E11 315.715-2/2010-13E
E11 315.713-2/2010-14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I.) Der Asylgerichtshof hat durch den Richter DDr. KINZLBAUER, LL.M als Vorsitzenden und die Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch RA Dr. Herbert Pochwieser, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.11.2010, Zl. 07 05.390-BAT, nach nicht öffentlicher Beratung zu Recht erkannt:
1.) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I und II des bekämpften Bescheides gemäß § 9 Abs. 1, § 9 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.
2.) Der Beschwerde gegen Spruchteil III des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, auf Dauer unzulässig ist.
II.) Der Asylgerichtshof hat durch den Richter DDr. KINZLBAUER, LL.M als Vorsitzenden und die Richterin Dr. ZOPF als Beisitzerin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch RA Dr. Herbert Pochwieser, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.11.2010, Zl. 07 05.392-BAT, nach nicht öffentlicher Beratung zu Recht erkannt:
1.) Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I und II des bekämpften Bescheides gemäß § 9 Abs. 1, § 9 Abs. 4 AsylG 2005, BGBl I 2005/100 idgF als unbegründet abgewiesen.
2.) Der Beschwerde gegen Spruchteil III des bekämpften Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, auf Dauer unzulässig ist.
Entscheidungsgründe:
I. Der Asylgerichtshof nimmt den nachfolgenden Sachverhalt als erwiesen an:
I.1. Bisheriger Verfahrenshergang
I.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß ihrer Nennung im Spruch kurz als "bP 1 und 2" bezeichnet), Staatsangehörige von Pakistan, brachten am 13.06.2007 nach gemeinsamer illegaler Einreise beim Bundesasylamt (BAA) Anträge auf internationalen Schutz ein. Dazu wurden sie erstbefragt und zu den im Akt ersichtlichen Daten von einem Organwalter des BAA niederschriftlich einvernommen.
Anlässlich der niederschriftlichen Erstbefragung gaben die bP an, dass sie gemeinsam Pakistan mit den eigenen Reisepässen auf legale Weise verlassen haben. Zu den Fluchtgründen brachten die bP vor, dass ihr Vater der Partei des Nawaz Sharif angehöre und die Regierung Probleme mit dieser Partei habe. Die bP 1 und 2 seien eines Tages zu Hause mit ihrem Vater gesessen, als eine unbekannte Gruppe in ihr Haus gekommen sei und zu schießen begonnen hätte. Daraufhin hätte sie die Gruppe mit dem Umbringen bedroht, woraufhin eine andere Gruppe in ihr Haus gekommen sei und ebenfalls zu schießen begonnen hätte. Die Angreifer hätten daraufhin die Flucht ergriffen.
Im Rahmen der Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärten die bP, dass sie in Pakistan weder vorbestraft noch jemals im Gefängnis gewesen wären. Sie seien weiters weder Mitglied einer Partei noch einer bewaffneten Gruppierung gewesen. Es werde weder vom Militär noch von der Polizei oder sonstigen pakistanischen Behörden nach ihnen gesucht. Es gebe auch keinen aufrechten Haftbefehl gegen sie.
Ihr Vater habe für die Nawaz Group gearbeitet. Seit diese Partei die Macht in Pakistan verloren habe, habe es immer wieder Probleme gegeben. Am XXXX.2007 habe es in XXXX eine Demonstration gegeben, an der auch ihr Vater teilgenommen habe. Der Vater habe etwas gegen die Regierung gesagt. Nach dieser Demonstration seien einige Leute zu den bP nach Hause gekommen und hätten die bP 1 und 2 mit dem Umbringen bedroht. In derselben Nacht seien auch die fünf bewaffneten Leute gekommen und hätten wahllos auf die im Haus befindlichen bP 1 und 2 und deren Vater geschossen. Keiner von ihnen sei verletzt worden. Die Männer seien dann wieder weggegangen und hätten sie gewarnt, dass sie sie das nächste Mal umbringen würden. Da die bP 1 und 2 Angst um ihr Leben gehabt hätten, seien sie zu den Großeltern nach XXXX gefahren, wo sie sich bis zur Ausreise versteckt gehalten hätten. Auch dort hätten sie Drohungen erhalten. Hinsichtlich der Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative gaben die bP an, dass sie Angst gehabt hätten, dass diese Männer sie überall finden würden. Der Vater habe Anzeige erstattet und sei ihm versichert worden, dass die Personen ausgeforscht werden. Bis dato sei nichts passiert, der Vater sei aber zu Hause geblieben. Die Männer hätten gesagt, dass sie die Kinder töten würden, damit ihr Vater mehr leide.
Die bP legten vor dem BAA nachstehende Unterlagen vor:
Pakistanische Personalausweise
einen Polizeibericht (FIR), welcher auf der Anzeige des Vaters der bP beruht. Aus dem FIR geht im Wesentlichen hervor, dass die bP und der Vater am XXXX.2007 von fünf unbekannten bewaffneten Personen aufgesucht worden wären, welche sie aufforderten, aus dem Haus zu kommen, sie mit dem Umbringen bedrohten und begonnen hätten, auf sie zu schießen. Die Täter seien dann vor der Polizei geflüchtet. Die Täter würden gesucht werden, hätten bis jetzt aber nicht gefasst werden können.
10 Fotos, welche die Einschusslöcher im Haus der bP zeigen
3 Zeitungsartikel, von denen einer über die Schießerei im Haus der bP berichtet, während die anderen zwei über zwei andere Überfälle berichteten
I.1.2. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit Bescheiden des BAA vom 15.10.2007 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Zugleich wurde den bP in Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. In Spruchpunkt III wurde den bP gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.10.2008 erteilt.
Die Verwaltungsbehörde traf darin aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben (u.a. Auswärtiges Amt (AA), Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Pakistan vom Juni 2006; US Department of State (USDOS), März 2007; UK Home Office, April 2007) zur allgemeinen Lage in Pakistan.
Beweiswürdigend hielt das Bundesasylamt fest, dass die bP glaubhaft die Fluchtgründe geschildert hätten, jedoch müsse zu diesen festgehalten werden, dass eine individuelle Gefährdung ihrer Personen für ganz Pakistan nicht erkennbar sei:
So hätten die bP in allen Einvernahmen angegeben, dass der Vater für die Nawaz-Sharif-Gruppierung tätig gewesen sein soll. Dies sei auch glaubhaft gewesen. Hinsichtlich der behaupteten Verfolgungshandlungen wurde befunden, dass der Vater im Zentrum der Verfolger gestanden habe, zumal auch nur dieser alleine politisch tätig gewesen sei.
Der erwähnte Vorfall, als das Haus beschossen worden sei, sei nach Ansicht der Behörde ein bewusster Racheakt gegen den Vater, bei welchem die Söhne zufällig anwesend gewesen seien. Eine gezielte Aktion gegen die bP sei nicht zu erkennen. Die bP seien keiner unmittelbaren, individuellen Bedrohung ausgesetzt gewesen. Insgesamt sei es zwar glaubhaft, dass der Vater der bP Probleme in Pakistan gehabt habe, jedoch eine individuelle Verfolgung der bP selbst bzw. eine begründete Verfolgung ihrer individuellen Personen sei nicht zu erkennen. Daher sei es nicht glaubhaft, dass die bP aus letzter Konsequenz vor Verfolgung bzw. begründeter Angst vor Verfolgung Pakistan verlassen hätten, sondern vielmehr aufgrund der vorherrschenden instabilen Sicherheitslage. Dies ergäbe sich auch aus der Angabe der bP, dass derartige Vorfälle "üblich" seien.
Festgestellt wurde jedoch ein Abschiebungshindernis aufgrund der "derzeitigen allgemeinen instabilen Sicherheitslage. Würdigend hierzu führte das BAA aus, dass in den Fällen der bP aufgrund der "aktuell vorliegenden allgemeinen Sicherheitslage" der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei, zumal für sie als Zivilpersonen eine reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung des Lebens nicht ausgeschlossen werden könne und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar sei.
I.1.3. Am 07.11.2007 brachten die bP Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG sowie Berufungen (nunmehr: Beschwerden) gegen die Bescheide des BAA vom 15.10.2004 ein. Im Wesentlichen wurde das Fluchtvorbringen wiederholt sowie weiters ausgeführt, dass die bP auch individuell, nämlich unabhängig vom Vater, verfolgt werden. In Pakistan herrsche Sippenhaftung, was bedeute, dass Verfehlungen eines einzigen Familienmitglieds die gesamte Familie betreffen. Dasselbe gelte auch für die Vergeltung. Weiters sei es in Pakistan üblich, insbesondere in Racheangelegenheiten wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen Väter damit zu bestrafen, dass ihre jungen Söhne getötet werden. Aus diesem Grund seien die bP das eigentliche Ziel der Verfolgung. Dies sei auch der Grund, weshalb der Vater der bP in Pakistan verblieben sei, während er die Söhne ins Ausland verbrachte. In Folge wurden weiters einige Artikel zu Pakistan zitiert.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der bP wurde vom Bundesasylamt mit Bescheiden vom 13.11.2007 gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG stattgegeben.
I.1.4. Der Asylgerichtshof hat mit Entscheidung vom 19.01.2010, Zl. C7 315715-1/2008/2E hinsichtlich der bP 1 sowie mit Entscheidung vom 20.01.2010, Zl. C8 315.713-1/2008/2E hinsichtlich der bP 2 die Beschwerden gegen die Bescheide vom 13.11.2007 gemäß §§ 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Dem Beschwerdevorbringen, dass die bP auch individuell, nämlich unabhängig vom Vater, verfolgt werden würden, da in Pakistan Sippenhaftung herrsche, was bedeute, dass Verfehlungen eines einzigen Familienmitglieds die gesamte Familie betreffen, sei zu entgegnen, dass sich der Vater, welcher das eigentliche Ziel der Verfolgung der Gruppe sei, weiterhin in Pakistan aufhält, ebenso wie - abgesehen von dem auch in Österreich aufhältigen Bruder - die weiteren Geschwister der bP. Insofern ginge auch das Argument, dass in Pakistan im Rahmen der Sippenhaftung insbesondere die jungen Söhne getötet werden würden, weshalb die bP das eigentliche Ziel der Verfolgung seien, ins Leere.
Ferner wurden die von der Verwaltungsbehörde der Entscheidung zu Grunde gelegten Länderberichte und die getroffenen Länderfeststellungen für den konkreten Fall als ausreichend befunden und habe sich daraus keine asylrelevante Verfolgungsgefahr der bP ableiten lassen, wie sich der Asylgerichtshof auch durch Einschau in die Folgeberichte (AA, Okt. 2008; USDOS, Feb. 2009; UK Home Office, Juli 2009) vergewissert hat.
Der Asylgerichtshof ging wie bereits die Behörde erster Instanz davon aus, dass das Fluchtvorbringen nicht geeignet war, eine individuelle Verfolgungsgefahr der bP 1und 2 zu begründen.
Der geschilderte Überfall auf das Elternhaus sowie die Probleme mit einer unbekannten Gruppe aufgrund der politischen Tätigkeit des Vaters wurden der Beurteilung zu Grunde gelegt. Das Vorbringen wurde aber nicht als asylrelevant beurteilt.
Eine gezielte gegen die bP gerichtete Verfolgung wurde aus diesem Vorfall nicht abgeleitet. Dass die bP 1 und 2 als Söhne des Vaters selbst das Ziel der Verfolgung der Terroristen gewesen sein sollen, wurde als unplausibel beurteilt, zumal die anderen Geschwister der bP weiterhin unbehelligt in Pakistan leben, was gegen eine gegen die Kinder bzw. die bP gezielte Verfolgung spricht.
Außerdem wurde festgehalten, dass eine Verfolgung durch Drittpersonen im Hinblick auf die Genfer Flüchtlingskonvention nur insofern relevant ist, als der Staat aus einem GFK-Grund nicht willig bzw. fähig ist, dem Beschwerdeführer Schutz zu gewähren. Dies wurde jedoch im konkreten Fall nicht angenommen. Die Anzeige durch den Vater der bP sowie die Vorlage des FIR und die Versicherung der Polizei, sie würden die Täter ausforschen, wurde als Begründung für ein rechtsstaatliches Vorgehen der pakistanischen Behörden herangezogen.
I.1.5. Das Bundesasylamt leitete nach mehrmaliger Verlängerung des subsidiären Schutzes ein Verfahren zur Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich der bP 1 und 2 ein.
Im Rahmen des Parteiengehörs am 08.11.2010 brachten die bP zur beabsichtigten Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, zum Entzug der befristeten Aufenthaltsberechtigungen und Verfügung der Ausweisungen aus dem Bundesgebiet wiederum vor, dass der Vater Mitglied einer politischen Partei (Partei des Nawaz Sharif, PML-N) gewesen sei. Aus diesem Grund seien die bP 2007 von der gegnerischen Partei beschossen worden. Die bP befürchten immer noch, umgebracht zu werden. Es würden jeden Tag Bombenattentate verübt. Sie hätten keinen Kontakt mehr mit ihren in Pakistan lebenden Verwandten. Sie hätten auch Freunde und Bekannte hier und würden arbeiten.
Aus den Medien und von Bekannten habe die bP 1 erfahren, dass sich die Lage in Pakistan verschlechtert habe.
Die bP 1 legte Deutschkursbestätigungen und einen Versicherungsdatenauszug vor.
Die bP 2 legte Abrechnungsbelege und einen Versicherungsdatenauszug vor.
I.1.6.1. Mit im Spruch genannten Bescheid wurde den bP der Statuts der Subsidiär Schutzberechtigten gem. § 9 Abs. 1 AsylG aberkannt (Spruchpunkt I), die befristeten Aufenthaltsberechtigungen gem. Abs 4 leg. cit entzogen (Spruchpunkt II) und wurden die bP gem. § 10 Abs. 1 aus dem Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen (Spruchpunkt III).
I.1.6.2. Begründend führte das Bundesasylamt betreffend die Feststellungen der Gründe für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Situation im Falle der Rückkehr aus, dass die bP das Herkunftsland aufgrund einer Gefährdung wegen der Zugehörigkeit ihres Vaters zu einer Oppositionspartei verlassen hätten. Die Lage im Herkunftsstaat habe sich verbessert und sei die Partei des Vaters mit einer anderen Partei in Regierungskoalition.
Es sei somit nicht mehr davon auszugehen, dass die bP einer weiteren Gefährdung ausgesetzt wären, da diese beiden Parteien nunmehr zusammenarbeiteten und Verbündete in Pakistan wären.
Eine Gefährdung konkret betreffend die Person der bP 1 und 2 sei nunmehr umso weniger anzunehmen, da die bP selbst ja niemals politisch tätig gewesen wären.
Auch lebten immer noch Familienangehörige der bP in Pakistan und sei von einer Existenzmöglichkeit der bP in Pakistan auszugehen.
Auch die Entscheidungslage in ähnlich gelagerten Fällen zeige deutlich, dass in Fällen in denen keine staatliche Verfolgung im ganzen Land gegeben ist, wie dies dem Vorbringen der bP zu entnehmen sei, jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative möglich wäre und diese den bP auch offen stehe.
I.1.6.3. Zur abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf das Bundesasylamt ausführliche Feststellungen.
I.1.6.4. Rechtlich führte das BAA hinsichtlich der bP 1 und 2 gleichlautend unter anderem an:
"Aufgrund der mittlerweile verbesserten Lage in Pakistan, vor allem auch der für Sie nunmehr günstigeren politischen Lage, war davon auszugehen, dass Sie die Möglichkeit haben in den Herkunftsstaat zurückzukehren und sich eine neue Existenz aufzubauen. Zudem zeigte sich, dass Ihre Gefährdungssituation bezüglich der gegnerischen Partei nicht mehr aktuell ist. Jedenfalls stünde Ihnen jedoch in Pakistan eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Sie verfügen auch über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte in Pakistan, die Ihnen den Neustart erleichtern können und kehren Sie gemeinsam mit dem Bruder zurück."
Weiters sei die Entscheidung mit § 9 Abs. 4 AsylG zu verbinden gewesen und kein unter § 10 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen.
I.1.6.5. Hinsichtlich des Inhaltes des angefochtenen Bescheides im Detail wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.7. Gegen die angefochtenen Bescheide der bP 1 und 2 wurde mit Schriftsatz vom 06.12.2010 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde - neben einer grundsätzlichen Wiederholung der vorangegangenen Angaben - vorgebracht, dass vom BAA begründend vor allem ausgeführt worden sei, dass sich die politische Situation im Herkunftsstaat der bP 1 und 2 verändert habe und daher im Falle der Rückkehr für die bP keine Gefahr mehr bestünde. Die Realität sei jedoch eine andere und würden die dramatischen Begebenheiten bezüglich Gewalt und Bedrohung im Herkunftsstaat der bP kein Ende nehmen. Die bP verfolgten die dortige Situation zum Teil durch die Medien.
Der in Österreich aufhältige Onkel der bP sei vor wenigen Wochen in Pakistan zur Beerdigung seiner Ehegattin gewesen. Nicht zuletzt aufgrund dessen Erzählungen hätten die bP einiges über die aktuellen Zustände im Herkunftsland erfahren. Die Eltern sowie die jüngeren Brüder der bP würden nach wie vor im Herkunftsland leben und seien die Brüder wahrscheinlich aufgrund des damals jungen Alters vor Gewalt verschont geblieben.
Mittlerweile kämen auch die in Pakistan aufhältigen Brüder der bP in ein Alter, in welchem sie Gewalt hilflos ausgeliefert wären. Der Teil der Familie, welcher in Pakistan verblieben sei, lebe keinesfalls in Ruhe und Frieden, sondern in ständiger Angst und teilweise auch versteckt. Als Beweis wurde die Einvernahme des Onkels XXXX beantragt.
Der Bruder XXXX sei vor kurzem in Pakistan von Unbekannten angegriffen und krankenhausreif verprügelt worden. Hierzu wurde ein Konvolut an Fotos vorgelegt, welche eine mehrfach verletzte Person, gemäß den Angaben der Bruder der bP, zeigen. Die in Pakistan lebende Familie würde gerne nach Österreich flüchten. Allerdings hätten sie dies auch aufgrund der mit einer Flucht verbundenen Strapazen bisher nicht geschafft. Die Behörde hätte ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, insbesondere die bP ausführlich zu befragen und die aktuelle Situation unter Berücksichtigung der Angaben der bP zu erheben gehabt.
Hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage wurde aus einigen Internetartikeln berichtet, welche von einzelnen Bombenanschlägen und Selbstmordattentätern sowie dem hohen Terrorrisiko in Pakistan berichten. Die Berichte beziehen sich insbesondere auf die Stammesgebiete.
Darüber hinaus seien die bP aus politischen Gründen - wie ihre gesamte Familie - verfolgt, was der aktuelle Übergriff auf den Bruder belege. Die Situation habe sich alleine aufgrund des Machtwechsels nicht verbessert und handle es sich bei den Verfolgern aus der Sicht der bP um Terroristen. Es gäbe auch keine Anzeichen, dass die Verfolger aus dem Jahr 2007 die bP nunmehr in Ruhe lassen würden. Der Angriff auf den Bruder in Pakistan zeige, dass bestimmte Personen die Familie nach wie vor nicht in Ruhe lassen würden und hätte sich die Situation alleine durch den Machtwechsel nicht verbessert.
Die bP verfügten in Österreich über familiäre Kontakte und weitere persönliche Kontakte. Der Onkel der bP sei österreichischer Staatsbürger und sei dessen Frau verstorben. Zwei der drei Kinder würden unter schweren geistigen und körperlichen Behinderungen leiden und fast täglich die Hilfe der bP benötigen. Aufgrund des Betreuungsbedarfes sei eine über das normale Maß an Bindung hinausgehendes Betreuungsverhältnis zwischen den Cousins und der bP gegeben. Die bP 1 sei Mitglied im XXXX Cricket Club.
Beantragt wurden unter anderem eine mündliche Beschwerdeverhandlung, die Einvernahme der bP sowie die Einvernahme des in Österreich lebenden Onkels als Zeugen.
Mit der Beschwerde wurden vorgelegt:
Fotos hinsichtlich einer verletzten Person (gemäß Angaben Bruder der bP)
Versicherungsdatenauszug der bP 1, Stand 05.11.2010
Teilnahme Intensivdeutschkurs von Jänner bis Juli 2008 der bP1bei der Caritas
Zertifikat Kursteilnahme Deutsch ohne Vorkenntnisse der bP1, September-November 2008
Deutschkurs für Fortgeschrittene Mai - Juli 2009 der bP1
Deutsch mit Vorkenntnissen Dezember 2008 bis März 2009 der bP1
Sprachdiplom A2 der bP1vom 08.07.2010
Hinsichtlich des Inhaltes der Beschwerde im Detail und des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
I.1.8. Am 30.12.2010 (Liste sozialer Kontakte in Österreich von bP1 und bP2; Lohn und Gehaltsbestätigung von bP1 11/2010) sowie am 13.09.2012 (Deutschprüfungszeugnis-DTÖ, Gesamtergebnis B1 von bP2 vom 25.08.2012) erfolgten Urkundenvorlagen.
I.1.9. Mit Mail vom 21.02.2013 wurde in Angelegenheit der Antragstellung auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 41a Z 7 NAG vom 14.02.2013 bzw. 01.02.2013 um Bekanntgabe der Verfahrensstände hinsichtlich der bP durch das Amt der XXXX Landesregierung ersucht.
I.1.10. Da die seitens der Erstbehörde getroffenen Feststellungen zur Lage in Pakistan sich nunmehr nicht mehr aktuell darstellten, deren wesentlicher Aussagekern jedoch in nach wie vor gültiger und im Wesentlichen unveränderter Form als erwiesen anzunehmen ist, wurde seitens des AsylGH mit Schreiben vom 05.04.2013 gem. § 45 (3) AVG weiterer Beweis erhoben (Übermittlung des Berichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand November 2012, Feststellungen der Staatendokumentation zu Pakistan, August 2012) und den bP bzw. deren rechtsfreundlicher Vertretung die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zu Pakistan (zur den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß -im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997- das E. vom 11.November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die erstinstanzlichen Feststellungen nach wie vor gültig sind
Darüber hinaus wurden die bP aufgefordert, Ausführungen zu Umständen, welche gegen eine Ausweisung sprechen würden, zu treffen sowie allfällige sonstige Schreiben vorzulegen.
I.1.11. Am 22.04.2013 langte eine entsprechende Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung der bP ein.
Nach Wiederholung des Vorbringens in wesentlichen Zügen wurde ausgeführt, dass die bP zu niemand mehr in Pakistan Kontakt hätten. Sollte der Vater seine politische Tätigkeit mittlerweile eingestellt haben, sei dies für die Verfolger irrelevant, da diese aufgrund dessen der Zugehörigkeit zur Nawaz Sharif Group in der Vergangenheit über dessen politische Gesinnung informiert wären und daher nach wie vor auf der Suche nach ihm sowie den bP wären. Der politische Konflikt in Pakistan habe vor den Wahlen erneut einen Höhepunkt erreicht, der bereits eine Vielzahl von Anschlägen mit Todesopfern gefordert habe.
Wie den vorgehaltenen Länderberichten zu entnehmen sei, sei die Lage in Pakistan nach wie vor dramatisch. Zitiert wurden diesbezüglich einige Passagen aus den vorgehaltenen Länderberichten hinsichtlich der Menschenrechtslage und Rechtsstaatlichkeit.
Die Feststellungen des Asylgerichtshofes seien mangelhaft geblieben, da lediglich ein lapidarer Hinweis auf "target killings", wie sie tagtäglich stattfänden, enthalten sei. Es seien keine darüber hinausgehenden Feststellungen zu den diesbezüglichen Gefahrengruppen getroffen worden, insbesondere sei der politische Hintergrund dieser Auftragsmorde nicht berücksichtigt worden. Aufgrund der Angaben, es sei ein gezielter Angriff auf die bP wegen der politischen Zugehörigkeit des Vaters erfolgt, hätte der Asylgerichtshof entsprechende Feststellungen zu target killings treffen müssen.
Untragbar sei die Feststellung, dass in Pakistan die Rechtsstaatlichkeit gewahrt sei. Verwiesen wurde auf die Ausführungen von Accord-Anfragebeantwortungen vom 28.08.2012 sowie auf den Bericht von Human Rights Watch von Februar 2008. Hingewiesen wurde nochmals, dass im Jahr 2007 gemäß Berichten ca. 1200 Anführer und Aktivisten der Pakistan Muslim Leaque - Nawaz (PML-N) verhaftet oder festgenommen worden wären.
Der ehemalige Machthaber Musharraf sei aus dem Exil zurückgekehrt mit der Drohung, Pakistan zu destabilisieren, wodurch die Bedrohung durch die Gegner der Nawaz Sharif Group wiederum hochaktuell sei. Das Leben in Pakistan sei insbesondere aufgrund der bevorstehenden Wahlen von Gewalt geprägt. Zitiert wurden hierzu Berichte aus österreichischen Tageszeitungen von April 2013.
Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Anschlages zu werden, sei bereits für Zivilpersonen extrem hoch und im Falle der bP noch erhöht, da sie bereits in der Vergangenheit einem gezielten Angriff und Morddrohungen ausgesetzt gewesen wären. Gerade nunmehr sei eine Verschlechterung der Sicherheitslage nicht ausgeschlossen, die Lage prekär und bestünde die Gefahr einer Verfolgung aufgrund der ehemaligen politischen Aktivität des Vaters.
Beantragt wurde hierzu eine Einvernahme der bP, die Einholung eines länderkundigen Sachverständigengutachtens sowie Ermittlungen vor Ort durch einen Verbindungsbeamten.
Die Fluchtgründe entsprächen der Wahrheit und seien aktuell. Die ehemaligen Verfolger würden weiterhin versuchen, die bP umzubringen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde nicht in Frage kommen, da die bP auch in anderen Teilen Pakistans einer Verfolgung durch politische Gegner des Staates ausgesetzt wären. Weder sei der pakistanische Staat Schutzfähig, noch sei den bP dessen Inanspruchnahme zumutbar. Die bP wären von der vorherrschenden desaströsen Sicherheitslage individuell betroffen und sei die Gefährdung ihrer Personen aufgrund der ausgesprochenen Drohungen maßgeblich und überdurchschnittlich erhöht.
Die bP bzw. deren Familie würden aufgrund der Zugehörigkeit des Vaters zur Gruppe Nawaz Sharifs politisch verfolgt und mit dem Tode bedroht. Es gäbe keine Hinweise, dass die Verfolger aus dem Jahr 2007 die Familie nunmehr in Ruhe leben lassen würde, was auch der Angriff auf den Bruder in Pakistan belege.
Weiters seien die bP integriert und hätten sich eine Existenz aufgebaut. Die bP verfügten über familiäre und private Bindungen in Österreich, seien schon lange aufhältig und unbescholten. Mit dem Onkel der bP und den Cousins bestünde ein besonderes Naheverhältnis und würden diese der Pflege durch die bP bedürfen.
Hierzu wurden die Einvernahme des Freundes bzw. Unterkunftgebers, des Onkels der bP sowie weiterer Freunden und Bekannten der bP beantragt und nachstehende Unterlagen vorgelegt:
Mietverträge, Wohnrechtsvereinbarung und Hausordnung betreffend die bP
ZMR und Strafregisterauszüge betreffend die bP
Zahlreiche Deutschkursbestätigungen
Prüfungszeugnisse Deutsch der bP 1 und 2
Versicherungsdatenauszug, Stand 17.01.2013 hinsichtlich der bP 1 und 2
Lohn- und Gehaltsabrechnungen der bP 1 und 2
Liste mit Freunden der bP
I.1.12. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
I.2. Basierend auf das Ergebnis des Beweisverfahrens sind folgende Feststellungen zu treffen:
I.2.1. Die bP
Bei den beschwerdeführenden Parteien bP 1 und 2 handelt es sich um pakistanische Staatsangehörige, welche sich zum Mehrheitsglauben des Islam bekennen und die Sprachen Urdu und Punjabi sprechen. Die bP 1 und 2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Männer mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten in deren Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.
Die Eltern, vier Brüder und vier Schwestern leben nach wie vor im Heimatdorf der bP (XXXX, XXXX).
Die bP 1 und 2 sind gemeinsam in Österreich eingereist und leben in einem gemeinsamen Haushalt. Der Onkel der bP, XXXX ist österreichischer Staatsbürger und lebt mit seinen drei Kindern in Österreich. Zwei der drei Kinder weisen Behinderungen auf und pflegen die bP regelmäßigen Kontakt mit ihrem Onkel und den Kindern.
Die bP sind strafrechtlich unbescholten.
Die bP 2 arbeitet seit 29.01.2008 bei XXXX und erhält ein monatliches Einkommen von ca. 1400 Eur.
Die bP 1 arbeitete von 01.02.2008 bis 23.04.2008 bei XXXX und seit 14.09.2010 bei der Firma XXXX und erhält ein monatliches Einkommen von ca. 1400 Eur.
Die bP 1 hat in den Jahren 2008 und 2009 an mehreren Deutschkursen teilgenommen und am 08.07.2010 das Österreichische Sprachdiplom, A2 Grundstufe Deutsch 2 gut bestanden.
Die bP 2 hat am 25.08.2012 den Deutsch-Test für Österreich des BMI bestanden.
I.2.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan
Zur Lage in Pakistan werden dem Erkenntnis die der bP bereits zur Kenntnis gebrachten Länderfeststellungen (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand November 2012, Feststellungen der Staatendokumentation zu Pakistan, August 2012) zugrunde gelegt, deren wesentliche Passagen sich wie folgt darstellen:
ALLGEMEINE LAGE
Block 1: Staatsaufbau, Politik, Wahlen
Pakistan ist abwechselnd von demokratisch gewählten Regierungen und Militärdiktaturen regiert worden. Im Herbst 2008 kehrte Pakistan zu demokratischen Verhältnissen zurück, nachdem der seit 1999 regierende Militärherrscher Musharraf das Land verlassen hatte, um einem drohenden Amtsenthebungsverfahren zuvor zu kommen.
Als sein Nachfolger wurde am 06.09.2008 Asif Ali Zardari, Witwer der am 27.12.2007 bei einem Attentat getöteten Benazir Bhutto und Ko-Vorsitzender der Pakistan People's Party PPP, zum neuen Präsidenten Pakistans gewählt. Pakistan wird seitdem von einer Koalitionsregierung unter Führung der PPP regiert. Nach dem Index des "World Justice Project" zur Rechtsstaatlichkeit gehört Pakistan zu den Ländern mit großen Defiziten in diesem Bereich.
Insgesamt 33 Jahre lang wurde das Land von Militärs regiert. Auch während der Perioden der zivilen Regierung behielt die Armee dominierenden Einfluss auf bestimmte Politikbereiche, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Darüber hinaus verfügt die Armee über ein umfangreiches Firmennetz und erheblichen Landbesitz. Dadurch fließen ihr neben dem Verteidigungshaushalt weitere Einnahmen zu. Die Firmen werden zumeist von pensionierten Offizieren geleitet.
Mit der Rückkehr Pakistans zur Demokratie hat sich die Lage auch insoweit geändert, als der seit Oktober 2007 amtierende Armeechef General Kayani einen Kurs der weitgehenden politischen Neutralität verfolgt. Alle Offiziere, die in zivilen Ministerien tätig waren, mussten im Frühjahr 2008 ihre Posten räumen. Kayani hat seitdem mehrfach öffentlich erklärt, die Armee werde sich nicht in die Politik einmischen. Die Grenzen dieser Zurückhaltung liegen jedoch dort, wo eine Beschneidung der bisherigen Privilegien (z.B. Budgetfreiheit) befürchtet wird.
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Baluchistan, Khyber Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province NWFP) und den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Die pakistanische Verfassung bestimmt, dass die vom Parlament beschlossenen Gesetze in FATA nur gelten, wenn dies der Präsident explizit anordnet. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), den auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegende Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bislang von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell von der Zentralregierung in Islamabad abhängig.
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. [...] Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 direkt vom Volk gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend ihrem Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre.
Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet, die von einem parteiübergreifenden Parlamentsausschuss seit Juni 2009 vorbereitet worden war. Ziel der Kommission war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die nach zahlreichen Eingriffen der Militärherrscher Zia ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Premierministers bei gleichzeitiger Schwächung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung.
(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.8.2012)
Der Premierminister Pakistans Gilani war angeklagt Untersuchungen zu Korruptionsfällen gegen Präsident Zardari nicht in Gang gebracht zu haben. Er wurde vom Höchstgericht für schuldig befunden und zu einer symbolischen Haft von wenigen Minuten verurteilt. Gilani hatte die Vorwürfe bestritten und argumentiert, dass der Präsident als Staatsoberhaupt Immunität besäße. Bei dem Verfahren gegen den Premierminister handelt es sich um eine Facette des Konfliktes zwischen Regierung und Justiz, hinter der das Militär vermutet wird.
(BBC News: Pakistani PM Gilani guilty of contempt but spared jail, 26.4.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-17848796, Zugriff 29.8.2012)
Das pakistanische Parlament hat Raja Pervez Ashraf mit großer Mehrheit zum Nachfolger des entmachteten Regierungschefs Yousuf Raza Gilani gewählt. 211 der 342 Abgeordneten stimmten laut Parlamentspräsidentin Fehmida Mirza für den Kandidaten der regierenden Pakistanischen Volkspartei (PPP).
Ashraf gehört wie Präsident Asif Ali Zardari und sein Vorgänger Gilani der PPP an und gilt als enger Vertrauter des Präsidenten.
(Zeit Online: Ashraf ist neuer Regierungschef in Pakistan, 22.6.2012,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-06/pakistan-regierungschef-ashraf, Zugriff 29.8.2012)
Der Nachfolger des vom Höchstgericht vom Amt des Premierministers aufgrund seiner Verurteilung ausgeschlossenen Gilani, Raja Pervez Ashraf wurde vom Höchstgericht ebenfalls angeklagt, da er sich weigerte, die Schweiz aufzufordern die Korruptionsvorwürfe gegen den pakistanischen Präsidenten zu prüfen. Die Vorwürfe gehen auf die Regierungszeit Benazir Bhuttos in den 1990er Jahren zurück.
(BBC News: Pakistan PM Raja Pervez Ashraf summoned over corruption case, 8.8.2012, http://www.bbc.co.uk/news/world-19175306#, Zugriff 29.8.2012)
- Parlamentswahlen 2008
Aus den Parlamentswahlen am 18. Februar 2008 war die bis dahin oppositionelle Pakistan Peoples Party (PPP) unter der Führung von Asif Ali Zardari, dem Witwer der 2007 ermordeten ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto, als Sieger hervorgegangen. Ihre Parlamentsmehrheit reichte aber für eine Alleinregierung nicht aus. Sie schloss sich deshalb mit der zweitgrößten Partei, der PML-N des ehemaligen Premierministers Nawaz Sharif, und zwei kleineren Parteien zu einer Koalition zusammen. Yousaf Rana Gilani (PPP) wurde am 24. März 2008 zum Premierminister gewählt.
Präsident Musharraf, der am 29. November 2007 als ziviler Präsident für eine weitere fünfjährige Amtszeit vereidigt worden war, trat am 18. August 2008 angesichts eines drohenden Amtsenthebungsverfahrens zurück und verließ Pakistan. Am 6. September 2008 wurde Zardari von der Nationalversammlung und den vier Provinzversammlungen zum neuen Präsidenten gewählt und am 9. September vereidigt. Politische Differenzen zwischen der PPP und der PML-N hatten wenige Tage zuvor am 25. August 2008 zum Austritt der PML-N aus der Regierungskoalition geführt. Die PPP führte seitdem eine Koalitionsregierung mit der MQM, der viertstärksten Partei im Parlament, sowie den kleineren Parteien ANP und JUI-F. Die JUI-F trat im Dezember 2010 aus der Regierung aus, danach verließ auch die MQM die Regierung. Anfang Mai 2011 gelang es jedoch der PPP, die PML-Q, die in der Regierungszeit Musharrafs gegründet worden war, als Koalitionspartner zu gewinnen. Nachdem im Sommer auch die MQM in die Regierung zurückgekehrt ist, verfügt die Regierung Zardari/Gilani über eine solide Mehrheit im Parlament. Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen stehen turnusmäßig 2013 an.
(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.8.2012)
Block 2: Allgemeine Sicherheitslage
Das Hauptaugenmerk der Armee liegt derzeit auf der Bekämpfung der Taliban und anderer jihadistischer Gruppen, die sich in den vergangenen Jahren zur zentralen Bedrohung des Landes entwickelt haben. 2009 ging die Armee mit zwei größeren Militäroperationen (im Sommer 2009 im Swat-Tal und im Oktober 2009 in Süd-Wasiristan) gegen die Taliban vor, die ihrerseits Anschläge auf militärische Einrichtungen auch außerhalb der umkämpften Gebiete ausübten (z.B. Selbstmordanschlag auf eine Kaserne in Mardan, Khyber-Pakhtunkhwa, am 10. Februar 2011 mit 32 Toten).
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)
2011 kam es in Pakistan zu insgesamt 44 Selbstmordschlägen. Dabei kamen 669 Personen ums Leben. 2010 starben noch 1.159 Personen bei 67 Selbstmordschlägen. Insgesamt kam es zu knapp 2.000 terroristischen Angriffen. Dabei starben insgesamt 2.391 Menschen und 4.389 wurden verletzt.
(HRCP - Human Rights Commission of Pakistan: State of Human Rights in 2011, March 2012,
http://www.hrcp-web.org/pdf/AR2011/Complete.pdf, Zugriff 28.8.2012 / Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012, http://san-pips.com/download.php?f=108.pdf, Zugriff 3.8.2012)
Zählt man die Opfer der terroristischen Anschläge, der militärischen Operationen, der Drohnen, der ethno-politischen Gewalt, der Gewalt zwischen verschiedenen Stämmen und der grenzüberschreitenden Gewalt zusammen, wurden im Jahr 2011 in Pakistan bei 2.985 Zwischenfällen
7.107 Menschen getötet und 6.736 verletzt.
Die Gewaltvorfälle gingen damit um 12 Prozent im Vergleich zu 2010 zurück (22 Prozent im Vergleich zu 2009), die Zahl der Todesopfer um 29 Prozent und die Zahl der Verletzten um 34 Prozent. Der Trend eines insgesamten Rückgangs von Gewaltvorfällen und Opferzahlen, der bereits im Jahr 2010 beobachtet werden konnte, hielt somit auch 2011 an.
(Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012, http://san-pips.com/download.php?f=108.pdf, Zugriff 3.8.2012)
Daneben finden auch in anderen Teilen der FATA immer wieder Gefechte statt. Die Taliban reagieren auf diese Militäroperationen mit Terroranschlägen, von denen v.a. Khyber Pakhtunkhwa und FATA betroffen sind, die sich aber auch gegen Ziele in pakistanischen Großstädten wie z.B. Karachi, Lahore und Faisalabad richten. Die Terroranschläge halten auch im Jahr 2012 an. Sie zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, religiöse Minderheiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Scharia-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis.
Die pakistanische Regierung steht in dieser Auseinandersetzung vor großen Herausforderungen: Um die militärischen Erfolge zu konsolidieren und einer Rückkehr der Taliban vorzubeugen, müssen in den zurück gewonnenen Gebieten funktionierende zivile Verwaltungsstrukturen etabliert werden, das gilt v.a. für das Rechtssystem. Außerdem muss die wirtschaftliche Entwicklung dieser Gebiete vorangetrieben werden. Schließlich gilt es, die große Zahl interner Flüchtlinge zu bewältigen, die im Sommer 2009 auf die Zahl von 2,7 Mio. angestiegen war. Mittlerweile sind die Bewohner des Swat-Tals wieder zurückgekehrt. Dennoch wird die Zahl der Binnenflüchtlinge, vor allem aufgrund der weitergehenden Kämpfe in den FATA, immer noch knapp eine Mio. geschätzt.
(AA - Auswärtiges Amt: Pakistan - Innenpolitik, Stand: März 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 2.8.2012)
Militante und terroristische Gruppen, darunter die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), eine militante Dachorganisation, zielten auf Zivilisten, Journalisten, Schulen, lokale Führungspersönlichkeiten, Sicherheitskräfte und Mitglieder der Strafverfolgungsbehörden. Außerdem waren auch Angehörige von religiösen Minderheiten ein Ziel.
Die Regierung versuchte durch verschiedene Maßnahmen die Bevölkerung zu schützen. So wurden Aktionen gesetzt, um die terroristischen Gruppen zu schwächen und die Rekrutierung durch militante Gruppen einzuschränken. So wurde gegen Mitglieder krimineller Banden und Kommandanten der TTP vorgegangen. Die Regierung betreibt aber auch weiterhin ein Zentrum zur Rehabilitation und Erziehung ehemaliger Kindersoldaten in Swat.
(USDOS - United States Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.5.2012)
Zielgerichtete Anschläge auf Personen oder Gruppen, die sich gegen die Tehreek-i Taliban Pakistan (TTP) aussprechen, halten im Berichtszeitraum an. Neben Trauerumzügen werden vermehrt auch Moscheen zu Anschlagszielen, die von Mitgliedern von Pro-Regierungsmilizen aufgesucht werden. Die Anschläge konzentrieren sich auf die Provinz Khyber-Paschtunistan (KPK) und die Stammesgebiete im Grenzgebiet zu Afghanistan (Federally Administered Tribal Areas, FATA). Am 15. März [2012] kommt der für die Außenbezirke der Provinzhauptstadt Peschawar zuständige Polizeipräsident, Kalam Khan, bei einem Selbstmordanschlag ums Leben. Khan hatte in den letzten Monaten mehrere Operationen geleitet, die militante Organisationen in den Vororten Peschawars zum Ziel hatten. Auch Angehörige der schiitischen Minderheit werden weiterhin zielgerichtet angegriffen. So wird am 28. Februar ein Fernverkehrsbus auf dem Weg von Rawalpindi nach Gilgit auf halber Strecke von bewaffneten Männern angehalten und durchsucht. Alle Insassen müssen ihre Personalausweise vorweisen, 16 als Schiiten identifizierte Männer werden erschossen. Die Busverbindung nach Gilgit bleibt für mehrere Tage unterbrochen. Busunternehmen fordern die Begleitung von staatlichem Sicherheitspersonal. Im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet mehren sich grenzübergreifende Angriffe auf pakistanische Sicherheitsposten. Vor allem in den Stammesgebieten Orakzai, Kurram und Khyber stürmen Aufständische wiederholt Sicherheitsposten und verüben Anschläge auf Pro-Regierungsgruppen. In Kurram und Khyber führt die Armee weiterhin Militäroffensiven durch, um Aufständische zurückzudrängen, zu vertreiben und strategisch wichtige Positionen zu sichern. Im Tirah-Tal im Stammesgebiet Khyber kommt es zu immer verlustreicheren Gefechten. Hier kämpft nicht nur das pakistanische Militär gegen Aufständische, sondern auch zwei rivalisierende militante Gruppierungen untereinander, die TTP und die Lashkhar-i Islam.
(HSS - Hanns-Seidel-Stiftung: Quartalsbericht, Pakistan I/2012, 5.4.2012,
http://www.hss.de/fileadmin/media/downloads/QB/Pakistan_QB_2012_I.pdf, Zugriff 3.8.2012)
Die zweite Hälfte 2011 war eine vergleichsweise friedliche Periode. Es kam zu einem Rückgang der Selbstmordanschläge und zu einem Rückgang bei Drohnenangriffen. Die Sicherheitslage verbessert sich langsam, die Gewalt hat in den letzten beiden Jahren um 24 Prozent abgenommen. Dennoch gehört Pakistan zu den brisantesten Regionen der Welt.
