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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Thomas Höhne, Rechtsanwalt in Wien VI, Gumpendorfer Straße 22, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 25. Oktober 1994, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin - damals Studentin - beantragte am 14. März 1994 (erstmals) Arbeitslosengeld. Sie gab an, seit September 1992 einem näher bezeichneten Studium nachzugehen und u. a. vom 18. Jänner 1993 bis zum 11. April 1993, vom 13. September 1993 bis zum 5. Dezember 1993 und vom 20. Dezember 1993 bis zum 13. März 1994 beim selben Dienstgeber arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen zu sein, wobei sie ihr letztes Dienstverhältnis nicht zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig gelöst habe.
Mit Bescheid vom 6. Mai 1994 wies das Arbeitsamt Versicherungsdienste Wien den Antrag der Beschwerdeführerin mangels Arbeitslosigkeit ab, weil die Beschwerdeführerin seit 1992 laufend einem Hochschulstudium nachgehe und "nie über längere Zeit - sechs Monate durchgehend - in einem Dienstverhältnis gestanden" sei.
In ihrer Berufung gegen diese Entscheidung machte die Beschwerdeführerin vor allem geltend, es liege ein Kettendienstverhältnis vor und die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 seien erfüllt.
Zur Frage eines Kettendienstverhältnisses nahm die belangte Behörde am 14. September 1994 eine Niederschrift mit der Beschwerdeführerin auf.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die belangte Behörde gründete diese Entscheidung - ausgehend von § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 - darauf, dass unter einer "längeren Zeit" im Sinne dieser Bestimmung ein Zeitraum von sechs Monaten zu verstehen sei, es der Post- und Telegrafendirektion als Arbeitgeber nach Ansicht der belangten Behörde freistehe, Dienstverträge für kurze Zeit abzuschließen, und "das letzte Dienstverhältnis neben dem Studium nicht sechs Monate" gedauert habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der geltend gemacht wird, die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 AlVG seien erfüllt gewesen.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat u.a. in diesem Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 25. April 1995, Zl. A 21/95, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, näher angeführte Satzteile der hier anzuwendenden Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. f und Abs. 4 AlVG in jeweils näher bezeichneten Fassungen als verfassungswidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 7. März 1996, G 72/95 u.a., den verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht angeschlossen und demgemäß u.a. den gegenständlichen Antrag abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
In dem Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0125, hat sich der Verwaltungsgerichtshof - unter Einbeziehung der Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes, auf Grund derer dieser die verfassungsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes nicht geteilt hat - ausführlich mit der Interpretation des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG in der Stammfassung und des § 12 Abs. 4 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993, (die der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 im maßgeblichen Zusammenhang vollkommen gleicht) befasst und ist dabei - soweit es im Beschwerdefall von Bedeutung ist - zum Ergebnis gelangt, dass bezogen auf einen dem "Studium" im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG obliegenden Arbeitslosen für die Dauer seines Studiums die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme (von der im § 12 Abs. 3 lit. f AlVG vorgesehenen Verneinung der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit) gemäß § 12 Abs. 4 AlVG die Parallelität von Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in mehr als 18 Wochen grundsätzlich im letzten Jahr vor Eintritt der Arbeitslosigkeit voraussetzt. Nach diesem Erkenntnis, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, genügt unter dem hier maßgeblichen Gesichtspunkt des in der Vergangenheit erbrachten Erweises einer objektiven Vereinbarkeit zwischen Studium und arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung auch ein Werkstudium während mehrerer, im Wesentlichen ununterbrochener arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse, deren letztes grundsätzlich unmittelbar der Arbeitslosigkeit vorangegangen sein muss und vom Arbeitslosen nicht zwecks Fortsetzung des Studiums freiwillig gelöst worden sein darf.
Unter dem Eintritt der Arbeitslosigkeit ist nach dem Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/08/0134, im Regelfall der Tag zu verstehen, der dem Tag der Beendigung des letzten arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses folgt, das für die Erfüllung der Anwartschaft für die betroffenen Leistungen der Arbeitslosenversicherung von Bedeutung ist.
Mit dieser Interpretation der hier anzuwendenden Rechtslagen nach der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 und der Novelle BGBl. Nr. 314/1994 steht die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Rechtsauffassung der belangten Behörde, wonach die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG eine Parallelität von Studium und Beschäftigung von zumindest sechs Monaten voraussetze und dabei nur das letzte Dienstverhältnis in Betracht zu ziehen sei, nicht im Einklang. Im vorliegenden Fall erfüllten die letzten beiden Dienstverhältnisse innerhalb des Jahres vor Eintritt der Arbeitslosigkeit - zwischen denen eine Unterbrechung von lediglich zwei Wochen lag - gerechnet vom Ende der Hauptferien 1993 bis zum Ende des zweiten Dienstverhältnisses die in den zitierten Erkenntnissen näher dargelegten Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. November 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996080155.X00Im RIS seit
18.10.2001