TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/08 A10 410447-1/2009

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Veröffentlicht am 08.07.2013
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Spruch

A10 410.447-1/2009/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.11.2009, GZ 09 08.922-BAG, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Der Beschwerdeführer brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 26.07.2009 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Bei seiner Erstbefragung am 27.07.2009 gab der Beschwerdeführer unter Mitwirkung eines Dolmetschers im Wesentlichen an, er gehöre der Volksgruppe der Ikwere und einer christlichen Kirche an und stamme aus dem Dorf XXXX im Rivers State in Nigeria, wo er sechs Jahre die Grundschule besucht habe. Seine Eltern seien verstorben. Auf die Frage nach seinem Fluchtgrund antwortete der Beschwerdeführer, dass er ein Freiheitskämpfer gewesen sei. Sie kämpfen für mehr Rechte für die Bewohner des Rivers State. Die Sicherheitskräfte haben bereits mehrere Freiheitskämpfer getötet. Da auch das Leben des Beschwerdeführers in Gefahr gewesen sei, habe er seine Heimat verlassen.

 

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt am 31.07.2009 machte der Beschwerdeführer unter Mitwirkung eines Dolmetschers auf entsprechende Fragen unter anderem folgende Angaben: In seinem Wohngebiet gebe es Erdölreserven, aber die Regierung kümmere sich nicht um die Region. Die Jugendlichen haben sich dafür stark gemacht, dass man mit der Erdölförderung aufhören solle. Die Regierung habe dann begonnen, auf die Jugendlichen schießen zu lassen. Es seien viele getötet worden und der Beschwerdeführer habe flüchten müssen. Der Beschwerdeführer sei zur Fahndung ausgeschrieben worden. Er habe den Anführer der Jugendorganisation XXXX, der er angehört habe, kontaktiert und dieser habe ihm zur Flucht verholfen.

 

Bei seiner ausführlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 27.10.2009 sagte der Beschwerdeführer unter Mitwirkung eines Dolmetschers im Wesentlichen aus, dass mehrere Tanten mütterlicherseits in Nigeria leben. Der Beschwerdeführer habe als Fischer gearbeitet. Er sei ein Freiheitskämpfer von XXXX. Sie haben Eigentum der Regierung zerstört und Öl gestohlen. Der Beschwerdeführer habe im Auftrag des Kommandanten seiner Kult-Organisation einen Mann namens XXXX getötet. Dieser habe aus dem Dorf des Beschwerdeführers gestammt und zur Regierung gehört. Manchmal habe dieser, wenn ein kleiner Betrag zu ihrer Gemeinde gekommen sei, das Geld für sich verwendet. Der Beschwerdeführer habe diesen Anfang Juli in dessen Haus erschossen. Der Beschwerdeführer sei zu dessen Haus gekommen und dieser sei gerade von der Arbeit nach Hause gekommen. Der Beschwerdeführer sei diesem in das Haus gefolgt und habe ihn drinnen erschossen, und zwar mit einer kleinen Handwaffe. Was für eine Waffe es gewesen sei, wisse er nicht. Der oberste Kommandant des Gebietes von XXXX heiße XXXX und dieser habe die Waffen an sie verteilt. Am Abend, als dieser Vorfall stattgefunden habe, sei der Beschwerdeführer im Busch gewesen. Die Soldaten seien in ihr Dorf gekommen und haben angefangen zu schießen. Einige der Mitglieder seien getötet worden. Auf weitere Nachfragen gab der Beschwerdeführer unter anderem noch an, dass er in der vierten Volksschulklasse der Gruppe XXXX beigetreten sei. Im Jahr 2004 sei er einmal verhaftet und nach drei Tagen wieder freigelassen worden. Außerdem haben sie noch mit anderen Kult-Organisationen Probleme gehabt. Im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria würden ihn die gegnerischen Organisationen XXXX und XXXX sowie die Familienangehörigen von XXXX töten. Die abschließende Frage, ob es bei der Einvernahme Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Bei seiner Beschuldigtenvernehmung durch die Kriminalpolizei am 27.10.2009 betreffend den Verdacht des Verbrechens des Mordes erklärte der Beschwerdeführer, dass er dem XXXX-Kult, XXXX hingegen dem XXXX-Kult angehört habe. Der Beschwerdeführer habe gemeinsam mit einem zweiten Mann von ihrem Kult-Anführer den Auftrag zu dem Mord bekommen. Der Anführer XXXX habe dem Komplizen eine Schusswaffe gegeben, in der sich vermutlich nur eine Patrone befunden habe. Die Waffe sei 40 cm lang gewesen. Sie sei geladen gewesen und daher könne der Beschwerdeführer nicht erklären, wie diese zu laden sei. Der Beschwerdeführer habe zuvor noch nie mit einer Schusswaffe geschossen. Bei der gegenständlichen Tat habe der Komplize die Waffe gehabt. Dieser sei XXXX in das Haus gefolgt und der Beschwerdeführer sei vor dem Haus geblieben, er sei nicht in das Haus gegangen. Der Komplize habe sich weniger als 20 Minuten in dem Haus aufgehalten. Der Beschwerdeführer habe weder Stimmen noch Schüsse gehört. Nach Vorhalt seiner Aussage bei der letzten Einvernahme durch das Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer an, dass es damals Verständigungsprobleme gegeben habe.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, II. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen und III. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

In der Begründung führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass die geltend gemachten Fluchtgründe wegen der näher dargelegten Widersprüche in den Aussagen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu beurteilen seien. Es bestünden auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr nach Nigeria Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Schließlich seien auch weder familiäre noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, sodass die Ausweisung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle. Das Bundesasylamt traf im angefochtenen Bescheid auch detaillierte Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt und auf einige Berichte über die Lage in Nigeria hingewiesen wurde.

 

I.2. Der Asylgerichtshof gelangte aufgrund des folgenden ergänzten Ermittlungsverfahrens zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts:

 

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 05.03.2013 wurde dem Beschwerdeführer zur Wahrung des Parteiengehörs das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betreffend die aktuelle Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht und diesem die Möglichkeit geboten, ein weiteres Vorbringen zu erstatten, insbesondere auch zu privaten und familiären Bindungen zu Österreich sowie zu seinem Gesundheitszustand.

 

Der Beschwerdeführer gab in seiner Stellungnahme vom 19.04.2013 neben einer Wiederholung seines Fluchtvorbringens mit näherer Begründung an, dass die Sicherheitslage in vielen Bundesstaaten Nigerias prekär sei, insbesondere im Niger-Delta einschließlich des Rivers State, der Heimat des Beschwerdeführers. Nach den Berichten des U. K. Home Office vom 06.01.2012, des U. S. Congressional Research Service vom 18.07.2012, von IRIN vom 27.09.2012, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 09.12.2010 und von Amnesty International vom 05.02.2013 sei es trotz des Amnestieprogramms noch nicht zu dem erhofften Frieden gekommen und gehen die Sicherheitskräfte mit exzessiver Gewalt vor. Nach einem Bericht des Fund for Peace vom 11.12.2012 gebe es gewalttätige Konflikte zwischen verschiedenen Kult-Organisationen. Der Beschwerdeführer habe der Kult-Organisation XXXX (auch XXXX) angehört. Diese verfolge politische Ziele und werde von den Sicherheitskräften bekämpft. Dem Beschwerdeführer würde im Fall seiner Rückkehr die Todesstrafe drohen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gebe es nicht.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellt der Asylgerichtshof folgenden Sachverhalt fest:

 

Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Nigeria und gehört der Volksgruppe der Ikwere und einer christlichen Kirche an. Er stammt aus einem Dorf im Rivers State in Nigeria, wo er sechs Jahre die Grundschule besuchte und danach als Fischer arbeitete. Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund und arbeitsfähig.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Der Beschwerdeführer behauptete eine Bedrohung seiner Person durch die Sicherheitsbehörden und durch eine Kult-Organisation wegen der Tötung eines Menschen, doch ist das diesbezügliche Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren.

 

Das Bundesasylamt ging insgesamt zu Recht davon aus, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer keinerlei Beweismittel für sein Vorbringen vorlegen konnte. Vor allem aber stellen sich die Aussagen des Beschwerdeführers zu zentralen Fragen als inkohärent und widersprüchlich dar.

 

So sagte dieser bei seiner Einvernahme am 27.10.2009 aus, dass er im Auftrag des Kommandanten seiner Kult-Organisation einen Mann in dessen Haus erschossen habe. Er sei zu dessen Haus gekommen und dieser sei gerade von der Arbeit nach Hause gekommen. Der Beschwerdeführer sei diesem in das Haus gefolgt und habe ihn drinnen erschossen, und zwar mit einer kleinen Handwaffe. Was für eine Waffe es gewesen sei, wisse er nicht. Der oberste Kommandant des Gebietes von XXXX heiße XXXX und dieser habe die Waffen an sie verteilt.

 

Demgegenüber gab der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme am 27.10.2009 an, dass er gemeinsam mit einem zweiten Mann den Auftrag zu dem Mord bekommen habe. Der Anführer XXXX habe dem Komplizen eine Schusswaffe gegeben, in der sich vermutlich nur eine Patrone befunden habe. Die Waffe sei 40 cm lang gewesen. Sie sei geladen gewesen und daher könne der Beschwerdeführer nicht erklären, wie diese zu laden sei. Der Beschwerdeführer habe zuvor noch nie mit einer Schusswaffe geschossen. Bei der gegenständlichen Tat habe der Komplize die Waffe gehabt. Dieser sei dem Opfer in das Haus gefolgt und der Beschwerdeführer sei vor dem Haus geblieben, er sei nicht in das Haus gegangen. Der Komplize habe sich weniger als 20 Minuten in dem Haus aufgehalten. Der Beschwerdeführer habe weder Stimmen noch Schüsse gehört.

 

Mag es nun auch verständlich erscheinen, dass der Beschwerdeführer bei einer Beschuldigtenvernehmung nicht sich selbst, sondern einen Komplizen belastet, so weichen diese beiden Schilderungen des Beschwerdeführers inhaltlich auch in mehreren weiteren wesentlichen Punkten voneinander ab. Behauptete der Beschwerdeführer nämlich bei der einen Einvernahme, dass der oberste Kommandant des Gebietes von XXXX namens XXXX die Waffen an sie verteilt habe, so sagte er bei der anderen Einvernahme aus, der Anführer XXXX habe dem Komplizen eine Schusswaffe gegeben. Und sprach der Beschwerdeführer bei der einen Einvernahme von einer kleinen Handwaffe, so behauptete er bei der anderen Einvernahme, die Waffe sei 40 cm lang gewesen. Unplausibel erscheint auch die Darstellung des Beschwerdeführers, der nach eigenen Angaben jahrelang Mitglied einer Militanten-Gruppe gewesen sein will, dass er nicht weiß, wie die verwendete Waffe heißt und wie man diese lädt.

 

Die Beschwerde trat der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides nicht substanziiert entgegen. Auch die floskelhafte Behauptung des Beschwerdeführers, dass es bei der Einvernahme durch das Bundesasylamt nicht näher dargelegte Verständigungsprobleme gegeben habe, kann angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer am Schluss dieser Vernehmung die Frage nach Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher ausdrücklich verneinte, nicht überzeugen.

 

Insgesamt gesehen konnte somit vom Beschwerdeführer eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in seinem Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Insbesondere ist laut den Länderfeststellungen in Nigeria die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln grundsätzlich gewährleistet und herrscht keine Hungersnot. Der Beschwerdeführer selbst ist volljährig und arbeitsfähig, sodass er in Nigeria zumindest durch einfache Arbeit sein nötiges Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

 

Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

 

Der Beschwerdeführer verbrachte nach eigenen Angaben den Großteil seines Lebens in Nigeria. In Nigeria leben noch mehrere Tanten des Beschwerdeführers. Erst im Juli 2009 reiste der Beschwerdeführer illegal nach Österreich ein und hält sich seither rund vier Jahre aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber im Bundesgebiet auf.

 

Auf besondere private oder familiäre Bindungen des Beschwerdeführers zu Österreich, etwa eine Tätigkeit in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, gibt es keinen Hinweis. Ein Beschäftigungsverhältnis oder die Ablegung einer Sprachprüfung wurde nicht einmal behauptet. Der Beschwerdeführer ist gegenwärtig obdachlos. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

 

Die Situation in Nigeria ist trotz momentaner Staatskrise grundsätzlich ruhig und von gegenseitiger Dialogbereitschaft geprägt, die Staatsgewalt, insbesondere Polizei und Justiz, ist funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias, z. B. im Plateau State, kommt es wiederholt zu religiös motivierten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Außerdem gibt es in einigen nördlichen Bundesstaaten, z. B. Kano State und Kaduna State, Angriffe auf kirchliche Einrichtungen und auf moderate Muslime durch radikalislamische Gruppierungen und Einzeltäter. Teilweise wird die Zivilbevölkerung in die gewalttätigen Konflikte hineingezogen und öffentliches Gut zerstört. Zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung setzt die Regierung das Militär und hier insbesondere die Spezialtruppe JTF ein. Abgesehen von diesen lokal und zeitlich begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig.

 

Die Präsidentschaftswahlen im April 2011 zeichneten sich als die freisten und fairsten Wahlen in der Geschichte Nigerias aus. Während des Wahlkampfes und nach Bekanntgabe der Ergebnisse kam es jedoch in vielen Städten des Nordens zu schweren Ausschreitungen, bei welchen mindestens 800 Personen ums Leben kamen. Das gewählte Staatsoberhaupt Goodluck Jonathan, ein Christ aus dem Niger Delta, führte sein bisheriges Programm des Ausgleichs zwischen Norden und Süden und der Reintegration ehemaliger Kämpfer in der Niger-Delta-Region fort. Während das Niger-Delta-Programm gut läuft, kam es aufgrund der ungleichen Lage des Südens und des Nordens immer wieder zu gewalttätigen Angriffen von extremistischen Kräften.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Diese Migrationsbewegungen finden auch statt. Die nigerianische Gesellschaft ist hochflexibel und obendrein mehrsprachig. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Personen derselben Berufsgruppe sowie Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung in einem Teil Nigerias möglich ist, sich auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederzulassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr zu entziehen, insbesondere angesichts der Bevölkerungsdichte in Nigeria sowie des fehlenden Meldewesens. In einem derart großen Staat wie Nigeria mit einer Einwohnerzahl von über 160 Millionen Menschen kann eine Einzelperson im Allgemeinen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von allfälligen Verfolgern aufgefunden werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. Auch Frauen können sich in Nigeria - wenn auch auf niedrigem wirtschaftlichem Niveau - eine Existenzgrundlage schaffen. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgung gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Auch psychische Erkrankungen können grundsätzlich behandelt werden. Die Kosten für die Medikamente und oft auch die Kosten für die Behandlung müssen grundsätzlich von den Patienten bzw. deren Angehörigen getragen werden.

 

Quellen: Bundesasylamt - Staatendokumentation, Feststellungen zu Nigeria in 10 Teilen, Oktober 2012; BAMF-IOM, Rückkehr nach Nigeria

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Länderinformationsblatt, August 2012; österreichisches Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Außen- und Europapolitischer Bericht 2011, 08.07.2012; United States Department of State, Nigeria - Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.05.2012; Amnesty International Deutschland, Amnesty Report 2012 - Nigeria, 24.05.2012; deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.05.2012; Konrad-Adenauer-Stiftung, Nigeria ein Jahr nach der Wahl

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Die Konflikte nehmen zu, April 2012; Österreichische Botschaft Abuja, Asylländerbericht Nigeria, November 2011.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK droht.

 

§ 11 AsylG 2005 lautet:

 

"(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).

 

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine drohende Verfolgung im Sinn der wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen nicht glaubhaft machen konnte. Sein Fluchtvorbringen war als unglaubwürdig zu beurteilen.

 

II.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann.

 

Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Im vorliegenden Fall liegen nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen, zumal in Nigeria weder eine objektiv extreme Gefahrenlage in dem geschilderten Sinn noch eine konkrete Gefährdung des Beschwerdeführers aus in seiner Person gelegenen Gründen zu befürchten ist.

 

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers sowie den Länderberichten zu Nigeria lässt sich insbesondere keineswegs eine reale Gefahr ableiten, dass etwa ein arbeitsfähiger Mann in Nigeria keinerlei Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Der Beschwerdeführer hat jedenfalls wie jeder Rückkehrer auch die Möglichkeit, Unterstützung bei seinen Verwandten und Freunden bzw. bei Angehörigen seiner Volksgruppe oder seiner Kirche zu suchen.

 

Letztlich stellen sich also die vom Beschwerdeführer angesprochenen Gefahren für Rückkehrer nach Nigeria in hohem Maße als spekulativ dar. Es trifft zwar nach den Länderberichten zu, dass die Lage in Nigeria regional instabil ist, doch kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin, etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot, ausgegangen werden, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen.

 

II.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

§ 10 Abs. 7 AsylG 2005 ordnet Folgendes an: Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 8 AsylG 2005 ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die näheren Umstände der Zumutbarkeit der Übersiedlung des Partners in das Heimatland des Beschwerdeführers sowie die Frage, inwieweit die Dauer des Asylverfahrens dem Beschwerdeführer anzulasten ist (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, RN 39; 24.11.2009, 1820/08, Omojudi, RN 41; VfGH 07.10.2010, B 950/10; 01.07.2009, U 992/08 und U 1104/08; 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219).

 

Im vorliegenden Fall stellt die Verfügung einer Ausweisung des Beschwerdeführers - im Hinblick auf seinen rund vierjährigen Aufenthalt in Österreich - einen Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK dar.

 

Jedoch ergab die Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes, dass dieser Eingriff in das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens im gegenständlichen Fall notwendig und verhältnismäßig ist (vgl. zur zwingend vorgesehenen Ausweisung von Asylwerbern nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens zwecks Vermeidung einer Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch das Stellen von Asylanträgen z. B. VfGH 17.03.2005, G 78/04, und VwGH 08.09.2000, 2000/19/0043).

 

Denn nach den Feststellungen verbrachte der Beschwerdeführer den Großteil seines Lebens in Nigeria. In Nigeria leben noch mehrere Tanten des Beschwerdeführers. Erst im Juli 2009 reiste der Beschwerdeführer illegal nach Österreich ein und hält sich seither rund vier Jahre als Asylwerber im Bundesgebiet auf. Trotz dieser langen Aufenthaltsdauer misslang dem Beschwerdeführer jedoch eine entsprechende, ins Gewicht fallende Integration in die österreichische Gesellschaft, insbesondere durch eine ausreichende Erwerbstätigkeit oder durch ausreichende Sprachkenntnisse.

 

Der Beschwerdeführer konnte keine aktuell bestehenden familiären Anknüpfungspunkte in Österreich glaubhaft machen. Jedenfalls wäre ein Familienleben auch zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem den Beteiligten der bloß vorübergehende Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers bewusst gewesen sein musste. Es trifft zwar zu, dass der Beschwerdeführer auf Grund eines Asylantrages vorläufig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, doch erwies sich dieser letztlich als unbegründet, sodass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt über einen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügte. Im vorliegenden Fall kann die Verfahrensdauer des Asylverfahrens von vier Jahren allerdings nicht dem Beschwerdeführer angelastet werden, weil sich dieser nie dem Verfahren entzog.

 

Auch kamen im Zuge des Verfahrens keine besonders schützenswerten Aspekte des Privatlebens hervor. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Ein Beschäftigungsverhältnis oder die Ablegung einer Sprachprüfung wurde nicht einmal behauptet. Auch vorübergehende oder geringfügige Arbeitsverhältnisse, wie sie realistischerweise auch für Asylwerber mit geringen beruflichen und sprachlichen Qualifikationen möglich sind und in vielen Fällen verwirklicht werden, etwa als Zeitungszusteller, Erntehelfer, Küchenhelfer oder Reinigungskraft, wurden vom Beschwerdeführer während des Zeitraumes von rund vier Jahren nicht eingegangen. Von der Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit kann keine Rede sein. Der Beschwerdeführer ist gegenwärtig obdachlos gemeldet.

 

Insgesamt ergab also die Abwägung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers mit den öffentlichen Interessen, dass die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes schwerer wiegen als die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Dieser ist letztlich mit seinem Einwanderungswunsch auf die Möglichkeiten zu verweisen, einen Aufenthaltstitel in Österreich nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu erlangen. Dabei ist insbesondere auch ein gesicherter Lebensunterhalt nachzuweisen. Die vom Bundesasylamt ausgesprochene Ausweisung begegnet daher auch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt keinen Bedenken.

 

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint bzw. sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Daran kann auch der Antrag auf Durchführung einer Verhandlung nichts ändern (VwGH 22.08.2007, 2005/01/0015, 0017).

Schlagworte
Ausreiseverpflichtung, Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Interessensabwägung, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, soziale Verhältnisse, vorläufige Aufenthaltsberechtigung
Zuletzt aktualisiert am
16.07.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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