Die Sicherheitslage im Punjab, in Kaschmir und Islamabad hat sich wesentlich verbessert. In den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und den FATA ist die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle im Jahr 2011 jedoch gestiegen.
Sicherheitsanalysten führen verschiedenen Gründe an, welche die Militanten davon abhielten, ihre Angriffe auszudehnen, wie die militärischen Operationen in Teilen der FATA, die gestiegene Überwachung durch die Rechtsdurchsetzungsbehörden und die Verhaftung von 4.219 Terror-Verdächtigen, aber auch die US-Drohnen, die Gespräche zwischen den Militanten und dem Staat, die Dezentralisierung der TTP sowie die zunehmende Konzentration al Quaidas auf Afrika und die arabische Halbinsel.
(Pak Institute for Peace Studies: Pakistan Security Report 2011, 4.1.2012, http://san-pips.com/download.php?f=108.pdf, Zugriff 3.8.2012)
In Pakistan kam es seit 2001 aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen zu Vertreibungen in den FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Die Verwendung von Stammesmilizen, die die Menschenrechte verletzten, um militärische Ziele zu erreichen, ging auf Kosten der Rechte von IDPs und anderer Bürger.
(Brookings Institution: From Responsibility to Response: Assessing National Approaches to Internal Displacement, November 2011)
Block 3: Regionale Problemzonen - Khyber Pakhtunkhwa und FATA
Die sog. "Stammesgebiete" ("Federal Administered Tribal Areas", FATA) umfassen ca. 3 % der Fläche Pakistans; dort leben ca. 2 % der Bevölkerung. Sie unterliegen nur beschränkt der pakistanischen Jurisdiktion. Die Verfassung gewährt den FATA eine weitgehende Autonomie. Pakistanische Gesetze haben nur dann Geltung, wenn sie durch ein Dekret des Präsidenten für die FATA in Kraft gesetzt werden, was bislang nur selten geschehen ist.
Nachdem die Taliban durch Militäroffensiven aus dem Swat-Tal (April 2009) sowie aus Süd-Wasiristan (Oktober 2009) vertrieben worden waren, haben sich die meisten Taliban-Kämpfer den Auseinandersetzungen entzogen und sind in entlegenere Gebiete der sog. "Stammesgebiete" ausgewichen. Gleichzeitig haben sie Pakistan im Jahr 2009 mit einer Welle von Terroranschlägen überzogen, die sich zumeist gegen Einrichtungen der Sicherheitskräfte richtete (Armee, Polizei und ISI), der aber auch viele unbeteiligte Zivilisten zum Opfer fielen.
Die Militäroperationen gegen die Taliban werden von der großen Mehrheit der Bevölkerung und der Medien unterstützt. Grund dafür ist, dass vielen Pakistanern die Möglichkeit einer Taliban-Herrschaft erst mit der Übernahme des Swat-Tals (ein früher sehr beliebtes Urlaubsgebiet) real vor Augen geführt wurde. Tägliche Berichte über die Willkürherrschaft der Taliban (Hinrichtungen, Auspeitschung als Strafe, Sprengung von Mädchenschulen, Rekrutierung von Minderjährigen) führten dazu, dass die Taliban durch die Mehrheit als existentielle Bedrohung betrachtet werden. Auch die Terrorwelle, mit denen die Taliban und sympathisierende jihadistische Gruppen versuchen, ein Ende der Militäroperationen zu erzwingen, hat bislang noch zu keiner Kehrtwende in der öffentlichen Meinung geführt.
In den zurückeroberten, zuvor von den Taliban kontrollierten Gebieten stehen die Behörden vor den Herausforderungen des Wiederaufbaus, auch der öffentlichen Verwaltung und der Justiz. Dies gilt insbesondere für Wirtschaft, Verwaltung und Justiz. 2009 sind vor den Kämpfen in der Provinz Khyber Pakhtunwa und den "Stammesgebieten" ca. 2,7 Mio. Menschen geflohen Noch ca. 1 Mio. Binnenvertriebene warten auf die Rückkehr in ihre Heimatorte.
(AA - Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan, Stand: Juni 2011)
Die Kämpfe zwischen der Armee und den Taliban führen auch zu erheblichen Fluchtbewegungen. Nachdem im April 2009 die pakistanische Armee einen Großangriff in der Swat-Region und den umliegenden Distrikten startete, wo zahlenmäßig ein Viertel der Bevölkerung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa beheimatet ist, schätzten die Vereinten Nationen, dass mehr als 3,5 Millionen Menschen aus ihrer Heimat geflohen sind. Mittlerweile sollen zwischen 80 bis 90 Prozent der Flüchtlinge in das Swat-Tal zurückgekehrt sein. Doch bleibt die Zahl der Binnenflüchtlinge, vor allem aufgrund der weitergehenden Kämpfe in den FATA und den Überschwemmungen entlang des Indus-Flusses vom August 2010, weiterhin hoch.
(D-A-CH-Bericht: Sicherheitslage in Afghanistan. Vergleich zweier afghanischer Provinzen (Ghazni und Nangarhar) und den pakistanischen Stammesgebieten durch die drei Partnerbehörden Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, März 2011)
In den FATA operieren unterschiedliche terroristische Organisationen. Das Spektrum reicht dabei von einheimischen Aufständischen hin zu internationalen Terrororganisationen, welche die FATA als Ausgangsregion ihrer Operationen, vor allem im Kampf gegen die internationalen Verbände in Afghanistan, verwenden. Die Organisationen kooperieren fallweise, es lassen sich auf dem Gebiet der FATA folgende Gruppen festmachen.
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Tehrik-i-Taliban Pakistan
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Mullah Nazir Gruppe
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Turkistan Bhittani Gruppe
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Haqqani Netzwerk
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Gul Bahadur Gruppe
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Lashkar-e-Jhangvi (North)
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Lashkar-e-Islam
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Ansar-ul-Islam
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Tehrik-i-Nifaz-i-Shariat-i-Mohammadi.
(Analyse der Staatendokumentation: Afghanistan / Pakistan:
Extremistische Gruppierungen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, 31.1.2011)
Die Staatsmacht konnte in Teilen der FATA wiederhergestellt werden, jedoch ist die Sicherheitslage unbeständig, da viele Militante in andere Gebiete der FATA flohen.