschrift des Handelsregisterauszuges Nr. 5664 vom Handelsgericht Innsbruck, aus dem einwandfrei zu entnehmen ist, dass a) die Gesellschaft vom Geschäftsführer zur Auflösung am 1. August 1989 gemeldet wurde und

b) am 27. April 1992 im Handelsregister gelöscht wurde.

3) Unrichtig ist auch weiterhin die Behauptung des Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass die Firma Bergbahnen S. Gesmbh & Co KG bereits am 19. Jänner 1988 von amtswegen gelöscht worden sei.

4) Zu diesem Zeitpunkt (19. Jänner 1988) könnten höchstens die Vorgesellschaft gelöscht worden sein, die wiederum hatte den Wortlaut Bergbahnen H. GesmbH & COKG.

5) Es ist weiters im Seilbahnbau üblich, da man nach dem österr. Eisenbahngesetz agieren muss, sämtliche Dokumente mit dem Firmenwortlaut GESMBH & COKG zu unterzeichnen, obwohl eine KG-Gründung und Eintragung derselben, noch nicht erfolgte. Das Bundesministerium für Verkehr verlangt bei Einreichung des Objektaktes zur Erlangung einer Bauverhandlung, den Nachweis der kompletten Finanzierung des Gesamtprojektes. Erst nach positiven Baubescheid wird die KG mit den bereits nachgewiesenen KG-Einzahlungen (Bankbestätigungen) gegründet und im Handelsregister eingetragen. Diese Vorgangsweise ist nach meinen Auskünften bei führenden Seilbahnbaufirmen branchenüblich.

6) Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes, siehe Handelsregisterauszuges, ist es mir unverständlich, dass Ihre Behörde die Auskunft erhalten haben soll, dass die GESMBH bereits per 19. Jänner 1988 gelöscht wurde.

7) Für meine Anstellung ist es keineswegs relevant, dass der Geschäftsführer Herr Peter K., gleichzeitig mein Lebensgefährte ist. Ich habe in der Zeit meiner Anmeldung ausschließlich Arbeiten für die Bergbahnen S. getätigt. Für den Vorwurf, dass ich angeblich für die Tätigkeit des Immobilienvermittlers Peter K. in dieser Zeit gearbeitet haben soll, muss ich mit Entschiedenheit zurückweisen, da Herr K. für diese Tätigkeiten eine eigene Sekretärin hatte."

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Nach der Begründung sei die Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin mit dem Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales verneint worden. Damit sei die Beschwerdeführerin auch nicht der Arbeitslosenversicherungspflicht unterlegen, sodass sie auch keine für die Begründung der Anwartschaft anrechenbare Zeit erworben habe. Die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes in der genannten Zeit sei somit zu Unrecht erfolgt. Das der Beschwerdeführerin gewährte Arbeitslosengeld sei daher gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen gewesen. Durch die Vorlage der Arbeitsbescheinigung der KG, in der ein Dienstverhältnis vom 18. Jänner 1988 bis 31. Mai 1989 bescheinigt werde, habe die Beschwerdeführerin falsche Angaben gemacht. Durch ihr Naheverhältnis zum Geschäftsführer Peter K. - er sei ihr Lebensgefährte - habe sie mit dem Sachverhalt vertraut sein müssen, dass ihre Anmeldung zur Gebietskrankenkasse nur zu dem Zweck erfolgt sei, um in den Genuss der Sozialversicherung zu gelangen, obwohl dieser Anmeldung kein Dienstverhältnis zugrunde gelegen sei. Auf Grund ihrer falschen Angaben sei auch der Rückersatz des gewährten Arbeitslosengeldes vorzuschreiben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung ist die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen, wenn sich die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt.

Der Widerruf nach § 24 Abs. 2 AlVG hängt im Beschwerdefall davon ab, ob die Beschwerdeführerin in der im Beschwerdefall offenbar maßgeblichen Rahmenfrist nach § 14 Abs. 1 AlVG von 24 Monaten vor der Geltendmachung des Anspruches "insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war". Dass sie bei der KG in dieser Form nicht beschäftigt war, ergibt sich aus dem Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 13. April 1993, an den die belangte Behörde hinsichtlich Spruch und die für die Verneinung der Versicherungspflicht auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses zur KG entscheidungswesentliche Feststellung, dass die KG ab 19. Jänner 1988 gar nicht mehr bestand, gebunden war (vgl. dazu u. a. das Erkenntnis vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0103). Da aber für die belangte Behörde eine weitere Bindung nicht bestand, war damit noch nicht geklärt, ob die Beschwerdeführerin in dieser Zeit nicht, wie sie in der Berufung behauptet, bei der GmbH beschäftigt war. Damit hat sich die belangte Behörde allerdings nicht befasst, weil sie den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales dahin interpretierte, es sei damit der Bestand einer Versicherungspflicht im relevanten Zeitraum schlechthin verneint worden.

Auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht unterließ die belangte Behörde allerdings entsprechende Feststellungen. Sie belastete deshalb den angefochtenen Bescheid schon hinsichtlich der Frage des Widerrufes mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 15. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1995080059.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten